Die perfekte Mutter. Zur Auseinandersetzung behinderter Frauen mit dem Müttermythos


Diplomarbeit, 1996

148 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Einleitung

I. Muttermythos und Realität
I.1. Das Frauen- und Mutterbild, das vermittelt wird
I.2. Die Realität - was von Müttern erwartet wird
I.3. Mütter heute - zwischen unbeschreiblichem Zustand des Glücks und tiefen Selbstzweifeln und Schuldgefühlen

II. Behinderung und Gesellschaft
II.1. Das Bild behinderter Menschen in der Gesellschaft
II.1.1. aus der Perspektive nichtbehinderter Menschen
II.1.2. aus der Perspektive behinderter Menschen
II.2. Verschiedene Definitionen zu Behinderung
II.3. Ideal, Normal, Anders - Definitionen
II.4. Situation behinderter Frauen - weiblich, nebenbei -
II.5. Situation behinderter Mütter- „keine Arme, keine Kekse“ -

III. Die Lebenssituation und die Charakterisierung von contergangeschädigten Menschen
III. 1. Geschichtlicher Abriß von Contergan
III. 2. Kindheit von „Contergan - Kindern“
III.2.1. Mädchenerziehung
111.3. Von der Presse beobachtet
111.4. Ehrgeiz, Stolz, stark für sich und andere
111.5. Alltag - „Danke, ich mache das alleine!“ -Wie lange noch?
III.6. Partnerschaft

IV Empirischer Teil
IV.l. Die theoretischen Grundlagen
IV.2. Die Hypothesen zur Auseinandersetzung mit der Mutterrolle
IV.3. Das Interview
IV.3.1. Die Fragen
IV.4.Die Durchführung
IV.5. Die Auswertung
IV.5.1. Kategorien zur systematischen Erfassung der Interviewaussagen:

V Ergebnisse
V.1. Frau A
V. 1.1. Vorbemerkungen zu Interview A
V. 1.2. Deskriptive Analyse des Interviews A
V. 1.3. Interpretative Analyse des Interviews A
V.2. Frau B
V.2.1. Vorbemerkungen zu Interview B
V.2.2 Deskriptive Analyse des Interviews B
V.2.3. Interpretative Analyse des Interviews B
V.3. Frau C
V.3.1. Vorbemerkungen zu Interview C
V.3.2. Deskriptive Analyse des Interviews C
V.3.3. Interpretative Analyse des Interviews C
V.4. Frau D
V.4.1. Vorbemerkungen zu Interview D
V.4.2. Deskriptive Analyse des Interviews D
V.4.3. Interpretative Analyse des Interviews D
V.5. Frau E
V.5.1. Vorbemerkungen zu Interview E
V.5.2. Deskriptive Analyse des Interviews E
V.5.3. Interpretative Analyse des Interviews E
V.6. Auswertung
V.6.1. Schematischer Überblick der zusammenfassenden Auswertung
V 6.2. Zusammenfassende Auswertung

VI. Schlußwort

Literatur liste

Vorwort

Die Idee zu dieser Arbeit hatte ich, weil ich mich mit dieser The­matik sehr oft und intensiv auseinandergesetzt habe. Ich bin contergangeschädigt, mit zwei Händen an der Schulter, geboren. Ich bin Mutter von zwei Söhnen, sie sind 113/4 und 73/4 Jahre alt.

Ich habe in der langen Zeit vieles bei mir beobachten können, und mich hat es interessiert zu untersuchen, ob das nur bei mir so ist oder ob das auch bei anderen Conterganfrauen zutrifft.

Bei mir habe ich beobachten können, daß ich mich immer sehr stark unter Druck setzte, alles perfekt zu machen. Was ich mir als Ziel stecke, das versuche ich bestmöglich zu erreichen. Ge­nauso hoch wie der Druck sind auch meine Selbstzweifel und Schuldgefühle (meinen Kindern gegenüber).

Als ich schwanger war, stand mein Umfeld dem eher ablehnend gegenüber, keiner konnte mir das richtig zu trauen. Daraus ent­wickelte sich bei mir besonderer Ehrgeiz. Ich las viele Bücher über Kinder und machte mir schon vorher viele Gedanken, wie ich was machen könnte. Vieles konnte ich realisieren, manches mußte ich neu ausprobieren. Meine Kinder mußten viel zurück­stecken, da ich einiges nicht leisten konnte. Ich mußte ihnen in wichtigen Dingen sehr enge Grenzen stecken, da es entweder darum ging, sie zu schützen oder. ich. meine Kräfte schonen mußte. Trotzdem gab es viele Situationen, in denen ich mich überforderte. Noch mehr um Hilfe bitten zu müssen, hätte für mich bedeutet, zuzugeben, daß ich vielleicht doch nicht geeignet bin. Besonders in den ersten Jahren stand ich unter einem er­heblichen Beweisdruck, zeigen zu müssen, daß ich meine Kinder großziehen kann. Ich war bemüht, es allen recht zu machen, die Ahnung von Kindererziehung hatten. Außerdem mußte ich mir selbst auch zeigen, daß ich mich nicht überschätzt hatte. Und trotzdem blieb bei mir oft das Gefühl zurück, etwas falsch ge­macht zu haben.

Meine Kinder sind sehr lebhaft, und nicht nur ich bezeichne sie als auffällig.

Doch für mich stellte sich die Frage, woher kommt die Auffällig­keit? Wie jede „gute“ Mutter suchte ich erst mal die Schuld bei mir.

Aber ist sie der Behinderung zuzuordnen oder den anderen fa­miliären Schwierigkeiten? Bei meinen Kindern kann man das ganz schwer trennen. Ich denke, daß der Grundstein doch bei meiner Behinderung zu suchen ist. Denn auch bei den anderen Conterganfrauen konnte ich ähnliche Verhaltensweisen der Kin­der beobachten.

Wie viele meiner Interviewpartnerinnen habe auch ich etwas lok- ker lassen können. Gerade in den letzten Jahren habe ich meine Situation mit den Kindern sehr reflektiert und mir bewußt ge­macht, daß keine Mutter perfekt sein kann. Denn was für die ei­nen Kinder richtig sein mag, ist es nicht für die Anderen. Ich ha­be versucht, vieles nicht wie meine Mutter zu machen, und mußte feststellen, daß ich mit einigem gescheitert bin und mit anderen Dingen nicht. Aber ich mußte auch sehen, daß man­ches, was meine Mutter tat, in der Situation das Richtige war. Es war ein langer Weg, herauszufmden, was für meine Kinder das Richtige ist, egal was andere dazu sagen.

Von meiner Situation ausgehend, habe ich verschiedene Fragen gestellt.

Setzen sich andere Conterganfrauen auch so unter Druck, stän­dig beweisen zu müssen, daß sie das schaffen1, was sie sich vor­genommen haben?

Welche Erziehungsform haben sie für sich gewählt?

Wie gehen die Frauen mit dem Muttermythos um? - Wie nah las­sen sie die gesellschaftliche Norm an sich heran, bzw. in ihr Le­ben herein?

Einleitung

Einleitend möchte ich meine Vorgehensweise beschreiben.

Im Theorieteil gehe auf das Bild der Mutter in unserer Gesell­schaft ein. Wie definiert sich die Mutterrolle, welche Aufgaben haben Mütter zu erfüllen?

Dann beschreibe ich die allgemeine Situation von behinderten Menschen. Wichtig dabei ist mir, wie sie leben und wie sie von der Gesellschaft gesehen werden. Dabei setze ich für diese Arbeit Schwerpunkte, einige Aspekte des Lebens behinderter Menschen muß ich dabei vernachlässigen.

In dem darauffolgenden Teil beschreibe ich explizit die Situation der Conterganfrauen. Hierbei lege ich auch auf die Geschichte wert, die diese Frauen geprägt hat, damit der Leser (Leserin) die Beweggründe der Frauen im Interviewteil besser nachvollziehen kann.

Im Interviewteil versuche ich, die einzelnen Kategorien und Hy­pothesen herauszuarbeiten.

Am Ende werden alle Interviews zusammen ausgewertet, um ei­nen Überblick darüber zu geben, ob die Hypothesen bei den Frauen zutreffen. Dadurch, daß die Frauen zufällig gewählt wor­den sind, erhoffe ich mir, ein repräsentatives Bild machen zu können.

I. Muttermythos und Realität

1.1. Das Frauen- und Mutterbild, das vermittelt wird

Für mich stellte sich die Frage: wie kann ich diese Bilder be­schreiben, ohne dabei in Klischees zu verfallen? Bei den Vorbe­reitungen bemerkte ich, daß ich nicht umhin komme, mich mit scheinbar oberflächlichen Zuschreibungen der Frauen zu befas­sen.

Was eine Frau mit Kindern an Erwartungen zu erfüllen hat, kann man manchmal schon fast als unmenschlich bezeichnen, doch was eine Frau leisten muß, um zu rechtfertigen, daß sie bewußt keine Kinder bekommen will, ist auf anderer Ebene ebenso hoch. Sie sollte dann wenigstens erfolgreich im Beruf sein, denn sonst hätte sie auch Mutter werden können. Frauen ohne Kinder stellen eine Besonderheit dar, obwohl sich aus ver­schiedenen Gründen immer mehr Frauen bewußt gegen Kinder entscheiden. Sie sind keine Minderheit mehr, werden aber als solche behandelt. Müttern wird in dem Buch „Wieviel Mutter braucht der Mensch“ folgendes gesagt:

„Haben sie sich einmal für die Mutterschaft entschieden, dürfen sie sich über die damit verbundenen Probleme nicht laut beklagen. Denn sie haben diese Rolle ja frei gewählt - niemand hat sie gezwungen, ein Kind zu bekommen. Wenn sie zu den damit verbundenen Verzichtleistungen nicht bereit waren, hätten sie eben nicht Mutter werden dürfen. Nun müssen sie auch die Ver­antwortung für diesen Schritt übernehmen. Das Wunschkind hat ein Recht auf eine gute Mutter. Depressive, unglückliche, aber auch hektische und überfor­derte Frauen sind keine guten Mütter - das weiß heute jede Frau. (H. Schenk, 1996, S.192)

Als ich in verschiedenen Büchern nach dem Mutterbild suchte, fand ich fast nur die Realität der Mütter. In manchen Nebensät­zen verbarg sich der Mythos, was von einer Mutter erwartet wird.

Die Beschreibung, was sie tatsächlich davon leisten kann, war weit ausführlicher beschrieben.

Meine Darstellung der Mutter stützt sich hauptsächlich auf die Bücher: „Das Superfrauen-Syndrom“ von C. Bepko, J.A. Krestan „Mütter sind das Salz der Erde“ von S. Kitzinger, „Von wegen Rabenmutter...“ von J. Swigart „Wieviel Mutter braucht der Mensch“ von H. Schenk.

S. Kitzinger schreibt in ihrem Buch, daß es immer noch eher selbstverständlich ist, daß junge Mädchen einmal heiraten und Kinder bekommen. In den westlichen Teilen der Erde sind Be­griffe wie Schande und Ehre in den Hintergrund getreten, dafür aber ist es die romantische Liebe, die die Töchter in die Ehe und Mutterschaft treibt.

„Die Liebe läßt Frauen ihren eigenen Wert ausschließlich aus männlicher Sicht bemessen und bewegt sie, sich so zu verpacken und zu präsentieren, daß sie für Männer attraktiv sind, und zu glauben, ein Kind sei die Ausweitung der Romanze.“ (S. Kitzinger, 1993, s.282ff)

In Sachbüchern, Romanen und Zeitschriften wird genau be­schrieben, wie eine Frau auszusehen, was sie zu tun hat, welche Diät am besten wirkt. Denn es ist die schlanke, aktive, ein wenig politisch interessierte und intelligente Frau, die von den Män­nern gewollt wird.

Sie wird gelehrt, daß es das höchste Glück ist, von einem Mann geliebt zu werden. ( S. Kitzinger) Und um das zu erreichen, unterwirft sie sich bestimmten Ver­haltensmustern, die ihr beigebracht wurden. Sie will alles recht machen und alle Pflichten hundertprozentig erfüllen. Für viele Frauen ergeben sich daher „moralische Verpflichtun­gen“ und unbewußte „Verhaltensnormen“.

In dem Buch das „Superfrauensyndrom“ wird vom Kodex der Pflichterfüllung der Frauen geschrieben.

„SEI ATTRAKTIV : eine Frau ist so gut, wie sie aussieht

SEI EINE DAME : Eine Frau verliert nie die Selbstbeherrschung

SEI SELBSTLOS UND IMMER FÜR ANDERE DA : Eine Frau ist zum Geben geboren LEISTE BEZIEHUNGSARBEIT : Eine Frau ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt SEI KOMPETENT UND KLAGE NICHT : Eine Frau schafft alles und wirkt nie über­fordert" (C. Bepko/J. Krestan 1994 S. 23)

Weiter schreibt C. Bepko:

Dieser Zwang der Pflichterfüllung ist bei all den Dingen, die die Frauen täglich tun, zu beobachten. Die Handlungen gehen schon in Fleisch und Blut über, die Handgriffe scheinen einfach und deshalb werden sie auch nicht sonderlich von ihr und ande­ren bemerkt.

„Sie gibt, stellt her, arbeitet, plant, säubert, organisiert, bringt in Ordnung, ver­ausgabt sich, bemüht sich und erwartet von sich, emotional da zu sein für Männer, Kinder, Chefs, Mitarbeiter, Angestellte, Freunde, Eltern, die Kirche, zu gelaufene Katzen und überhaupt für den Rest der Welt, (ebd., S.17)

Es entsteht ein Kreislauf aus Bemühen und dem Wunsch nach Anerkennung. Schon bald muß sie feststellen: egal was sie tut, es wird nie reichen. Denn je kompetenter, erfolgreicher, je mehr emotionale Zuwendung sie geben will, desto mehr verstrickt sie sich in Selbstzweifel und Schuldgefühle, weil sie ihr Ziel nicht erreicht.

Zu den Pflichterfüllungen, die den Frauen auferlegt werden, ge­hört auch, sich als gute Mutter zu erweisen.

In diesem Zusammenhang fehlt meiner Meinung nach im Kodex von C. Bepko noch eine Regel:

SEI EINE GUTE MUTTER : Denn die Kinder sind das Spiegelbild Deiner selbst.

Eine Mutter muß aufopfernd, selbstlos, geduldig, verständnis­voll, ausgeglichen, kämpferisch, liebevoll, beschützend, einfach perfekt sein, und man darf ihr die Anstrengung möglichst nicht ansehen. In jeder Situation muß sie wissen, wie sie reagiert, und das Richtige tun. Fehler werden nicht akzeptiert oder sogar an­geprangert. (S. Kitzinger)

Romantische Bilder mit Weichzeichner vermitteln in Büchern und in der Werbung der werdenden Mutter, daß es nichts schö­neres gibt, als ein Baby zu bekommen. Die Babys sehen immer sehr glücklich aus, sie sind zufrieden. Die Mütter sehen immer wie aus dem Ei gepellt aus, im Neglige beugen sie sich glücklich über ihre schlafenden Kinder im aufgeräumten sauberen Zim­mer. Den Müttern auf den Bildern sieht man keine Anstrengung an. Wie sie es geschafft haben, alles so ordentlich, sauber zu halten, sich und das Kind in Harmonie vereint, ist und bleibt ein Rätsel. Dieser Meinung ist auch J. Swigart.

Verschiedene Gesellschaften verbinden mit der Geburt, je nach geschichtlicher Epoche, eine Vielzahl unterschiedlicher Überzeu­gungen und Wertvorstellungen, sowie Verhaltensweisen. Es gab Zeiten, in denen die Frau in der Familie erst mit dem Kind eine anerkannte Stellung bekam. Damit war Autorität und Verant­wortung verbunden, die ihnen Achtung verschaffte. Je nach Zeitalter und Verhältnissen, zog sie ihr Kind alleine auf, übergab es einer Amme oder gab es ganz weg in andere Familien.

Weiterhin schreibt E. Badinter in ihrem Buch von Kindesver- nachlässigung, davon, daß die Frauen nur Kinder bekamen, weil sie sie als Arbeitskraft brauchten. In bestimmten Zeiten gehörte es zum guten Ton, seine Kinder nicht alleine aufzuziehen. Je hö­her die Stellung der Frau in der Gesellschaft war, desto weniger hatte sie meist mit dem Kind zu tun. Es schien, als hätten die Mütter keine Beziehung zu ihren Kindern.

Erst im 18. Jahrhundert wandelte sich langsam die Einstellung zu Kindern. Rousseau forderte die Mütter auf, ihre Kinder zu lie­ben, selbst zu stillen und zu versorgen. Rousseau gehörte zu den Vertretern der neuen Ideologie, aus der die Mutterliebe entstand. Den Frauen wurde befohlen, sich um ihre Kinder zu kümmern. Mit dem Begriff Mutterliebe wurde eine Aufwertung der Frau in ihrer Rolle als Mutter sichtbar. Liebe und Mutterschaft wurden miteinander verbunden und gesellschaftlich verherrlicht. Im Laufe der nun folgenden Jahrhunderte festigte sich diese Ideolo­gie.

„ Wenn das 18.Jahrhundert - soviel kann man jetzt schon sagen - den Gedan­ken der elterlichen Verantwortung aufbrachte, so hat das 19.Jahrhundert ihn voll aufgenommen und dabei die Verantwortung der Mutter hervorgekehrt, während das 20.Jahrhundert den Begriff der mütterlichen Verantwortung in den Begriff der mütterlichen Schuld umwandelte." (E. Badinter, 1981,S.141)

Eines haben aber die verschiedenen Jahrhunderte gemeinsam: Es gab immer Wissenschaftler, Gelehrte, Theologen, meist Män­ner, die die Situation der Mutter veränderten. Schon damals wußten „diese Herren“ es besser als jede Frau, was für die Kin­der gut oder schlecht ist. Was in dem einen Jahrhundert als richtig erschien, wurde in einem anderen verpönt. (E. Badinter) Mutterliebe sei etwas natürliches, daß jede Frau in sich trüge. Die Fähigkeit der Mutter, Leiden (Schuldgefühle, Selbstzweifel, Verzicht) wortlos zu akzeptieren, werde ja durch die „Freuden der Mutterschaft“ ausgeglichen, so E. Badinter.

Was passiert nun aber mit den Frauen, die das nicht erkennen oder nicht sehen wollen? S. Kitzinger schrieb dazu, daß sie noch viel schlimmer leiden werden, denn die Schuldgefühle, die an diese Stelle treten, wo die Mütter der Kinder wegen hätten leiden müssen, es aber nicht wollten, lassen sie an sich selbst als gute Mutter zweifeln.

Während früher2 ein Baby eine traditionelle Rolle spielte (Es war Bindeglied zu den Vorfahren, Besiegelung der Ehe, das den Wert der Frau höher stiegen ließ.), ist es heute3 nur noch eine zusätz­liche „Investition“, die „angeschafft“ wurde, nachdem das Haus gebaut, das Auto und die Stereoanlage gekauft wurden. Die El­tern sind bestrebt, den vorherigen Zustand schnellstmöglich wieder herzustellen.

Das Kind soll das Heim verschönern, das Eheleben bereichern, aber nicht belasten. Arbeitgeber, Kollegen, Freunde und auch der Partner erwarten das häufig von der Mutter. Zur Normalität zurückkehren, schreibt J. Swigart.

1.2. Die Realität - was von Müttern erwartet wird.

Was müssen Mütter alles geben, damit das herauskommt, was erwartet wird? Was für ein Bild wird vermittelt, und wie sieht die Realität mit Kindern aus?

Wenn nicht bis dahin, spätestens aber jetzt als Mutter, ist die Gefahr für eine Frau groß, sich bis zur seelischen Selbstaufgabe zu überfordern.

Den Müttern wird die alleinige Verantwortung für ihre Kinder übertragen, oder sie auch alleine gelassen werden.

„Ich habe auf einmal das Gefühl, ich bin völlig unfähig, mein Kind zu versor­gen. Wie soll ich das alles schaffen? Diese Riesenverantwortung. Von mir hängt ein Leben ab. Meine Tochter ist mir hilflos ausgeliefert, und wenn ich was falsch mache, muß sie darunter leiden." (H. Schenk, 1996, S. 192)

Die logische Konsequenz wäre, daß sie auch alleine entscheiden dürften, was für ihre Kinder gut ist. Aber das wird ihnen schwer gemacht, denn manchmal sind es Entscheidungen, die nicht konform gehen mit den Ratschlägen und Anweisungen, die in Büchern und Zeitschriften zu lesen sind, oder von dem sozialen Umfeld nicht gebilligt werden.

Wenn „falsche“ Entscheidungen getroffen worden sind, dann deutet die Gesellschaft mit einem kollektiven Zeigefinger auf die „Rabenmütter“. (J. Swigart)

Die Mythen der guten und der schlechten Mutter verleiten zu Irrglauben, daß sie alleine verantwortlich sind für das, was aus ihren Kindern wird.

„In Wirklichkeit jedoch ist das Aufziehen von Kindern ein Gemeinschaftsunter­nehmen, bei dem Väter, das familiäre Umfeld und die ganze Gesellschaft in­sofern eine Rolle spielen, als daß sie sich entweder aktiv am Wohlergehen der Kinder beteiligen oder ihre Anteilnahme verweigern." (J. Swigart 1991, S. 18) J. Swigart fährt fort:

Es ist wohl eher so aufgeteilt, daß die aktive Teilnahme vorher (und auch später) in Form von Ratschlägen, Anleitungen ge­schieht. Funktioniert etwas nicht wie geplant, dann steht die Mutter meist alleine da. Es wird ihr die Schuld gegeben, irgend etwas falsch gemacht zu haben.

Schon zu Beginn einer Schwangerschaft wird die werdende Mutter mit Ratschlägen überhäuft, meint S. Kitzinger.

Sobald eine Schwangerschaft festgestellt wird, muß sie sich ei­nem Gesundheitssystem unterwerfen, das ihre Sorgen als be­langlos behandelt, und erwartet, daß sich die Frau dieser Für­sorge ohne viele Fragen ausliefert. Nur wenige Frauenärzte neh­men sich mehr Zeit für werdende Mütter.

Aber die Fragen wollen beantwortet werden. Die werdende Mut­ter beginnt dann, viele Bücher zu lesen, in der Hoffnung, eine Antwort zu finden, damit sie ihr Kind perfekt erziehen kann.

„ Sie liest Bücher über jeden Aspekt der Geburt und Kindererziehung mit dem Ziel, ein behütetes, emotional ausgeglichenes, hochintelligentes, kreatives, gut erzogenes menschliches Wesen zu produzieren und aufzuziehen, das sei­ne Existenz in der Welt vollauf rechtfertigt.“ (S. Kitzinger 1993, S.l 7)

Was sie findet, ist weit mehr als eine Antwort. Das Bild der Mutterschaft, das den Frauen vermittelt wird, ist idealisiert.

Im Gegensatz zu der Zeit, in der man in Großfamilien lebte und dadurch zwangsläufig häufiger mit einem Baby zu tun hatte, kommen heutige junge Erwachsene nicht oft mit Babys in Be­rührung.

Sie haben keine Ahnung, was auf sie zukommen wird. Sie wis­sen nicht, daß das Bild, das vermittelt wird, trügt.

Sie wissen nicht, daß ein Baby ständige Betreuung braucht, daß es lange schreien kann, ohne einen erkennbaren Grund, daß es das Leben der Mutter beherrscht und vor allem, daß man es nicht zurückgeben kann, schreibt S. Kitzinger.

Der Alltag einer Mutter ist weit entfernt von den Müttern in den vielen Büchern.

Dort wird gesagt: Machen sie das, und das Kind wird dann dies tun. Weit gefehlt! Schon bei der Geburt zeigt das Kind, wer der „Herr“ im Haus sein wird. Es kommt, wann es will und nicht nach Plan.

Wenn nicht romantisch, wie muß man sich dann den Alltag ei­ner Mutter vorstellen? Was bedeutet es für eine Frau, tagtäglich für Kinder zu sorgen, die Verantwortung zu tragen?

„ Bei kleinen Kindern zu bleiben bedeutet oft, in einer beengten Umgebung festzuhocken...Bei einem Kind zu bleiben bedeutet, eine Verantwortung zu übernehmen, die so schwer und ehrfurchtgebietend ist, daß man sie unter­drücken oder verleugnen muß: Es bedeutet, das kleine Kind vor den Gefah­ren zu schützen, denen es Tag für Tag ausgesetzt ist. Babies kriechen, krab­beln, torkeln und fallen von Sofas, Klettergerüsten und Rutschen. Sie essen Dreck, Schuhcreme, Hundekot - einfach alles, wenn man sie nicht daran hin­dert. Sie können an Kieselsteinen ersticken und in knietiefem Wasser ertrinken." (J.Swigart,1991, S.15)

Der Großteil der Mütter sorgt die meiste Zeit alleine für ihre Kin­der. Sie sind es, die die Nächte nicht schlafen, die Kinder wik- keln, den Unmut der Kinder täglich ertragen. Sie sind es, die oft stundenlang mit einem schreienden Baby auf dem Arm durch die Wohnung laufen.

Es ist am Anfang eine harte Zeit, in der sich die Mutter aus­schließlich um das Kind kümmert, denn nicht nur das Kind lernt vom ersten Tag an, sondern auch die Mutter. Sie muß ler­nen, die Stimmungen des Kindes zu erkennen, wann es Hunger, Schmerzen oder die Windeln voll hat. Sie muß ganz tief in das Seelenleben des Kindes eintauchen. S. Kitzinger schreibt weiter, dabei verliere sie nicht selten ihr eigenes.

1.3. Mütter heute - zwischen unbeschreiblichem Zustand des Glücks und tiefen Selbstzweifeln und Schuldgefühlen

Zitat einer Mutter:

„ Ich habe nie eine solche Macht verspürt wie damals, als ich dieses Baby aus mir herauspreßte und die Hebamme mir dieses blutige, kleine, lebendige, at­mende Ding an die Brust legte! Es war, als hätte ich etwas Echtes geschaffen! Dieses echte, lebendige Baby! Das war zuviel! Ich habe nie in meinem Leben so etwas erlebt und werde wohl auch nichts vergleichbares erleben, wenn ich nicht noch ein Kind bekomme. Und ich will Ihnen etwas sagen: Ein Teil von mir würde am liebsten dauernd weiter Kinder bekommen, jedes Jahr eines." (ebd. S.90)

Manchmal könnte ich mich diesem Zitat anschließen. Es war etwas besonderes, meinen Kindern das Leben zu schenken. Da ich wenig Positives in den Büchern für diese Arbeit gefunden hatte, ich aber der Meinung bin, daß der Aspekt des Mutter­glücks mit aufgenommen werden sollte, werde ich diesen Teil aus meinen Erfahrungen wiedergeben.

„Manchmal saß ich einfach nur da und beobachtete meinen Sohn. Es gab Zeiten, da hätte ich es stundenlang tun können, egal ob er spielte, oder schlief.

Jeder kleinste Fortschritt wurde von mir mit Stolz festgehalten. Was mein Sohn schon alles kann. So sehr ich mich auch im All­tag verausgabte, wenn mich mein Sohn anlächelte, wußte ich nicht mehr, wie anstrengend der Tag eigentlich war. Das mag sich kitschig anhören, es war aber so. Nie habe ich eine so tiefe Verbundenheit, eine so innige Liebe verspürt, wie zu meinen Söhnen, gerade in der ersten Zeit.

Man kann Kinder immer noch mit den einfachsten Dingen zum Staunen, Nachdenken, aber auch zum Lachen bringen.

Es ist unglaublich, wieviel Phantasie Kinder haben können und wie sie es fertig bringen, den Erwachsenen deren Phantasie wie­der ein Stück näher zu bringen. Man durchläuft wieder einen Teil der Kindheit und kann sich dadurch so manchen Kind­heitstraum doch noch erfüllen.

Ohne von Freunden schief angeguckt zu werden, kann man den Weihnachtsmann, den Osterhasen in seine Wohnung lassen, den Baum schmücken und Ostereier verstecken, all das Vergan­gene wieder aufleben lassen. Und es macht mir sehr viel Spaß, meinen Kindern etwas zu schenken, mit ihnen einen besonderen Tag zu verleben.

Es gibt vieles, was ich durch meine Kinder wieder entdeckt, aus­probiert und durchlebt habe. Ohne sie hätte ich diese Möglich­keiten nicht gehabt. Durch die Sensibilität der Kinder wird man selbst auch wieder für andere Menschen sensibler.

Natürlich vergesse ich nicht dabei, welchen Streß ich mit ihnen im Verlauf eines Tages haben kann. Sie fordern unglaublich viel. Aber wenn man sich für Kinder entschieden hat, dann sollte man versuchen, die Zeit, die man mit ihnen hat, so intensiv wie möglich zu nutzen. Viel zu schnell werden sie groß, und jeder Tag ist ein Tag, an dem das Erwachsensein immer näher und die Unbeschwertheit immer weiter wegrückt. Viel zu spät habe auch ich das erkennen müssen.“

Ein Kind in die Welt zu setzen bedeutet nicht nur ein Gefühl von Macht und Geheimnis, sondern ist auch ein Zeichen für einen Neuanfang. Diese Entscheidung bedeutet Vertrauen in sich selbst, Hoffnung und den Glauben, daß die schöpferischen Kräfte des Lebens letztlich über die zerstörerischen Kräfte siegen werden, so schreibt J. Swigart.

Doch dieser Neuanfang beinhaltet, unglaublich viel Kraft zu in­vestieren. Bevor man nicht selbst Mutter ist, kann man kaum ermessen, was es konkret heißt, tagtäglich, jahrelang auf vieles zu verzichten, was man selbst gerne tun möchte. Mütter müssen immer in Bereitschaft sein, Worte wie „Entspannung“ und „Erholung“ sind Fremdworte für sie geworden. Die fortwährende Unterordnung persönlicher Wünsche unter die kindlichen Be­dürfnisse kann einen unglaublich hohen Druck erzeugen, der zur Folge hat, daß die Mutter unausgeglichen und unzufrieden wird.

Weiter schreibt J. Swigart in ihrem Buch: Ständig nur zu geben, ohne direkt etwas zurückzubekommen in einer Gesellschaft, die einem zeigt, daß nichts umsonst ist und für alles eine Gegenlei­stung erwartet, erscheint uns unvorstellbar. Unsere Gesellschaft erwartet von Müttern, daß sie selbstlos lieben und versorgen und darin niemals nachlassen. Doch diese Vorstellung steht im Widerspruch zu dem, was Frauen tatsächlich leisten und fühlen können, obwohl sie dem Anspruch gerecht werden wollen.

„Am übelsten ist der Mythos, daß Mütter instinktiv besonders liebevoll und müt­terlich sind, was bedeutet, daß sie von Natur aus nichts für sich selbst wollen, sondern nur für andere." (ebd.S.l 15)

Aber das Aufziehen von Kindern ist weniger eine Sache des In­stinktes, vielmehr ist es ein Seelentheater, in dem die tiefsten Gefühle, Hoffnungen, Sehnsüchte zerstörerischen Triebe und die Liebesfähigkeit offengelegt werden.

Über Mutterliebe sagt J. Swigart zusammenfassend, daß sie die Fähigkeit darstellt, die Bedürfnisse und den individuellen Ent­wicklungsverlauf von Kindern intuitiv zu erfassen. Einerseits ist dieses Gefühl, jemanden bedingungslos zu lieben und geliebt zu werden, etwas wundervolles, was auch viele Mütter nicht; missen möchten. Dieses Gefühl von Wärme, Nähe und Verbundenheit findet man sonst sehr selten, vor allem aber nicht so anhaltend. Aber diese Enge kann auch zu einem Gefängnis werden, aus dem die Mütter nur schwer ausbrechen können. Selbst für kurze Zeit scheint dies unmöglich, sowohl in praktischer, als auch in seelischer Hinsicht.

Eine Frau beschreibt dies so: Wenn sie einmal aus dem Haus geht, ohne ihr Kind, dann beeilt sie sich, wieder nach Hause zu kommen. Wenn sie dann heimkommt und das Kind sie anlä­chelt, ist sie hingerissen. In dem Moment scheinen alle Grenzen, die dieses Kind ihr stellt, vergessen.4

Für eine Mutter ist nichts schlimmer, schreibt J. Swigart, als die Tatsache, daß sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage ist, dem Kind die Liebe zu geben, die es braucht.

Für Kinder zu sorgen, heißt nicht nur, glücklich mit dem Kind im Schaukelstuhl zu sitzen. Es erweckt auch Gefühle in der Mutter, die bis dahin verdrängt waren. Durch die Identifikation mit dem Kind kommen Mütter nicht umhin, sich ihrer Bedürf­nisse nach Schutz und Sicherheit bewußt zu werden. Sie brau­chen genauso viel Liebe und Wärme, zwangsläufig werden sie genauso abhängig, wütend, aufsässig und unersättlich.

Es werden Erinnerungen an die eigene Kindheit geweckt, daran, wieviel Liebe sie erhalten haben. Sie fangen an zu vergleichen. Sie wollen es „besser“ machen als ihre Mütter, schreibt J. Swigart und beginnt damit einen (für mich) spannenden Ab­schnitt. Die Gegenwart und die Vergangenheit beginnen sich zu vermischen. Ambivalente Gefühle der eigenen Mutter gegenüber kommen hoch, die man eigentlich schon verarbeitet geglaubt hatte. Das Spektrum der Gefühle ist weit gefächert, von Liebe bis Haß. Für die Tochter, die nun selbst Mutter ist, verschwinden einleuchtende Erklärungen für das Verhalten ihrer Mutter. Plötzlich beginnt sie anders darüber zu denken, warum ihre Mutter so oder so gehandelt hat.

Sie will es vielleicht gar nicht wissen, warum ihre Mutter es so schwer hatte, daß sie vielleicht auch Hilfe gebraucht hätte. Es ist leichter zu glauben, daß man die eigene Mutter nicht völlig aus­gelaugt hat. Denn zu verstehen, was die sorgende Bezugsperson durchgemacht hat, könnte große Schuldgefühle auslösen. Es ist für eine Mutter schwer, sich in den neuen Gefühlen dem Kind gegenüber zurechtzufinden und gleichzeitig die Spannungen und Konflikte früherer Zeiten, sowie die Sehnsucht nach der eigenen Mutter nochmals zu erleben und zu verarbeiten.

Ein Gefühl des Versagens, das nicht wenige Mütter empfinden, rührt unter anderem daher, so fährt J. Swigart fort, daß es ih­nen schwerfällt, den gemischten, zum Teil widersprüchlichen Gefühlen, die sie ihren Kindern entgegenbringen, zuzulassen oder gar auf den Grund zu gehen.

Die ambivalenten Gefühle, die extrem zum Vorschein kommen, scheinen unangebracht, denn sie lieben doch ihr Kind.

Und dennoch sind da Gefühle wie: Eingesperrtsein, Widerwillen, Wut, Depressionen (obwohl man doch glücklich sein müßte), Grausamkeit, Gleichgültigkeit, Neid und Besitzgier, sowie Lan­geweile bei den täglich wiederkehrenden Aufgaben. Sie können sich nur schwer eingestehen, bei allen Bemühungen, daß sie nicht dem Idealbild der Mutter entsprechen. Die Schuldgefühle, die sich daraus entwickeln, können die Mütter seelisch aus dem Gleichgewicht bringen. Egal was sie tun, es bleibt das Gefühl, nicht genug oder das Falsche zu tun: Ob sie zu viel oder zu wenig Aufmerksamkeit schenken, zu viel oder zu wenig lieben, ihr Kind schlagen oder nicht, wenn sie arbeiten oder nicht. In dem Ver­such, ihre Kinder nicht so zu verletzen wie sie vielleicht selbst verletzt worden sind, versuchen sie es besser und anders zu ma­chen. Aber wenn sie feststellen müssen, daß sie trotzdem versagt haben sollen, obwohl sie es doch ganz anders als ihre Mütter gemacht haben, dann wird es sie aus der Bahn werfen, weil sie es nicht verstehen können.

Ein Teil der Schuldgefühle wird hervorgerufen, wenn die Kinder anfangen, ihren Ärger der Mutter gegenüber offen zu zeigen, so Swigart. Sofort kommt der Gedanke, daß dieses Kind undankbar ist, bei allem, was man für es aufgegeben hat. Die Mutter wird nun ihrerseits wütend und kann nicht mehr objektiv die jeweili­ge Situation, die dieses Gefühl hervorgerufen hat, einordnen. J. Swigart meint, daß die Vorwürfe, die sich eine Mutter macht, wenn deutlich wird, daß ihr Kind fremde Hilfe benötigt (z.B. The­rapie) oder sie ihrem Kind einen dauerhaften Schaden zugefügt hat, sind nur schwer auszugleichen.

Selbst für Mütter ist es schwer, die jeweilige andere Situation anderer Mütter zu verstehen. Arbeitende Mütter können Mütter nicht verstehen, die es den ganzen Tag mit dem Kind aushalten, bewundern sie zum Teil. Nicht arbeitende Mütter können nur begrenzt Mütter verstehen, die trotz Kleinkindes arbeiten gehen und ihre Kinder lieber in fremde Hände geben als sie selbst zu versorgen.

Auch unter Müttern gibt es Schuldzuweisungen, die noch tiefer treffen. Denn wenn nicht eine Mutter, wer soll dann noch die Entscheidungen verstehen?

Aufgrund meiner Erfahrungen schließe ich mich den Ausfüh­rungen der Autorinnen an.

Meiner Meinung nach ist es wichtig, sich selbst zu trauen und das was man tut, für richtig zu halten. Jede Mutter kann nur nach ihren Fähigkeiten leben.

Wenn eine Mutter arbeiten geht, weil sie sich mit dem Kind sonst eingeengt fühlt und an anderer Stelle vielleicht über die unzulängliche Situation Wut auf das Kind entsteht, ist es für sie die richtige Entscheidung arbeiten zu gehen. Das heißt noch lange nicht, daß sie ihr Kind weniger liebt als eine Mutter, die ih­re Erfüllung darin sieht, nur für ihr Kind da zu sein. Ich wünsche mir eine größere Akzeptanz für die Entscheidungen und die Lebenssituationen von Müttern.

II. Behinderung und Gesellschaft

II.1. Das Bild behinderter Menschen in der Gesellschaft

11.1.1. aus der Perspektive nichtbehinderter Menschen

Behinderte Menschen sind aus unserem Stadtbild heutzutage nicht mehr wegzudenken. Sie gehören dazu. Es leben zwar noch immer viele in Heimen, aber diejenigen, die das Glück haben, selbständig mit Assistenz zu leben, lassen sich nicht mehr weg­drängen.

Sie wollen - soweit möglich - am gesellschaftlichen Leben teilha­ben. Sie gehen (rollen) ins Kino, Theater, Café, Restaurant und verreisen.

Aber durch deren Anwesenheit wird die Gesellschaft mit ihrer Unsicherheit behinderten Menschen gegenüber konfrontiert. Manche Behinderungsarten wecken bestimmte Gefühle wie Angst, Entsetzen, Grauen, Mitleid und sogar Ekel.

Insgesamt ist die Haltung der Gesellschaft gegenüber geistig Behinderten be­deutend ablehnender als gegenüber Körperbehinderten. (Karin Bar­zen, 1988.S.29)

In einer Untersuchung von Jansen (1976) wurde festgestellt, daß die Begegnung mit einem körperbehinderten Menschen eher eine Ausnahme im täglichen Leben darstellt. Die Emotionen waren, wie oben beschrieben, besonders stark ausgeprägt, wenn die Behinderung nicht durch Kleidung verdeckt werden konnte (wie z.B. im Schwimmbad). Vehement traten diese Gefühle zutage, wenn sich die Befragten eine sexuelle Beziehung vorstellen soll­ten.

Da die Gesellschaft sich aber dieser Gefühle schämt, läßt sie sie gar nicht erst zu, indem sie behinderten Menschen lieber aus dem Weg geht.

In unserer Kultur wird sehr auf Werte wie Gesundheit, Arbeits­fähigkeit, verbunden mit Leistungsfähigkeit geachtet.

Da ist es nur logisch, daß die Ausgrenzung behinderter Men­schen erfolgt, da sie diese Werte nicht erreichen. Ferner gehören, nach Goffman 1976, Körperbehinderte zu den stigmatisierten Personen, denn sie erfüllen nicht den gesellschaftlichen An­spruch eines intakten und zudem noch ästhetischen Körpers.

Die Ausgrenzung folgt dann mal absichtlich, mal aus Unwissen­heit. Der Unterschied liegt darin, daß manche nichts mit behin­derten Menschen zu tun haben wollen, Ausreden erfinden, um behinderte Menschen nicht teilhaben zu lassen. Und dann gibt es Menschen, die einfach nicht daran gedacht haben, baulich vielleicht etwas so zu verändern, daß jeder, der will, auch kom­men kann. In beiden Fällen aber sind Menschen mit Beeinträch­tigungen diskriminiert.

Nichtbehinderte Menschen handeln oft unwissend, wenn sie be­hinderten Menschen zum ersten Mal begegnen, sie möchten dann ganz genau wissen, wie sie mit „diesen“ Menschen umge­hen sollen.

Nach Jansen verfügt der Nichtbehinderte über „keine Verhaliensmu- ster (...), die es ihm erlauben, mit einem Behinderten wie mit einem normalen Menschen zu verkehren.“ (Jansen, 1976, S.116)

Als ob behinderte Menschen ständig eine Gebrauchsanweisung bei sich hätten, wie man am besten mit ihnen umgeht. Es ist für sie schwer zu vermitteln, daß sie sich nichts anderes wünschen, als daß nichtbehinderte Menschen ganz normal mit ihnen um­gehen.

Sicherlich ist doch jeder Mensch einem Fremden gegenüber erst einmal reservierter, zurückhaltender eingestellt. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Gleichaltrigen zu duzen, oder ihm über die Haare zu streichen, die Geldbörse aus der Hand zu nehmen, nur aus Unsicherheit, oder mit der Absicht zu helfen. Dies würde sich auch niemand gefallen lassen. Aber mit behin­derten Menschen wird oft so umgegangen.

Für nicht betroffene Menschen ist es schwer, tatenlos zuzuse­hen, wenn sie glauben, ihr Gegenüber bedarf ihrer Hilfe.

Der Umgang mit behinderten Menschen ist verbunden mit einem verinnerlichten Verpflichtungsgefühl, diesen Menschen helfen zu müssen. Haben sie doch schon früh, meist von ihren Eltern ge­lernt, behinderten Menschen helfen zu müssen.

Mit behinderten Menschen näher zu tun zu haben, bedeutet auch oft die eigene Angst, auch einmal in dieser Lage sein zu können, überwinden zu müssen. Diese Angst ist sehr groß. Nicht selten hören behinderte Menschen ungewollte Selbstmordauffor­derungen. „Wenn ich in Deiner Lage wäre, ich wüßte nicht, ob ich das schaffen würde. Ich wäre schon längst gesprungen!“ Mit diesen Formulierungen wird der Betroffene verletzt, und ihm wird deutlich gemacht, daß er keinen Lebenswert hat. Wer ist le­benswert? Wer stellt die Richtlinien auf? Nichtbehinderte maßen sich an, über andere Leben zu entscheiden. Nur weil jemand nicht laufen, nicht reden, nicht hören kann, nicht den Wissens­stand eines Kindes überschreitet, wird er als minderwertig ange­sehen, ihm wird jegliche Lebensfreude abgesprochen.

„FRAU TRAURIG:

In unserer Nachbarschaft gibt es einen 30-jährigen geistig behinderten jungen Mann. Mit seinen 30 Jahren ist er auf dem geistigen Niveau eines Dreijährigen. Oft frage ich mich, ob dies noch als menschenwürdiges Leben bezeichnet werden kann. F. C.: Haben Sie Kinder?

FRAU TRAURIG: Ja, ein achtjähriges Mädchen und einen zweijährigen Jungen. F. C.: Sind Sie der Meinung, daß das Leben Ihres Sohnes lebenswert ist?" (Franz Christoph, 1983, S.29)

Ferner wird ständig von Rehabilitation und Integration gespro­chen, davon, die behinderten Menschen an die Norm anzupas­sen, damit sie besser in das Bild der Gesellschaft passen. Aber manche passen nie.

„Potenziert ausgedrückt kann man sagen: Wer sich aus welchen Gründen auch immer durch Therapie, Ausbildung und andere Maßnahmen an beste­hende Normen anpassen kann, dem winkt die vielverheißende Integration.

Alle anderen werden in sogenannte Endglieder der Rehabilitationsketten ausgegliedert, z.B. in Werkstätten ohne Arbeitnehmerstatus und ohne einen Lohn, der den Lebensunterhalt sichert." (Ottmar Miles-Paul, 1991, S. 12)

Es wird nicht versucht, sich ihnen anzupassen, mit ihnen, so wie sie sind, zu leben.

Und es wird darauf geachtet, daß sie in der Abhängigkeit blei­ben, zu selbständig darf nun auch wieder kein behinderter Mensch sein. Es werden ihm dann Privilegien aberkannt, auf die er angewiesen ist, denn dann gilt er als nicht mehr behindert genug, um darauf Anspruch zu haben.

Das heißt, behinderte Menschen machen es dann den nichtbe­hinderten Menschen schwer zu helfen. Denn nur wer Mitleid er­regt, hat Anspruch auf Hilfe.

In der Interaktion zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen besteht ein ungeschriebener Verhaltenskodex, nach­dem Erstere „verpflichtet“ sind, Letzteren den Kontakt zu er­leichtern. Das heißt, da das diskriminierende Verhalten der „Normalen“ nicht von Böswilligkeit, sondern von Unwissenheit gekennzeichnet ist, hat der „Behinderte“ die Aufgabe, dieses Verhalten zu ignorieren und dem Anderen den normalen Um­gang mit ihm so leicht wie möglich zu gestalten. Die scheinbare Akzeptanz, die daraufhin dem „Behinderten“ entgegengebracht wird, impliziert die Forderung, die Grenzen der erwiesenen Ak­zeptanz nicht auf die Probe zu stellen. „Mit dieser Scheinakzeptierung läßt sich die Basis für eine Schein-Normalität bilden." (Goffman 1976,S. 152)

Eigentlich brauchten behinderten Menschen eine Gebrauchsan­weisung, wie sie sich den nichtbehinderten Menschen gegenüber verhalten sollten, damit sie besser wissen, wann was von ihnen erwartet bzw. verlangt wird. Was für den einen Selbständigkeit ist, ist für den anderen noch große Unselbständigkeit, was für den Therapeuten gut ist, kann fatale Folgen gegenüber einem Gutachter haben. Also, wann wird was verlangt?

„Der Arzt ist der für alle Lebensbereiche kompetente Experte für Menschen mit Behinderungen. Seine gutachterlichen Stellungnahmen, die ständig von So­zialbehörden verlangt werden, entscheiden letztlich über Lebenschancen behinderter Menschen." (O. Miles-Paul 1991, S. 15)

Daraus folgt: „Kombiniert mit der Abhängigkeit von institutioneller, professioneller Hilfe führt die Erfahrung von Ausgrenzung und Diskriminierung vielfach zu Unselbständig­keit, Passivität und einer Anspruchshaltung des Versorgtwerdens." (O. Miles- Paul, 1991, S.4)

Es wird über behinderte Menschen bestimmt, sie werden ver­sorgt, transportiert, gewartet. Und genau das kommt bei diesen Menschen an, sie werden wie Objekte behandelt, nicht wie Men­schen, die Grundbedürfnisse und Gefühle haben. Im Sprachge­brauch wird von „den Behinderten“ gesprochen, weder Mensch noch Mann oder Frau wird hinzugefügt.

Doch immerhin haben es vereinzelte Gruppen in ganz Deutsch­land geschafft, daß im Grundgesetz §3 die Gleichberechtigung der behinderten Menschen verankert wurde. Inwieweit sich das im alltäglichen Leben auswirken wird, bleibt abzuwarten.

11.1.2. aus der Perspektive behinderter Menschen

Behinderte Menschen suchen den Kontakt zu nichtbehinderten Menschen, zum einen, weil sie zum Teil nur mit anderen Betrof­fenen zusammen sind, zum anderen um sich zu beweisen, daß sie zur Normalität dazugehören. Sie nehmen gerne am kulturel­len Leben teil.

Diese Aktivitäten sind je nach Behinderung eine große Anstren­gung, verbunden mit Verzichten und eingeschränkter Bewe­gungsfreiheit. Dies möchte ich anhand eines Beispiels aus ver­schiedenen Erzählungen von Jürgen Knop, spastisch gelähmt, verdeutlichen. Er ist in ein Kaufhaus gegangen, um mal wieder unter Menschen zu sein.

„Schon lange hatte ich mich mal wieder nach einer anderen Umgebung mit vielen Menschen gesehnt. In der warmen Jahreszeit fahre ich öfters in den Wald Doch jetzt im Winter komme ich nicht durch den Schnee; der Rollstuhl fährt sich darauf so schwer, daß ein Vorankommen kaum möglich ist. ... Plötz­lich löste sich aus der Menge ein kleiner Junge. Mit seinen großen Kinderau­gen sah er mich an. Zuerst war er scheu, ängstlich. Mit den ungelenken Be­wegungen meines spastisch gelähmten Körpers wußte er nichts anzufangen. ... Langsam kam er einige Schritte auf mich zu. Jetzt war ich an der Reihe, ihm ein Zeichen meiner Freundschaft zu geben. Doch wie? Ihn ansprechen? Mei­ne fast tierähnliche Aussprache würde ihn erschrecken. ... Der Kleine lächelte, gern hätte ich zurückgelächelt. Doch auch das war mir versagt, denn mein Gesicht verzieht sich dabei zu einer Grimasse. ... Der Vorfall hatte wohl die Mutter des Kleinen aufmerksam gemacht. > Was hast Du hier bei diesem kranken Mann zu suchen? - So etwas schaut man sich nicht an.<“ { Jürgen Knop 1987, S. 12 ff)

Contergangeschädigte haben keine spastischen Lähmungen, die ungewollte Bewegungen hervorrufen, doch das Fehlen der Gliedmaßen zwingt sie, die Arme und Beine so wie sie sind, ein­zusetzen. Dabei ist viel Körpereinsatz erforderlich, der manchmal einem Hochleistungssport ähnelt und zudem noch „andersartig“ aussieht. Freie Bewegungen sind deshalb nur in gewohnten Räumen möglich, außerhalb werden die Bewegungen auf das notwendige Minimum reduziert, um weniger aufzufallen. Dies ist schon so sehr verinnerlicht, daß es den Einzelnen schon nicht mehr auffällt.

Behinderte Menschen werden eher toleriert (am ehesten, wenn sie sich unauffällig verhalten und die Behinderung fast nicht zu sehen ist; Ein Spastiker, der lange Haare hat und in ausgewa­schenen Jeans herumfährt, ist nicht mal mehr mitleidswürdig) als akzeptiert.

Wenn behinderte Menschen im Stadtbild zu sehen sind, dann müssen sie darauf gefaßt sein, daß es Menschen gibt, die ihnen helfen wollen. Auch wenn sie dies nicht wollen, müssen sie es sich gefallen lassen, weil sie nicht in der Lage sind, sich zu weh­ren.

Und wenn sie es doch tun, dann kommt ein verständnisloser Blick zurück. Dieser hat den Ausdruck, das Behinderte daran schuld sind, daß Nichtbehinderte sich nicht als Helfende bewei­sen können. Diese Schuld, die behinderten Menschen zugespro­chen wird, führt dazu, daß sich Behinderte Menschen schließ­lich doch helfen lassen, obwohl sie es nicht wollen.

Bei aufgedrängter Hilfe kommen sich Betroffene bevormundet und hilflos vor, obwohl sie es in der Situation nicht sind.

Dadurch fühlen sich viele behinderte Menschen nicht als Mensch akzeptiert.

„Ich ärgerte mich darüber, mir eingebildet zu haben, immer und überall als vollwertiger Mensch angesehen zu werden: daß ich es nicht wahrhaben woll­te, von Vielen, allzu Vielen als besonders hilflos angesehen zu werden. Egal, was ich auch tue, es wird für mich geplant, entschieden, gedacht. Obwohl ich nicht entmündigt bin, stehe ich unter einer besonderen Fürsorge." (Jürgen Knop 1987, S. 59ff)

II.2. Verschiedene Definitionen zu Behinderung

Behinderung ist, allgemein gesprochen, ein bestimmtes,Maß an Einschränkung der Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilha­be.

Daß heißt, je nach Möglichkeit ist der Mensch mehr oder weni­ger behindert.

BUNDESSOZIALHILFEGESETZ. (19921:

Behinderung ist jeder regelwidrige körperliche , geistige oder seelische Zustand, der nicht nur vorübergehend besteht und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge hat.

Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht. Als nicht vorübergehend gilt ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten.

Im einzelnen:

1) eine nicht nur vorübergehende erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähig­keit, die auf dem Fehlen oder auf Funktionsstörungen von Gliedmaßen oder auf an­deren Ursachen beruht
2) Mißbildungen, Entstellungen und Rückgratverkrümmungen, wenn die Beeinträchti­gung erheblich ist5
3) eine nicht nur vorübergehende erhebliche Beeinträchtigung der Seh-, Hör- oder Sprachfähigkeit
4) eine erhebliche Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Kräfte WOLFGANG JANTZEN (1978) (Pädagoge]

Behinderung ist kein naturwüchsig entstgndenes Phänomen. Merkmole und Merk­malskomplexe werden in Bezug gesetzt zu gesellschaftlichen Vorstellungen, und wenn jemand diesen nicht entspricht, wird er als behindert bezeichnet.

ERVING GOFFMAN (19761 (Gesellschaftswissenschaftler!

Behinderte erfahren aufgrund einer sozial unerwünschten Eigenschaft eine negative Einschätzung ihrer ganzen Person. Erst diese STIGMATISIERUNG macht sie zu Behin­derten.

AIGA SEYWALD (1977) (Soziologin! Behinderung ist ols Abweichung von einer Norm immer euch sozicle Kategorie. An­dersartigkeit wird fast automatisch negativ bewertet. Die Behinderten erfahren auf­grund einer unerwünschten Eigenschaft’ eine negative Einschätzung ihrer Gesamtper­sönlichkeit.

Die Aussagen von Jantzen und Seywald ergänzen sich für mich insoweit, daß die eine Aussage (Jantzen) die Situation in der Ge­sellschaft und die andere (Seywald), was die Gesellschaft daraus macht, beschreibt.

Für mich heißt das, daß Menschen, die aus welchem Grund auch immer anders sind und die gesellschaftlichen Werte nicht erreichen, als behindert gesehen werden. Egal, ob ein behinder­ter Mensch vielleicht nicht laufen, aber sich verbal in Büchern ausdrücken kann, wird dieser dennoch insgesamt in seiner Per­sönlichkeit nicht ernst genommen.

II.3. Ideal, Normal, Anders - Definitionen

„ Es ist normal, verschieden zu sein „-6 „Der ist ja nicht normal!“ - Dieser Satz wird meistens verletzend ausgesprochen, doch was genau wird damit gemeint? Was ist normal? Dies will ich versuchen, aufzuschlüsseln.

Manchmal wird damit gemeint, daß derjenige völlig aus der Rolle fällt, aber manchmal ist damit auch gemeint, daß derjenige nicht den Idealvorstellungen entspricht.

Das Ideal wird in den Medien verbreitet. Hier wird aufgezeigt, was eine Frau und was ein Mann zu verkörpern hat und wie sie auszusehen haben.

Das Ideal ist also eher eine Vorstellung von dem Besten, was ein Mensch zu geben, bzw. zu sein hat.

„IDEAL: gemeinsprachlich: der Inbegriff der Vollkommenheit: Vorbild; Wunschbild; erstrebenswertes Ziel menschlichen Handelns." (Duden, 1989, S.1782)

Ideal ist also die Vollkommenheit, der wir Menschen nachstre­ben, ohne zu honorieren was wir haben. Attribute wie schön, höflich, intelligent und tolerant werden z.B. in dieser Ideologie vereint. Aber im Leben ist es unmöglich, einen perfekten Men­schen anzutreffen, der alles in sich miteinander vereint. Der Mensch besteht aus Seele, Geist und Körper, es ist nahezu un­möglich, in allem perfekt zu sein.

[...]


1 Der Begriff „schaffen" wird von mir Im Verlauf der Arbeit oft verwendet, zum einen be­schreibt er das Tätigkeitsfeld, worauf Ich bezug nehme. Zum anderen wird der Begriff „es nicht zu schaffen" oder „Ich schaffe das schon" sehr häufig von Contergangeschädigten benuizt. Aus diesem Grund habe Ich keine anderen Umschreibungen gewählt.

2 Mit "früher" Ist In J. Swigart die Jahrhundertwende (19./20. Jahrh.) gemeint.

3 Unter "heute" versteht J. Swigart, die Zeit ab den 80er Jahren.

4 Aus dem Buch von J. Swigart

5 pers. Anm.: Es wird von Entstellungen, Mißbildungen gesprochen, Im Gesetz zum Schulz von Widerstandsunfähigen bei sexueller Gewalt §179 StGB wird sogar von Schwachsinn, seelischer Abartigkeit gesprochen. Allein diese abwertenden Beurteilungen über Men­schen, die wie auch Immer nicht der Norm entsprechen, sind unglaublich, zumal man denken könnte, sie stammen noch aus der NS -Zelt, nein, sie wurden 1973 so formuliert!

6 Leitsatz einer Rede In Bonn 1993 von dem Bundespräsidenten a.D. Richard v. Weizsäcker

Ende der Leseprobe aus 148 Seiten

Details

Titel
Die perfekte Mutter. Zur Auseinandersetzung behinderter Frauen mit dem Müttermythos
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Veranstaltung
Projektseminar
Note
2
Autor
Jahr
1996
Seiten
148
Katalognummer
V519996
ISBN (eBook)
9783346273307
ISBN (Buch)
9783346273314
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Interviews mit Müttern mit Conterganschädigung
Schlagworte
Behinderung Mutter Contergan
Arbeit zitieren
Sigrid Kwella (Autor:in), 1996, Die perfekte Mutter. Zur Auseinandersetzung behinderter Frauen mit dem Müttermythos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/519996

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