Wie wird Sprachungleichheit empfunden, welche Vorschläge gibt es zur Angleichung, wie ist die Wechselwirkung mit der Gesellschaft?


Seminararbeit, 2006

12 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vater- oder Heimatland?

3. Empfinden Frauen die deutsche Sprache in ihrer jetzigen Form als Diskriminierung?

4. Die Rolle der Frau im täglichen Sprachgebrauch

5. Vorschläge, wie eine geschlechtergerechte Sprache aussehen könnte

6. Sprache – Gesellschaft – wer beeinflusst wen?

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

9. Quellen aus dem Internet

1. Einleitung

In Reinhard Kreckels Text über „Soziale Ungleichheit in gesellschaftstheoretischer Perspektive“ wurde der „vertikale Sprachgebrauch“ (Kreckel 2004, S.39) angesprochen. Mit den Worten „höher“ und „tiefer“ wird die soziale Ungleichheit in der Sprache beschrieben. Die Sprachungleichheit ist auch im deutschen Sprachraum seit Jahrzehnten ein vieldiskutiertes Thema, in das ich im Rahmen meiner Seminararbeit näher beleuchten will.

Zunächst möchte ich mit der noch nicht so lange zurückliegenden Diskussion zum Text der österreichischen Bundeshymne einen Einstieg in die Thematik geben. Dann möchte ich erörtern, wie Frauen die Sprachungleichheit – sprich die Diskriminierung durch die Sprache – empfinden, welche Rolle Frauen in der Konversation über sich/mit anderen spielen, welche Vorschläge es zur Umgestaltung der Sprache gibt und welche Schwierigkeiten hier auftreten. Zuletzt versuche ich herauszufinden, ob Sprache die Gesellschaft verändert oder umgekehrt.

2. Vater- oder Heimatland?

An Aktualität gewann die Diskussion in Österreich zuletzt im September 2005, als gefordert wurde, die österreichische Nationalhymne umzutexten. Dieser Vorschlag kam von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat (ÖVP). Statt „Heimat bist Du großer Söhne", soll es „Heimat großer Töchter, Söhne" heißen und „Einig lass in Brüderchören, Vaterland Dir Treue schwören" mit „Einig lass in freud'gen Chören, Heimatland Dir Treue schwören" ersetzt werden. Maria Rauch-Kallat begründete ihren Vorstoß gegenüber den Medien damit, dass es der Wunsch vieler Frauen wäre und sie als Bundesministerin für Frauen diesem Wunsch nachzukommen verpflichtet sei (Rauch-Kallat gegenüber der APA, zit. nach ORF.at am 26.09.2005)

Es war nicht das erste Mal, dass ein geschlechtergerechter Text für die Hymne gefordert wurde. In den frühen Neunziger gab es bereits die selbe Forderung, allen voran getragen von der damaligen Bundesfrauenvorsitzenden der SPÖ, Johanna Dohnal sowie einigen Abgeordneten der Grünen und des Liberalen Forums.

Diese erneute Initiative wurde kontrovers diskutiert und scheitere schließlich an dem Koalitionspartners der ÖVP, dem BZÖ, das diese Vorschläge nicht mittragen wollte Auch die auflagenstärkste Zeitung in Österreich, die Krone, stellte sich gegen eine Änderung.

Der Hymnentext stammt von Paula von Preradović, einer österreichischen Schriftstellerin, die seit 1920 im Wien lebte. Nach dem 2. Weltkrieg und der neuen Unabhängigkeit Österreichs sollte die die Hymne gemeinsam mit dem Text zur Identitätsstiftung des jungen Staates beitragen. Der Originaltext von Paula von Preradović wurde vom Ministerrat etwas abgeändert, weil dieser nicht flüssig zur Melodie gesungen werden konnte. Unter anderem wurde aus „Großer Väter freie Söhne“ - „Heimat bist Du großer Söhne“.

Der Hymnentext muss im historischen Kontext gesehen werden. Paula von Preradović wollte mit ihrem Text vermutlich nicht Frauen diskriminieren. Sie schöpfte, wie alle Menschen in den Nachkriegsjahren, Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Stelle „Großer Väter freie Söhne“ und auch der aufgenommene Text „Heimat bist du großer Söhne“ zeigt, dass Frauen zu dieser Zeit in angesehenen, hohen Stellungen selten waren, sämtliche Errungenschaften Männern zugeschrieben wurden und die Beiträge der Frauen stets außer Acht gelassen wurden. So erging es auch Lise Meitner, einer österreichisch-schwedischen Kernphysikerin. Als ihr Kollege Otto Hahn 1944 den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Kernspaltung von Atomen erhielt, wurde ihr maßgeblicher Anteil zu dieser Entdeckung nicht gewürdigt.(Wikipedia 2006)

Die Diskussion um die Hymne zeigt eine Bewegung in der deutschen Sprache auf, wie sie besonders seit den 70iger-Jahren aufgekommen ist und von Feministinnen getragen wird: Sprachungleichheiten, also Eigenheiten der deutschen Sprache die Frauen diskriminieren sollen entschärft werden, die Sprache somit geschlechtergerecht er gestaltet werden und Frauen sollen nicht nur mitgemeint, sondern auch explizit miterwähnt werden.

Sind Wörter wie „Vaterland“, die im Zuge der Hymnendiskussion ersetzt werden sollen, geschlechterungerecht? Günther Drosdowski brachte im Zuge einer Diskussionsrunde ein ähnliches Beispiel: „ ... dementsprechend ist ein „Vaterhaus“ nicht „das Haus des Vaters“ sondern „das Haus in dem man geboren und aufgewachsen ist“ (Drosdowski in Bickens/Brunner 1992, S. 18) Ein Analogieschluß zu „Vaterland“ liegt auf der Hand; das Duden Herkunftswörterbuch bestätigt diese Annahme, mittelhochdeutsch „vaterlant“ bedeutet „Heimat, Himmel“(Duden 2001, S.886).

Man kann argumentieren, dass das Wort sich zu einer Zeit entwickelte, in der Frauen unterdrückt waren. Im hohen Mittelalter, in dem Mittel hochdeutsch gesprochen wurde, kam es zwar zu einer Besserstellung der Frauen in den Städten. Doch diese städtische Freiheit stellt nicht auf die persönliche Freiheit ab, der Begriff war zu dieser Zeit „ ... korporativ gefaßt, man erstrebt die Freiheit der Bürgerschaft, der Stadtgemeinde usw.“ (Ennen 1999, S.95)

Auch das oft kritisierte Wort „man“ hat sich zwar aus „Mann“ entwickelt, dieses wiederum entspringt der Wurzel „*monu-“ oder „*manu-“ - das „Mensch oder Mann“ bedeutet. „Welche Vorstellung dieser Benennung des Menschen zu grunde liegt, ist nicht sicher zu klären. Vielleicht handelt es sich ... um eine Bildung zu der ... sing. Verbalwurzel *men[ ə ] - „denken, überlegen“ (Duden 2001, S.506)

„man“ bedeutete zunächst „...„irgendein Mensch“ dann „jeder beliebige Mensch“ und umfaßt heute singularistische und pluralistische Vorstellungen“ (Duden 2001, S. 504)

Hoffmann handelt in seinem Buch unter anderem die „man“-Problematik ab und merkt an: „Feministinnen rufen diesen verblaßten Zusammenhang wieder ins allgemeine Sprachbewußtsein zurück.“ (Hoffmann 1979, S.87)

An diesen Beispielen sieht man, dass die Bedeutung der Wörter sich geändert hat, wobei die Schreibweise oft gleich blieb.

Günther Drosdowski warnt davor „(auf) die Oberfläche der Sprache (also Schreibung bzw. Lautung) zu starren und nicht die Inhaltsseite in den Blick zu nehmen.“ (Drosdowski in Bickens/Brunner 1992, S. 18). Neben dem bereits erwähnten Beispiel des Wortes „Vaterland“ werden auch andere Wörter und besonders Phraseologismen, die sich dadurch kennzeichnen „daß darin die die grammatischen Eigenschaften und Bedeutungen der einzelnen Wörter (weitestgehend) gelöscht sind.“ (Drosdowski ebenda) oft in der Kritik von Feministinnen. Hier sieht er die Gefahr, das an Glaubwürdigkeit verloren geht, wenn weiterhin die Sprache oberflächlich kritisiert wird.

3. Empfinden Frauen die deutsche Sprache in ihrer jetzigen Form als Diskriminierung?

Gerade wenn es um Berufsbezeichnungen, Verkehrsschilder, Gebrauchsanweisungen, Formulare usw. geht wird bei den Diskussionen oft vermittelt, als würden sich alle Frauen durch bestimmte verwendete sprachliche Ausdrucksweisen nicht angesprochen und diskriminiert fühlen.

„Linguistisch muss man sagen, dass es nicht nur auf die Intention der Sprecherinnen und Sprecher ankommt, sondern auch darauf, welche Wirkung die Äußerung auf die Hörerin hat...“ (Trömel-Plötz 1982, S. 17). Hier kommt ein wichtiger Aspekt zu Sprache – Kommunikation ist stets zweiseitig. Es stellt sich generell die Frage, wie Frauen Sprache in der jetzigen Form beurteilen. Nun sieht so aus, als würden sich bei weitem nicht alle Frauen durch bestimmte Phrasen wie Berufsbezeichnungen in der Mehrzahl, die im Genus stets männlich sind, durch die Bezeichnung ansich ausgenommen fühlen.

Frauen, die nach einer geschlechtergerechten Sprache rufen, gehen zu oft davon aus, das alle Frauen diese Veränderungen wollen, für sinnvoll und hilfreich halten.

„Wir beobachten ja den Sprachgebrauch und auch Reaktionen auf den Sprachgebrauch. Dabei muß ich einräumen,daß ich nicht davon sprechen kann, daß eine Mehrheit der Frauen bisher dieses Bewußtsein entwickelt hat, ..., aber man sollte sich im klaren darüber sein, daß viele Frauen im Gegenteil sogar allergisch auf diese Thematik reagieren...“ (Bickens in Bickens/Brunner 1992, S. 32)

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Wie wird Sprachungleichheit empfunden, welche Vorschläge gibt es zur Angleichung, wie ist die Wechselwirkung mit der Gesellschaft?
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Abteilung für theoretische Soziologie und Sozialanalysen)
Veranstaltung
Proseminar Themen der theoretischen Soziologie, WS 05/06
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V51958
ISBN (eBook)
9783638477857
ISBN (Buch)
9783638751612
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachungleichheit, Vorschläge, Angleichung, Wechselwirkung, Gesellschaft, Proseminar, Themen, Soziologie
Arbeit zitieren
Birgit Schweighofer (Autor:in), 2006, Wie wird Sprachungleichheit empfunden, welche Vorschläge gibt es zur Angleichung, wie ist die Wechselwirkung mit der Gesellschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51958

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