Der Niedergang des 'zünftigen' Handwerks

Dargestellt an Sebastian Brants: „Ein Gesellenschiff“


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung und Vorstellung des Themas

2. städtische Gesellschaftsstrukturen im Mittelalter

3. Die Zünfte: Zweck, Restriktionen und Zunftvorschriften

4. „Eyn gesellen schiff“

5. Brants Kritik an Handwerk, Zünften und Gesellschaft

6. Resümee

7. Literaturnachweis

1. Einleitung und Vorstellung des Themas

Das Mittelalter steht für einen fundamentalen Umbruch innerhalb der bis dahin bestehenden gesellschaftlichen Strukturen. Der Wechsel von der autonomen, agrar- und viehwirtschaftlich orientierten Gesellschaft auf dem Lande, hin zur Handwerks-, Handel- und Gewerbetreibenden Gesellschaft in den großen Städten. Handwerker und Händler organisieren sich in Zünften und Gilden. Mit den Jahren gewinnen diese immer mehr an Macht und dominieren fast das gesamte Leben in den mittelalterlichen Städten.

Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Aufbau der Zünfte, deren Restriktionen und Vorschriften, sowie ihrer Markt-Dominanz im Mittelalter und soll, ausgehend von Sebastian Brants „ein Gesellenschiff“[1], die Folgen dieser Strukturen beleuchten. Des Weiteren wird Brants Kritik an der Handwerker-Moral des ausgehenden 15. Jahrhunderts aufgezeigt werden. Ein Versuch der Interpretation von Brants Kritik soll das Resümee dieser Arbeit bilden.

2. städtische Gesellschaftsstrukturen im Mittelalter

In der Zeit vom 10. bis 15 Jahrhundert vollzieht sich ein elementarer Wandel in der gesellschaftlichen Struktur. Die selbstgenügsame Abgeschlossenheit der Naturalwirtschaft, in der jedes Dorf, jeder Fronhof fast alles, was zum Leben notwendig war, selbst herstellt, wird durch den Warenverkehr überwunden.

Allmählich trennt sich die gewerbliche- und handwerkliche- von der landwirtschaftlichen Arbeit. Schmiede, Schneider, Bäcker und andere Handwerker beginnen, die bäuerlichen Tätigkeiten weitgehend aufzugeben. So entstehen neben den größeren Herrensitzen Handwerkersiedlungen. Dort, wo Absatzmöglichkeiten, Rohstoffe und günstige Verkehrslage die Warenproduktion fördern, in Anlehnung an Bischofssitze, Pfalzen, Burgen und Klöster, entwickeln sich allmählich aus Märkten die mittelalterlichen Städte. Das Bürgertum, eine Klasse freier Menschen, Kaufleute und Handwerker entsteht, wodurch das System der feudalen Abhängigkeiten durchbrochen wird.

„Um das Jahr 1500 gab es rund dreitausend städtische Siedlungen im Reich (…) fünfzehn lagen bei über zehntausend (Einwohnern) und waren Großstädte im damaligen Sinn“[2]. Oft mehr als die Hälfte der Stadtbewohner stellt die Unterschichten, etwa Tagelöhner, Gesellen und Mägde. Sie sind meist ohne Vermögen und können daher kein Bürgerrecht erwerben. Folglich besitzen sie keinerlei politische und gesellschaftliche Mitspracherechte. Sie sind nur Einwohner, keine Bürger.

Die große Masse der städtischen Bewohner sind Handwerker und Kaufleute. Die Handwerker organisieren sich in den so genannten Zünften, während die Kaufleute äquivalente Gilden gründen. Da Brant in „ein Gesellenschiff“ hauptsächlich von Handwerkern ausgeht, soll auch der Schwerpunkt meiner weiteren Ausführungen auf den Zünften liegen.

3. Die Zünfte: Zweck, Restriktionen und Zunftvorschriften

„Die Zünfte waren wichtige Institutionen im Leben der mittelalterlichen Stadt, denn sie sorgten für das wirtschaftliche Wohlergehen sowohl ihrer Mitglieder als auch der Verbraucher“[3]. Bedingt durch den technischen Fortschritt, die Herausbildung neuer Handwerksbereiche und die Spezialisierungen in verschiedenen Handwerksberufen, spaltet sich das ursprünglich einheitliche Handwerk in 30-40 verschiedene Zünfte[4]. „Der Zunftzwang band die Berechtigung zum Gewerbebetrieb an die Mitgliedschaft in der Zunft“[5]. Innerhalb der jeweiligen Zunft werden unter anderem die Arbeitszeiten, die Qualität der Erzeugnisse, die Menge des Absatzes, der Preis der Waren, die Anzahl der zugelassenen Gesellen und Meister sowie Richtlinien für die Ausbildung strikt geregelt. Die steigende Warenproduktion bewirkt ein wirtschaftliches und politisches Erstarken der Zünfte, die ab dem 13. bzw. 14. Jahrhundert dann auch Zugang zum Rat erhalten und somit ihre Machtposition innerhalb der Stadt weiter ausbauen können. „Jeder Bürger gehörte einer Zunft (…) an, doch bei weitem nicht alle Einwohner besaßen das Bürgerrecht“[6]. Auch die Aufnahme in eine Zunft wird durch die strengen Zunft-Vorschriften strikt reglementiert. Grundvoraussetzungen für eine Mitgliedschaft verlangen: „so soll keiner in das Handwerk auf- und angenommen werden, er sei denn gueter deutscher, aus einem rechten Ehebette recht und echte von Vater und Mutter ehelichen erzeuget und geboren, und habe desfals seinen glaubwürdigen Geburtsbrief, auch kundschaft seines bisherigen Verhaltens aufzueweisen und vorzuetragen“[7]. Wird man nach den Grundvoraussetzungen zur Aufnahme in eine Zunft anerkannt, folgt der lange Ausbildungsweg, die so genannte Lehrzeit. Nach drei Jahren Lehrzeit im Haus des Meisters und nach Ablegen des Gesellenstückes begibt sich der frischgebackene Gesell ‚auf Wanderschaft’ bevor er nach langen Jahren sein Meisterstück fertigen kann, um endgültig als Meister einen eigenen, ‚zünftigen’ Betrieb innerhalb der Stadt eröffnen zu dürfen[8]. „Dennoch war es nicht leicht, sich eine selbständige berufliche Existenz aufzubauen. In den meisten Zünften nämlich war die Zahl der Meister beschränkt. Viele Gesellen konnten daher nie einen eigenen Hausstand gründen und blieben in lebenslanger Abhängigkeit“[9]. Für Handel und Gewerbe Mittelalter gilt der Grundsatz: „Gewerbefreiheit und Zunftwesen waren unvereinbar“[10]. Für alle Betriebe, die die gleichen Waren herstellen, gelten auch die gleichen Öffnungszeiten, einheitliche Anzahl der Lehrlinge und Gesellen pro Betrieb sowie deren festgelegte Löhne. Damit kein Meister einen Vorteil gegenüber einem anderen haben kann, wird selbst die Anzahl der Werkzeuge, der Arbeitsstunden sowie der Verkaufspreise innerhalb der Zunft vorgeschrieben. Kein Meister darf Werbung für seine Waren machen, jede Art der Verbesserung des Herstellungsverfahrens, mit deren Hilfe man schneller und quantitativ mehr produzieren kann als andere, ist untersagt.

Die Verbraucher profitieren von der Existenz der strikten Zunftvorschriften durch einen besonders hohen Qualitätsanspruch der Waren sowie durch gleich bleibende Preise. Andererseits bleiben ihnen somit auch billigere Angebote durch moderne Herstellungsmethoden oder Wettbewerb beim Verkauf vorenthalten.

Diesbezüglich interessant sind auch „die schon aus dem späten Mittelalter bekannten Auseinandersetzungen zwischen zünftigen Handwerkern in der Stadt und ihren ländlichen Konkurrenten“[11]. Dieser ‚Kampf’ der städtischen Zünfte „richtete sich gegen die unzünftigen Pfuscher, Störer und Bönhasen, die häufig das Handwerk regulär gelernt hatten und wohl beherrschten, jedoch nicht die Möglichkeit oder die Mittel zur Etablierung als Meister besaßen“[12]. Brant spielt in „ein Gesellenschiff“ auch leicht auf diese ländlichen Handwerker und deren ‚Konkurrenz’ zu den zünftigen Betrieben in den Städten an.

[...]


[1]Samtliche Primärtextzitate aus:

Sebastian Brant: Das Narrenschiff. Stuttgart 1998

[2]Gudrun Aker: Narrenschiff. Literatur und Kultur in Deutschland an der Wende der Neuzeit, Stuttgart 1980, S. 169.

[3]Microsoft Encarta 99 Enzyklopädie.

[4]Der Terminus „Zunft“ soll in dieser Arbeit nicht ausgiebig vom Wortursprung- und Bedeutung her definiert werden, da dies wohl den Rahmen dieser Arbeit sprengen- und auch zu weit vom eigentlichen Thema abschweifen würde.

[5]Helga Schultz: Das ehrbare Handwerk, Weimar 1993, S.38.

[6]Aker, S. 178.

[7]Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Pr. Br. Rep. 78, Kurmärkische Lehnskanzlei, Bd. 1: Kopiare, Nr. 170, Teil 1, folio 243.

[8]Der hier beschriebene Werdegang ist exemplarischer Natur, ungeachtet der speziellen Zunft. Er bezieht sich auf die ausführliche Darstellung in: Schultz, Kapitel III: der lange Weg zur Meisterschaft, S.60-84.

[9]Aker, S. 180.

[10]Schultz, S. 38.

[11]Wilfried Reininghaus: Zünfte und Regionen. „Zunftlandschaften“ als Forschungsproblem. In: Zunftlandschaften in Deutschland und den Niederlanden im Vergleich. Hg. von Wilfried Reininghaus, Hamm 2000, S. 5.

[12]Schultz, S. 38.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Niedergang des 'zünftigen' Handwerks
Untertitel
Dargestellt an Sebastian Brants: „Ein Gesellenschiff“
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V51877
ISBN (eBook)
9783638477277
ISBN (Buch)
9783640864799
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Niedergang des 'zünftigen' Handwerks. Dargestellt an Sebastian Brants: 'Ein Gesellenschiff' mit Bildern u Textzitaten Primärtext
Schlagworte
Niedergang, Handwerks, Zunft, zünftig, Stadt im Mittelalter, Gesellschaft im Mittelalter, Brandt, Narrenschiff
Arbeit zitieren
B.A. Dominik Burger (Autor:in), 2004, Der Niedergang des 'zünftigen' Handwerks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51877

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