Strukturelle Charakteristika von Bantu-Pidginsprachen


Hausarbeit, 2003

25 Seiten, Note: gut (2+)

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. Pidgin-Sprachen im Bantu-Bereich
1. Was sind Pidgin-Sprachen?
2. Bantu-Pidgin-Sprachen und ihre Verbreitung

II. Phonologie der Bantu-Pidgin-Sprachen
1. Vokale
2. Konsonanten
2.1 Die palatalo-alveolaren Frikativen [S] und [Z]
2.2 Die dentalen Frikativen
2.3 Die glottale Frikative
2.4 Die Plosiven
2.5 Die Ejektiven
2.6 Aspirierte Explosive
2.7 Weitere Merkmale
3. Tonhöhe als dinstiktive Einheit
4. Morphophonologie
4.1 Alternation
4.2 Optionale Alternation

III. Grammatische Kategorien
1. Numerus
1.1 Numerus-Unterscheidung innerhalb des Satzes
1.2 Numerus am Nomen
2. Die Nominalklassen und die Konkordanz
2.1 Die Nominalklassen
2.2 Die Konkordanz
3. Deiktische Kategorien
3.1. Das Personal- und Possessivpronomen
3.2. Das Demonstrativum
4. Zeit, Aspekt, Modus
4.1. Zeit und Aspekt
4.2. Modus

IV. Syntax und Semantik
1. Syntax
1.1. Beziehungen zwischen Wörter
1.2. Verbindungen von Sätzen
2. Lexikon und Semantik

V. Zusammenfassung

Bibliographie

I. PIDGIN-SPRACHEN IM BANTU-BEREICH

1. Was sind Pidgin-Sprachen?

Pidgin-Sprachen werden typischerweise in Kommunikationssituationen entwickelt, in denen Menschen mit unterschiedlicher Erstsprache aufeinander treffen und einer Handels-, Arbeits- oder Hilfssprache im weitesten Sinne bedürfen.

Diese Kommunikation beschränkt sich zunächst auf bestimmte Bereiche wie Handel, Verkehr, Arbeit oder Armee, und führt außerhalb dieser Bereiche in der Regel nicht zu vertieften sozialen Beziehungen zwischen den Kommunikationspartnern. Die Kontakte zwischen Gemeinschaften sind sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer jeweiligen Dauer meist beschränkt, unpersönlich und oft durch soziale Distanz gekennzeichnet.

Pidgin-Sprachen sind in lexikalischer und syntaktischer Hinsicht als rudimentär bzw. simplifiziert und gemischt zu bezeichnen.

Nach Hymes (1971) kann man Pidgin-Sprachen als solche definieren, die starke grammatische Vereinfachung und ein begrenztes Lexikon aufweisen, die in ihrer kommunikativen Funktion eingeschränkt sind, die nur von Erwachsenen gesprochen werden und für keinen Sprecher Muttersprachen sind, die in multilingualen Gruppen als Kommunikationsmittel dienen und in der Regel nicht verschriftet sind.

2. Bantu-Pidgin-Sprachen und ihre Verbreitung

Bantu-Pidgin-Sprachen sind Sprachen, die ihrer genetischen Stellung nach zur Bantu-Gruppe gehören und einen Prozess der Pidginisierung durchgemacht haben. Dazu gehören: Fanagalo, Stadt-Bemba, Kituba, Lingala, Luba, Pidgin A 70 und Pidgin-Dialekte des Swahili.

Fanagalo ist abgeleitet von Nguni-Dialekten (Zulu) und überwiegend innerhalb der Republik Südafrika verbreitet.

Stadt-Bemba gehört zur Bemba-Gruppe und wird vor allem im Industriegebiet des Copperbelt in Zambia gesprochen.

Kituba, die von Kikongo abgeleitete Pidgin-Sprache wird im unteren Kongo-Gebiet gesprochen. Nicht alle Dialekte des Kituba sind Pidgins.

Lingala wird in weiten Teilen des südlichen und zentralen Kongo-Brazaville gesprochen. Es ist wenig bekannt, welche Dialekte des Lingala Pidgin-Formen besitzen.

Luba (Tshiluba) wird im Südosten der Republik Kongo überwiegend als erste Sprache gebraucht. Luba scheint eine Pidgin-Form hervorgebracht zu haben, die Tshituba oder Kituba genannt wird. Dieser Dialekt war vor allem in der Kommunikation zwischen Afrikanern und Europäern benutzt.

Pidgin A 70 wird hauptsächlich im südlichen Teil Kameruns gesprochen.

Pidgin-Dialekte des Swahili sind im inneren Kenias, in Uganda, Ruanda, Burundi und im

Osten der Republik Kongo zu finden. Zu dieser Gruppe gehören u.a. Kenia-Pidgin-Swahili und „Congo Swahili“.

II. PHONOLOGIE DER BANTU-PIDGIN-SPRACHEN

1 P1.Vokale

Bei den in Afrika verbreiteten Pidgin-Sprachen findet man in der Regel fünf Vokal-Phoneme, nämlich:

Distinktive Vokallänge ist in den Pidgin-Bantu-Sprachen kaum festzustellen. Bemba

(Cibemba nach I. Richardson) und Zulu, zum Beispiel, besitzen distinktive Vokallänge, in Stadt-Bemba und Fanagalo wurde sie abgebaut.

2. Konsonanten

Als Folge des Pidginisierungsprozesses lässt sich in der Regel eine Verminderung der Zahl distinktiver Einheiten beobachten. Z.B. Kenya-Pidgin-Swahili hat zwischen 18 und 22 Konsonanten-Phoneme, Swahili, das an der Küste Ostafrikas gesprochen wird, hat dagegen zwischen 25 und 29 Konsonanten-Phoneme. Die Zahl der Konsonanten-Phoneme im Fanagalo liegt zwischen 23 und 27, während in seiner Basis-Form, dem Zulu, man über 30 Konsonanten-Phoneme unterscheidet.

2.1 Die palato-alveolaren Frikativen [S] und [Z]

Die palato-alveolaren Frikativen [S] und [Z] werden in den Pidgin-Sprachen abgebaut und in der Regel durch alveolare Frikativen [s] und [z] ersetzt. Z.B. das Standard Swahili Phonem /S/ (orthogr. sh) ist in den pidginisierten Dialekten des Swahili in Kampala (Uganda) und auch in Kenia Pidgin-Swahili zu /s/ geworden: kushona > kusona `nähen`, mashamba > masamba `Farmer`

2.2 Die dentalen Frikativen

Die interdentalen Frikativen [T] und [D] bleiben nur selten in Pidgin-Sprachen erhalten und weisen verschiedene Entwicklungsrichtungen auf. So werden sie in einigen Worten des Kenia-Swahili-Pidgins und in englischen Lehnwörter des Fanagalo durch entsprechende Explosive ersetzt, wie /T/ > /t/ in folgenden Beispielen: Standard-Swahili themanini > tamanini `80`, Engl. thirty > teti `30`. Andere Entwicklungen, wie /T/ (th) > /s/ (manchmal auch /T/ > /f/) und /D/ (dh) > /z/, findet man in folgenden Beispielen: Standard-Swahili: Kenya-Pidgin-Swahili:

thelathini selasini `30`

thumni sumuni `50 Cent`

kudharau kuzarau `verachten`

haidhuru haizuru `es macht nichts`

2.3 Die glottale Frikative

In dem Entwicklungsprozess von der natürlichen Sprache zum Pidgin kommt es häufig zum Schwund der glottalen Frikativen [h], wie z.B. im Kenya-Pidgin-Swahili. Bei pidginiesierten Swahili-Dialekten in Kampala ist das /h/ des Standard-Swahili entweder durch /y/ oder durch kein Phonem vertreten. /h/ scheint durch /y/ nur in solchen Fällen vertreten zu sein, wenn der darauffolgende Vokal ein /i/ ist, z.B.

Kiswahili chiswayili `Swahili-Sprache`

muhindi muyindi `Maispflanze`

hata ata `sogar`

2.4 Die Plosiven

Die stimmhaften implosiven Konsonanten der Bantu-Sprachen sind in dem Pidginisierungsprozess allgemein geschwunden und durch die entsprechenden Explosiven ersetzt worden. Standard-Swahili Implosiv-Reihe [º ë ï ©] ist in den Pidgindialekten des Swahili durch [b d dZ~y(“Congo Swahili”) g] ersetzt worden, z.B. Standard-Swahili: „Congo Swahili”(nach Harries 1956):

[si` ïui] siyui `ich weiß nicht`

[pam` ïa] pamoya `zusammen`

Zulu besitzt eine distinktive Opposition zwischen einem stimmhaften bilabialen Implosiven und einem bilabialen Explosiven /º/ : /b/, z.B. º eka `put` : beka `look`. Diese Phoneme sind bei dem Pidginisierungsprozess zusammengefallen, das implosive /º/ wurde in Fanagalo explosiv.

2.5 Die Ejektiven

Die Ejektiven sind in dem Pidginisierungsprozess in der Regel durch nicht-ejizierte stimmlose Explosive ersetzt worden, z.B. an Stelle von Zulu [k` t` p`] sind im Fanagalo die nicht-ejektiven [k t p] getreten.

2.6 Aspirierte Explosive

Die in den natürlichen Sprachen vorhandene distinktive Unterscheidung zwischen aspirierten und nicht-aspirierten explosiven Konsonanten ist in den Pidgin-Sprachen geschwunden. Diese Unterscheidung beobachtet man beispielsweise im Zulu /khakha/ `ätzend sein` vs. /kaka/ `umzingeln`, während sie in Fanagalo nicht mehr existiert.

Nach Hopkins-Jenkins soll die Unterscheidung zw. /kh/ und /k/ erhalten geblieben sein, z.B. khala `schreien`: ka yena `sein` (Poss.)

Auch im Standard-Swahili ist Aspiration ein distinktives Merkmal, z.B. /phaa/ `kleine Gazelle`, /paa/ `Dach `, während sie in den Pidgin-Dialekten des Swahili ihre distinktive Funktion verloren hat.

2.7 Weitere Merkmale

In einigen Pidgin-Sprachen, wie Kenya-Pidgin-Swahili, beobachtet man eine Tendenz, die stimmhaften Frikative durch die stimmlosen zu ersetzen: [v z] > [f s].

3. Tonhöhe als distinktive Einheit

In verschiedenen Pidgin-Sprachen des Bantu-Bereiches gegenüber ihren Basis-Formen findet man eine Tendenz zum Abbau distinktiver Tonhöhen. In Kituba z.B. hat der Druckakzent die Rolle des Tones übernommen. Nach H.W. Fehderau sind in Kituba nicht nur distinktiver Druckakzent, sondern auch zwei Toneme (distinktive Tonhöhen) vorhanden, z.B. mu`kanda `Haut` vs. mu`k ánda `Bauch`. Fehderau fügt dazu, dass dieser topologische Kontrast eine sehr geringe funktionale Bedeutung hat.

Ebenso in Fanagalo findet man heute keine distinktiven Töne mehr. Druckakzent ist an die vorletzte Silbe des Wortes gebunden und gepaart mit Vokallängung und Hochton.

Pidgin-Dialekte des Swahili und ihre Basis-Form besitzen keine distinktiven Tonhöhen, haben aber einen automatischen Druckakzent auf der vorletzten Wortsilbe.

4. Morphophonologie

4.1 Alternation

Alternation, d.h. Lautwechsel in einem Morphem, beobachtet man beispielsweise in Bemba. Verbalsuffix - ile dient der Bildung verschiedener Vergangenheitsformen. Dieses Suffix hat abhängig von seiner phonologischen Umgebung verschiedene Varianten. Falls dem Suffix -ile ein Nasalkonsonant voransteht, wechselt es zu -ine, z.B. –tum- `schicken` > -tum-ine. Befindet sich in der vorangegangenen Silbe ein mittlerer Vokal, d.h. /e/ oder /o/, verändert sich -ile bzw. –ine vokalharmonisch zu –ele bzw. –ene, z.B. –sos- `sprechen` > -sos-ele. Im Stadt-Bemba dagegen bleibt das Suffix –ile unveränderlich, d.h. morphophonemische Alternation ist geschwunden.

Eine andere Art morphophonemischer Alternation findet man in Swahili. In dem Prozess der Pidginisierung zeigt sich hier eine Abbautendenz. In Swahili haben einige Verbalstämme in ihrer Imperativ-Form eine andere Lautgestalt als in anderen Umgebungen, z.B.

kwenda > nenda `gehen` > `geh!`

kuja > njoo `kommen` > `komm!`

In Kenya-Pidgin-Swahili bleiben sie, wie das Beispiel zeigt, unverändert:

kwenda > kwenda `gehen` > `geh!`

kuja > kuja `kommen` > `komm!`

4.2 Optionale Alternation

Bei allen Pidgin-Sprachen des Bantu-Bereiches findet man eine große Anzahl der freien Variationen, z.B. Kenya-Pidgin-Swahili Phoneme /p/, /t/, /ch/, /k/, /b/, /d/, /j/, /g/, /f/ haben jeweils mindestens vier verschiedene Varianten. Standard-Swahili Worte –okota `aufheben` und njia `Weg` haben in Kenya-Pidgin-Swahili folgende Formen: rokota, lokota, rogota, okota und ngia, injia, injila, njira, <jia.

III. GRAMMATISCHE KATEGORIEN

1. Numerus

1.1 Numerus-Unterscheidung innerhalb des Satzes

Die Bantu-Sprachen besitzen ein nominales Klassensystem, jedem Singular-Präfix entspricht ein Plural-Präfix. Numerus-Unterscheidung wird in mechanischer Weise vom Nomen auf weitere Wortarten, Bestandteile des Satzes, übertragen. In Bantu-Pidgin-Sprachen zeigt sich die Tendenz die Numerus-Unterscheidung auf eine Wortart, in der Regel das Nomen, zu beschränken, z.B. die Standard-Swahili Sätze

Watu wote wanaofanya kazi watapata pesa.

Pl-Mensch sie-all sie-Aor-Rel-machen Arbeit sie-Fut-bekommen Geld

`Alle Leute, die arbeiten, werden Geld bekommen`

Vi tu vyako ni vizuri.

Pl-Ding sie-dein Kop Sie-schön

`Deine Sachen sind schön`

sehen in Kenya-Pidgin-Swahili folgend aus:

Wa tu yote ile nafanya kazi tapata pesa.

Pl-Mensch all Rel Aor-machen Arbeit Fut-bekommen Geld

Vitu yako iko muzuri.

Pl-Ding dein Kop schön

Und hier noch ein Beispiel aus Fanagalo:

Lo mapomp yena pukile kodwa yena pompa manzi.

die Pl-Pumpe er brechen-Verg aber er pumpen Wasser

`Die Pumpen sind kaputt, aber sie pumpen (dennoch) Wasser.

[...]

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Details

Titel
Strukturelle Charakteristika von Bantu-Pidginsprachen
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Afrikanische Sprachwissenschaften)
Veranstaltung
Vergleichende Grammatik der Bantusprachen
Note
gut (2+)
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V51858
ISBN (eBook)
9783638477123
ISBN (Buch)
9783656796503
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturelle, Charakteristika, Bantu-Pidginsprachen, Vergleichende, Grammatik, Bantusprachen
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Strukturelle Charakteristika von Bantu-Pidginsprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51858

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