Die katholische Kirche und das Dritte Reich


Essay, 2019

12 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Einleitung

Das nationalsozialistische Dritte Reich unter Adolf Hitler war eine der schlimmsten Diktatu- ren der Weltgeschichte. Basierend auf einem rassistischen und fremdenfeindlichen Weltbild, terrorisierte es zwolf Jahre, zwischen 1933 und 1945, Europa und Nordafrika, begann einen Weltkrieg der fast 80 Millionen Menschen das Leben kostete und vollzog den grausamen Ho­locaust an den Juden. Der Fuhrer des Dritten Reichs, Adolf Hitler, erschien in seiner eigens formulierten und entwickelten Ideologie als eine Art gottliche Erscheinung.1 Er sah sich selbst als Gesandter Gottes, der, unter anderem durch den Volkermord an den Juden, das Werk Got- tes vollbrachte: „Indem ich mich des Juden erwehre, erfulle ich das Werk des Herrn.“2. Eine solche Struktur und Idee scheint dem christlichen Weltbild und der katholischen Kirche dia­metral gegenuberzustehen. Trotzdem nutzten Hitler und die Nationalsozialisten religiose Be- zuge und Riten in ihrer Ideologie. Somit stellt sich die Frage, inwieweit Kirchen und das Drit- te Reich vereinbar waren und wie Hitler personlich zu der katholischen Kirche stand.

Das folgende Essay wird der Fragestellung nachgehen, ob und inwieweit die katholische Kir- che und das Dritte Reich zwischen 1933 und 1945 harmonisch koexistierten, gegenseitige Neutralitat bewahrten, oder sich gar gegenuberstanden. Als Grundlage fur diese Analyse wird der am 29.April 1940 verfasste Brief3 von Adolf Hitler, adressiert an Kardinal Dr. Bertram, dienen. Das Essay wird hierbei die historische Primarquelle inhaltlich darstellen, sie kon- textualisieren und anschlieBend interpretieren sowie mit Hinblick auf ihren historischen Kon- text einordnen.

Darstellung der Quelle

Der am 29.April 1940 erstellte Brief Adolf Hitlers stellt zusammengefasst einen Dankesbrief Hitlers fur erhaltene Geburtstagsgluckwunsche an den Kardinal Dr. Bertram, damaliger Erzbi- schof von Breslau4, dar. Daruber hinaus nutzt er den Anlass, um auch eine politische Betrach- tung und Intention in den Brief einzuarbeiten, der auf vergangene Situationen hinweist und zukunftige Ereignisse Ausblick gibt.

In diesem Brief nutzt Hitler den ersten Absatz dafur, sich explizit fur die Gluckwunsche der katholischen Wurdentrager, die er anlasslich seines 51. Geburtstages erhalten hatte, zu bedan- ken. Der darauffolgende Absatz enthalt die Repetition und Anerkennung eines erhaltenen Treueschwurs der katholischen Kirche, den Hitler angibt zu erwidern. Der dritte und letzte Absatz thematisiert die politischen Ramifikationen der beiden zuvor erwahnten Treueschwure und beinhaltet eine Interpretation dieser. Adolf Hitler spricht dabei davon, dass es ihm zufolge keinen Widerspruch zwischen dem „Streben der katholischen Kirche, dem deutschen Volk den christlichen Charakter zu erhalten“5 nicht mit dem Streben Hitlers und der Nationalsozia- listen. Er geht dabei explizit auf die von ihm definierten Aufgaben der Seelsorge der katholi- schen Kirche ein und stellt sie komplementar zu den „volkischen und politischen Bewegung“6, als dessen Fuhrer er sich sieht. AbschlieBend auBert er seine Uberzeugung, dass die katholische Kirche mit eben jener Tatigkeit der Seelsorge einen signifikanten Beitrag zur „inneren Geschlossenheit unserer Volkes“7 im „schweren Kampf, den das deutsche Volk jetzt gegen seine Feinde zu bestehen hat“8 beitragen wird. Der Brief endet mit einer einfachen GruBformel und der Unterschrift des Verfassers.

Interpretation und Einordnung der Quelle

Zur vollstandigen Betrachtung der Quelle muss der historische Kontext dargestellt werden. Dazu gehort jeweils der historische Kontext der NSDAP, beziehungsweise Adolf Hitlers, der katholischen Kirche und der beiden genannten Parteien zueinander.

Im April 1940 befindet sich Adolf Hitler nur wenige Monate von seinem absoluten Hohe- punkt in puncto politischer Macht entfernt. Zu diesem Zeitpunkt, circa 7 Jahre nach der Machtergreifung von 1933, sind alle konkurrierenden Parteien bereits verboten, politische Dissidenten bis auf sehr wenige Ausnahmen aus dem Land geflohen, zumeist jedoch in Kon- zentrationslagern und Gefangnissen inhaftiert oder bereits getotet worden. Presse- und Mei- nungsfreiheit sind bis zu diesem Zeitpunkt langst brutal abgeschafft worden und die systema- tische Verfolgung von judischen Menschen, wie auch Inzidenzen, wie die Reichspogromnacht von 1938 bereits geschehen.9

Die Frage nach der Beziehung zwischen Kirche, in diesem Falle Katholizismus, und Staat ist eine der zentralsten Fragen in der deutschen Politik und Gesellschaft der letzten drei Jahrhun- derte gewesen. Das zunehmende Verlangen der deutschen liberalen Bevolkerung nach einer Trennung von Staat und Kirche ab dem 18. Jahrhundert und dem gegenuberstehend eine ka- tholische Kirche, die ihren Einfluss auf die Politik des Landes nicht zuruckstellen wollte, spitzte sich in Deutschland zu. Die katholische Kirche hatte schon bei der Deutschen Natio- nalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848 einen losen politischen Zusammen- schluss gebildet, welcher schlussendlich in der Grundung der katholisch gepragten Zentrums- partei 1870 mundete. Das katholisch politische Streben gegen den aufkommenden Liberalis- mus spitzte sich unter Bismarck weiter zu und endete in der Inhaftierung von uber 1.800 ka- tholischen Pfarrern bis 1875.10 Nach der Beilegung des sogenannten Kulturkampfs etablierte sich die Zentrumspartei bis zum 1. Weltkrieg und vor allem in der Weimarer Republik als wichtige Partei und stellte so auch unter anderem den Reichskanzler Bruning, welcher die Weimarer Republik durch eine strenge Sparpolitik in der Weltwirtschaftskrise von 1929 sehr stark schwachte.11

Die NSDAP war vor der Machtergreifung von 1933 eine sehr junge und politisch unerfahrene Partei, die erst wenige Jahre zuvor 1920 in Munchen gegrundet wurde. Nach einem weitlaufi- gen Verbot der Partei 1922 und dem gescheiterten Putschversuch unter Adolf Hitler und seine darauffolgenden Inhaftierung 1923, wurde die Partei 1925 reorganisiert.12 Unter der Leitung von Adolf Hitler und gestutzt von seinen rassistischen und faschistischen Schriften - Mein Kampf Band 1 und 2 - steigerte sich die arbeiternahe und sozialistische Partei sukzessiv in ihren Wahlergebnissen. Befeuert durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929, das Gefuhl von Ber­liner Dekadenz innerhalb der deutschen Bevolkerung und politische Instability und Sparpoli- tik, erlangte die Partei erste zweistellige Wahlergebnisse ab 1930 und erreichte im Marz 1933 die Mehrheit der Stimmen mit 43,9%.13

Aufgrund des vorherrschenden Fuhrerkults innerhalb der NSDAP und dem ausgepragten poli- tischen Bestreben der Katholiken via der Zentrumspartei in Deutschland, schien eine Kon- frontation zwischen den beiden genannten Parteien unausweichlich. Das Bestreben der Natio- nalsozialisten, eine alleinige Deutungshoheit uber die Moral der Gesellschaft zu besitzen, stand kontrar zu den 95% der Deutschen, die zu diesem Zeitpunkt entweder in der evangeli- schen oder katholischen Kirche Mitglied waren.14 Das besondere an dieser Situation war je- doch, dass die evangelische Gemeinde Hitler und den Nationalsozialisten deutlich wohlge- sonnener gegenuber stand, im Vergleich zu ihrem katholischen Konterpart. In katholischen Regionen erreichte die NSDAP bei den Wahlen 1932 im Schnitt lediglich 15% der Stimmen, im Gegensatz dazu in evangelischen Regionen 39%, sprich fast dreimal so viel.15 Hitler zahlte Martin Luther selbst als eine seiner groBten Inspirationen im Hinblick auf gluhenden Antise- mitismus.16 Dabei stutzte er sich auf Zitate Luthers, wie das aus dem 1543 geschriebenen Buch Von den Juden und Ihren Lugen, in welchem Luther sagt, dass man die Synagogen nie- derbrennen soll, ihre Hauser zerstoren und sie wie Zigeuner in Stallen und Scheunen wohnen lassen sowie ihnen ihre Gebetbucher und Talmuden wegnehmen, da sie ohnehin nur Abgotte- rei lehrten.17

Viele evangelische hohe Vertreter waren bereits vor der Machtergreifung Hitler wohlgeson- nen, wie zum Beispiel Hans Meiser, Direktor des evangelischen P-Seminars in Nurnberg und ab 1933 erster evangelischer Landesbischof Bayerns. Dieser erstellte 1926 ein Gutachten mit dem Titel Die evangelischen Gemeinden und die Judenfrage. Trotzdem war auch der Wider- stand der evangelischen Kirche vorhanden, als das prominenteste Beispiel der Theologe Diet­rich Bonnhoeffer, und wurde von Nationalsozialisten wie auch die katholische Kirche im Rahmen des Kirchenkampfes versucht, gleichgeschaltet zu werden. So wurde als ein Versuch der Gleichschaltung der evangelischen Kirche, die Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) 1932 gegrundet, und versuchte mit betrachtlichem Erfolg die evangelische Kirche von innen heraus fur die NSDAP zu instrumentalisieren und fuhrerkonform zu gestalten.18

[...]


1 Vgl. Kosters, Christoph / Ruff, Mark Edward (2011): Die katholische Kirche im Dritten Reich. Eine Einfuh- rung, Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH, 24.

2 Hartmann, Christian / Vordermayer, Thomas / Plockinger, Othmar / Toppel, Roman (Hrsg.) (2016): Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Band 1, Munchen, Berlin: Institut fur Zeitgeschichte, 489.

3 Vgl. Von Preradovich, Nikolaus / Stingl, Josef (21986) [1985]: „Gott segne den Fuhrer!“. Die Kirchen im Drit- ten Reich - Eine Dokumentation von Bekenntnissen und Selbstzeugnissen, Leoni am Starnberger See: Druffel- Verlag, 304.

4 Vgl. Von Preradovich / Stingl 1968, 304.

5 ebd., 304.

6 ebd., 304.

7 ebd., 304.

8 ebd., 304.

9 Vgl. Kosters / Ruff 2011: 24f.

10 Vgl. Blackbourn, David (2007): Marpingen. Das deutsche Lourdes in der Bismarckzeit. Historische Beitrage des Landesarchivs Saarbrucken, Band 6, Saarland: Landesarchiv Saarbrucken, 128.

11 Vgl. Michalka, Wolfgang / Niedhart, Gottfried (Hrsg.) (1994): Die unbeliebte Republik. Dokumente zur In- nen- und AuBenpolitik Weimars 1918-1933, Munchen: dtv, 290f.

12 Vgl. Kershaw, Ian (2010): Hitler: 1889-1945, Munchen: Penguin Verlag, 225f.

13 Vgl. ebd., 228f.

14 Vgl. Bordat, Josef (2012): Glaube und Religion in Nazi-Deutschland, online in: literaturkritik.de.

15 Vgl. Falter, Jurgen W. / Hanisch, Dirk (1986): Die Anfalligkeit von Arbeitern gegenuber der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928-1933, online in: SSOAR Open Access Repository, 170f.

16 Vgl. Von Schlabrendorff, Fabian (1994): The Secret War Against Hitler, London: Taylor & Francis, 15.

17 Vgl. Ehrlich, Ernst L. (1985): Luther und die Juden, in: Kremers, Heinz (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther - Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn: Neukri- chener Verlag, 80ff.

18 Vgl. Meier, Kurt (2001): Kreuz und Hakenkreuz. Die evangelische Kirche im Dritten Reich, Munchen: Deut- scher Taschenbuch Verlag, 62ff.

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Details

Titel
Die katholische Kirche und das Dritte Reich
Hochschule
Universität Bremen
Note
1.0
Autor
Jahr
2019
Seiten
12
Katalognummer
V518498
ISBN (eBook)
9783346122209
ISBN (Buch)
9783346122216
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kirche, dritte, reich
Arbeit zitieren
Vivien Lukas (Autor:in), 2019, Die katholische Kirche und das Dritte Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/518498

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