Die G-Faktorentheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Intelligenz

2. Intelligenzmessung

3. Komponenten der Intelligenz
3. 1. Zur Frage des Geltungsbereichs faktorenanalytischer Intelligenzmodelle

4. Das Intelligenzmodell von Wechsler
4. 1. HAWIK – R
4. 2. Aufbau und Durchführung des HAWIK – R
4. 3. Persönliche Erfahrungen mit der Anwendung des HAWIK – R

5. Störfaktoren und Verzerrungen bei der Intelligenzmessung

6. Kritik

7. Persönliche Stellungnahme

Anhang 1

Anhang 2

Literaturverzeichnis

Intelligenz bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, kognitive Aufgaben zu lösen. Manche Psychologen sind der Auffassung, dass der Leistung bei allen kognitiven Aufgaben eine generelle kognitive Fähigkeit zugrunde liegt, d.h., wenn man eine Aufgabe gut lösen kann, kann man auch alle anderen gut lösen. Andere Psychologen sind der Ansicht, dass mit Intelligenz eine Reihe relativ unverbundener kognitiver Fähigkeiten gemeint ist, d.h. eine hohe Leistung bei einer Aufgabe bedeutet nicht unbedingt, dass man auch bei anderen Aufgaben viel leistet. Da es für beide Vorstellungen unterstützende Forschungsergebnisse gibt, weist die Intelligenz wahrscheinlich sowohl allgemeine wie auch spezifische Komponenten auf.

Es liegt an unserer entwickelten Intelligenz, dass wir Menschen in der Lage sind, uns über unsere körperlichen Schwächen zu erheben und die Herrschaft über andere Arten auszuüben, die stärker oder zahlreicher sind. Es ist also nicht erstaunlich, dass Intelligenz unser am höchsten gelobtes Gut ist. Intelligenz spielt gerade in unserer Gesellschaft eine immer bedeutsamere Rolle. Die Ergebnisse aus Intelligenztests werden oft zu wichtigen Entscheidungen über den weiteren Werdegang eines Menschen herangezogen. Sie bestimmen den Schulwerdegang, unseren Status im Berufsleben und unser soziales Leben. Jeder Mensch lernt, die Intelligenz seiner Interaktionspartner einzuschätzen und praktiziert dies im Netz seiner alltäglichen Beziehungen, Urteile und Entscheidungen. Aber diese Einschätzungen besitzen keine besonders große Gültigkeit und bringen so keine herausragende Befriedigung. Aus diesem Grund bemüht sich die wissenschaftliche Psychologie um eine Thematisierung und eine Systematisierung. Obwohl es keine allgemeingültige Definition für Intelligenz gibt, wird in dieser Arbeit zunächst auf die Begriffsbestimmung von Intelligenz eingegangen. Des Weiteren spielt die Intelligenzmessung mit ihren ursprünglichen Ideen und ihrer Geschichte eine zentrale Rolle. Die Intelligenzmodelle sind ebenfalls von großer Bedeutung, wobei sich diese Arbeit insbesondere auf das Zweifaktorenmodell der Intelligenz (Generalfaktorenmodell, g- Faktorentheorie,…) konzentriert. In diesem Sinne des Zweifaktorenmodells wird auf zutreffende Testverfahren eingegangen, wobei besonders der HAWIK (Hamburg – Wechsler – Intelligenztest für Kinder) hervorgehoben wird. Hierzu werden persönliche Erfahrungen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Bernburg gesammelt wurden, eingebracht. Auch auf Störfaktoren der verschiedenen Intelligenztests wird eingegangen, da diese die gesamte Durchführung und die Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität), denen ein Test entsprechen sollte, beeinflussen. Da auch in der Wissenschaft Intelligenztests immer wieder als umstritten gelten, scheint eine Kritik am Ende dieser Arbeit angebracht. Auch eine kurze persönliche Stellungnahme ist hier sinnvoll.

1. Intelligenz

Aber was ist nun eigentlich Intelligenz? Der Begriff Intelligenz wird sehr unterschiedlich definiert. Eine allgemeingültige Definition gibt es in der Psychologie nicht. Gemeinsam haben aber die meisten Definitionen, dass sie als das wesentliche Moment der Intelligenz die Fähigkeit bezeichnen, sich in neuen Situationen auf Grund von Einsichten zurechtzufinden oder Aufgaben mit Hilfe des Denkens zu lösen, ohne dass hierfür die Erfahrung, sondern vielmehr die Erfassung von Beziehungen das Wesentliche ist.[1]

Eine zutreffende Definition lieferten hier Jäger und Petermann: „ Intelligenz ist der Oberbegriff für die hierarchisch strukturierte Gesamtheit jener allgemeinen geistigen Fähigkeiten (Faktoren, Dimensionen), die das Niveau und die Qualität der Denkprozesse einer Persönlichkeit bestimmen und mit deren Hilfe die für das Handeln wesentlichen Eigenschaften einer Problemsituation in ihren Zusammenhängen erkannt und die Situation gemäß dieser Einsicht entsprechend bestimmten Zielstellungen verändert werden kann.“[2] In dieser komplexen Definition wird vor allem auf die Fähigkeit zur Lösung von für das Individuum neuen Denkproblemen Bezug genommen. Hier wird also Intelligenz mit Denkfähigkeit gleichgesetzt.

2. Intelligenzmessung

Bei der Intelligenzmessung muß man die Unterscheidung zwischen Fähigkeit und Leistung beachten. Ein wahrer Fähigkeitstest misst das Leistungspotential eines Probanden, nicht aber das jetzige Wissen und die Fertigkeiten des Probanden. Ein Leistungstest hingegen misst bestehendes Wissen und Fertigkeiten, unabhängig von der Fähigkeit oder dem Potential des Probanden zu zukünftigen Leistungen. Seine jetzigen Kenntnisse sind sein Leistungsniveau, sein Potential für zukünftige Leistungen ist dagegen sein Fähigkeitsniveau.

Mit Intelligenztests versucht man im allgemeinen, die intellektuelle Fähigkeit zu messen. In der Praxis ist es jedoch extrem schwierig einen Test zu konstruieren, der reine Fähigkeiten misst und von den Leistungen des Probanden völlig unabhängig ist. Das bedeutet, dass zwei Personen aus verschiedenen Gründen den gleichen Wert bei einem Intelligenztest erlangen können, eine etwa aufgrund ihrer hohen Fähigkeit und ihrer niedrigen Leistung, die andere vielleicht aufgrund ihrer niedrigen Fähigkeit und ihrer hohen Leistung. Die gegenwärtige Diskussion um die Fairness von Intelligenztests dreht sich zum großen Teil um dieses Problem, dass also z.B. Personen mit ausgeprägten Fähigkeiten vielleicht niedrige Werte erhalten, weil die soziale Herkunft ihr Leistungsniveau beschränkt.[3]

Historisch gesehen ging die Technik der Intelligenzmessung aus der Differentiellen Psychologie hervor. Intelligenztests waren nicht die ersten, aber sie sind die am besten gelungenen und bis heute die im Sinne der Ideale der experimentellen Psychologie am weitesten fortentwickelten Instrumente zur Bestimmung individueller Unterschiede.

Zunächst waren es die Disziplinen Pädagogik und Medizin, die die allgemeinsten Voraussetzungen für die spätere Entwicklung der Intelligenzmessung schufen.

Das erste allgemeine Intelligenzmaß wurde aus einem einfachen, praktischen Grund entwickelt. Als Folge der Ausdehnung des Schulunterrichts fielen den Pädagogen Anfang des 19. Jahrhunderts leichtere Schwachsinnsgrade auf. Daher beschloß das französische Kultusministerium um die Jahrhundertwende, dass Kinder mit Schulschwierigkeiten für Sonderschulen erfasst werden sollten. Infolgedessen wurden Forderungen für die Einführung unterschiedlicher Schulformen laut. Diese Entwicklung in der praktischen Pädagogik, die ursprünglich von medizinischen und später auch psychologischen Erkenntnisfortschritten begleitet war, war für die Vorgeschichte der Intelligenzmessung von Bedeutung. Sie zeigt, dass bereits verschiedene Intelligenzgrade zwischen Idiotie, Normal- und Hochbegabung unterschieden werden konnten. Aus den praktischen Problemen der Schule leitete sich letztlich der Auftrag des Ministeriums an Alfred Binet, einem bekannten Psychologen, und seinen Kollegen Theophile Simon her, ein zeitsparendes und möglichst objektives Verfahren zur Auslese Schwachbegabter zu entwickeln. Sie sollten einen Test entwickeln, der zum Aussondern dieser Kinder geeignet wäre. Seit dieser Zeit wurde der Test, der Binet – Simon – Test genannt wird, wiederholt revidiert, so dass heute auf der ganzen Welt Versionen dieses Tests benutzt werden. Binet und Simon gingen von zwei Annahmen aus. Erstens glaubten sie, dass sich Intelligenz aus vielen Fähigkeiten zusammensetzt, so dass Intelligenztests viele verschiedene Arten von Items enthalten müssen. Die meisten Items der Binet – Simon – Tests basieren auf einfachen alltäglichen Aufgaben, da Binet einen Test konstruieren wollte, der reine Fähigkeit misst und nicht für eine bestimmte Gruppe von Kindern besonders von Vorteil ist. Trotz dieses Anliegens und sorgfältiger Auswahl der Items weiß man, dass Binets Test selbst in seinen neusten Versionen nicht frei von Umgebungseinflüssen ist. Es gibt keinen Test, der wirklich kulturunabhängig ist, weil man bei der Auswahl der Items notwendigerweise von Annahmen darüber ausgeht, welche Erfahrungen Menschen tatsächlich gemacht haben. Wenn manche Menschen bestimmte, im Test vorausgesetzte Erfahrungen weniger gemacht haben als andere Menschen, können Unterschiede in ihrer reinen Fähigkeit, von diesen Erfahrungen zu profitieren, zurückgeführt werden (Anlage 1).

Als zweite Annahme steht hinter den Binet – Simon – Test, dass die Intelligenz sich mit dem Lebensalter verändert. Deshalb müssen die Items, die für Binet – Item – Tests ausgewählt werden, nach Alter und Schwierigkeitsgrad abgestuft werden. Somit führte Binet das Konzept des Intelligenzalters ein.[4]

Nirgendwo hatte die erfolgreiche Entwicklung eines Intelligenztests durch Binet einen größeren Eindruck gemacht als in den Vereinigten Staaten. Eine einzigartige Kombination historischer Ereignisse und soziopolitischer Faktoren bereiteten den Boden für das riesige Interesse an der Messung geistiger Fähigkeiten. Von dieser Zeit an gedieh das Interesse der Psychologen an der Messung intellektueller Fähigkeiten zu einer Industrie für Intelligenztests. Als 1917 die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg erklärten, ergab sich die Notwendigkeit, rasch eine militärische Organisation aufzubauen, die über kompetente Führung verfügte. Da viele Immigranten eingezogen wurden, musste entschieden werden, wer über die Fähigkeit verfügte, schnell zu lernen und von einem speziellen Führungstraining zu profitieren. Die Lösung dieses Problems bestand darin, Tests einzusetzen, die nicht auf verbalen Leistungen beruhten. Über 1,7 Mio. Rekruten wurden mit einem nonverbalen Gruppentest für geistige Fähigkeiten getestet, der von einer Gruppe prominenter Forscher erstellt worden war. Überzeugt von der großen Bedeutung von Binets Methode der Intelligenzmessung, passte Terman die Items amerikanischen Verhältnissen an, standardisierte die Anwendung der Test und entwickelte Altersnormen, indem er tausende von Kindern testete. 1916 veröffentlichte er den Stanford – Binet – Intelligenztest. Dieser wurde in den USA schnell zu einem Standardinstrument in der klinischen Psychologie, der Psychiatrie und der Erziehungsberatung. Zur gleichen Zeit trug die Übernahme des IQ durch Terman dazu bei, dass neue Vorstellungen von Zweck und Bedeutung der Intelligenzmessung entstanden. Terman hielt die Intelligenz für eine innere Eigenschaft mit einer stark erblichen Komponente. Er glaubte, dass Intelligenztests diese innere Eigenschaft messen könnten. Die implizite Botschaft lautete, der IQ beschreibe wesentliche und unveränderliche Aspekte der menschlichen Intelligenz. Die letzte Revision des Stanford – Binet – Tests stammt aus den Jahren 1972 – 1973. Dabei wurden die Normen überarbeitet, um den allgemeinen Anstieg der Testwerte in der Population zu berücksichtigen. Sie wurden um etwa ein halbes Jahr pro Altersstufe heraufgesetzt. Eine andere Änderung aber war viel grundlegender. Inzwischen werden die IQs beim Stanford – Binet – Test nicht mehr in der Weise berechnet, dass das Intelligenzalter durch das Lebensalter dividiert wird. Im Vergleich zu anderen Fähigkeitstests für Kinder weist der deutsche Stanford – Binet eine Reihe gravierender Mängel auf, was vielleicht der Grund dafür ist, dass er bei uns bei weitem nicht so verbreitet ist wie in den USA. Es wurde unter anderem die fehlende Erläuterung des zugrunde gelegten Intelligenzbegriffs und das Fehlen von Daten zur Reliabilität und Validität kritisiert. Auch ist keine Normierung für die deutschen Verhältnisse vorgenommen worden. Sogar die neuste Version des Stanford – Binet beruht größtenteils auf dem Gebrauch von Wörtern oder auf der Fähigkeit, mittels der englischen Schriftsprache zu denken und zu kommunizieren. Kinder, die sprachlich behindert sind oder in deren Elternhäusern nicht englisch gesprochen wird, würden aufgrund eines solchen Tests keine faire Beurteilung ihrer intellektuellen Fähigkeiten erhalten.[5]

Von frühen experimental – psychologischen Arbeiten (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) ging ein Schulungseffekt aus, der für das spätere Entstehen der Intelligenzmessung notwendige Voraussetzungen schuf, indem die Psychologen im Labor erst einmal lernten, sorgfältig mit ihrem Gegenstand umzugehen. Man erkannte, dass äußere Bedingungen, wie z.B. Unterschiede in der Reizdarbietung und der Versuchsanordnung, die Ergebnisse in hohem Maße beeinflussen konnten. Schon durch diese Erfahrungen kam vermutlich die Bedeutung der Standardisierung ins Bewusstsein.

Zur Diagnose der Intelligenzminderwertigkeit bei Kindern wurde die Anwendung des Intelligenzalters empfohlen. Man riet von einer mechanischen Anwendung der IQ – Tests ab und beobachtete die Kinder vielmehr genau während des Testvorgangs. Des Weiteren wurde auf die Notwendigkeit von Einzelanalysen zu differentialpsychologischen Zwecken hingewiesen und man war sich des Problems des Testleitereinflusses durchaus bewusst. Der von Binet entwickelte Stufentest verbreitete sich schlagartig und wurde zu einem systematischen Abschluß gebracht.

Stern definierte schließlich 1912 den Begriff Intelligenz aus einer differential – psychologischen Perspektive heraus folgendermaßen: „Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, sein Denken bewusst auf neue Forderungen einzustellen; sie ist allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens.“ [6]

[...]


[1] Häcker,H., Stapf, K.: Psychologisches Wörterbuch, S. 447

[2] Jäger & Petermann, 1995, S. 399

[3] Bourne/ Ekstrand: Einführung in die Psychologie, 1992, S. 236

[4] Bourne/ Ekstrand: Einführung in die Psychologie, 1992, S. 236 - 237

[5] Zimbardo, Psychologie, 1988, S. 529 - 531

[6] Brockhaus - Lexikon

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die G-Faktorentheorie
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Intelligenzdiagnostik
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V51717
ISBN (eBook)
9783638476096
ISBN (Buch)
9783656780618
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
G-Faktorentheorie, Intelligenzdiagnostik
Arbeit zitieren
Susan Bartlitz (Autor:in), 2005, Die G-Faktorentheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51717

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