Chancen und Risiken der Digitalisierung in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Wirtschaft


Akademische Arbeit, 2019

43 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Ausgangslage und Zielsetzung der Arbeit

1 Die Nachhaltigkeit der Wirtschaft

2 Die Digitalisierung der Wirtschaft

3 Risiken der Digitalisierung für eine Nachhaltige Wirtschaft
3.1 Beschaffung
3.2 Kauf, Konsum und Nutzung
3.3 Entsorgung / Verwertung

4 Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Wirtschaft
4.1 Produktdesign
4.2 Beschaffung
4.3 Produktion
4.4 Distribution
4.5 Kauf, Konsum und Nutzung
4.6 Entsorgung / Verwertung

5 Zum Schluss

Anhang
A Brief History of Digital
Die Evolution der Digitalisierung
Industry 4.0 Historie (englische Darstellung)
Länder mit der größten Produktion an kritischen Rohstoffen
Liste mit relevanten Software-Anbietern ergänzend zum Kapitel Produktdesign
Logistikwachstum am Beispiel Deutschland (2008-2019)
Risiken für nachhaltige Mobilität – mögliche Konsequenzen der Automatisierung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Beispielhafte Wertschöpfungskette

Abbildung 2: Die verschiedenen Ebenen der Digitalisierung

Abbildung 3: Weltweite Anzahl installierte Geräte durch das Internet of Things (IoT) von 2015 bis

Abbildung 4: Problemstoffe in Smartphones

Abbildung 5: "Der lange Weg eines Smartphones in unsere Läden"

Abbildung 6: (Geschätzter) Energieverbrauch durch die Netzwerke, ICT-Produktion, Konsumentenendgeräte und Datenzentren zwischen 2010 und 2030

Abbildung 7: Entwicklung der Datenverkehrsanteile 2016-2021

Abbildung 8: CO2-Bilanz eines Schuhkaufs – Online vs. Stationär

Abbildung 9: Durchschnittliche Lebensdauer und geschätzter C02-Fussabdruck durch Produktion und Nutzung von ausgewählten Elektronikgeräten 2015

Abbildung 10: Eine kurze Digitalhistorie

Abbildung 11: Die Evolution der Digitalisierung

Abbildung 12: Industry 4.0 – Definition und Historie

Abbildung 13: Länder mit der grössten Produktion an kritischen Rohstoffen

Abbildung 14: Entwicklung des Logistikumsatzes in Deutschland bis 2019

Abbildung 15: Risiken für nachhaltige Mobilität – mögliche Konsequenzen der Automatisierung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Fussabdruck der Smartphone Materialien 2007-2017

Ausgangslage und Zielsetzung der Arbeit

In den letzten Jahren haben die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewonnen und werden auch in Zukunft weiterhin stark die öffentliche Diskussion prägen. Auf der einen Seite gilt Digitalisierung als Allheilmittel für die Generierung von Wachstum und Effizienz für Unternehmen. Während dies kaum in Frage gestellt wird, werden die Folgen für das Berufs- und Privatleben des Einzelnen kontrovers diskutiert. Auf der anderen Seite wird Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftens - weniger als Allheilmittel als vielmehr als absolute Notwendigkeit für das Überleben der Erde und damit auch der Menschheit betrachtet. Die damit verbundene Erkenntnis, dass unser Planet den jetzigen Lebensstandard der westlichen Welt und das stetig angezielte Wirtschaftswachstum nur noch auf absehbare Zeit mit den vorhandenen Ressourcen stemmen kann, ist prinzipiell nicht neu. Sie setzt sich allerdings erst jetzt - durch, da die prognostizierten Folgen von Klimawandel, häufigeren und stärkeren Naturkatastrophen sowie Ressourcen- und insbesondere Wasser-knappheit immer deutlicher spürbar werden. So prägen beide Themen in unterschiedlicher Form die Debatten und Agenden, werden aber trotz ihrer Massgeblichkeit nur selten in einen Kontext gestellt.

Die Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Schnittstelle zwischen beiden Themen mit Fokus auf die Chancen und Risiken der Digitalisierung in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Wirtschaft zu beleuchten. Aufgrund des begrenzten Umfangs einer CAS-Abschlussarbeit wird sie nur einen Überblick über die Breite und nicht die Tiefe der einzelnen Schnittpunkte aufzeigen können. Gleichermassen wird sie aber dadurch das negative und das positive Potenzial der Digitalisierung für die Nachhaltigkeit transparenter machen können. Quellenverweise und weiterführende Links sollen dem interessierten Leser die Möglichkeit geben, tiefer in die inhaltliche Tiefe einzutauchen.

Der Überblick ist entlang eines typischen Produktlebenszyklusmodells strukturiert, da sich die Lösungen und Potenziale der Digitalisierung auf diese Weise sehr gut gliedern und die Umweltauswirkungen ohnehin häufig so dargestellt werden.

Einschränkend muss betont werden, dass eine idealtypische Potentialrechnung aufgrund von fehlenden bzw. nur vereinzelt vorhandenem Daten nicht vorgenommen werden kann. Zudem gibt es nur wenige wissenschaftliche Arbeiten zu dieser Thematik, weswegen sich die Quellen der Arbeit grösstenteils aus Medien, Umweltverbänden, Studien und anerkannten Experten zusammensetzen. Des Weiteren werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, wie z.B. die digitale Messung der Gesundheit eines Arbeitnehmers zur Vermeidung von Burnouts, aufgrund des Umfangs der CAS-Arbeit bzw. der Thematik nicht oder nur am Rande betrachtet.

1 Die Nachhaltigkeit der Wirtschaft

In der Wirtschaft wird bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen - erwünschter Output - entlang der sogenannten Wertschöpfungskette eine Vielfalt von unerwünschtem Output wie Abfall, -wasser und -wärme, Materialverluste, Emissionen, Lärm etc. generiert, welche die Umwelt belasten und teilweise unwiederbringlich zerstören (Braun, 2018). Die folgende beispielhafte und vereinfachte Wertschöpfungskette wird dieser Arbeit als Struktur dienen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beispielhafte Wertschöpfungskette

– Quelle leicht modifiziert (BMUB, 2018)

Lange Zeit wurde der unerwünschte Output von den Unternehmen vernachlässigt, weil natürliche Ressourcen endlos schienen und die verursachten unerwünschten Emissionen weder der Bilanz noch dem Unternehmensimage geschadet haben. Externe Effekte1 wurden nicht durch die verursachenden Unternehmen, sondern wenn, dann nur durch die Allgemeinheit getragen. Zudem waren viele der Folgen nur mit zeitlicher Verzögerung wie bspw. die Klimaerwärmung, Verringerung Biodiversität oder nicht lokal wie z.B. das Verschiffen von Elektroabfällen nach Afrika, Verschmutzung von Flüssen im Ausland als Folge der ausgelagerten Produktion etc. spürbar. Seit einigen Jahren werden die langfristigen Konsequenzen in Form z.B. der Klimaerwärmung und dem damit verbundenen drastischen Anstieg von Naturkatastrophen, riesigen Plastikmengen in unserer Umwelt allerdings immer spürbarer (UNDRR, 2018) (UNEP, 2018). Die Endlichkeit der Ressourcen durch drohende Nichtverfügbarkeit, steigende Preise und gesetzliche Regulierungen entwickeln sich zu einem unternehmerischen Risiko. Die ETH Lausanne schätzt, dass alleine der Klimawandel und seine Folgen der Schweiz zukünftig acht bis zehn Milliarden Franken aufgrund von Einnahmeausfällen in der Landwirtschaft und im Tourismus, höheren Versicherungsprämien und Energiepreisen sowie gesunkener Produktivität kosten könnte (SRF, 2018).

Aufgrund des gestiegenen Bewusstseins seitens der Konsumenten und der Politik sowie des betriebswirtschaftlichen Drucks durch Kosten und Verfügbarkeit versuchen immer mehr Unternehmen, ökologisch nachhaltiger zu wirtschaften. Gleichzeitig werden vermehrt auch nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen von bestehenden oder neu entstandenen Unternehmen angeboten wie bspw. dem 2019 sehr stark in den Medien vertretenen veganen Burger-Ersatzprodukt Beyond Meat2, verpackungsfreien Supermärkte3 oder mit Holz als massgeblichem Baustoff4 errichteten Hochhäusern. Gleichzeitig hat dies auch zu grundsätzlich neuen Denkansätzen wie der Postwachstumsökonomie (Paech, 2012) und der Kreislaufwirtschaft (Lovins, Braungart, & Stahel, 2014)5 geführt, die immer häufiger diskutiert und im zweiten Fall mittlerweile sogar von namhaften Unternehmen wie IKEA oder der SBB angestrebt wird6.

Allerdings ist man auch in einem technologisch fortschrittlichen Land wie der Schweiz weit davon entfernt, vollständig ökologisch zu wirtschaften und abfallfrei und Co2-neutral zu arbeiten. Mit 716 kg pro Person gibt es hier im Gegenteil eines der höchsten Siedlungsabfallaufkommens der Welt, von dem nur 53% rezykliert werden (Bundesamt für Umwelt BAFU, 2018). Die C02-Neutralität wird vom Schweizer Bundesrat für 2050 angestrebt (Bundesrat, 2019).

Insofern kann vielleicht die Digitalisierung, von der sich Unternehmen in den Bereichen Effizienz und Produktivität grosses Potenzial versprechen, diesen Prozess, auch weltweit, beschleunigen.

2 Die Digitalisierung der Wirtschaft

Generell ist der Begriff «Digitalisierung» nicht allgemeingültig definiert. In einer engen Definition beschreibt er das Umwandeln von analogen Werten in digitale Daten, die mit Hilfe von technischen Geräten wie Computern gespeichert und weiterverarbeitet werden können (Vornholz, 2019, S. 25f.). Im Zusammenhang mit dieser Arbeit wird eine wesentlich weiter gefasste Definition verwendet. Hier wird damit die «konsequente und umfassende Nutzung digitaler Technologien zur Automatisierung, Arbeitserleichterung und Schaffung neuer Produkte und Geschäftsmodelle» gemeint. Die «umfassende Nutzung digitaler Technologien» bedeutet dabei, dass digitale Daten generiert und unter dem Einsatz digitaler Endgeräte verwertet werden, die auf technischer und inhaltlicher Ebene vernetzt sind (Peinl, 2018, S. 228).

Innerhalb dieser Definition kann dann auch der für den produzierenden Sektor wichtige Begriff «Industrie 4.0 » platziert werden. Er steht für das Leitbild einer hochautomatisierten und -vernetzten Produktions- und Logistikkette, in der die Echtzeitintegration von Kundenwünschen durch eine hocheffiziente und -flexible Produktion ermöglicht wird (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2015, S. 87). Generell sind Effektivitäts- und Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung, Kosteneinsparungen und bessere Kundenerlebnisse die Potenziale, welche von Unternehmen im Zusammenhang mit der Digitalisierung branchenübergreifend genannt werden (Gehring, Lux, Tietz, Waibel, & Weis, 2017).

Ein weiterer Begriff, der häufig im gleichen Kontext fällt und teilweise synonym gebraucht wird, ist die «Digitale Transformation». Dieser ist weit übergeordneter als die Digitalisierung von Prozessen und Unternehmen zu verstehen. Digitale Technologien werden hier eingesetzt, um die Wertschöpfungsprozesse vollständig um- oder neuzugestalten (Kreutzer & Land, 2015, S. 159). Dies führt nicht nur zu drastischen Änderungen innerhalb von bestehenden und zur Schaffung gänzlich neuer Unternehmen sowie ihrer Kundenbeziehungen, sondern auch zu radikalen Veränderungen der Arbeitsmärkte, der politischen Willensbildung, der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Allgemeinen (Hess, 2019). Die über die Wirtschaft hinausgehenden gesellschaftlichen Veränderungen werden auch unter dem Begriff «Digitaler Wandel» zusammengefasst (Janowitz, 2018). Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge soll folgendes Schaubild dienen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die verschiedenen Ebenen der Digitalisierung (eigene Darstellung)

Diese Arbeit fokussiert sich auf die Potenziale der Digitalisierung i.w.S. sowie der Industrie 4.0. Die Digitale Transformation wird nur indirekt durch die Nennung entsprechender Unternehmen und der Digitale Wandel, wie in der Einleitung bereits formuliert, aufgrund seines gesellschaftlichen Zusammenhangs gar nicht berücksichtigt.

3 Risiken der Digitalisierung für eine Nachhaltige Wirtschaft

Dieses Kapitel widmet sich den negativen Potenzialen der Digitalisierung für eine nachhaltige Wirtschaft. Prinzipiell gelten sie hauptsächlich für die Herstellung bzw. den damit verbundenen Bedarf an Rohstoffen, den Betrieb und die Nutzung sowie die an- und ggfs. abschliessende (Wieder-)Verwertung der notwendigen Infrastruktur und digitalen Endgeräte. Aufgrund dessen sind nicht alle der Wertschöpfungsstufen relevant, so dass nur «Beschaffung», «Kauf, Konsum und Nutzung» sowie «Entsorgung / Verwertung» betrachtet werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.1 Beschaffung

In jedem Verarbeitungsschritt von digitalen Daten sind technische Geräte involviert. Insofern wird die digitale Transformation bzw. der digitale Wandel erst durch einen massiven Infrastrukturausbau ermöglicht. Während für viele Menschen Endgeräte wie Mobiltelefone, Laptops, Bildschirme usw. bereits alltäglich sind, ist ihnen oftmals unbewusst, was darüber hinaus technisch benötigt wird, um die digitalen Services und Produkte bereitzustellen. Es braucht u.a. die entsprechenden Serverkapazitäten z.B. in den Datenzentren von Google, Facebook und Amazon inkl. der jeweiligen Verkabelung etc., die Funkmasten zum Austausch mobiler Daten, die Sensoren in digitalen Messgeräten, autonomen Fahrzeugen oder Drohen sowie zukünftig vermehrt in «Smart Home Devices» wie Kühlschränken und anderen Hausgeräten. In diesem Zusammenhang wird das Internet of Things (IoT)7 die Anzahl der Endgeräte noch einmal massiv nach oben treiben. Man schätzt, dass es bereits 2020 ungefähr 31 Milliarden mit dem Internet verbundene Geräte geben und sich deren Anzahl bis 2025 auf 75 Milliarden mehr als verdoppeln wird (Statista, 2016).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Weltweite Anzahl installierte Geräte durch das Internet of Things (IoT) von 2015 bis 2025 (Statista, 2016)

Jedes der Geräte, die Infrastruktur und die Anwendungen erfordern Ressourcen und Energie. Am Beispiel eines Smartphones lässt sich zeigen, wie aus dem relativ geringen Umweltverbrauch eines Gerätes durch die schiere Menge an produzierten Mobiltelefonen (ca. 7 Milliarden zwischen 2007 und 2017) eine relevante Grösse für die Umwelt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Fussabdruck der Smartphone Materialien 2007-2017 (Jardim, 2017, S. 6)

Wenn man jetzt berücksichtigt, dass dies nur ein Device unter vielen ist, wird schnell klar, dass Millionen Tonnen an Ressourcen benötigt werden. In Elektronikprodukten wird 25% des weltweit gewonnen Silbers verbaut (Lange & Santarius, 2018, S. 24f.). Viele dieser Rohstoffe wie Silber, Kobalt, Tantal, Platin, oder Palladium werden unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut und verarbeitet. Es kommen bspw. 60% des globalen Kobalts aus Lagerstätten in der Demokratischen Republik Kongo. Aus der sozialen Perspektive wird der Rohstoff hier unter fragwürdigen Bedingungen von Minenarbeitern abgebaut, die von ihrem Lohn kaum Leben können, während der Abbau eine korrupte Regierung oder Rebellengruppen fördert. Im kongolesischen Kleinbergbau, der 20% der nationalen Produktion ausmacht, fördern gemäss Amnesty International geschätzte 40.000 Kinder das toxische Material mit teilweise blossen Händen (Amnesty International, 2017) / (Lobe, 2018). Zudem führt die mit dem Abbau einhergehende Luftverschmutzung zu Lungenkrankheiten und anderen durch Staub und Schadstoffe hervorgerufene Krankheiten (Verbraucherzentrale NRW, 2016). Aus ökologischer Perspektive werden für den Abbau von Kobalt und anderen Metall(erz)en grosse Regenwaldflächen abgeholzt und damit die Lebenswelten von Tierarten wie Elefanten, Raubkatzen oder den bedrohten Berggorillas zerstört. Die umliegenden Böden und Gewässer werden durch den Abbau stark verschmutzt. Beim Auswaschen von Gold werden zudem starke Nervengifte wie Zyanid und Quecksilber eingesetzt, welche in den Abbaugebieten verstärkt zu Behinderungen von Kindern führen (ARD / Planet Wissen, 2018). Insgesamt enthält bereits ein relativ kleines Gerät wie ein Mobiltelefon eine Vielzahl von ökologischen und sozialen Problemstoffen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Problemstoffe in Smartphones (Stepanek, 2015)

Weil Kobalt ein wichtiger Bestandteil von Akkus ist, welche auch in Elektroautos, -LKWs oder -Bussen eingesetzt werden (soll), schätzt man, dass der Bedarf in den nächsten Jahren noch einmal stark steigen wird. Das Gleiche gilt in diesem Zusammenhang für Lithium. Ein Laptop beinhaltet ca. 200 g und ein Elektroauto ca. 12 kg dieses Rohstoffs (Vollmer, 2019). Für den Abbau einer Tonne Lithium braucht es 2 Millionen Liter Wasser (Lauerer, 2018), das in Form von mineralhaltigem Grundwasser in große, künstlich angelegte Becken gepumpt und dann gezielt zum Verdunsten gebracht wird. Es bildet sich am Ende ein Lithium-Konzentrat heraus, das zum benötigten Lithium-Karbonat weiterverarbeitet werden kann. Diese Produktionsweise wird bei fast 60 Prozent des weltweit gewonnenen Lithiums angewandt. In Chile, wo eines der größten Vorkommen liegt, ist eine dramatische Absenkung des Grundwasserspiegels und das Austrocknen von Flüssen und Wiesen die Folge. Das Ökosystem bricht zusammen und vielen seltene Vogelarten droht das Aussterben (Elsner, 2018).

Zu den aus dem Abbau resultierenden Umweltproblemen kommen die Emissionen, die durch den Transport der Rohstoffe und Teilprodukte entstehen. Diese werden aus verschiedenen Teilen der Welt nach bspw. China transportiert, dort zu einem Smartphone zusammengebaut und anschliessend in andere Länder zum Verkauf gebracht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: "Der lange Weg eines Smartphones in unsere Läden" (BILD & Fairphone, 2017)

Bei einem iPhone 4 stammen schätzungsweise 57% bzw. 26.8 kg an CO2-Emissionen aus der Produktion und 8% bzw. 3.8 kg aus dem Transport (Repedia, 2019). Dies gilt auch hier stellvertretend für die meisten der genutzten Elektronikprodukte.

An diesen Beispielen lässt sich leicht erkennen, dass ein großes Risiko der Digitalisierung im damit verbundenen Anstieg an benötigten Geräten zum Ausbau der Infrastruktur und somit im Bedarf an Rohstoffen, deren Förderbedingungen und den globalen Lieferketten liegt.

Ein Teil dieser ökologischen und sozialen Herausforderungen bei der Herstellung der Digitalisierungsinfrastruktur können zumindest gemindert werden durch:

- Alternative Fördermethoden: Dank neuer Technologien lässt sich bspw. Lithium mit Hilfe von Nanotechnologie direkt aus der Flüssigkeit extrahieren und das Restwasser zurück in die den Untergrund zu den Trinkwasserreserven pumpen, um diese zu erhalten und das problematische Absinken des Wasserspiegels zu verhindern (Götze, 2019).
- Recycling: Ein konsequentes Recycling der Rohstoffe würde den Abbau neuer Rohstoffe zumindest reduzieren. Hier gibt es aktuell bspw. bei den Batterien noch einige Probleme, wie fehlende Standards zwischen den einzelnen Herstellern und fehlender Modularisierungsfokus im Batterieaufbau. So gibt es hunderte verschiedener Batteriearten, die nicht auf Recycling ausgelegt sind und eine Automatisierung des Recyclings für die Skalierung stark erschweren, so dass diese oftmals händisch demontiert werden müssen (Nordwig, 2018).
- Alternative (Antriebs-)Techniken: Zumindest im Bereich der Mobilität gibt es zudem die Möglichkeit, längerfristig auf alternative Techniken zu setzen, die wie bspw. die Brennstoffzellen-Technologie keine grossen Akkus und somit weniger problematische Metalle wie Kobalt benötigt (Heinemann, 2019). Allerdings würde das ein strategisches Umdenken bei Politik und Autokonzernen sowie einen Ausbau der entsprechenden Ladeinfrastruktur voraussetzen.
- Sozial- & Umweltstandards in Abbau und Produktion: Um die beschriebenen sozialen und ökologischen Risiken bestmöglich zu begrenzen, braucht es zudem Entwicklung und Anwendung von anspruchsvollen Standards, welche von unabhängigen Gremien überwacht (Umweltbundesamt, 2019) und von den Unternehmen bei ihren Lieferanten eingefordert werden. Aufgrund der geringen Marktmacht einzelner nachfragender Unternehmen wird dies bei der hohen globalen Bedeutung der Rohstoffe aber nur über die Bildung von Allianzen Erfolg haben (UmweltDialog, 2018).

3.2 Kauf, Konsum und Nutzung

Nach dem (erfolgreichen) Durchlauf der globalen Lieferkette, werden die Geräte für ihren eigentlichen Zweck eingesetzt und ermöglichen ihren Anwendern verschiedenste Applikationen. Diese Anwendungen verbrauchen wiederum Energie. Es wird geschätzt, dass der Energieverbrauch von insbesondere Netzwerken wie dem Internet und den dafür benötigten Datenzentren weiter stark steigen wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: (Geschätzter) Energieverbrauch durch die Netzwerke, ICT-Produktion, Konsumentenendgeräte und Datenzentren zwischen 2010 und 2030 (Graphik: (Jones, 2018) basierend auf (Andrae & Edler, 2015))

Schon jetzt verbrauchen Rechenzentren weltweit ca. 200 Terawattstunden (TWh) jährlich. Das ist mehr als der nationale Energieverbrauch des Iran, die Hälfte des weltweit für den Verkehr verbrauchten Stroms oder 1% des weltweiten Strombedarfs. Allein- die Rechenzentren tragen rund 0,3 % zu den gesamten CO2-Emissionen bei, während das gesamte Ökosystem der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) - inkl. persönlicher digitaler Geräte, Mobilfunknetze und Fernsehgeräte - mehr als 2 % der globalen Emissionen ausmacht (Jones, 2018). Das ist ähnlich viel wie bei der zivilen Luftfahrt (2%). Dafür verantwortlich sind auch scheinbar harmlose Zeitvertreibe wie das Streaming von Videos. Es ist aktuell für 80% der Datenmengenzunahme im Internet verantwortlich und 1500mal mehr Energie als der normale Smartphone-Betrieb verbraucht (Fuster, 2019).

[...]


1 Ein Externer Effekt in der Volkswirtschaft ist, wenn sich das Handeln eines Marktteilnehmers auf den Nutzen von unbeteiligten Personen auswirkt. Diese Effekte können positiv oder negativ sein. Sie haben allerdings keine Auswirkungen für den Verursacher, weil zwischen ihm und den Betroffenen keine über den Preis- bzw. Marktmechanismus vermittelte Beziehung und auch keine anders geartete Vertragsbeziehung besteht (Feess).

2 www.beyondmeat.com

3 https://chezmamie-biovrac.ch/de

4 https://www.erne.net/de/leistungen/special-projects/suurstoffi-22/das-projekt

5 Die aufgeführten Denkansätze sind älter als die genannten Literaturempfehlungen.

6 Beispiele erfolgreicher Projekte finden sich hier: https://www.oebu.ch/de/service/projekte/erfolgsbeispiele-kreislaufwirtschaft-122.html

7 Das IoT (Internet-of-Things) bezeichnet die zunehmende Vernetzung zwischen “intelligenten” Gegenständen sowohl untereinander als auch nach außen hin mit dem Internet. Verschiedene Objekte, Alltagsgegenstände oder Maschinen werden dabei mit Prozessoren und eingebetteten Sensoren ausgestattet, so dass sie in der Lage sind, via IP-Netz miteinander zu kommunizieren. Ein Beispiel: Mit der Anwesenheitssimulation, einem Smart-Living-System, kann der Bewohner eines Eigenheims die Sicherheit seiner vier Wände erhöhen. Bei mehrtägiger Abwesenheit fährt das System beispielsweise automatisch und zu festgelegten Tageszeiten die Rollläden hoch oder schaltet die Lampen ein. Dies erweckt den Eindruck, als sei jemand zu Hause (Gründerzeit) (Statista, www.statista.com, 2016).

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Chancen und Risiken der Digitalisierung in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Wirtschaft
Hochschule
Private Hochschule Wirtschaft PHW Bern
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
43
Katalognummer
V516579
ISBN (eBook)
9783346123121
ISBN (Buch)
9783346123138
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umweltmanagement, Digitalisierung, Nachhaltigkeit
Arbeit zitieren
Dirk Kuritz (Autor:in), 2019, Chancen und Risiken der Digitalisierung in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Wirtschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/516579

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