Ausgrenzung im Frankreich der V. Republik am Beispiel der Maghrebiner


Hausarbeit, 2002

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einleitung

In meiner Arbeit „Ausgrenzung im Frankreich der V. Republik am Beispiel der Maghrebiner“ werde ich zunächst die Begriffe Maghrebiner und Rassismus näher definieren. Anschließend gehe ich auf einige Beispiele der Ausgrenzung näher ein und ende schließlich mit meiner Bilanz. Für meine Recherchen habe ich ausschließlich das Internet und verschiedene Bücher benutzt, wobei ich jedoch betonen muss, dass ich zu dem Armutsproblem nur sehr bedingt Quellen finden konnte, weshalb dieses Thema nur ganz kurz angeschnitten wird.

Erklärend möchte ich noch ein paar Bemerkungen voranstellen.: Wenn ich im folgenden mehrmals den Ausdruck heute erwähne, so ist damit nicht notwendigerweise das Jahr 2002 gemeint, sondern vielmehr der Zeitraum von 1995 bis 2002, also die bisherige Regierungszeit von Jaques Chirac.

Ursprünglich wollte ich noch Gründe für die Einwanderung, das „Loi Pasqua“, die Situation maghrebinischer Frauen und die Schulsituation im Maghreb erwähnen, aber das hätte den Rahmen gesprengt. Auch wäre es zu viel geworden, wenn ich alle Arten der Diskriminierung aufgezählt hätte, weshalb ich mich auf die meiner Ansicht nach wichtigsten beschränkt habe.

2. Notwendige Definitionen

2.1 Der Begriff „Maghrebiner“

Als Maghrebiner werden die aus dem Nordwesten der arabisch-muslimischen Welt stammenden Personen bezeichnet, die aus den sogenannten Maghreb-Staaten kommen. Hierzu gehören Marokko, Algerien und Tunesien, aber auch Libyen und Mauretanien[1].

Der Ausdruck Maghrebiner wird heutzutage immer häufiger durch den Begriff Nordafrikaner ersetzt, wobei auch zu bemerken ist, dass oftmals die Gruppe der Algerier, die bis in die späten 90er Jahre hinein den größten Teil der maghrebinischen Bevölkerung innerhalb Frankreichs ausmachte, mit der Gesamtheit der Maghrebiner gleichgesetzt wird. Spricht man also von Nordafrikanern bzw. Maghrebinern, so meint man nicht zwangsläufig die gesamten Immigranten aus den Maghreb-Staaten.[2]

2.1.1 Fakten zur Immigration von Maghrebinern

Aufgrund der starken Bindung von Kultur und Sprache[3] ist Frankreich kein unbekanntes Auswanderungsland für Maghrebiner[4], wobei festzustellen ist, dass Algerier wesentlich früher nach Frankreich einwanderten als die anderen beiden Nationalitätengruppen (siehe Statistik 1).[5] Man kann außerdem beobachten, dass sich alle Gruppen gerne auf der „Mittelachse Frankreichs entlang einer Linie Marseille-Lyon-Paris [niederlassen]“.[6] Algerier und Tunesier konzentrieren sich hierbei überwiegend auf städtische Regionen und sind daher nicht so gleichmäßig verteilt wie eingewanderte Marokkaner, welche die Provinzen vorziehen (siehe zusätzlich Statistik 2).[7]

2.1.2 Entwicklung der Einwanderungssituation von Maghrebinern seit den 60ern

In den späten Sechzigern[8] und Anfang der 70er Jahre wurde eine hohe Einwanderungsrate von der offiziellen Politik Frankreichs durchaus begrüßt, da man feststellte, dass „die ausländischen Arbeitskräfte, indem sie (...) sich als direkte ökonomische Ressource zur Verfügung stellten, ein wichtiger Faktor in der wirtschaftlichen Stabilität (...) [waren].“[9] Der französischen Wirtschaft wurde durch die Eingewanderten eine größere Spannkraft verliehen, da sie sich, im Gegensatz zu den Franzosen, nicht weigerten, bestimmte Arbeiten[10] auszuführen.[11]

Das Ende der sechziger Jahre stellt aber ebenso eine Übergangsphase in der Entwicklung der Einwanderungsfrage dar. Der Staat griff immer mehr ein, um die Immigrationsschübe zu kontrollieren und auch um die bereits in Frankreich lebenden Ausländer besser zu integrieren und nicht mehr den „laissez-faire-Ansatz der frühen Sechziger“[12] zu praktizieren. Grund für diese Entwicklung war die Tatsache, dass sich die Einwanderungsform geändert hatte: Waren die maghrebinischen Immigranten bis vor kurzem noch aus wirtschaftlichen Gründen[13] und zumeist für eine zeitliche Begrenzung nach Frankreich gekommen[14], so kam nun noch der Faktor Familie[15] hinzu, da immer mehr Familienangehörige oder ganze Familien nach Frankreich immigrierten, wodurch soziale Probleme auftauchten, die staatliche Interventionen notwendig machten.[16]

Kurz nach Beginn von Valéry Giscard d’Estaings Amtszeit am 27. Mai 1974 wurde am 5. Juli 1974 der vorläufige Einwanderungsstopp bekannt gegeben[17], der „mit einer äußerst pessimistischen Sicht der einsetzenden Wirtschaftskrise[18], [die man für anhaltendend und gravierend hielt], begründet [wurde].“[19]

Seit diesem Einwanderungsstopp blieb die Zahl der Maghrebiner relativ beständig, wenn auch Anstiege durch Familiennachzug, Geburten und Flüchtlinge zu verzeichnen waren.[20]

2.2 Der Begriff „Rassismus“

Dem französischen Soziologen Georges Balandier[21] zufolge ist der Rassismus „une démarche de justification et une tactique de protection des avantages acquis.“[22] Dieser allgegenwärtige Rassismus, so der Autor Youssef Alouane, wurde durch die Diskriminierung von Einwanderern ausgelöst, die, aufgrund ihrer widrigen Lebensumstände, als Randgruppen wahrgenommen werden und folglich Diskriminierungen unterliegen, was letztendlich zum Rassismus führt.[23]

2.2.1 Fakten zum Rassismus gegenüber Maghrebinern

In so gut wie allen bisher geführten Umfragen (siehe Statistik 3 und 4) in Frankreich, die sich mit der Antipathie gegenüber bestimmten Immigranten-Gruppen befassen, geht eine eindeutige Tendenz hervor: Und zwar zeigt sich, dass Maghrebiner die größte Feindseligkeit der einheimischen Bevölkerung ernten. Im Jahre 1992 war die Abneigung gegenüber Maghrebinern beispielsweise über drei Mal so groß wie gegenüber Einwanderern aus der Karibik (12%) und doppelt so groß wie gegenüber schwarzafrikanischen Immigranten (36%).

Wirft man einen Blick auf das Wahlverhalten der französischen Bevölkerung, so ist zu bemerken, dass „der Stimmenanteil für den Front National[24], der zwischen 1984 und 1993 eine stabile geographische Verteilung aufweist, (...) weitgehend auf den ,maghrebinischen‘ Faktor zurückzuführen [ist].“[25] Verallgemeinernd kann man sagen, dass in den Regionen wo die meisten Maghrebiner leben auch die meisten Wähler zu finden sind, welche für den Front National stimmen.[26]

Dass sich diese akute Ausländerfeindlichkeit fast nur auf die Gruppe der Nordafrikaner konzentriert, geht auf die Algérie-Francaise-Bewegung zurück, die „die Niederlage im Algerienkrieg[27] und die Hinnahme der algerischen Unabhängigkeit nie ganz verwunden und dauerhafte Ressentiments entwickelt [hat]“.[28]

3. Ausgrenzung von Maghrebinern

Die Tatsache, dass Maghrebiner aus einem „de facto kolonial abhängigen Land“[29] stammen, trägt nicht zuletzt dazu bei, dass sie bestimmten Diskriminierungen unterliegen, wodurch die „Zuweisung eines geringeren sozialen Status“[30] erleichtert wird.[31]

Es gibt zahlreiche Umstände, die seit der Nachkriegszeit[32] zu einer negativen Sonderstellung der nordafrikanischen Einwanderer geführt haben. Hierzu zählen die unterschiedliche Lebensweise von Maghrebinern im Gegensatz zu Franzosen und kulturell-religiöse Faktoren.[33]

3.1 Benachteiligung hinsichtlich der Wohnsituation

„C’est dans les banlieues que l’exclusion est la plus marquée car tous les handicaps s’y concentrent: chômage supérieur à la moyenne nationale, rapports sociaux et familiaux en déliquescence, manque d’infrastructures sportives ou culturelles, formes d’enclavement dues à l’insuffisance des modes de communication avec l’extérieur.“[34]

3.1.1 Entwicklung der Wohnsituation seit den 60ern

Im Verlauf der 50er und 60er Jahre siedelten sich Maghrebiner überwiegend in den sogenannten Bidonvilles (Barackensiedlungen) an (siehe Statistik 5), die sich in den Vororten der Städte befanden. Sie lebten abgesondert von der überwiegenden einheimischen Bevölkerung und besser integrierten Ausländern,[35] wodurch zunehmend starke Tendenzen der Ausgrenzung geschaffen wurden.[36]

[...]


[1] Vgl. http://www.afrika-in-bayern.de/glo_m.html. Die beiden letzten Länder sind jedoch nicht so relevant, da aus

Mauretanien nur verhältnismäßig wenige Maghrebiner nach Frankreich kommen und Libyen eher ein Einwande-

rungsland ist.

[2] Vgl. Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik - Nordafrikaner in Frankreich, S. 9

[3] Die französische Sprache ist besonders in Algerien weit verbreitet.

[4] Vgl. http://www.isoplan.de/aid/2001-2/europa.htm

[5] Der Anstieg der algerischen Emigranten beginnt direkt nach dem 2. Weltkrieg und hält von 1946 bis 1982 über zwei

Generationen an. Vgl. hierzu: Todd, E., Das Schicksal der Immigranten, S. 341, 342

[6] Todd, E., Das Schicksal der Immigranten, S. 342

[7] Vgl. Todd, E., Das Schicksal der Immigranten, S. 343

[8] Nach dem Abkommen von Evian (18.März 1962), das die algerische Unabhängigkeit versicherte, stieg die Zahl

der Algerier in großem Maße an, was am 10.April 1964 zum französisch-algerischen Abkommen über eine Ein-

wanderungsbegrenzung führte. Vgl. hierzu: Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des

Nationalstaats in Frankreich, S. 53

[9] Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 57

[10] Siehe unter Punkt 3.3.3.2 Die Entwicklung der Arbeitslosensituation von den 70er Jahren an. Man zog sogar in

einigen Fällen maghrebinische Arbeiter den Einheimischen vor, weil ein ganz bestimmter Typ von Arbeitskräften

benötigt wurde. Sie sollten billig und mobil sein, benötigten keine besondere Ausbildung oder Qualifikation und

konnten bei Bedarf wieder leicht entlassen werden. Vgl. hierzu: Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwan-

derung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 54

[11] Vgl. Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 57

[12] Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 81

[13] Überwiegend, um in Frankreich als Arbeitskraft eingesetzt zu werden.

[14] Eine sogenannte immigration de main-d’œuvre ; eine wirtschaftsbedingte Einwanderung. Vgl. hierzu: Silvermann,

M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 81

[15] Eine sogenannte immigration de peuplement; eine familienbedingte Einwanderung. Vgl. hierzu: Silvermann, M.,

Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S. 82

[16] Vgl. Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S.81,

82; Im Mai 1968 wurde ein Bericht unter dem Titel „[Das] Problem der ausländischen Arbeitskräfte“ (Silver-

mann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S.84) veröffent-

licht, welcher aussagte, dass Frankreich bisher zwar diverse Einwanderungsbewegungen bewältigt habe und auch

die Aufnahme und Assimilation der Immigranten problemlos gewesen sei, aber dass momentan dieser Entwick-

lungsgang bedroht sei. Diese Feststellung basiere darauf, dass die früheren Einwanderer eine gewisse kulturelle

Nähe, die den Prozess der Assimilation fördere, zu den französischen Einheimischen besaßen. Bei den neuen

Eingewanderten (Gemeint sind hierbei fast ausschließlich Nordafrikaner) allerdings sei eher eine kulturelle Ent-

fernung zu bemerken, die zur Folge habe, dass der Assimilierungsprozess gebremst werde und somit den sozia-

len Zusammenhalt bedrohe. (Vgl. Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Natio-

nalstaats in Frankreich, S.84)

[17] Vgl. Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S.62

[18] Das Jahr 1973/74 war von einer weltweiten Wirtschaftskrise gezeichnet, durch welche die Strukturschwächen der

französischen Wirtschaft (u.a. unzureichende Modernisierung des Mittelstandes, ungenügende Förderung regio-

naler Entwicklungspotentiale) offen in Erscheinung traten (siehe auch Fußnote 67). Vgl. hierzu: Christadler, M.,

Uterwedde, H., Länderbericht Frankreich, S. 206

[19] Rey, A., Einwanderung in Frankreich 1981 bis 1995, S.132

[20] Vgl. Silvermann, M., Rassismus und Nation - Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, S.68

[21] Georges Balandier (geboren 1920 in Aillevillers) ist ein Theoretiker der neuzeitlichen Anthropologie. Vgl.

hierzu: http://fr.encyclopedia.yahoo.com/articles/ni/ni_487_p0.html

[22] Alouane, Y., L’émigration maghrébine en France, S.91

[23] Vgl. Alouane, Y., L’émigration maghrébine en France, S.58

[24] Die „Nationale Front“ ist eine rechtsextreme Partei unter Jean-Marie Le Pen, die 1972 gegründet wurde und sich

1999 spaltete. Der ehemalige Generaldelegierte und Le Pen-Nachfolgekandidat Bruno Mégret gründete den FN-

MN (Front National - Mouvement National) - Der Front National hat eine stabile Wählerschaft, die sich aus allen

Teilen der Bevölkerung zusammensetzt. Vgl. hierzu: Christadler, M., Uterwedde, H., Länderbericht Frankreich,

S.642

[25] Todd, E., Das Schicksal der Immigranten, S. 371

[26] Vgl. Todd, E., Das Schicksal der Immigranten, S. 373

[27] Von 1954 bis 1962 geführter Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich. Höhepunkt war Anfang 1957 die "Schlacht um Algier",

während der die mit allen Vollmachten ausgestattete frz. Armee die FLN (Front de Libération Nationale) aus der

Stadt trieb. An diesem Krieg, der Frankreich polarisierte, zerbrach die IV. Republik. Vgl. hierzu:

http://www.metzlerverlag.de/Afrika/NeueSeiten/Artikel2.html

[28] Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S.12

[29] Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 11

[30] Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 11

[31] Die Maghrebiner konnten sich bis zum heutigen Zeitpunkt nie gänzlich von der historischen Last des Kolonia-

lismus befreien. Vgl. hierzu: Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 11

[32] Gemeint ist hiermit die Zeit nach dem Algerienkrieg.

[33] Vgl. Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 35

[34] http://www.parti-humaniste-france.org/europeennes/livreorange/immigration.phtml

[35] Vgl. Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 36

[36] Vgl. Manfrass, K., Türken in der Bundesrepublik – Nordafrikaner in Frankreich, S. 35

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Ausgrenzung im Frankreich der V. Republik am Beispiel der Maghrebiner
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Kulturwissenschaften
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V5158
ISBN (eBook)
9783638131384
ISBN (Buch)
9783638638890
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausgrenzung, Frankreich, Republik, Beispiel, Maghrebiner, Kulturwissenschaften
Arbeit zitieren
Hanna M. Stoll (Autor:in), 2002, Ausgrenzung im Frankreich der V. Republik am Beispiel der Maghrebiner , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5158

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