Gesamteindruck zu Duccios "Maesta"


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Geschichte und Schicksal der Maestà

3. Die politische Funktion der Maestà
3.1 Die Schlacht von Monteperti
3.2 Die Madonna del Voto
3.3 Die Maestà Duccios
3.4 Die Maestà Martinis
3.5 Die Maestà Memmis
3.6 Die Maestà Lorenzettis

4. Die Vorderseite

5. Die Vorderseite der Predella
5.1 Die Verkündigung
5.2 Die Geburt
5.3 Die Anbetung der Könige
5.4 Die Darstellung im Tempel
5.5 Der Kindermord
5.6 Die Rückkehr aus Ägypten
5.7 Der zwölfjährige Jesus im Tempel

6. Die Rückseite der Predella

7. Die Rückseite
7.1 Wie ist der Passionszyklus zu lesen?
7.2 Die Quellen für die Rückseite

8. Duccio und seine Werkstatt

9. Schlusswort

1. Einleitung

Bei der Maestà handelt es sich um das Hauptwerk Duccio di Buoninsegnas und überhaupt um eines der wichtigsten Tafelbilder der mittelalterlichen Malerei. Es wird immer wieder für Fragen von Form und Inhalt herangezogen, was wegen ihrer gigantischen Ausmaße, die es einst hatte, nicht verwundert.

Ich werde in der folgenden Arbeit neben dem politischen Aspekt, den ich in einem der ersten Kapitel behandle, in erster Linie auf die Quellen und Vorbilder, die Duccio hatte, eingehen. Sofern es zu diesem Zweck nötig ist, einzelne Darstellungen genauer zu betrachten - hinsichtlich Farbe, Stil, etc. -, werde ich das tun. Im Allgemeinen wird aber versucht werden einen Gesamteindruck des Werkes zu schaffen, hinsichtlich Aufbau und narrativer Abfolge, was meiner Meinung nach zum Verständnis dieses Altarstückes unabdingbar ist. Es wird auf der anderen Seite weniger detailliert auf die einzelnen kleineren Tafeln eingegangen, da dies erstens den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und ohne entsprechende Abbildungen meiner Meinung nach wenig Sinn hätte.

2. Geschichte und Schicksal der Maestà

Den Auftrag für die Maestà erhielt Duccio von der Dombaubehörde am 9. 10. 1308, und er sollte ihn und seine Werkstatt fast drei Jahre beschäftigen.

Am Tag vor Fronleichnam des Jahres 1311 – am 9. 6. – wurde die Maestà in einer feierlichen Prozession von der Werkstatt des Meisters, die sich außerhalb der Stadt befand, in den Dom von Siena überführt. Dort ersetzte sie vermutlich die Madonna del Voto und blieb bis 1506. In diesem Jahr wurde sie vom Hauptaltar entfernt und im linken Transept abgestellt.

Im Jahre 1771 schließlich ereilte sie ein Schicksal, das zu jener Zeit nicht nur ihr geschah: Vorder- und Rückseite wurden auseinandergesägt, sowie die restlichen Teile weiter zerstückelt. Diesem tragischen Umstand haben wir es zu verdanken, dass wir auf die ursprüngliche Gestalt der Maestà nur mehr aus Rekonstruktionen schließen können.

Die Hauptteile befinden sich seit 1878 im Museo dell‘ Opera Metropolitana, also im an den Dom angeschlossenen Museum in Siena. Teile der Rückseitenpredella, sowie etliche Giebelstücke befinden sich in Sammlungen außerhalb Italiens, mehrere Teile sind überhaupt verschollen. Einer der Hauptpunkte in dieser Arbeit wird sein, darzustellen wie die Maestà ursprünglich aussah und wie Duccio zu dieser Form kam, welche Quellen er benutzte und ob er Vorbilder hatte.

Bei der Zersägung im Jahre 1771 ging die gesamte Holzrahmung verloren und viele Teile wurden mehr oder weniger beschnitten. Natürlich hat auch die Malschicht gelitten, was man vor allem beim Gesicht der Madonna auf der Vorderseite erkennen kann.[1]

3. Die politische Funktion der Maestà

Bevor ich genauer auf die einzelnen Darstellungen der gigantischen Tafel (ursprünglich war sie fünf Meter hoch und 4,68 Meter breit[2] ) eingehe, die die Gottesmutter auf der Vorderseite und Szenen aus dem Leben Christi auf der Predella und der Rückseite darstellen, werde ich hier die politische Funktion des Bildes erläutern. Abgesehen von Andachtszwecken wurde die Maestà nämlich auch als Propagandamittel eingesetzt.

Im Jahre 1310 wurde das Sieneser Rathaus fertig gestellt. Zentraler politischer Bezugspunkt blieb aber die Bischofkirche, genauer: das Altarbild. Es diente als Instrument Kommunalgeschichte zu machen. Aber wie kam es dazu?

3.1 Die Schlacht von Monteperti

Wir müssen einige Jahre zurückgehen. Der 3. September 1260 war der Vortag der Schlacht von Monteperti. Klerus, Regierung und Bürger prozessierten im Dom und flehten die Madonna – damals ein ein Meter hohes Reliefretabel von einem unbekannten Meister, die so genannte Madonna degli occhi grossi – um den Sieg gegen das Florentiner Heer an. Die bisherige Himmelkönigin wurde somit zur Königin von Siena ernannt. Die Madonna stand nun also vor einer Alternative: entweder die Sieneser siegen, oder sie würde ihr Gesicht verlieren. Das fromme Erpressungsmanöver wirkte prompt das erwartete Wunder. Den Florentinern wurde die größte Niederlage ihrer Geschichte zu Teil.

3.2 Die Madonna del Voto

Als Erinnerung an dieses Wunder wurde noch im selben Jahr ein neues Altarretabel errichtet. Es handelt sich um die Madonna del Voto von Guido da Siena. Die ursprüngliche Gestalt war ein Halbfigurentriptychon nach byzantinischem Vorbild, das vor allem die Aufgabe hatte, den Klerus zu erheben. Das Bild war genau auf die Geistlichen abgestimmt. Es ist ein Dokument der klerikalen Selbstbehauptung und verdeutlicht den Abstand zwischen Klerus und Laien.

Die Geistlichkeit wurde aber im Laufe der Jahrzehnte immer mehr in das kommunale Leben integriert – vor allem durch Steuergesetze – und fing damit auch an, bürgerlich zu denken. Die Ersetzung des Retabels war also nur eine Frage der Zeit und wurde schließlich 1308 beschlossen. Der Dombauvorsteher gab in diesem Jahr den Auftrag an Duccio.

3.3 Die Maestà Duccios

Seine Maestà nun ist eine entschiedene Absage an die bisherige Hauptaltarausstattung. Das Intimverhältnis zwischen Priester und Bild wird allein schon durch das enorme Ausmaß verworfen. Auch durch die Aufstellungsweise auf einer Predella[3], wodurch die Tafel einen halben Meter über Mensaniveau war, richtet sich ihre Botschaft voll und ganz an die versammelte Öffentlichkeit.

Durch diese Effekte ging die Wirkung des Priesters als Vermittler oder gar den Himmelsmächten gleichgestellter verloren. Die vier Patrone, die die thronende Madonna auf dem Bild umgeben, nehmen den adlocutio-Gestus der Gesandten ein, die am Hof eines Fürsten ihre Botschaft vortragen. Sie haben also jetzt innerhalb des Bildes die gleiche Funktion wie der Priester zuvor außerhalb.

Duccios Maestà ist auch das erste Altarbild, das sich nicht an die Gläubigen überhaupt, sondern an spezielle Gläubige, nämlich die Bürger der Stadt Siena, richtet. Auf der Stirnwand des Thronschemels können wir lesen: „MATER SANCTA DE I/ SIS CAUSA SENIS REQUIEI/ SIS DUCIO VITA / TE QUIA PINXIT ITA. („Heilige Mutter Gottes, bewirke den Frieden in Siena, sei dem Duccio Leben, weil er dich so gemalt hat.“) Hier sehen wir also auch eine selbstbewusste Äußerung des Künstlers, der sich verewigt. Nach Alexander Perrig ist sie wie folgt zu verstehen: „Heilige Mutter Gottes, bewirke den Frieden in Siena; erfülle zu diesem Zweck Duccios Wunsch und werde dafür, dass er dich so gemalt hat, lebendig.“[4]

Diesem Wunsch wurde durch eine Prozession Nachdruck verliehen, die so geschah, als gelte sie nicht einem Bild, sondern der leibhaftigen Königin. Sie wurde vom Bischof verordnet, und es nahmen der gesamte Klerus, weltliche Macht, Stadtmusik, kurz die ganze Bevölkerung Sienas teil. Es war liturgischer und Staatsakt in einem. Die Prozession wird 1350 vom Chronisten Agnolo di Tura erwähnt, der von einer feierlichen Prozession von der Werkstatt Duccios außerhalb des Stadtzentrums zum Dom spricht.

3.4 Die Maestà Martinis

Das Bewusstsein, dass sich die Madonna endlich in ihrer wahren Gestalt auf dem Domhauptaltar niedergelassen hatte, weckte den Wunsch, sie auf Staatsvisite zu schicken. Vier Jahre nach der Inthronisation ließ man an einer Schmalwand des Sala del Mappamondo, dem Ratsaal, durch Simone Martini eine andere Maestà malen. Er malte ein riesiges, breit gerahmtes Fenster und in die Fensteröffnung eine perspektivisch verkürzte, getreppte Rampe; darauf die Maestà.

3.5 Die Maestà Memmis

Die Staatsvisite im Rathaus war eine innenpolitische Handlung, aber die Königin war auch außenpolitisch tätig. 1317 erschien sie mit ihrem Gefolge und gotischem Reisethron vor dem Ratsaal des Palazzo del Popolo in San Gimignano, gemalt von Simones Schwager Lippo Memmi. Auch hier erscheint sie im Fenster, um zu suggerieren, dass sich die Abstandnehmende Madonna nicht ins politische Alltagsgeschäft mischt. Die Madonna wurde nicht als Himmelskönigin, sondern als Königin von Siena und somit als sienesische Staatspropaganda gesehen. Allein schon durch den Anschein, die Madonna spreche nicht im Namen Jesu, erhielt sie einen politischen Sinn.

3.6 Die Maestà Lorenzettis

Eine weitere Maestà, die von Ambrogio Lorenzetti um 1335 fertig gestellt wurde, befand sich im Dom in Massa Marittima. Das Städtchen war, genauso wie San Gimignano, im sienesischen Pakt- und Bündnissystem integriert. Auffallend bei dieser Maestà ist der Typus der Glykophilousa. Das heißt, dass hier niemand aus dem Bild schaut, was für die Bevölkerung eine befremdende Wirkung haben musste. Die Bewohner wurden sozusagen als Zeichen der Ungnade keines Blickes gewürdigt. Auch haben alle Figuren einen patriarchalischen, bitterernsten, mönchischen Gesichtsausdruck. Der Zugang zur Madonna war durch die drei Tugenden versperrt, was soviel hieß, dass die Bürger nur über Glaube, Liebe und Hoffnung Heil erreichen würden.

Der politische Hintergrund dazu war, dass die kleine Kommune aufmüpfig war, indem sie sich den feindlichen Pisanern anschloss. Man zwang sie militärisch zur vormaligen Loyalität und zusätzlich ließ man den Massa Marittimanern auch eine ideologische Massage angedeihen. Dazu war die Königin von Siena bestens geeignet. Im Bild ist der einzuschlagende Weg der Läuterung beschrieben, die drei Tugenden waren auch eine Aufforderung zur politischen Rechtschaffenheit.

Was die Bewohner von dieser Maestà meinten oder zu ihr sagten, ist nicht überliefert, nur, dass sie eines Tages zersägt, in eine Geschichte umgewandelt und mit Abfällen bedacht worden sei.[5]

[...]


[1] Vgl. Saur, Allgemeines Künstlerlexikon, München-Leipzig (K. G. Saur), 2001,S. 153 - 157

[2] Vgl. Saur, a. a. O.

[3] 1301 begegnet uns der Terminus das erste Mal (lat.: predula). Sie dient als Befestigung schwerer Altartafeln auf der Mensa. Bei der Predella zu Duccios Maestà handelt es sich um die erste Erhaltene.

Vgl. dazu Preisner, Arno, „Das Entstehen und die Entwicklung der Predella in der italienischen Malerei“, Das Münster, Jg. 27, München – Zürich (Schnell & Steiner), 1974, S. 320-321

[4] Perrig, Alexander, „Formen der politischen Propaganda der Kommune von Siena in der 1. Trecent-Hälfte“, in: Bauwerk und Bildwerk im Hochmittelalter, hrsg. Clausberg u. a., Gießen (Anabas-Verlag), 1981

[5] Vgl. Perrig, a. a. O.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gesamteindruck zu Duccios "Maesta"
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Veranstaltung
Das Trecento
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V51557
ISBN (eBook)
9783638474993
ISBN (Buch)
9783638791823
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesamteindruck, Duccios, Maesta, Trecento
Arbeit zitieren
Robert Gander (Autor:in), 2002, Gesamteindruck zu Duccios "Maesta", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51557

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