Sprachbezogene Hierarchisierungsprozesse in der Migrationsgesellschaft. Selbst- und Fremdpositionierungen während der biographischen Phase des Studiums


Hausarbeit, 2019

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung

3. Subjekttheorien

4. Sprache als Differenzmerkmal während des Studiums

5. Selbstpositionierungen

6. Fremdpositionierungen

7. Fallbeispiel

8. Fazit

9 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bei der Untersuchung von gesellschaftlichen Hierarchien durch sprachbezogene Normabweichungen, insbesondere in der Migrationsgesellschaft, hat der Identitatsbegriff Konjunktur. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen widmen sich dem Konzept der „Identität“. Hierzu gehören u.a. die Psychologie, Soziologie, Pädagogik und letztendlich die (Migrations)Linguistik. Lucius-Hoene und Deppermann (2004) oder Betten und Thüne (2011) untersuchen u.a. sprachliche Selbst- und Fremdpositionierungen.

Insbesondere im Spannungsfeld von Identität und Migration, in dem man oftmals auf mehrsprachige Sprecher_innen trifft, werden narrative Interviews genutzt, um Sprachbiographien zu erheben, in denen die Gesprachspartner_innen von ihren biographischenundalltäglichenErfahrungenmitmehrerenSprachenerzählen.Zentral sind hier die Erfahrungen im universitären Bereich, denn auch die Migrant_innen stellen sich selbst immer wieder die Frage nach ihrer Verortung.1

In einem ersten Schritt wird der Begriff Subjektivierung definiert und anschließend theoretisch rekonstruiert. Dem folgt, als Kern der Arbeit, eine Widergabe der empirischen Umsetzung der Frage nach der deutschen Sprache als Differenzierungsmerkmal während des Studiums.

Intention dieser Arbeit ist ein Blickwinkel, der subjektorientiert nach Erscheinungen subjektiver Selbst- und Fremdpositionierungen zu sprachbezogener Hierarchie anhand von Sprachbiographien von mehrsprachigen Sprecher_innen. Sprachbiographien mit mehrsprachigen Sprecher_innen werden im Folgenden als sprachlicherOrtgesehen,andemIdentitätdesEinzelnenproduziertwird.Identitätwird hier als eine im Gespräch interaktiv durch verschiedene sprachliche Artikulationen hervorgebrachte Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehorigkeit zu sozialen, insbesondere universitären,Kategorien,welchevondenInteragierendenselbstrelevantgesetztund gefüllt werden.2 Ziel dieser Perspektive ist, mithilfe der Sprachorientierungen der Individuen an Universitäten, die sozial geprägten Herstellungsleistungen zu beobachten.

2. Begriffsbestimmung

Im Folgenden Abschnitt wird der Begriff der Subjektivierung nähergebracht. Für diesen Begriff gibt es unterschiedliche Definitionen. Diese Arbeit konzentriert sich grundsätzlich auf drei Texte von Ulrich Bröckling (2007), Michel Foucault (1982) und Kleemann et al. (2004). Subjektivierung stellt einen komplexen Prozess da, der Subjekte schafft. Subjekte sind nicht gegeben, sie entstehen aus diesen komplexen Prozessen.3 Soziologisch meint Subjekt ein wichtiges Produkt der Vermittlung, da es sowohl soziale Verhältnisse ausdrückt als auch produziert.4 Aspekte, wie Geschehnisse, Techniken o.ä. beeinflussen diese Prozesse. Nach Ricken (2013) stellt es einen aktiven Konstitutionsprozess dar, der ,das Werden' beschreibt.5 Michel Foucault beschreibt diesen Begriff als einen aktiven Part, den er „Konstitution des Subjekts im [jeweiligen] geschichtlichen Zusammenhang“ nennt.6 Die benannten Prozesse und Vorgänge beschreibt er in seinem Aufsatz ,Technologien des Selbst' (1993):

„Technologien des Selbst [ermöglichen] dem Einzelnen [...] aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel sich so zu verändern, dass er einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit erlangt.“7

DiesesZitatmachtdeutlich,dassu.a.dasVerhaltenunddieDenkweisebetroffensind, um eine Vollkommenheit zu erreichen. Des Weiteren schreibt Foucault in seinem Aufsatzvonder„SorgeumsichSelbst“8.HiermitmeinterdiegewisseAufmerksamkeit gegenüber sich selbst. Die im Zentrum stehenden Fragen der Subjektivierung sind, wer man ist, wie und wodurch man zu diesem Subjekt geworden ist. Die Seele soll ersichtet und überprüft werden, indem das Subjekt, beziehungsweise das Selbst, mit einer Situation gegenübergestellt wird.9

Ulrich Bröckling (2007) entfaltet die Definition um den Terminus „Regime des Selbst“. Im Kontext von „Regime des Selbst“, schreibt er, genauso wie Foucault, von Programmen, Strategien und Taktiken, die das Subjekt prägen.10 Diese Techniken prägen demnach die Formierung des Subjekts. Dieser Prozess am Selbst ist niemals abgeschlossen und unumgänglich. Die Vorgehensweise dessen wird wie folgt beschrieben:

„Das Subjekt nimmt die Kräfte auf, denen es ausgesetzt ist, und modifiziert ihre Ansatzpunkte, Richtungen und Intensitäten. Dabei biegt es diese Kräfte nicht zuletzt um und richtet sie auf die eigene Person. [...] Die Machtausübung wird reflexiv; das Subjekt realisiert sich als Beziehung zu sich.“11

Die Bedeutung von Fremdeinwirkungen auf das Selbst kommen hier zur Geltung. Das Subjekt, beziehungsweise das Selbst, wendet die von außen wirkenden Kräfte an, um sich selbst zu formen. Wirkungen können zum Beispiel Kritiken oder Erfahrungen anderer Menschen oder des alltäglichen Lebens sein. Auch in Anlehnung an Kleemann et al. (2004) wird unter Subjektivierung die Vermittlung von Subjekt und Gesellschaft verstanden. Subjektivität wird hier in zwei Auffassungen gebraucht.

Zum einen meint Subjektivität die Autonomie des agierenden Subjekts, zum anderen wird Subjektivität als Produkt gesellschaftlicher Konstruktion, somit als Summe kulturellen und sozialen Ausdrucks betrachtet. Es ist also in diesem Sinne die Gesellschaft, die den Rahmen dafür vorgibt, was in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext ein Subjekt ist, kann und darf.12 Um Subjektivität umfassend beschreiben zu können, müssen jedoch beide Perspektiven in Betracht bezogen werden, sowohl das agierende Subjekt mit seinen individuellen Ressourcen als auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die für die Ausweitung der Subjektivitätsmuster maßgeblich sind.

Folglich entsteht das Selbst- und Umweltverhältnis von Personen in Interaktion mit ihrem sozialen Umfeld. Dieses Verhältnis von Subjektivität und Gesellschaft, dass Subjektivität das Ergebnis der Subjektivität das Ergebnis der Verbindung zwischen Individuum und Gesellschaft ist, betont dessen soziale Prägung. Subjektivität meint ein soziales und veränderliches Produkt, welches das Individuum in und als Teil der Gesellschaft agieren lässt.

3. Subjekttheorien

Wie bereits erwähnt, wird Subjekt nicht als Ausdruck von Individualität gewertet. Vielmehr entsteht es durch die Auseinandersetzung des Individuums mit sich selbst undseineVerortunginderGesellschaft.SozialeRahmen,wieWerte,Normen,Tabus und Erwartungen wirken auf das Feld des potentiellen Handelns desSubjekts. Subjektivität entsteht dabei über das Abweichen des Einzelnen von der Norm.13

Subjekttheorien hingegen fragen explizit nach den Prozessen der Subjektivierung. Hierzu gehören u.a. historische Erscheinungen und Hintergründe, die das Subjekt zu einem von der Gesellschaft anerkannten und handlungsfähigen Individuum machen. Subjekttheorien untersuchen, wie in einem gesellschaftlichen Konstrukt Subjekt, Werte und Normen sich produzieren, produziert werden und befestigt werden.

Das Konzept der Gouvernementalität Foucaults macht ,Technologien des Selbst' zum Grundsatz moderner Staaten. Der Begriff der Gouvernementalität, ist besonders für den zeitlichen Bezug an das Forschungsfeld Subjektivierung bedeutend. Foucault definiert diese an einer Stelle als „die Gesamtheit der Institutionen und Praktiken, mittels derer man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis zur Erziehung”.14

DasSubjektwirdnuninzweifacherArtproduziert.AufdereinenSeiteistesdasjenige, das unterworfen ist und gewissen Regeln unterliegt. Auf der anderen Seite formiert sich das Subjekt als ein handelndes, selbstbestimmtes Organ in seiner Freiheit der Selbstentfaltung. Diese Prozesse der Subjektivierung stellen sich als Machtfelderdar, die vielfältig und profund sind und ausgiebige Bedeutungsverschiebungen zur Folge haben.15 Subjektivierung ist somit ein Vermittler von Subjekt und Gesellschaft; im Fokus ist die Selbstbestimmung und die Bestimmung durch die Gesellschaft.

Bei dieser Sichtweise ist es besonders interessant, sich mit eben diesen latenten Normen und Werten zu beschäftigen, mit denen sich der Beschäftigte versucht zu identifizieren.

[...]


1 König 2011, 148.

2 ebd., 147.

3 Gelhard et al. 2013, 10.

4 Kleemann/Voß 2010, 415.

5 Gelhard et al. 2013, 31.

6 Foucault 1978c, 32.

7 Foucault 1993, 26.

8 ebd., 28.

9 ebd., 47f.

10 Bröckling 2007, 121.

11 ebd., 122.

12 Kleemann et al. 2004, 8.

13 Kleemann et al. 1999, 30f.

14 Foucault 2005, 116.

15 Ott & Wrana 2010, 159.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sprachbezogene Hierarchisierungsprozesse in der Migrationsgesellschaft. Selbst- und Fremdpositionierungen während der biographischen Phase des Studiums
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V514847
ISBN (eBook)
9783346116895
ISBN (Buch)
9783346116901
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprachbezogene, hierarchisierungsprozesse, migrationsgesellschaft, selbst-, fremdpositionierungen, phase, studiums
Arbeit zitieren
Rukiye Tekin (Autor:in), 2019, Sprachbezogene Hierarchisierungsprozesse in der Migrationsgesellschaft. Selbst- und Fremdpositionierungen während der biographischen Phase des Studiums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/514847

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