Gamification im E-Learning. Motivationale Effekte spielbasierter digitaler Lernumgebungen


Bachelorarbeit, 2015

144 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2. Zum Stand der Forschung
2.1 E-Learning
2.1.1 E-Learning im aktuellen Bildungskontext
2.1.2 E-Learning in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung
2.1.3 Evaluation von klassischem E-Learning
2.2 Gamification
2.2.1 Begriffsherkunft und -definition
2.2.1.1 Game
2.2.1.2 Game Design Elements
2.2.1.3 Non-game contexts
2.2.2 Abgrenzung zu anderen Konzepten
2.3 Gamification und Motivation
2.3.1 Definition von Motivation
2.3.2 Intrinsische und extrinsische Motivation
2.3.3 Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan
2.3.3.1 Grundlagen der Theorie
2.3.3.2 Anwendung auf Gamification im Lernprozess
2.3.4 Die Theorie des Flow-Erlebens von Csikszentmihalyi
2.3.4.1 Grundlagen der Theorie
2.3.4.2 Anwendung auf Gamification im Lernprozess
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungsfragen

3 Methodisches Vorgehen
3.1 Forschungsmethode
3.2 Vorbereitung
3.3 Identifikation und Auswahl der Experten
3.4 Interview-Leitfaden
3.5 Interview-Durchführung
3.6 Auswertungsverfahren

4. Ergebnisdarstellung
4.1 Beurteilung von klassischem E-Learning
4.2 Perspektiven des Gamification-Einsatzes im E-Learning
4.2.1 Motivationale Effekte
4.2.1.1 Psychologische Grundbedürfnisse im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie
4.2.1.2 Der Zustand des Flow-Erlebens
4.2.2 Trial-basiertes Lernen
4.2.3 Emotionalisierung durch Storytelling

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Game Design-Elemente und Motive

Abb. 2: Gamification zwischen Game und Play, Whole und Parts

Abb. 3: Einordnung von Gamification in einem breiteren Spektrum

Abb. 4: Gamification vs. Serious Games

Abb. 5: Taxonomie der Motivation

Abb. 6: Integration von Gamification in die Taxonomie der Motivation

Abb. 7: Flow-Kanal

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Mein Name ist Guybrush Threepwood und ich will Pirat werden!”

Guybrush Threepwood, The Secret of Monkey Island, 1990

Mit diesen Worten begleitet der Spieler den jungen Helden Guybrush auf seiner Reise in ein witzig-schräges Abenteuer durch die Karibik zur Blütezeit der Piraterie. Bereits Anfang der 90er Jahre ist es den Spieleentwicklern der Firma Lucasfilm Games gelungen, Menschen aller Altersklassen für Spiele zu begeistern. Während die Hauptfigur Schritt für Schritt das Geheimnis von Monkey Island lüftet, erlebt der Spieler eine verwinkelte Geschichte, bei der eine Mischung aus wiederholten Fehlschlägen und immer neuen Rätseln den Spieler fesselt und das Gefühl für Zeit und Raum verschwimmen lässt. So wie Guybrush auf seinem erleb­nisreichen Weg erfährt was es heißt ein Pirat zu sein, so lernt auch der Spieler mit kreativen Lösungen immer komplexere Hürden zu meistern. Und auch noch über zwei Jahrzehnte später begeben sich Menschen auf die Suche nach dem einem „großen Schatz“ am Ende aller Herausforderungen. Denn in Spielen verfolgen Menschen stets das Ziel, sich zu ver­bessern, um einen bestimmten Punkt zu erreichen - und das hört auch nicht auf, wenn sie bereits erwachsen sind. Denn Menschen spielen. Überall. Zu jeder Zeit. Und zunehmend mehr. Zuhause vor dem Fernseher, mit dem Smartphone in der U-Bahn oder auf dem Tab­let-PC in der Mittagspause. Unzählige Stunden verbringen Spieler auf dem gesamten Erd­ball mit digitalen Spielen. Laut Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. gab es 2014 allein in Deutschland 34,3 Millionen Spieler - Tendenz steigend (vgl. BIU, 2014). Für immer mehr Menschen gehören demnach Spiele zum festen Bestandteil ihres Medien­alltags (vgl. ebd.). Sind die Spiele gut umgesetzt, so fesseln sie Spieler aus allen Altersklas­sen und Gesellschaftsschichten. Mit großer Leidenschaft und scheinbar unermüdlich wer­den dabei Punkte gesammelt, Sternchen gesucht und Spieleumgebungen erforscht.

Längst versuchen Unternehmen diese energiegeladene Nutzung zu kanalisieren und das kreative Potenzial auf spielfremde Kontexte in der Arbeitswelt zu übertragen. Unter dem Trendbegriff Gamification beschäftigt man sich in diesem Zusammenhang mit der Überfüh­rung spieltypischer Aspekte und Technologien in völlig andere Anwendungsbereiche. Mit dem Einsatz entsprechender Game Design-Elemente soll die Zielgruppe durch die Stimula­tion emotionaler Bedürfnisse aktiviert werden. Somit lassen sich Menschen über einen spie­lerischen Zugang zu Handlungen motivieren, die sie andernfalls z.B. als lästig oder lang­weilig empfinden. Im Konsumentenbereich gibt es dazu bereits unzählige Beispiele, bei denen Produkte, Informationssysteme oder Dienstleistungen durch Game Design-Elemente ergänzt werden, um das Nutzer- bzw. Käuferverhalten zu beeinflussen. Das wohl bekann­teste Beispiel in diesem Bereich ist der Gamification-Einsatz des Sportartikelanbieters Nike. Mithilfe der Smartphone-Anwendung Nike+ in Verbindung mit Sensoren in Nike­Sportschuhen, können sportliche Leistungen der App-Nutzer aufgezeichnet, visuell ausge­wertet und mit anderen Nutzern in einer Community verglichen werden. Verschiedene Ab­zeichen, sogenannte Badges, machen die Leistungsfähigkeit der Nutzer transparent. Durch den Einsatz verschiedener Game Design-Elemente hat das Unternehmen somit „Ausdauer­sport in eine Art Spiel verwandelt“ (Blohm/Leimeister 2013, 275) und damit u.a. die Kun­denbindung gefördert. Solche Instrumente integrieren etliche Elemente, die aus der Umge­bung digitaler Spiele entnommen werden. So sammelt die Figur Mario aus der populären Videospiel-Reihe Super Mario Münzen und Sterne, Nike+ -Anwender sammeln dagegen Badges, um ihren digitalen Trophäenschrank zu füllen.

Seit einiger Zeit wird auch die Akzeptanz der Unternehmen für den innerbetrieblichen Ein­satz von Gamification höher. Publikumsmedien wie Zeit Online (2014) und Die Welt (2015) beschreiben in diesem Zusammenhang die motivationalen Potenziale, die sich für Lernzwe­cke im Rahmen der Aus- und Weiterbildung ergeben können. Allerdings wurden trotz der steigenden Popularität und der immensen Zunahme des Gamification-Einsatzes in vielen Bereichen, bislang nur wenige Versuche unternommen, Gamification im konkreten Anwen­dungsfall des betrieblichen E-Learning zu beleuchten. Gerade der Kontext dieser Bil­dungsmaßnahme bietet sich jedoch an, eine Optimierung durch Instrumente mit besonderem Potenzial an Motivationsförderung in Betracht zu ziehen, da klassisches computergestütztes Lernern (E-Learning ohne Gamification) derzeit besonders im Hinblick auf die Aspekte Lernmotivation und -engagement hinterfragt wird. Es ist also Zeit, sich einmal genauer mit Gamification im E-Learning auseinanderzusetzen und mit einer wissenschaftlichen Sicht­weise auf die Potenziale für die betriebliche Aus- und Weiterbildung zu blicken.

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, den Einsatz von Gamification im E-Learning im Allgemeinen und die motivationalen Effekte auf die Verwendung in dieser Bildungsmaß­nahme im Speziellen zu beleuchten. Auf Basis einer qualitativen Studie mit Experten sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie der Einsatz von Gamification zur Motivations­förderung der Lerner während der Nutzung von E-Learning-Anwendungen beitragen kann. Die Analyse fokussiert sich auf E-Learning-Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Der Arbeitgeber wird dabei als der „Bereitsteller“ des E-Learning auf­gefasst, Arbeitnehmer werden als „Lerner“ oder „Lernende“ betrachtet.

Bevor die Frage nach den motivationalen Effekten von Gamification auf E-Learning beant­wortet werden kann, sollen zunächst die für den Forschungszweck relevanten wissenschaft­lichen Diskurse und die entsprechende terminologische Verortung aufgezeigt, sowie For­schungsdesiderate dargestellt werden. Dazu wird im folgenden Kapitel der Forschungsstand zu den Themen E-Learning, Gamification und Motivation abgebildet. Kapitel 3 erläutert daraufhin das methodische Vorgehen der vorliegenden Studie. Daran anschließend werden in Kapitel 4 die relevanten Ergebnisse der Studie dargestellt und abschließend im Fazit re­sümiert.

2 Zum Stand der Forschung

2.1 E-Learning

2.1.1 E-Learning im aktuellen Bildungskontext

Zwei wesentliche Aspekte bestimmen den aktuellen Bildungskontext (vgl. Henning 2015, 133). So ist die heutige Informationsgesellschaft zum einen durch ein überproportionales Wachstum der Wissens- und Informationsmenge geprägt (vgl. ebd.). Zum anderen macht es der Connectivity-Megatrend möglich, dass weltweit immer mehr Menschen über einen In­ternetzugang und damit über einen orts- und zeitunabhängigen Zugang zu diesen Informati­onen verfügen (vgl. Groth 2011, 16). Die durch die „Verwissenschaftlichung und Techni­sierung“ (Treumann et al. 2012, 25) entstandene Komplexität der Gesellschaft führt zu ei­nem zunehmenden Bedarf an Qualifikation (vgl. ebd.). Dabei weisen Treumann et al. (ebd.) besonders auf den Bedeutungszuwachs von theoretischem Wissen für Wirtschaft und Ge­sellschaft hin. Den Autoren (ebd.) zufolge ist dieses Wissen die „[...] Triebkraft für die öko­nomische und soziale Entwicklung“. Vielzitierte Schlüsselbegriffe wie „lebenslanges Ler­nen“ oder „selbstgesteuertes Lernen“ im Kontext der Informationsgesellschaft betonen zu­dem die Notwendigkeit einer kontinuierlichen (Weiter-)Bildung, „[...] die eine breite gesell­schaftliche Akzeptanz findet“ (Dittler 2011, 205). Die technologischen Entwicklungen ver­ändern demnach nicht nur den Alltag entscheidend, „[...] sondern letztendlich auch den Bil­dungsbereich“ (Ebner 2013, 39).

Unter dem Begriff E-Learning befasst man sich heute in der Forschung vermehrt mit dem technologischen Wandel des Lehrens und Lernens und dem Zugang zu diesem stark inter­disziplinären Fachgebiet (vgl. ebd.). Für den vergleichsweise jungen Begriff lässt sich aller­dings kein konkreter wissenschaftlicher Ursprung identifizieren (vgl. Treumann et al. 2012, 38). Vielmehr kam der Begriff Ende der 90er Jahre als „Neologismus der Werbeindustrie“ im Kontext einer internationalen E-Business-Kampagne der Firma IBM auf (vgl. ebd.). E­Learning reiht sich damit in die Sammlung der neuartigen E-Begriffe ein, die vor allem im Marketing eine Verwendung finden (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang lassen sich Aus­drücke wie E-Mail, E-Commerce oder auch E-Government nennen, wobei das „E“ jeweils als Stellvertreter für „electronic“ bzw. „elektronisch“ fungiert (vgl. Lenz 2009, 29).

Im Zuge des technologischen Wandels entwickelte sich E-Learning von der zunächst mit­tels Disketten, CD-ROMs oder Videokassetten übertragenen Wissensvermittlung hin zu einer vorwiegend internetunterstützten Lernform (ebd., 30). Um definitorische Ungenauig­keiten zu kompensieren, wird bei der Annäherung an den Begriff in der umfangreich vor­handenen Literatur unterschiedlich stark eingegrenzt. So lautet es beispielsweise nach Arnold et al. (2011): „Mit dem Begriff ,E-Learning‘ wird ein vielgestaltetes gegenständli­ches und organisatorisches Arrangement von elektronischen bzw. digitalen Medien zum Lernen [...] bezeichnet“. Nach Ehlers (2011, 34) umfasst der E-Learning-Begriff indes kurz und präzise „[...] alle Formen des Lernens mit Hilfe elektronischer Medien“.

In den nachfolgenden Ausführungen wird der E-Learning-Begriff entsprechend der genann­ten Definition von Ehlers (ebd.) eingeordnet und folglich als Oberbegriff für sämtliche Be­reiche des Lernens mithilfe elektronischer Medien verwendet. Da sich die vorliegende Ar­beit vorrangig auf den Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung konzentriert, soll im Folgenden die Rolle des E-Learning-Einsatzes in diesem Bereich kurz umrissen werden.

2.1.2 E-Learning in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung

Die betriebliche Aus- und Weiterbildung stellt eine wesentliche Aufgabe im Rahmen der Personalentwicklung dar und zählt somit zu den Kernaufgaben eines Unternehmens (vgl. Dittler 2011, 205). Ziel ist die strategische Entfaltung und Ausschöpfung der Mitarbeiterpo­tenziale, „[...] um wettbewerbsfähig zu sein, und um mit den raschen Veränderungen in der Arbeitswelt und auf dem Markt mitzuhalten“ (ebd.). Dabei gehören heutzutage auch digitale Medienangebote zu den fest etablierten Bestandteilen der betrieblichen Bildung (vgl. Hei­demann 2012, 4). Eine aktuelle Studie des MMB-Instituts für Medien- und Kompetenzfor­schung (2014, 4) zum Status quo des betrieblichen E-Learning zeigt, dass bereits mehr als jedes zweite deutsche Unternehmen E-Learning-Formen in ihren Aus- und Weiterbil­dungsmaßnahmen einsetzt. So nutzen 55 % aller kleinen und mittleren Unternehmen E­Learning in ihren Bildungsangeboten (vgl. ebd.). Bei den deutschen Großunternehmen liegt die Nutzung bereits bei 66 % - Tendenz steigend (vgl. ebd.). Dabei setzen die Unternehmen E-Learning-Angebote sehr unterschiedlich ein: „Die Spannweite reicht von der Publikation des Weiterbildungsangebots im Intranet über die Bereitstellung von verschiedenen Tools und Angeboten auf einem Lern-Management-System bis hin zum Online-Training in der virtuellen Umgebung ,Second Life‘“ (vgl. Meister/Kamin 2010, 131). Vor allem Web Ba­sed Trainings (WBTs) und die Einbindung entsprechender Lerninhalte und -aktivitäten in Learning Management Systemen haben sich in den vergangenen Jahren in der betrieblichen Umgebung etabliert (vgl. Dittler 2011, 207). Im Gegensatz zu den bis zur Jahrtausendwende vorrangig eingesetzten Computer Based Trainings (CBTs), bieten WBTs durch die Nutzung von Web-Technologien einen geeigneten Rahmen für „[...] kooperatives und kollaboratives Lernen mehrerer Teilnehmer“ (ebd.). Learning Management Systeme ermöglichen die Be­reitstellung der Bildungsaktivitäten und die Verwaltung von Teilnehmerdaten (Heidemann 2012, 7).

Anfängliche Erfahrungen zeigten, dass der separate bzw. alleinstehende Einsatz von E- Learning-Maßnahmen in den meisten Fällen nicht zielführend ist (ebd., 4). Dies begründen Meister und Kamin (2010, 133) damit „[...], dass die informellen sozialen Kontakte zu kurz kommen und damit das Aufbauen von vertrauensbasierten fachlich orientierten Beziehun­gen nicht gefördert wird“. Infolgedessen findet sich im Kontext der betrieblichen Aus- und Weiterbildung vor allem der Einsatz von Blended Learning-Szenarios (vgl. ebd.). E­Learning wird dabei mit Präsenzlernen kombiniert, und „[...] dadurch der Austausch der Lernenden untereinander bzw. mit Trainern und Anleitern“ ermöglicht (Heidemann 2012, 4). Der Einsatz von E-Learning dient in diesem Fall dazu, Wissen zu vermitteln, während die Präsenzveranstaltungen zur Erprobung der Wissensanwendung unter Zuhilfenahme ei­nes Trainers genutzt werden (vgl. ebd.).

2.1.3 Evaluation von klassischem E-Learning

Der flexible Einsatz von klassischem E-Learning gilt als innovativ und zeitgemäß (Schlich­te 2015). Dennoch wird häufig kritisiert „[...], dass das Lernen am PC oder Smartphone sehr viel Selbstdisziplin von den Nutzern abverlangt“ (ebd.). Lerner zu motivieren, sich mit den angebotenen Inhalten auseinanderzusetzen sowie Aktivitäten zu bearbeiten, gehört daher zu den anspruchsvollsten Aufgaben einer E-Learning-Maßnahme (vgl. Schlichte 2014). Sweeney (2013) weist in diesem Zusammenhang auf die Bedenken der Personalverantwort­lichen bzgl. des Anreizes klassischer E-Learning-Anwendungen hin: „Many HR [...] profes­sionals face the problem of ensuring that their training and learning programmes maintain learner engagement and motivation“. Schlichte (2015) hebt dabei vor allem den sequenziel­len Aufbau von herkömmlichem E-Learning entlang eines vorgegebenen Pfades als Motiva­tionsdämpfer heraus. Demnach werden dem Lerner nach der Registrierung auf einem Lear­ning Management System zumeist hierarchisch festgelegte Lerninhalte zur Verfügung ge­stellt, die stufenweise abgearbeitet werden müssen und mit einem Abschlusstest zur Über­prüfung der Mindestanforderungen enden (vgl. ebd.). Während des Lernprozesses hat der Lerner keine Möglichkeit sich seinen individuellen Lernfortschritt anzeigen zu lassen oder selbstbestimmt zu wählen, in welcher Reihenfolge und Intensität er die Lerninhalte bearbei­tet (vgl. ebd.). Dies entspricht jedoch weder dem gegenwärtigen flexiblen Kommunikations­und Informationsverhalten der Menschen, noch wird durch diese Lernstrukturen eigeninitia­tives Handeln der Arbeitnehmer gefördert (vgl. de Witt 2012, 6). Häufig hinterfragen E- Learning-Anbieter und Unternehmen daher die Effizienz von klassischem E-Learning im Hinblick auf Motivation und Engagement sowie auf die Zukunftsfähigkeit bzgl. den Zielen der Mitarbeiterentwicklung (vgl. ebd.). „Dieser Entwicklung kommen solche Lernformen entgegen, die flexibel einsetzbar sind und unabhängig von Zeit und Ort einen kommunikati­ven Austausch ermöglichen“ (ebd.).

Es entstehen neue Lerntrends, die im Rahmen des E-Learning Einsatzes in der beruflichen Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle spielen (vgl. ebd.) In diesem Zusammenhang wird vor allem dem mobilen und kollaborativen Lernen eine starke Bedeutung für den Ein­satz im E-Learning der kommenden Jahre zugeschrieben (vgl. ebd.). Zu den verschiedenen Lerntrends zur Optimierung klassischer E-Learning-Maßnahmen gehört darüber hinaus die Nutzung von Games-Technologien und -Konzepten zur Steigerung der Motivation und För­derung der damit einhergehenden Leistungsbereitschaft der Lernenden (vgl. Schlichte 2014). „Dahinter stehen Überlegungen, wie Lernen mit erhöhtem positiven Empfinden ein­hergehen kann“, so de Witt (2012, 8). Der Einsatz entsprechender Game Design-Elemente in den ursprünglich spielfremden Kontext E-Learning wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff Gamification untersucht und zu diesem Zweck im folgenden Ka­pitel zunächst definitorisch abgegrenzt.

2.2 Gamification

2.2.1 Begriffsherkunft und -definition

Die ersten dokumentierten Aufzeichnungen zur konkreten Verwendung des Gamification- Begriffs finden sich laut Huotari und Hamari (2012, 18) sowie Deterding et al. (2011b, 9) in einem 2008 veröffentlichtem Post des Bloggers Brett Terill. Der Begriff stammt demnach aus der Digital Media-Industrie (vgl. ebd.). Populär wurde er hingegen erst mit dem Einsatz in großen Konzernen ab Ende des Jahres 2010 (vgl. Huotari/Hamari 2001, 18). Seitdem wurden einige ähnliche Begriffe rund um das Thema Gamification eingeführt, wie z.B. „Behavioral Games“ (Dignan 2011) oder „Game Layer“ (Priebatsch 2011), „Gamification“ hat sich jedoch als institutionalisierter Begriff weitestgehend durchgesetzt.

Die gegenwärtige industrielle Betrachtung des Gamification-Ansatzes schwankt dabei zwi­schen zwei unterschiedlichen Perspektiven (vgl. Deterding et al. 2011b, 9). So bezieht sich Gamification auf der einen Seite auf den zunehmenden Einsatz, die Institutionalisierung und die Ubiquität von Games im Alltag (vgl. Helgason 2010; Schell, 2010). Darüber hinaus werden Games dahingehend betrachtet, dass sie zunächst zum primären Zweck der Unter­haltung konzipiert werden und in der Lage sind, Nutzer zu motivieren, sich intensiv und dauerhaft mit einem Game auseinander zu setzen (vgl. Deterding et al. 2011b, 10). Die wis­senschaftliche Literatur verwendet für dieses Nutzerverhalten den englischsprachigen Aus­druck „Engagement“ (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang geht man davon aus, dass ent­sprechend verwendete Game Design-Elemente ebenfalls in der Lage sein sollten, in Kon­texten außerhalb von Games ein (größeres) „Engagement“ zu erzielen (vgl. ebd.).

Ähnlich vieler Trend-Begriffe und Kunstwörter existiert auch für Gamification bislang kei­ne allgemeingültige, wissenschaftliche Definition (vgl. Gonzales-Scheller 2013, 38). Die schwierige Spezifizierung des Begriffs ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass An­bieter und Berater für entsprechende Maßnahmen Gamification praxisnah und bezogen auf den individuellen Kundennutzen beschreiben (vgl. Deterding et al. 2011b, 10). Vor allem innerhalb der Video Game- und Digital Media-Industrie haben einzelne Anwender ver­schiedene Interpretationen zu ihren jeweiligen Gunsten hervorgebracht (vgl. Breuer 2011). Während der o.g. Blogger Brett Terill (2008) Gamification als „[...] taking game mechanics and applying them to other web properties to increase engagement“ auffasste und damit den Fokus ausschließlich auf die Web-Umgebung richtete, führen die meisten wissenschaftli­chen Definitionsansätze eine weitreichendere Betrachtungsweise auf. So beschreibt z.B. Kapp (2012, 11) den Ansatz als „[...] using game-based mechanics, aesthetics and game thinking to engage people, motivate action, promote learning, and solve problems“. Damit unterstreicht er vor allem die motivationalen Ziele des Gamification-Ansatzes, lässt aber den Anwendungsbereich offen. Huotari und Hamari (2012, 20) definieren Gamification als einen „[...] process of enhancing a service with affordances for gameful experience in order to support user's overall value creation“ und betonen damit die Absicht, die gleichen psy­chologischen Erlebnisse auszulösen, wie sie üblicherweise durch Spiele hervorgerufen wer­den. Einen ähnlichen Ansatz bieten auch Deterding et al. (2011a, 2) und beschreiben Gami­fication als „[...] the use of game design elements in non-game contexts“. Die Autoren fo­kussieren sich hier allerdings nicht auf die Absichten des Gamification-Einsatzes, sondern auf die Anforderung, die gleichen Aufforderungen bzw. Aufgabenstellungen zu implemen­tieren, wie sie bei Spielen verwendet werden (vgl. Hamari et al. 2014, 2). Die verschiede­nen, meist in englischer Sprache verfassten Definitionsansätze des Begriffes beleuchten demnach unterschiedliche Aspekte von Gamification. In der deutschsprachigen Literatur werden besonders zwei definitorische Ansätze aufgegriffen, die anlehnend an Kapp (2012, 11) oder Deterding et al. (2011a, 2) entweder das Ziel von Gamification oder den Anwen­dungsbereich bzw. den Einsatz in spielfremden Umgebungen betonen. So heißt es z.B. bei Breuer (2011): „Gamification ist die Verwendung von spieltypischen Mechaniken außer­halb reiner Spiele, mit dem Ziel, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen“. Gonzales- Scheller (2013, 38) beschreibt Gamification als „[...] den Einsatz von Game-Design­Elementen in Nicht-Spiele-Kontexten [...] und bezieht sich damit auf die Interpretation von Deterding et al. (2011a, 2).

Um den Begriff Gamification im Handlungsfeld E-Learning und damit in einem besonderen Nicht-Spiele-Kontext genauer zu beleuchten, wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit auf die weitverbreitete Auffassung von Gamification als „the use of game design elements in non-game contexts“ von Deterding et al. (ebd.) zurückgegriffen. Die Definition enthält komprimiert alle Elemente, die für Gamification eine Rolle spielen. Diese werden zunächst in den folgenden Unterkapiteln im Einzelnen detaillierter betrachtet.

2.2.1.1 Game

Der im Deutschen mit dem Wort „Spiel“ übersetzte Begriff Game wird im Gamification- Kontext von dem Begriff Play, der ebenfalls mit „Spiel“ übersetzt werden kann, unterschie­den (vgl. Deterding et al. 2011a, 2). Im Englischen „[...] verwendet man ,playing‘ für spie­len - im Sinne spielerischer Interaktion, meist mit Spielzeug und eher kreativ, regellos [...] - und ,gaming‘ für eher sportliche Spiele - im Sinne von Wettkampf, zielgerichtet und ba­sierend auf Regeln [...]“ (Morschheuser 2013). Klassische Definitionen im Bereich der Ga­me Studies verweisen bei der Unterscheidung auf Roger Cailliois (2001), nach dem Game und Play durch die Konzepte ludus und paidia beschrieben werden. Ludus wird Deterding et al. (2011b, 11) zufolge dem gaming zugeordnet, paidia dem playing: „Whereas paidia (or ,playing‘) denotes a more freeform, expressive, improvisational, even ,tumultuos‘ reconbi­nantion of behaviors and meanings, ludus (or ,gaming‘) captures playing structured by rules and competitive strive toward goals“ (ebd.). Game oder Gaming kann demnach als Tätig­keit definiert werden, die durch Regeln organisiert ist, eine kompetitive Wesensart aufweist und bei der bestimmte Ziele verfolgt werden (vgl. Gonzales-Scheller 2013, 38). Damit steht Game im Gegensatz zu Play bzw. Playing, „[...] welches sich durch eine offene, explorative und freie Form des improvisierten Spielens unterscheidet“ (ebd.).

Diese Differenzierung findet sich ebenfalls in McGonigals (2011a) Darstellung von gameful als Gegenstück von playful wieder. Der Autorin (ebd.) zufolge kennzeichnet playfulness die experimentellen und verhaltensspezifischen Qualitäten von playing, während gamefulness die Qualitäten des gaming symbolisiert. Im Sinne der HCI-Forschung (Human-Computer Interaction Research) bedeutet dies, dass Gamification von „[...] playful interactions, playful design, or design for playfulness“ (Deterding et al. 2011a, 2) differenziert werden kann. Um diese Terminologie systematisch auf Gamification anzuwenden, unterscheidet Gonzales-Scheller (2013, 38) in Anlehnung an Deterding et al. (2011b, 11):

- „ Gamefulness: Der Gegenstand hat eine spielerische Qualität in der Art und Weise, wie sich der Nutzer verhält und wie er sie erfährt.
- Gameful Interaction: Einzelteile, die diese Qualität bewirken.
- Gameful Design: Design, um Gamefulness zu erreichen, üblicherweise mit Game­Design-Elementen.“.

Generell stimmt Gamification mit Gameful Design überein (vgl. ebd.). Zwar weisen Deter­ding et al. (2011b, 11) auch auf das Auftreten von paidia - bzw. Play -Tendenzen in Gamifi­cation hin, üblicherweise zählt Gamification allerdings durch Regelgebundenheit und Zielo­rientierung zu ludus bzw. Games:,„Gamification‘ relates to games, not play (or playful­ness), where ,play‘ can be conceived of as the broader, looser category, coutaining but dif­ferent from ,games‘“

2.2.1.2 Game Design Elements

Die wissenschaftliche Literatur hat derzeit noch keine prägnante und anerkannte Abgren­zung von Game Design-Elementen hervorgebracht. Lediglich Deterding et al. (2011a, 3) wagt einen vorsichtigen Ansatz: „We suggest limiting gamification to the description for elements that are characteristic to games“. Gonzales-Scheller (2013, 39) zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass es sich bei dieser Definition von entsprechenden Elementen „[...] um eine heuristische Definition mit viel Raum für Diskussion darüber [handele], was unter ,charakteristisch‘ zu verstehen ist.“ Dennoch orientiert sich der Autor (ebd.) an Deterding et al. (2011a, 3) und beschreibt Game Design-Elemente als ein „[...] Set an Bausteinen oder Features, die bei einem Spiel verwendet werden (weniger ein Set an notwendigen Bedin­gungen für ein Spiel)“. „Charakteristische Elemente“ beschreibt Gonzales-Scheller (2013, 39) als Elemente, „[...] die man in den meisten - nicht notwendigerweise in allen - Spielen finden muss, die mit Spielen assoziiert werden und die oft eine relevante Rolle im Spiel einnehmen“. Weiterhin stellt der Autor beispielhaft eine Auflistung von Elementen zur Ver­fügung, die von Byron Reeves und J. Leighton Read (2009, 61 ff.) als die „Ten Ingredients of Great Games“ identifiziert wurden:

1. „Self-Representation with Avatars;
2. Three-Dimensional Environments;
3. Narrative Context;
4. Feedback;
5. Reputations, Ranks, and Levels;
6. Marketplaces and Economies;
7. Competition Under Rules that Are Explicit and Enforced;
8. Teams;
9. Parallel Communication Systems That Can Be Easily Reconfigured;
10. Time Pressure.“

Als „charakteristisch“ für Spiele kann man diese Elemente jedoch laut Deterding et al. nicht bezeichnen, denn jedes dieser Elemente kann auch außerhalb von Games ausfindig gemacht werden und keines dieser Elemente würde einzeln betrachtet als „gameful“ oder gar als „game-specific“ identifiziert werden. Darüber hinaus herrscht diesbezüglich eine unter­schiedliche Auffassung in den verschiedenen Game Genres vor. So gelten z.B. Avatare als gängiges Element im Rahmen von Action- und Roleplaying-Games aber nicht notwendi­gerweise in Strategie-Videospielen. Die Autoren schlagen daher vor, die schwer abzugren­zenden Game Design-Elemente sowohl aus der Perspektive des Game Designers als auch aus der Perspektive des Users heraus zu betrachten. Aus Sicht des Designers werden bei Gamification Elemente aus Games genutzt, die nicht vollständig einem Game angemessen sein müssen. Aus User-Perspektive, handelt es sich dabei allerdings um Elemente, die sie als einem Game angemessen, bzw. „gameful“ oder „playful“ wahrnehmen und erleben. (vgl. Deterding et al. 2011b, 11).

Das Ziel des Einsatzes von Game Design-Elementen ist nach Petkov et al. (2011, 2) die Beeinflussung bestimmter Nutzer-Verhaltensweisen, indem einzelne Nutzungsmotive akti­viert werden. Diese Nutzungsmotive beziehen sich auf eine Kernleistung wie „[...] z.B. ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Informationssystem“ (Blohm/Leimeister 2013, 276). Dazu werden bestimmte Nutzungsziele für die Kernleistung abgeleitet und anschließend in die Game Design-Elemente übertragen (vgl. ebd.). So sollen durch „[...] eine spiel-ähnliche Nutzungserfahrung“ (ebd.) die Nutzungsmotive bezüglich der Kernleistung aktiviert wer­den. „In diesem Zusammenhang überführt Gamification die Ziele eines Kernleistungsanbie­ters in ein zu den einzelnen Motiven der Nutzer kompatibles Zielsystem“ (ebd.).

Nach Zichermann und Cunningham (2011, 35 f.) bestehen Game Design-Elemente aus Ga­me-Mechaniken und Game-Dynamiken. Dabei umfassen Game-Mechaniken, wie z.B. Ranglisten, unterschiedliche Bausteine zur spielerischen Darstellung einer Kernleistung, während Game-Dynamiken „[...] die Auswirkungen dieser Mechaniken auf die subjektive Nutzungserfahrung eines Nutzers [...]“ (Blohm/Leimeister 2013, 276) beschreiben. Eine Game-Dynamik, wie z.B. Statuserwerb, kann also als ein Prozess aufgefasst werden, der die Anwendung vorantreibt (vgl. Kruse et al. 2014, 247). Diese Dynamiken korrespondieren wiederum mit abstrakten Nutzungsmotiven, die etwas beschreiben, das sich nicht direkt implementieren lässt, wie z.B. Wissbegierde oder soziale Anerkennung (vgl. ebd). So kann z.B. die Game-Mechanik „Rangliste“ eine Wettbewerbsdynamik initiieren, die die Nutzer­aktivitäten in Relation zu anderen Nutzern darstellt „[...] und so ein Streben nach sozialer Anerkennung befriedigen soll“ (Blohm/Leimeister 2013, 276). Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die Game-Mechaniken und -Dynamiken sowie die entsprechenden Motive.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Game Design-Elemente und Motive

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Blohm/Leimeister 2013, 276)

2.2.1.3 Non-game contexts

Die dritte Komponente der Gamification-Definition von Deterding et al. (2011a, 2) ist der Term „non-game contexts“. Gonzales-Scheller (2013, 40) zufolge wird mit „non-game contexts“ lediglich die Nutzung der Game Design-Elemente als Bestandteil des Designs von Games ausgeschlossen „[...], da es sich sonst einfach um Game Design handeln würde und nicht um ,Gamification‘“ Deterding et al. (2011b, 12) bieten in diesem Zusammenhang eine detailliertere Herangehensweise. Die Autoren (ebd.) merken an, dass Gamification Elemente aus Games für Zwecke nutzt, die nicht ihrem erwarteten Einsatz als Teil eines Unterhaltungs-Games entsprechen. Dabei weisen sie darauf hin, dass man Gamification nicht auf spezifische Nutzungskontexte, -zwecke oder -szenarios limitieren sollte (vgl. ebd.). Im Vergleich zu Games-Kategorien wie „Training games“, „Health games“ oder „News games“ könne man jedoch auch Unterkategorien für Gamification finden, wie z.B. „Gamification for training“ oder „Gamification for health“ (vgl. ebd.).

2.2.2 Abgrenzung zu anderen Konzepten

Hinsichtlich der detaillierten Betrachtung der einzelnen Komponenten der Gamification­Definition in Kapitel 2.2.1 lässt sich Gamification zusammenfassend festhalten, dass sich Gamification auf die folgenden Punkte bezieht:

- Die Nutzung von
- Design - (anstatt Game-basierter Technologie)
- Elementen (anstatt vollständiger Games), die
- charakteristisch für Games (anstatt „play“ oder „playfulness“) sind
- in Nicht-Game-Kontexten (ungeachtet spezifischer Nutzungsintention, -kontexten oder eingesetzten Medien) (vgl. Deterding et al. 2011b, 13).

Diese Einordnung grenzt Gamification von anderen bzw. verwandten Konzepten ab, denn im Hinblick darauf, dass es sich bei Gamification um das Übertragen von Game Design­Elementen und nicht um komplette Games handelt, nimmt Gamification eine Sonderrolle ein (vgl. ebd.). Nach den Autoren Deterding et al. (2011b, 13) wird Gamification dabei mit Konzepten wie Spielzeuge, Playful Design und Games bzw. Serious Games verglichen. Die folgende Abbildung 2 stellt diese Unterscheidung im Form eines Diagrammes dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Gamification zwischen Game und Play, Whole und Parts

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Deterding et al. 2011b, 13)

Die Abbildung ordnet die o.g. Konzepte entsprechend den Dimensionen Game/Play und Whole/Parts zu. Über die Whole-/Parts -Dimensionen können Games bzw. Serious Games von Gamification differenziert werden. Statt die Nutzung eines ganzen (whole) Games, wie in einem Serious Game üblich, werden bei Gamification nur Teile (Parts) aus Games ge- nutzt. Playful Design und Spielzeuge grenzen sich dagegen durch die Game/Play - Dimensionen vom Gamification-Ansatz ab. So werden diese beiden Konzepte in die Di­mension Play eingeordnet und werden durch Eigenschaften wie frei, improvisiert und aus­drucksstark gekennzeichnet. Gamification hingehen wird in der Dimension Game eher durch Regeln, Wettbewerb und feste Ziele beschrieben (vgl. Deterding et al. 2011b/Morschheuser 2013).

Auf Grundlage dieser Kategorisierung ordnen Deterding et al. (2011b, 13) Gamification zum übergeordneten Verständnis in einem noch etwas breiterem Spektrum bzw. im „Socio- cultural trend of ludification“ ein. Sie verdeutlichen dies in ihrer Darstellung „Situating ,gamification‘ in the larger field“ Abbildung 3 zeigt diese in einer vereinfachten Variante.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Einordnung von Gamification in einem breiteren Spektrum (eigene Darstellung, in Anlehnung an Deterding et al. 2011b, 13)

Die Autoren (ebd.) stellen im Hinblick auf diese Übersicht heraus, dass es drei Arten gibt, Games-Aspekte auf einen seriösen Kontext anzuwenden:

1. „The extension of games (Pervasive Games),
2. the use of games in non-game contexts, and
3. playful interaction“.

Bei Pervasive Games handelt es sich um die Nutzung mobiler Technologien, „[...] um Grenzen herkömmlicher Computerspiele zu überwinden und neue, erweiterte Formen von Spielen zu kreieren, bei denen die reale Umgebung ein essenzieller Teil des gesamten Spie­les wird“ (Kritzenberger 2011, 85). Darunter fällt u.a. die Augmented Reality-Technologie, bei der die reale Umwelt der Nutzer bzw. Spieler um virtuelle Elemente erweitert wird (vgl. ebd.). Die Realität wird damit zum Game (vgl. Morschheuser 2013). Die Nutzung von Ga­mes in Nicht-Spiele-Kontexten wird in die Bereiche Serious Games, also die Entwicklung eines kompletten Games mit seriösem Inhalt, und der Nutzung von Game elements unter­teilt (vgl. ebd.). Die Nutzung von Game elements wiederum gliedert sich in Game techno­logy, Game practices und Game design (vgl. Deterding et al. 2011b, 13). Letzteres stellt die Erweiterung eines „seriösen Kontext[s] um Spielelemente“ dar und bezieht sich demnach auf Gamification (Morschheuser 2013). Morschheuser (2013) stellt im Zusammenhang mit dieser Einordnung (s. Abb. 3) heraus, dass all diese Konzepte „[...] eng miteinander ver­wandt sind und es viele Überschneidungen gibt“. Dem Autor (ebd.) zufolge liefern Deter­ding et al. mit ihrer Darstellung „Situating ,gamifícation‘ in the larger field“ bislang „[...] die einzige, hinreichend fundierte Definition und Eingrenzung des neuen Trends ,Gamifica- tion‘“. In der Praxis zeigt es sich jedoch häufig, dass Gamification schwer von den ähnli­chen Konzepten differenziert werden kann und die Grenzen verschwimmen (vgl. ebd.).

Obwohl im wissenschaftlichen Diskurs besonders auf die Abgrenzung zwischen den einzel­nen Konzepten Wert gelegt wird, um die ursprünglichen Intentionen zu berücksichtigen, ist vor allem die Differenzierung zwischen Gamification und Serious Games bislang umstritten (vgl. Koch/Ott 2012.). So heißt es z.B. auf eductorstechnology.com (o. J.): „The difference between serious games and gamification is still up to debate, and many serious games use the modes of gamification and viceversa“. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Serious Games der Definition von Gamification am ähnlichsten ist (vgl. Koch/Ott 2012). Betrachtet man z.B. die Serious Game-Definition von Kapp (2012, 15), könnte man diese auch auf Gamification anwenden: „A serious game is an experience designing game mechanics and game thinking to educate individuals in a specific content domain“. Game elements werden demnach also auch bei Serious Games in einem Nicht-Game-Kontext verwendet, um eine bestimmte Änderung im Verhalten der Nutzer zu erzielen (vgl. ebd.). Die meisten Definiti­onen der beiden Konzepte schließen sich also gegenseitig nicht aus (vgl. Stöcklin, 2013). Vielmehr sehen z.B. Werbach und Hunter (2012) Serious Games als eine spezielle Art von Gamification. Jane McGonical (2011b) versteht Gamification auf der anderen Seite als eine spezielle Art von Serious Games. Einen vorsichtigen Ansatz zur Trennung der beiden Kon­zepte versucht Schulten (2014, 262), der in der folgenden Abbildung 4 tabellarisch darge­stellt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Gamification vs. Serious Games

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Schulten 2014, 262)

Die Abgrenzung erfolgt zunächst dahingehend, dass die Aktivitäten bei Gamification in Kontexten der realen Welt erfolgen, während Serious Games Simulationen der realen Welt darstellen (vgl. Schulten 2014, 262). Rughinis (2013, 1) stützt diese Differenzierung: „[Se- rious Games] involve participants in a gameworld with intrinsical definitions of success, while gamification builds gameplay on definitions of performance [...]“. Darüber hinaus zeichnet sich Gamification nach Schulten (2014, 262) durch die Nutzung von vergleichs­weise wenigen Game Design-Elementen aus. Ihre Aussteuerung erfolgt dabei manuell, während sie bei Serious Games automatisiert abläuft (vgl. ebd.). Weiterhin hat Gamification ein vergleichsweise geringes aber dennoch bedeutendes Potenzial zur Immersion (vgl. ebd.). Mit Immersion ist in diesem Zusammenhang der motivierende Zustand eines Eintau­chens bzw. Aufgehens in einer (fiktionalen) Game-Umgebung gemeint und gilt als einer der bedeutendsten Erfolgsfaktoren von Games (vgl. Gonzales-Scheller 2013, 44).

2.3 Gamification und Motivation

Mit der Integration von Gamification in Lernszenarien wird versucht Lerner „[...] zu be­stimmten Verhaltensweisen zu motivieren“ (Bertram et al. 2014, 94). Demnach liegt das Potenzial von Gamification vor allem in der Erreichung positiver motivationaler Effekte (vgl. ebd.). Forscher gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass sich der positive Ef­fekt auch auf den Lernerfolg im Rahmen von Bildungstechnologien wie E-Learning aus­wirken kann (vgl. Nistor et al. 2014 , 390). Psychologische Grundlagen der Motivation und Theorien zu menschlichen Verhaltensweisen und Möglichkeiten der Beeinflussung bieten die theoretische Fundierung zur Analyse des Erfolgs von Gamification (vgl. Blohm/Leimeister 2013, 277). In den folgenden Unterkapiteln wird daher zunächst der Mo- tivations-Begriff genauer betrachtet und anschließend verschiedene Arten der Motivation sowie entsprechende, für Gamification relevante, Theorien näher erläutert.

2.3.1 Definition von Motivation

Im Alltag begegnet uns der Begriff der Motivation oft (vgl. Brandstätter et al. 2013, 3). So wird z.B. in Stellenanzeigen gefordert: „Ihre Eigenmotivation ist hoch...“ oder Institutionen integrieren den Begriff in Leitsprüche wie: „Ihr Antrieb - unsere Motivation“ (vgl. ebd.). Dabei geht es im Alltagsverständnis dieses Begriffs augenscheinlich immer um Handeln, das mit Merkmalen wie z.B. Strebsamkeit, Eifer und Leistungsbereitschaft in Verbindung gebracht wird (vgl. ebd.). In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung beschäftigt man sich im Rahmen der Motivationsforschung mit der Frage, was Menschen zu diesen „[...] Handlungen verleitet, und was sie dazu bewegt, Ziele auf eine spezielle Art und Weise mit einer bestimmte Vehemenz zu verfolgen“ (Schürmann 2013, 29). Kurz gefasst fragt man sich also: Warum verhalten sich Menschen so, wie sie es tun? (vgl. Rudolph 2009, 1). Schürmann (2013, 29) weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der getrennten Betrachtung der Begriffe Motive und Motivation hin, zwischen denen im umgangssprachli­chen Gebrauch häufig keine Unterscheidung gemacht wird.

Beide Begriffe leiten sich aus dem lateinischen Verb „motivere“ (zu Deutsch: bewegen) ab (vgl. ebd.). Es geht also darum, „[...] was Menschen in Bewegung setzt, eine bestimmte Handlung auszuführen“ (Rudolph 2009, 1). Motive sind Häcker und Stapf (1998, 669) zu­folge „[...] eine dispositionelle Neigung in der Bewertung bestimmter Klassen von Hand­lungszielen“. Motive beschreiben, „[...] warum einige Menschen bestimmte Ziele verfolgen und auf bestimmte Anreize in einer Situation reagieren, während andere dies nicht tun“ (Schürmann 2013, 29). Motivation wird in der humanistischen Motivationsforschung defi­niert als „die Gesamtheit der Beweggründe, Einflüsse, die eine Entscheidung, Handlung o. Ä. beeinflussen, zu einer Handlungsweise anregen“ (Duden o. J.; Stichwort Motivation). Motivation kann daher als die Gesamtheit der Motive in einer bestimmten Situation aufge­fasst werden (vgl. Schürmann 2013, 30).

2.3.2 Intrinsische und extrinsische Motivation

Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Motiven, die zu Handlungen füh­ren, werden im Rahmen motivationaler Erklärungsversuche des Handelns zwischen intrinsi­scher und extrinsischer Motivation unterschieden (vgl. Schürmann 2013, 30). Diese diffe­renzierte Betrachtung wird Rheinberg (2006, 333) zufolge auf Aristoteles' „Nikomachische Ethik“ zurückgeführt, bei der „[...] zwischen einer Lust, die zum Wesen einer Tätigkeit ge­hört, und einer Lust, welche von außen zur Tätigkeit hinzukomme“ unterschieden wird. Wenn ein Mensch eine Tätigkeit um ihrer selbst Willen ausführt, gilt diese Tätigkeit als intrinsisch motiviert (vgl. Schürmann 2013, 31). Die Befriedigung bzw. die Lust in Aristo­teles' Sinne liegt hier also in der Ausführung der Tätigkeit selbst (vgl. Schlag 2013, 21). „Die Handlung selbst wird dabei von der ausführenden Person als so interessant oder auch motivierend empfunden, dass sie darüber hinaus keine Anreize braucht, die Handlung fort­zusetzen“ (ebd.). Schlag (2013, 21) zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass intrinsisch motivierte Tätigkeiten Spaß machen und den Menschen binden. Der Prozess des Ausfüh­rens sei so befriedigend, dass die ausführende Person gar das Ende herauszögern möchte (vgl. ebd.). Widmet sich die ausführende Person einer Tätigkeit dagegen aufgrund ihrer Konsequenzen, handelt es sich um eine extrinsisch motivierte Tätigkeit (vgl. ebd.). Dabei ist es unerheblich, ob positive Konsequenzen erreicht oder negative Konsequenzen vermie­den werden sollen, denn die Konsequenzen haben „[...] per se nichts mit der Handlung und ihrem Gegenstand zu tun“ (Schiefele & Streblow 2005, 41). In der Einordnung Aristoteles' liegt die Befriedigung bzw. die Lust demnach „[...] im Erreichen äußerer Zwecke“ (Schlag 2013, 21). Schürmann (2013, 31) zufolge liegen dieser Beeinflussung von außen Beloh­nungsfaktoren wie z.B. materielle Anreize oder Faktoren der Bestrafung, wie z.B. Strafar­beiten, zugrunde. Die ausführende Person wird den Prozess des Ausführens im Fall der extrinsischen Motivation möglichst schnell abschließen wollen (vgl. ebd.).

Bezüglich des Lernerfolgs gilt im Allgemeinen die intrinsische Motivation der extrinsischen Motivation als überlegen (vgl. Schlag 2013, 22). In diesem Zusammenhang erwartet man von einem intrinsisch motivierten Lerner, dass er sich einer Tätigkeit oder einem Lerninhalt ohne äußere Beeinflussung mit großem Interesse und langanhaltend zuwendet (ebd.). „Der zu erwartende Lernerfolg wird größer sein als bei ausschließlich extrinsischer Motivation, die weniger am Verständnis des Gegenstandsbereichs als an der Instrumentalität der Leis­tung zur Erreichung äußerer Zwecke interessiert ist“ (ebd.).

2.3.3 Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan

2.3.3.1 Grundlagen der Theorie

Basierend auf den Erkenntnissen zur intrinsischen und extrinsischen Motivation entwickel­ten Edward L. Deci und Richard M. Ryan die Selbstbestimmungstheorie (vgl. Schürmann 2013, 32). Diese Theorie geht davon aus, dass Menschen „[...] drei zentrale universelle, angeborene und psychologisch intrinsische Bedürfnisse [besitzen], die die Selbstbestim­mung eines Individuums beeinflussen“ (Maltby et al. 2011, 458). Demnach streben alle Menschen danach „[...] sozial eingebunden zu sein und selbstbestimmt Aufgaben zu bewäl­tigen, die den aktuellen individuellen Kompetenzen entsprechen“ (Stöcklin et al. 2014, 152). Bei dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit bzw. nach Beziehungen zu anderen Menschen gehen die Autoren Deci und Ryan (1993, 229) davon aus „[...], dass der Mensch die angeborene motivationale Tendenz hat, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen“. Das Bedürfnis nach Autonomie bzw. Selbstbestimmung be­zeichnet „[...] das Ausmaß, in dem eine Person ihr eigenes Verhalten steuert und wie sehr sie alleiniger Herr über ihre Entscheidungen im Leben [...] ist“ (Maltby et al. 2011, 458). Das dritte Grundbedürfnis nach Kompetenz ist nach Maltby et al. (ebd.) „das Ausmaß, in dem ein Individuum sich selbst als jemanden wahrnimmt, der in der Lage ist, seine Umge­bung und die Außenwelt zu kontrollieren, und in dem es sicher und genau bei der Vorher­sage von Folgen eigener Handlungen ist“. Der Selbstbestimmungstheorie zufolge ist die intrinsische Motivation des Menschen größer eine Aufgabe auszuführen, wenn diese drei grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden (vgl. Stöcklin et al. 2014, 152; Schürmann 2013, 32). Deci und Ryan (1993, 229) gehen davon aus „[...], daß [sic!] Personen deshalb bestimmte Ziele verfolgen, weil sie auf diese Weise ihre angeborenen Bedürfnisse befriedi­gen können“. Die Theorie liefert demnach eine Antwort darauf, „[...] warum Personen auch ohne äußere Veranlassung ihren Interessen nachgehen und Situationen aufsuchen, die ihre Fähigkeit herausfordern“ (Schiefele 2008, 42).

Weiterhin geht die Selbstbestimmungstheorie davon aus „[...], dass die intrinsische Motiva­tion nachlässt, wenn einer intrinsisch motivierten Person extrinsische Belohnungen zuteil­werden“ (Schürmann 2013, 32). Wenn zusätzlich zu einer von sich aus gewählten und be­liebten Handlung mit hoher intrinsischer Motivation, die Aussicht auf eine materielle extrinsische Belohnung, wie z.B. Geld, hinzugefügt wird, kann sich die Beliebtheit der Handlung reduzieren und die intrinsische Motivation wird untergraben (vgl. Schlag 2013, 22). Deci und Ryan (1993, 226) halten in diesem Zusammenhang fest, dass die Einbindung dieser extrinsischen Motivationsfaktoren in den einst intrinsisch motivierten Handlungsver­lauf die Wahrnehmung der Selbstbestimmung untergräbt. Die Person bezieht ihr Handeln demnach nicht auf sich selbst und erlebt es somit auch nicht mehr als selbstbestimmt, da die Belohnung als ein Versuch aufgefasst wird, das eigene Verhalten zu steuern (vgl. Schür­mann 2013, 32; Shauchenka et al. 2014, 36). „Als Folge davon sinkt die Neigung, die Akti­vität allein wegen ihrer intrinsischen Befriedigung auszuüben“ (Deci/Ryan 1993, 226). Die­se Annahme stimmt mit den Ergebnissen verschiedener wissenschaftlicher Studien überein „[...], die zeigen, dass Einschränkungen des Kompetenz- und Selbstbestimmungserlebens zu einer Verringerung vorhandener intrinsischer Motivation führen können“ (Schiefele 2008, 42).

Im Gegensatz dazu stehen manche nicht-materielle äußere Einflüsse, wie z.B. Lob und An­erkennung (vgl. Schürmann 2013, 32). Solche externen Belohnungen haben Schürmann (2013, 32) sowie Schiefele und Streblow (2005, 47) zufolge keine reduzierenden Auswir­kungen auf die intrinsische Motivation. Vielmehr „[...] können sie die intrinsische Motivati­on sogar noch verstärken“ (Schürmann 2013, 32). Dieser Effekt wird von Deci und Ryan im Rahmen der Organismischen Integrationstheorie betrachtet, die aus der Selbstbestimmungs­theorie abgeleitet wurde (vgl. Shauchenka et al. 2014, 36). Die Theorie weist darauf hin, dass es möglich ist, einige extrinsische Motivationen für den Menschen zu intrinsischen Motivationen werden zu lassen (vgl. Maltby et. al. 2011, 459). Dies tritt laut Maltby et al. (ebd.) dann auf, wenn eine Person für ihre Verhaltensweisen oder Motivationen Wertschät­zung nahestehender Personen erfährt bzw. von ihnen bestärkt wird. In diesem Fall wird die „[...] externe Motivation in die Vorstellung einer Person von sich selbst integriert“ (Shau- chenka et al. 2014, 36). Dabei tritt ein Internalisierungsprozess in Gang, bei dem die Person die von den anderen Personen aufgestellten Normen und Verhaltensvorschriften bzw. Ver­haltensregulationen zunächst akzeptiert, anschließend graduell übernimmt und schließlich als eigene Normen anerkennt sowie in ihr Handeln einbezieht (vgl. Maltby et al. 2011, 459). Eine Handlung wird dann gemäß der o.g. psychologischen Grundbedürfnisse als sozial an­erkannt, selbstbestimmt und der Kompetenz entsprechend empfunden und hat damit keine Verringerung der intrinsischen Motivation zur Folge (vgl. ebd.). Die Internalisierung und Integration von Normen und Verhaltensregulationen kann demnach dazu führen, dass extrinsische Motivation zur intrinsischen Motivation wird (vgl. Deci/Ryan 2000, 60).

Deci und Ryan (ebd.) zufolge beschreibt das Konzept der Internalisierung, wie sich die Mo­tivation bzgl. einer Handlung einer Person von Amotivation bzw. Widerwille, über passive Befolgung bis zum persönlichen Engagement erstrecken kann. Je höher der Internalisie­rungsgrad und das damit verbundene persönliche Engagement, desto stärker ist die Ausdau­er, desto positiver ist die Selbstwahrnehmung und desto besser ist die Qualität des Engage­ments (vgl. ebd., 60 f.). Im Einklang mit der Theorie bedeutet dies, dass, je stärker die extrinsische Motivation internalisiert wird, desto selbstbestimmter ist die Person bei der Verankerung der Verhaltensweisen (vgl. Shauchenka et al. 2014, 36). Innerhalb des Interna­lisierungsprozesses kann extrinsische Motivation in Form von externen und sozialen Ein­flüssen in vier unterschiedliche Typen bzw. Stadien unterteilt werden (vgl. Maltby et al. 2011, 459). Abbildung 5 zeigt die Taxonomie dieser Motivationstypen, angeordnet von links nach rechts entlang einer Steigerung des Internalisierungsgrades.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Taxonomie der Motivation

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Deci/Ryan 2000, 61; Morschheuser 2015)

Amotivation wird nach Deci und Ryan (2000, 61) als ein Zustand fehlender Handlungsab­sicht aufgefasst. Eine amotivierte Person fühlt sich weder einer Handlung entsprechend kompetent noch empfindet sie eine Relevanz bzgl. der Handlung (vgl ebd.). Das erste Sta­dium innerhalb der Kategorie der extrinsischen Motivation stellt die Externe Regulation dar (vgl. ebd.). In diesem Stadium wird die Motivation „[...] nur durch Belohnungen und Be­drohungen in Form äußerer Einflüsse kontrolliert [...]“ (Maltby et al. 2011, 459). Deci und Ryan (2000, 61) zufolge bildet diese Kategorie die am wenigsten autonome Form der extri­nischen Motivation. Das nächste Stadium im Rahmen der extrinsischen Motivation ist die Introjektion (vgl. ebd., 62). Dieser Typ zeichnet sich ebenfalls als sehr kontrolliert und re­guliert aus, da entsprechende Handlungen durch Emotionen motiviert sind (vgl. Maltby et al. 2011, 459). Negative Gefühle, wie z.B. Schuldgefühle, motivieren eine entsprechende Verhaltensregulation (vgl. ebd.). Eine stärker autonome und selbstbestimmtere Form der extrinsischen Motivation ist die Regulierung durch Identifikation (vgl. Deci/Ryan 2000, 62). „Hier werden Verhalten und Einstelllungen durch wertgeschätzte Folgen ihrerseits moti­viert, selbst wenn diese für das Individuum eigentlich keine wichtigen Motivationen darstel­len“ (Maltby et al. 2011, 459). Wenn z.B. eine Person eine Vokabelliste auswendig lernt, weil sie dies als relevant für ihr Hobby Schreiben erachtet, identifiziert sie sich mit der per­sönlichen Bedeutung dieser Lernaktivität und akzeptiert seine Verhaltensregulierung als ihre eigene (vgl. Deci/Ryan 2000, 62). Das Stadium der Integration ist die am stärksten autonome bzw. selbstbestimmte Form der extrinsischen Motivation (vgl. ebd.). Im Rahmen der Integration werden „[...] Verhalten und Einstellungen durch das Erreichen persönlicher Ziele, die im Einklang mit dem Selbstkonzept des Individuums stehen, motiviert [...]“ (Mal­tby et al. 2011, 459). Diese integrative Motivationsform teilt viele Eigenschaften mit intrin­sischer Motivation (vgl. Deci/Ryan 2000, 62). So zeichnen sich beide Formen z.B. durch hohe Autonomie bzw. Selbstbestimmung aus (vgl. ebd.). „Der Unterschied ist, daß [sic!] intrinsisch motivierte Verhaltensweisen autotelischer Natur sind, während integriertes (extrinsisches) Verhalten eine instrumentelle Funktion besitzt, aber freiwillig ausgeführt wird, weil das individuelle Selbst das Handlungsergebnis subjektiv hoch bewertet“ (De- ci/Ryan 1993, 228). Die abschließende Platzierung innerhalb der oben dargestellt Taxono- mie bildet die Intrinsische Motivation, die laut Deci und Ryan (vgl. ebd. 2000, 62) als der Inbegriff selbstbestimmter Aktivität aufgefasst werden kann.

2.3.3.2 Anwendung auf Gamification im Lernprozess

Die Selbstbestimmungstheorie beschreibt die Parameter, „[...] durch die das Gefühl der Selbstbestimmung erhöht wird“ (Morschheuser 2015). Gamification sollte sich also an die­sen Parametern orientieren, damit eine Erhöhung der intrinsischen Motivation erreicht wer­den kann (vgl. ebd.). Auf Basis der im vorherigen Kapitel beschriebenen drei psychologi­schen Grundbedürfnisse können die folgenden Richtlinien für Gamification abgeleitet wer­den.

Um im Rahmen von Gamification das Bedürfnis der sozialen Eingebundenheit zu befriedi­gen, sollten im Lernumfeld wichtige Bezugspersonen integriert sein und soziale Interaktion zugelassen werden (vgl. Blohm/Leimeister 2013, 277). Damit wird es dem Lerner ermög­licht, sich in einer sozialen Gemeinschaft auszutauschen und/oder mit ihr in den Wettbe­werb zu treten (vgl. ebd.). So werden z.B. Punkte, die im Rahmen einer Anwendung erzielt werden, für den Lerner erst bedeutsam (vgl. Shauchenka et al. 2014, 41). Darüberhinaus sollte die Anwendung in eine für den Lerner relevante Geschichte eingebettet werden (vgl. ebd.). Um dem Bedürfnis nach Autonomie bzw. nach Selbstbestimmung gerecht zu werden, sollte es dem Lerner ermöglicht werden, selbst die Initiative zur Mitwirkung ergreifen zu können (vgl. ebd.). Da das Gefühl der Selbstbestimmung bei extrinsischen Anreizen wie z.B. materiellen Belohnungen reduziert oder eliminiert werden kann, sollten integrierte Gamification-Aktivitäten den Lernern erlauben, „[...] durch individuelle Anstrengungen ein gemeinsames Ziel zu verfolgen“ (ebd.). Im Rahmen des Kompetenz-Bedürfnisses lassen sich die Lerninhalte Shauchenka et al. (ebd.) zufolge für den Lerner in zwei Kategorien einordnen: „muss machen“ und „möchte gerne machen“. „Zur ersten Kategorie gehören Konzepte wie Pflicht, Gebot, Arbeit und Effizienz; Konzepte wie Spaß, Spiel, Vergnügen und Entscheidungsfreiheit gehören zur zweiten Kategorie“ (ebd.). Um dem Bedürfnis nach Kompetenz nachzukommen, sollten die Aktivitäten der Gruppe „muss machen“ in Anwen­dungen möglichst unkompliziert gestaltet werden (vgl. ebd.). Die „würde gern machen“- Aufgaben dagegen sollten für den Lerner herausfordernd sein, denn wenn dieser „[...] mit interessanten Challenges konfrontiert wird, die immer komplexer werden, und das alles im Rahmen einer Anwendung mit klar definierten Regeln und Zielen, ist er engagierter und noch interessierter“ (ebd., 42).

Im Hinblick auf die im vorherigen Kapitel beschriebene Taxonomie der Motivation kann Gamification eine Erhöhung der intrinsischen Motivation erzielen (vgl. Blohm und Lei- meister 2013, 277). Morschheuser (2015) definiert Gamification in diesem Zusammenhang als Technik „[...], die die Motivation dank spieltypischen Elementen weiter in Richtung intrinsischer Motivation verschiebt“. Dargestellt wird dies in Abbildung 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Integration von Gamification in die Taxonomie der Motivation

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Deci/Ryan 2000, 61; Morschheuser 2015)

Nach Deci und Ryan (1993, 232) kann der dargestellte psychologische Internalisierungs­prozess „[...] auf der Stufe der Introjektion stehen bleiben oder die Stufe der Integration erreichen“. Selbstbestimmtes Handeln ist dabei allerdings nur möglich, wenn das Stadium der Integration erreicht wird (vgl. ebd.). Dieses selbstbestimmte Handeln ist bei der Erzie­lung von Lernerfolg von essenzieller Bedeutung, da dies „[...] nur durch ein vom individuel­len Selbst ausgehendes Engagement erreicht werden kann“ (ebd., 233). Mit anderen Worten ist intrinsische Motivation und/oder das Stadium der Integration die Voraussetzung für ef­fektives Lernen (vgl. ebd.). Zwar können externe Formen der Motivation (Externe Regulie­rung, Introjektion und Identifikation) ebenfalls zu Lernmotivation führen, allerdings ist „[...] mit qualitativ hochwertigen Lernergebnissen [...] v.a. dann zu rechnen, wenn die Motivation durch selbstbestimmte Formen der Handlungsregulation bestimmt wird“ (ebd.). Auch Grol- nick und Ryan (1987, 891 f.) zufolge erhöhen autonomieunterstützende Lernumgebungen im direkten Vergleich mit kontrollierenden Lernumgebungen die Bereitschaft Lerninhalte intensiv zu verarbeiten und langfristig zu behalten. Deci und Ryan (1993, 234) postulieren in diesem Zusammenhang, dass „[...] deshalb ein stärker integriertes Wissen und ein insge­samt höherer Kompetenzgrad erworben wird“.

2.3.4 Die Theorie des Flow-Erlebens von Csikszentmihalyi

2.3.4.1 Grundlagen der Theorie

Der ungarische Psychologe Csikszentmihalyi entwickelte die Theorie des Flow-Erlebens als ergänzende Sichtweise zur Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (vgl. Schiefele 2008, 42). „[...] Csikszentmihalyi erforschte den Zustand, wenn jemand ganz und gar in eine Aufgabe vertieft ist und alles um sich herum vergisst“ (Stöcklin et al. 2014, 152). Im Gegensatz zu den Untersuchungen im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie werden hier nicht nur die Anreize einer Handlung im Rahmen der intrinsischen Motivation beleuchet, vielmehr steht das Erleben einer Handlung im Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Schürmann 2013, 33). Durch Studien konnte Csikszentmihalyi zeigen, dass Menschen, die augen­scheinlich eine intrinsisch motivierte Handlung ausführen, einen Zustand des Erlebens auf­weisen, den er als „Flow“ bezeichnet (vgl. Schiefele 2008, 42). Situationen bzw. Aktivitä­ten, die durch diesen Zustand gekennzeichnet sind, werden der intrinsischen Motivation zugeordnet, da die Handlungsbegründung in der Aktivität selbst liegt (vgl. Schlag 2013, 21). Beispiele solcher Aktivitäten, in denen man sich voller Eifer einer Sache widmet, ohne einen bewussten äußeren Anreiz dafür zu haben sind u.a. Games, Klettern oder Schachspie­len (vgl. Riedl 2008). All diesen Aktivitäten widmen Menschen Kraft, Zeit und Konzentra­tion, bekommen dafür aber weder Geld noch Macht oder Ansehen (vgl. ebd.).

Rheinberg (2006, 345) fasst Csikszentmihalyis Theorie des Flow-Erlebens wie folgt zu­sammen: „Bei diesem Zustand handelt es sich um das reflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, bei der man trotz voller Kapazitätsauslastung das Gefühl hat, den Geschehensablauf noch gut unter Kontrolle zu haben“. Koster (2010, 98) versteht diesen Zustand als „[...] the state you enter when you are experiencing absolute concentra­tion on a task. When you're in absolute control, the challenges that come at you are met precisely by your skills“. Viele Publikationen fassen den Flow-Zustand kurz gesagt als das Gleichgewicht zwischen Herausforderung und Fähigkeit auf (vgl. z.B. Schürmann 2013, 33; Schiefele 2008, 42). Anlehnend an Csikszentmihalyi (1999) lassen sich nach Rheinberg et al. (2007, 105) folgende Charaktereigenschaften des Flow-Zustands beschreiben:

- „Man erlebt Kontrolle bei optimaler Beanspruchung, wobei letztere die Balance zwischen Kompetenz und Anforderung auf gehobenem Niveau meint;
- die Handlungsanforderungen und Rückmeldungen werden als klar und eindeutig gesehen;
- der Handlungsablauf wird wie aus einer inneren Logik gesteuert als glatt und flie­ßend erlebt [...];
- die Konzentration kommt wie von selbst;
- das Zeiterleben ist verändert: ,Stunden vergehen wie Minuten‘;
- es kommt zum Verlust von Selbstreflexivität,
- Selbst und Tätigkeit ,verschmelzen‘“

Da die subjektive Balance zwischen Fähigkeit und Handlungsanforderung die wichtigste Bedingung zur Erreichung dieses Zustands darstellt, lässt sich hier eine Verbindung zum Kompetenzbedürfnis aus der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1993) fest­stellen (vgl. Schiefele 2008, 42).

2.3.4.2 Anwendung auf Gamification im Lernprozess

Da Lernen nicht, wie lange Zeit angenommen, einem rationalen, linearen Prozess der Wis­sensübertragung folgt, sondern einen aktiven und individuellen „Prozess der Bedeutungser­zeugung“ darstellt, spielt „die Wirkungsweise irrationaler Faktoren wie Motivation, Leis­tungsmotiv und die Qualität des Erlebens [...] eine entscheidende Rolle im Lernprozess“ (Riedl 2008). Dabei wird angenommen, dass der Zustand des Flow-Erlebens eine förderli­che Wirkung auf das Lernen hat, da er die bestmögliche Erlebensqualität mit sich bringt (Schiefele 1992, 85 f.). Kerres und Bormann (2009, 1) zufolge liegt das Potenzial von Gamification u.a. in der Förderung dieses Flow-Erlebens im Zusammenhang mit einer Mo­tivationssteigerung bzw. -erhaltung im Lernprozess. Sie gehen davon aus, dass das für Ga­mes bzw. Spiele typische Phänomen der Selbstvergessenheit durch Game Design-Elemente in Anwendungen übertragen werden kann (vgl. ebd.). Dabei betonen sie den „[...] erstaunli­chen, oft ,beiläufigen‘ Kompetenzerwerb [...], scheinbar ohne Anstrengungen“ (ebd.). Auch nach Riedl (2008) befindet sich ein Lerner im Flow-Zustand auf dem höchsten Leistungsle- vel. Die positiven Auswirkungen des durch Gamification geförderten Flow-Erlebens ist demnach nicht nur die herausragende Erlebensqualität, sondern auch die besondere Leis­tungsfähigkeit in diesem Zustand (vgl. ebd.).

Um Lernumgebungen so zu gestalten, dass ein Flow-Erleben möglich wird, bzw. die Lerner völlig in den Lernaktivitäten aufgehen, muss der Lerner in einem Wohlfühl-Bereich bleiben (vgl. Gonzales-Scheller 2013, 46). „Zu große Herausforderungen wirken bei zu geringen Fertigkeiten bedrohlich. Zu geringe Herausforderungen wirken bei höheren Fähigkeiten langweilig“ (ebd.). Auch Schulten (2014, 269) weist darauf hin, dass die zu erledigenden Handlungen nicht über- oder unterfordern sollten, da es sonst zu Frustration oder Stress bzw. Langeweile kommen kann. Nach Rheinberg und Vollmeyer (2004, 173) sind flow- fördernde Herausforderungen z.B. komplexe, ungewöhnliche bzw. unbekannte oder neue Aktivitäten sowie Aufgaben, die einer kreativen Problemlösung bedürfen. Auch Wettbe­werb unter den Lernern kann als eine solche Herausforderung aufgefasst werden (vgl. Riedl 2008). Schematisch wird das Gleichgewicht zwischen Herausforderungen und Fähigkeiten bzw. der schmale Grad des Flow-Zustands, der als „Flow-Kanal“ (Schiefele 1992, 97) be­zeichnet wird, in der folgenden Abbildung 7 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Flow-Kanal

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Schulten 2014, 268)

Als weitere Flow-förderliche Maßnahme sehen Csikszentmihalyi und Schiefele (1993, 211) eine „eindeutige Handlungsstruktur“. Diese liegt vor, sollten „[...] Anforderung, Handlungs­schritte und Rückmeldungen in sich klar und widerspruchsfrei sein [...]“ (Engeser et al. 2005, 159). Die Zielsetzung der Lernsituation sollte dem Lerner demnach verständlich ge­macht werden und auf alle seine Aktivitäten folgt idealerweise ein Feedback (vgl. Csiks- zentmihalyi/Schiefele 1993, 219). Auch Rheinberg (1995, 161 ff.) weist auf die Relevanz der eindeutigen Handlungsstruktur hin, da sich die Aufmerksamkeit der Lerner nur damit auf die Handlung zentrieren kann und so der Flow erleichtert wird. Im Zusammenhang mit dieser Aufmerksamkeit liegt es weiterhin nahe, dass eine „Störungsfreiheit“ im Lernprozess sichergestellt wird, um das Flow-Erleben ebenfalls zu fördern (vgl. Csikszentmihalyi 2005, 63 ff.). Laut Rheinberg und Vollmeyer (2004, 173) können diese Störungen physischer oder psychischer Natur sein. Physische Stimuli wie Unruhe in der Umgebung oder Probleme mit der Technik sowie psychische Stimuli wie Bewertungen in der Öffentlichkeit, Furcht oder auch Langeweile sollten demnach vermieden werden (vgl. Csikszentmihalyi/Schiefele 1993, 220). Im Hinblick auf die in Kapitel 2.3.3.1 beschriebene Selbstbestimmungstheorie postuliert (Riedl 2008) „[...] dass ,Selbstbestimmung‘ als entscheidender Faktor für intrinsi­sche Motivation auftritt, die wiederum das Erleben von Flow begünstigt“. Demnach nimmt die Wahrnehmung der Selbstbestimmung eines Lerners zu „[...], je stärker er sich als Verur­sacher einer Handlung erlebt“ (ebd.). Diese Wahrnehmung der Selbstbestimmung zeichnet sich z.B. durch individuelle Auswahlmöglichkeiten und freie Einteilung der Lernzeit aus (vgl. ebd.). Entsprechende Funktionalitäten sollten demnach in die Lernumgebung bzw. in die Lern-Anwendung integriert werden (vgl. Gonzales-Scheller 2013, 46).

2.5 Forschungsdesiderate und Forschungsfragen

Fasst man die vorliegenden theoretischen Grundlagen des Forschungsstands zusammen, zeigt sich, dass die Befunde der isolierten Betrachtung der beiden Komponenten Gamifica­tion und E-Learning in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur und Forschung bereits weit fortgeschritten sind. Beide Aspekte haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwi­ckelt und wurden hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten bzw. ihres Nutzens in verschiede­nen Bereichen detailliert untersucht. Bei einem Vergleich der einschlägigen Literatur zu den untersuchten Themen zeigt sich jedoch, dass der Einsatz von Gamification im konkreten Anwendungsfall E-Learning kaum bzw. nur unsystematisch beschrieben wird. Insgesamt fehlt es an einer differenzierten Betrachtung der entsprechenden Hintergründe und Perspek­tiven bei der Verbindung beider Themen. Motivationale Effekte im Rahmen der dem The­ma Gamification zugeordneten Motivationstheorien, wie der beschriebenen Selbstbestim­mungstheorie und der Flow-Theorie, werden in der wissenschaftlichen Literatur zwar hin­sichtlich des Lernens im Allgemeinen betrachtet, ihre Anwendung im Hinblick auf E­Learning im Speziellen bleibt jedoch unberücksichtigt. Es sind demnach weitere wissen­schaftliche Analysen sowie eine intensive Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Verknüpfung der Themengebiete Gamification und E-Learning notwendig, um die entspre­chenden Perspektiven zu schärfen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden daher die Perspektiven von Gamification be­sonders hinsichtlich der motivationalen Effekte auf die Verwendung im betrieblich genutz­ten E-Learning untersucht. Dabei wird konkret der übergeordneten Forschungsfrage nach­gegangen, wie der Einsatz von Gamification zur Motivationsförderung der Lerner während der Nutzung von E-Learning-Anwendungen beitragen kann. Dazu wird zunächst analysiert, an welche Problemfelder von klassischem E-Learning der Einsatz von Gamification an­knüpft, bzw. wodurch sich der Bedarf nach einer entsprechenden Optimierung der E- Learning-Maßnahmen begründet. Weiterhin wird untersucht, welche Bedeutung die im Forschungsstand herausgearbeiteten motivationstheoretischen Erkenntnisse im Kontext des Gamification-Einsatzes im E-Learning haben und welche Perspektiven sich über die moti­vationalen Effekte hinaus ergeben.

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Forschungsmethode

Zur Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage wurde eine empirische Untersu­chung durchgeführt. Begründet wird dies damit, dass es sich bei dem betrachteten Thema „Gamification im E-Learning“ um ein noch sehr junges Forschungsfeld handelt. Entspre- chendes Fachwissen liegt nur bei wenigen Experten in Deutschland vor, die durch ihre Kenntnisse eher als Berater für die Konzeption und Anwendung in der unternehmerischen, schulischen und akademischen Praxis fungieren, als den Stand der Forschung wissenschaft­lich anzureichern. Eine rein literaturbasierte Arbeit wäre demnach nur geringfügig aussage­kräftig und würde aufgrund der schnelllebigen Weiterentwicklung des Gamification-Trends aktuelle und praxisnahe Erkenntnisse nur am Rande beleuchten können.

Weiterhin wurde für die Untersuchung auf die Methode des qualitativen Experteninterviews zurückgegriffen. Begründet wird die Wahl dieser Erhebungsmethode zunächst durch die Aufgabe, die den Experten bei diesem Verfahren zukommt (vgl. Niederberger 2015, 37). So geht es im Rahmen der vorliegenden Arbeit um eine induktives Erkenntnisinteresse. Das heißt, die gewählte Methode soll zur explorativen Wissensgenerierung eingesetzt werden (vgl. Wassermann 2015, 53). Experten werden befragt, um ihr Wissen und das Know-how zu erfassen und damit zur Strukturierung und Präzisierung des Forschungsfeldes beizutra­gen (vgl. ebd.). Ziel soll dabei die Generierung von praxisnahmen Basiswissen sein, das als Grundlage für die Weiterentwicklung des Forschungsprozesses in diesem Untersuchungs­feld dient (vgl. ebd.). Die Methode des qualitativen Experteninterviews dient dazu, zunächst Erfahrungen bzw. subjektive Wahrnehmungen und Wissensbestände der Experten in einem direkten Kommunikations- und Dialogprozess zu sammeln und damit mögliche tieferge­hende Untersuchungen im Anschluss an die vorliegende Studie vorzubereiten. Der wich­tigste Vorteil dieser qualitativen Forschungsmethode ist die individuelle Anpassbarkeit des Interviews während der Durchführung (vgl. Niederberger 2015, 44). Dies ist von besonde­rer Bedeutung für die Untersuchungsanlage, da sich die Experten im Bereich Gamification durch verschiedene berufliche und fachliche Hintergründe auszeichnen. Die Spontanität der mündlichen Kommunikation im Rahmen der Interviews bietet die Möglichkeit unterschied­licher Befragungstiefen und individueller Reaktionen auf den Gesprächsverlauf.

3.2 Vorbereitung

Zunächst wurde die im Rahmen der vorliegenden Arbeit dargestellte Studie durch eine in­tensive Literatur- und Dokumentenauswertung vorbereitet (s. Kapitel 2). Zielsetzung war dabei zunächst das Forschungsfeld vorab zu strukturieren, sowie durch die Herausarbeitung von Forschungslücken eine Konkretisierung der Forschungsfragen zu erreichen. Darüber hinaus sollte die Auswertung vorhandener wissenschaftlicher Publikationen erste Auswahl­kriterien zur Wahl der Forschungsmethode und der entsprechenden Grundgesamtheit der Befragung identifizieren. Die vorbereitende Auswertung des aktuellen thematischen Wis­sensstands bildete weiterhin die Grundlage für eine souveräne und kompetente Durchfüh- rung der Interviews. Das damit erreichte inhaltliche Fachwissen des Interviewers stellt laut Wassermann (2015, 58) die zentrale Voraussetzung für den Interviewerfolg dar. Nur dadurch „[...] kann sichergestellt werden, dass der Experte auch tatsächlich detailliert und präzise über seine Wissensbestände reflektiert und berichtet, also thematisch fokussiert ist [...]“ (ebd.).

Zusätzlich zur Literatur- und Dokumentenauswertung wurden die einzelnen Interviews durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Gesprächspartner vorbereitet. Die entsprechende Analyse verlief größtenteils mittels Online-Recherche, vorrangig über die sozialen Netzwerke XING, Facebook und YouTube. Dabei wurde u.a. ermittelt, ob be­reits Veröffentlichungen oder Vorträge des Experten existieren oder ob Informationen zu relevanten Gamification-Projekten vorliegen. Teilweise stellten aber auch Interviewpartner bestimmte Informationen zu nachfolgenden Gesprächspartnern bereit, da es sich im thema­tischen Bereich von Gamification um einen relativ kleinen Spezialisten- bzw. Expertenkreis handelt, der sich untereinander kennt bzw. aufeinander verweist. Um sich auf die Inter­viewsituation einstellen zu können und ggf. auf Rückfragen kompetent zu reagieren, wur­den relevante Informationen und wichtige Schlagwörter zum Experten im Vorlauf des je­weiligen Interviews festgehalten.

3.3 Identifikation und Auswahl der Experten

Experteninterviews sind durch die Charakteristik der Interviewpartner gekennzeichnet (vgl. Meier 2015, 62). So nimmt der Interviewpartner bei dieser Forschungsmethode die Rolle als Experte ein (vgl. ebd.). Nach Wassermann (2015, 52) verfügt ein Experte über fundier­tes und detailliertes Spezialwissen, dass „[...] sich grundsätzlich auf ein bestimmtes, klar abgestecktes Wissensgebiet [...]“ beschränkt. Mithilfe von Experteninterviews soll dieses Wissen erschlossen werden (vgl. ebd.).

Für die Auswahl relevanter Experten im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine Grundgesamtheit gebildet, welche sich aus Verantwortlichen der Games- und Digital­Media-Branche zusammensetzt, die bereits Berührungspunkte mit dem Thema Gamification im Kontext von E-Learning hatten. Entsprechende Ansprechpartner waren dabei in Agentu­ren, Beratungsunternehmen oder im akademischen Bereich im Zusammenhang mit Gamifi­cation tätig. Darüber hinaus wurden der Grundgesamtheit E-Learning-Verantwortliche auf Konzern-Ebene hinzugefügt, die in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern Gamifica­tion in ihre E-Learning-Maßnahmen integrieren. Um aussagekräftige und für die Ergebnis­darstellung verwertbare Antworten zu generieren, war es von essenzieller Bedeutung, dass die Ansprechpartner bereits im Rahmen mindestens eines Projektes mit Gamification im E- Learning gearbeitet haben und mit gängigen Game Design-Elementen und deren Anwen­dung vertraut waren. Die Befragten sollten darüber hinaus aufgrund ihrer Erfahrungen in der Lage sein, erste Einschätzungen zur Nutzung von Gamification und dessen Auswirkun­gen im Bereich E-Learning und dem Lernprozess allgemein schildern zu können. Merkmale wie Geschlecht oder Alter spielten im Rahmen der Identifikationskriterien der Experten keine Rolle. Ebenso war weder ein bestimmter Berufsabschluss noch eine spezifische Be­rufsbezeichnung relevant. Die Grundgesamtheit beschränkte sich räumlich auf Deutschland.

Der Ermittlung der Grundgesamtheit lag eine intensive Recherche hinsichtlich geeigneter Interviewpartner auf drei verschiedenen Kanälen zugrunde. Zunächst wurden über Suchma­schinen mit verschiedenen themenrelevanten Suchbegriffen nach entsprechenden Experten gesucht. Schnell zeigte sich dabei, dass Webseiten wie www.gamificationday.de oder www.checkpoint-elearning.de hilfreiche Tools darstellen, um über veröffentlichte Artikel, Podcasts oder Video-Beiträge Experten im Bereich Gamification zu ermitteln. Darüberhin- aus bot sich die Serious Games Conference 2015 im Rahmen der internationalen Informati­onstechnik-Messe CeBIT in Hannover an, um nach Experten zu recherchieren. Um An­sprechpartner auf Konzernebene zu ermitteln, wurde eine entsprechende Online-Recherche mit Telefonanfragen ergänzt. Über mehrstufige telefonische Weiterleitungen war es so möglich, relevante Verantwortungsbereiche innerhalb der Unternehmen ausfindig zu ma­chen und spezifische Ansprechpartner zu identifizieren.

Insgesamt wurden 31 Personen als Experten identifiziert. Ihrer Auswahl gingen gezielte Recherchen im Hinblick auf ihre Kompetenz bezüglich des Forschungsgegenstandes vo­raus. Die ermittelten Experten wurden im ersten Schritt per E-Mail kontaktiert (s. Anhang, Abschnitt 1 Beispiel E-Mail-Anfrage Experten) bzw. bei telefonischer Weiterleitung zu Experten im Konzern direkt auf die Befragung angesprochen. 15 der angefragten Personen stimmten innerhalb der ersten drei Wochen nach Erstkontakt einer Befragung zu. Dabei handelte es sich um acht Ansprechpartner auf Agentur-Ebene, vier Verantwortliche aus dem Bereich der Beratungsunternehmen, zwei Angehörige des akademischen Bereiches bzw. von Universitäten und einem Konzernmitarbeiter.

3.4 Interview-Leitfaden

Bei der vorliegenden qualitativen Forschung handelt es sich um teilstrukturierte Interviews. Zur inhaltlichen und methodischen Vorbereitung dieser Interviewform wurde ein entspre­chender Gesprächsleitfaden entwickelt, welcher vorformulierte Fragen thematisch angeord­net abbildete (s. Anhang, Abschnitt 2 Interview-Leitfaden). Leitfäden haben in diesem Zu­sammenhang sowohl eine Strukturierungsfunktion als auch eine Orientierungsfunktion in der Erhebungssituation (vgl. Bogner et al. 2014, 27). Die teilstrukturierte Konstruktion des Leitfadens bot sich für diesen aktuellen und schwer eingrenzbaren Untersuchungsgegen­stand besonders an, da diese Form eine Variation der Frageformulierung je nach Ge­sprächspartner und -verlauf erlaubt. Weiterhin bot die Möglichkeit der individuellen Fra­genabfolge im Verlauf des Interviews Raum für die spezifische Schwerpunktsetzung der Befragten. Während des Gesprächs diente der Leitfaden demnach dazu, die Gesprächs­partner zum Reden anzuregen und konnte je nach Interviewsituation variiert werden.

Über die genaue Strukturierung und Gestaltung des Leitfadens bestehen keine spezifischen Vorgaben (vgl. Meier 2015, 67). Vielmehr orientiert sich die individuelle Ausgestaltung am Untersuchungsgegenstand und dem Forschungsinteresse (vgl. ebd.). Grundsätzlich besteht ein Leitfaden allerdings aus verschiedenen Themenblöcken, die mit Hauptfragen versehen werden (vgl. Boger et al. 2014, 28). Diese dienen als Gesprächsanreize zum entsprechenden Themenabschnitt (vgl. ebd.). Zusätzlich stehen verschiedene Detailfragen als Hilfe zum ergänzenden Gesprächsanreiz und Nachfragen bei Einzelaspekten zur Verfügung (vgl. ebd.).

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Leitfaden in Anlehnung an Bogner et al. (2014, 32 ff.) folgendermaßen aufgebaut:

(1) Sampling und Systematisierung: Die auf Basis der Literaturrecherche herausgearbeiteten Forschungsfragen wurden zunächst in Form eines Mind Mappings zusammengestellt und systematisch zugespitzt, sodass eine konkrete Übersicht der Fragen entstand, die in der Un­tersuchung betrachtet werden sollten.
(2) Gruppierung: Darauf folgte die Sortierung der Fragen in die folgenden fünf Themenblö­cke, zu denen wiederum abhängige Fragen und weitere Subthemen zugeordnet wurden:

- Zielgruppe und Anwendungsbereiche
- Perspektiven von Gamification im E-Learning
- Herausforderungen von Gamification im E-Learning
- Konzeption und Produktion
- Zukünftige Entwicklungen

(3) Fragenformulierung: In nächsten Schritt wurden die Forschungsfragen in konkrete In­terviewfragen übertragen, um eine Gesprächssituation vorzubereiten.
(4) Differenzierung von Fragetypen: Abschließend wurden die verschiedenen Fragen inner­halb der Themenblöcke in einer vorläufigen Reihenfolge gruppiert und sinnvolle Nachfra­gen entsprechenden Hauptfragen zugeordnet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 144 Seiten

Details

Titel
Gamification im E-Learning. Motivationale Effekte spielbasierter digitaler Lernumgebungen
Hochschule
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
144
Katalognummer
V514830
ISBN (eBook)
9783346110404
ISBN (Buch)
9783346110411
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Qualitative Studie
Schlagworte
E-Learning, Gamification, Lernplattform, Lernumgebung
Arbeit zitieren
Maike Harries (Autor:in), 2015, Gamification im E-Learning. Motivationale Effekte spielbasierter digitaler Lernumgebungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/514830

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