Die 'Verstehende Diagnostik' als erster Schritt im professionell geführten Pflegeprozess bei Demenzerkrankten


Seminararbeit, 2001

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

Zusammenfassung

Summary

I. Einleitung

II. Beschreiben des psychosozialen Verhaltens von Menschen mit Demenz (nach der Syndromanalyse Lurias mit dem Aufsteigen ins Abstrakte)

III. Erklären: Interpretation der empirischen Daten durch den Diagnostiker (das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten: Das Syndrom in der Fülle des Seins)

IV. Verstehen des Syndroms in der konkreten Lebensgeschichte durch empathische und kontrollierte Verstehensleistung des Diagnostikers

V. Fazit

Die „Verstehende Diagnostik“ als erster Schritt im professionell geführten Pflegeprozess bei Menschen mit Demenz

Zusammenfassung

Die erklärende und verstehende Diagnostik beschäftigt sich mit der Rekonstruktion von individuell menschlichen Entwicklungsverläufen aus der Vergangenheit und Gegenwart (Produktion von Erklärungswissen) und der Rehistorisierung der eigenen persönlichen Lebensgeschichte zur Ich-Identifizierung (=die eigene Geschichte wieder zurückgewinnen) resp. der Möglichkeit von verstehenden und humanitären Momenten auf beiden Seiten der beteiligten Personen im diagnostischen Prozess (der Diagnostizierende und der zu Diagnostizierende). Zielsetzung ist es, die sozial isolierenden Bedingungen und die veränderte soziale Entwicklungsmöglichkeit transparent darzustellen und die jeweilige individuelle Entwicklungslogik des Betroffenen als Diagnostiker sich erklären und verstehen zu können. Die Anerkennung, Wertschätzung und der eigenen Spiegelung als Diagnostiker im Betroffenen erzielt einen „Fall von meinesgleichen“, womit die rehistorisierende und soziale Zugehörigkeits(-Komponente) auf der Seite des Betroffenen ihr Ziel findet. Diese diagnostische Methode verfährt nach einer wissenschaftlichen Symdromanalyse (Faktorenanalyse nach Luria) und befindet sich zuerst auf der abstrakten Beschreibungsebene des psychosozialen „abweichenden“ Verhaltens. Im zweiten Schritt wird die Symptomatsierung (Syndrom) auf die konkreten sozialen Lebensprozesse des Betroffenen angewandt, womit die jeweilige individuelle Entwicklungslogik des Betroffenen feststellbar wird. Der dritte diagnostische Schritt beinhaltet den Aspekt der kognitiven und emotionalen Verstehensleistung des Diagnostikers, welcher im kommunikativen, dialogisierten und interaktiven Austausch die Rehistorisierung beim Betroffenen herbeiführen kann, womit er dem Betroffenen die Möglichkeit der Widerspiegelung in der Gattung Mensch arrangiert. Über diesen diagnostischen Prozess ist eine individual basierende Pflegebedarserhebung (Pflegeplanung) mit der Integration der eigenen Entwicklungslogik und –niveau, Realitätsbestimmung und Kompetenzverhalten zu den verschiedenen AEDL –Strukturkomponenten (Krohwinkel) möglich, womit Pflege mit Menschen mit Demenz gemeinsam plan- und gezielt handelbar wird. Verstehende Pflege resp. sich dem Betroffenen verstehend anzunehmen, die Problematik in der Lebenssituation zu verstehen, sich gemeinsam verstehend auszutauschen und nach dem Realitätsbewusstsein und Entwicklungsniveau des Betroffenen zu handeln ist das verstehende Pflegeleitprinzip in der Pflege für Menschen mit Demenz, die diesen Betroffenen (wenn danach gehandelt wird) menschlich würdevollen und anerkennenden Respekt verleiht und rehabilitative Persönlichkeitsförderung auf der Ebene der eigenen Lebens- und Alltagskompetenz impliziert.

Somit verschiebt sich in der Pflege das pflegerische Selbstverständnis vom defizitären, pflegeabhängigen und der erlernten Unselbständigkeit des Betroffenen zur ressourcen-/kompetenzorientierten Pflege und die Erhaltung und Förderung dieser Fähigkeiten mit dem Ziel des psychischen Wohlbefindens und der rehabilitativ kompletten Übernahme der Eigenverantwortung des Eigenseins und –werdens, in den pflegerischen Begegnungen und gemeinsamen Handlungen.

Summary

The explaining and understanding diagnostic deals with the reconstruction of individual human evolution both in the past and the present (production of explanation knowledge) and the rehistory of the individual life-story and respectively with the option of personal humanitarian moments of mutual understanding in the diagnostic process.

The diagnostic leader’s aim is the explanation and understanding of the declaration of the socially isolating conditions and the changing social capabilities of development as well as the individual logic of evolution of persons suffering from dementia (indigent persons). The appreciation, validation and the own reflection as diagnostic-leader in the indigent person leads to kind of identification with the patient focussing the option target: the re-history and social membership of the indigent person. These diagnostic method starts with a scientific syndrome analysis (factor- analysis from Luria) at an abstract description-level from deviant behaviour concerning the psychic-social level. The second step is the multiple syndrome is transferred to the concrete social life process of the indigent person. The diagnostic leader is able to recognise the individual evolution logic of the indigent person. The third diagnostic step implies the aspect of the cognitive and emotional understanding- from the diagnostic leader, which he/she has the ocassion through communication, dialogic and interactive exchange to reach the rehistory of the indigent person.

The possibility of the self- reflection in the human species is another target of the third step. Moreover it is an identity support for the indigent person..

This diagnostic method is an individual basis for the organisation of old people’s care combined with the integration of the own logic of evolution and –level, reality insight and competence level to the variable AEDL-structur-components are possible. After that step health care becomes a frame of partnership work together with the actors of this process. Comprehensive care with indigent persons contains the acceptance of the latter, the understanding of the problematic life situation, a mutual exchange and to keep in mind the reality insight and evolution level. These principles for health care promote a care which stands for dignity, acceptance, respect in order to support the remaining competences to manage everyday situations as well as to cope with everyday problems.

To sum it all up, this health care concept leaves the deficit oriented concepts which concentrate on the patients’ dependence and increasing helplessness of the indigent people. This health care concept follows resource/competence oriented principles aiming the maintenance and furtherance of the patients’competences, psychological well-being and the rehabilitate aim of taking over one’s own responsibility of one’s own life, development in the staff meetings and the health care itself.

I. Einleitung

Dieser Artikel stellt die Methodologie der erklärenden und verstehenden Diagnostik nach Jantzen vor, um für die Pflegenden in der alltäglichen Begegnung und Beschäftigung mit Menschen mit Demenz (Betroffene) ein professionelles Instrumentarium des Vorgehens innerhalb des ersten Schrittes des Pflegeprozesses bereitzustellen. Ziel dieses diagnostischen Verfahrens ist die Lebens- und Kompetenzentwicklung eines Betroffenen sich erklären und rekonstruieren zu können und darüber den Betroffenen verstehen zu lernen, wobei das Verstehen für den Betroffenen eine rehistorisierende Wirkung (die persönliche Geschichte wiedergeben) impliziert. Folglich kann abgeleitet werden, dass gemeinsames Verstehen die Basis für gemeinsames Handeln ist, deshalb wird erst nach einem verstehenden diagnostischen Prozess mit Kompetenzorientierung gemeinsam entwicklungsbezogenes und biographisches Handeln mit dem Betroffenen möglich. Daher besteht die Aufgabe der Pflege bzw. der verantwortlich praktisch Pflegenden bei den Menschen mit Demenz um als alltagshelfendes „survival kit“ da zu sein und Alltag zu gestalten, ein dialektisches Realitätsverständnis aufzubringen und zu verinnerlichen (objektive Welt der Normalität der sozial Orientierten wie die unsrige Realität und die subjektive Welt der Verwirrten, die in der Vergangenheit leben, weil sie nicht wollen oder nicht können, sich auf die unsrige Realität einzulassen) und im Sinne nach der Ausgangsposition bezüglich Wahrnehmung, Orientierung, und Fähigkeiten des Betroffenen mit ihm gemeinsam zu fühlen, zu denken, zu handeln und zu gestalten (aus der Binnenperspektive des inneren Beobachters).

Somit können Über- und Unterforderungen des Betroffenen in der alltäglichen Praxis reduziert oder sogar ganz vermieden werden sowie das subjektive Erleben von isolierenden Bedingungen und das oftmals unvermeidbare affektlogische Verhalten der Betroffenen, welches für die Pflegenden als „herausforderndes Verhalten“ gewertet wird.

Es ist ein kontinuierlicher, kontaktintensiver, revidierender und entwicklungsbezogener Einschätzungsprozess, der primär das Realitätsverständnis und –erleben des Betroffenen unterstützt und auf teilnehmende Beobachtung und kommunikativen Austausch von Seiten der Pflegenden basiert. Die verständigungsorientierten (Pflege-) Ziele der beiden Interaktionspartner mit rehistorisierender Wirkung beim Betroffenen, sollten sein, die gemeinsame Dialogisierung, Kommunikation, Interaktion und die Vermeidung der sozialen Isolation des Betroffenen. Diese Ziele sind im gemeinsamen und gesamten Pflegeprozess von oberster Priorität, sei es in dem Einschätzungs-, Begründungs-, handelnden Durchführungs- und Evaluationsprozess und grundsätzlich im alltäglichen Handeln der Pflegenden mit dem Betroffenen zu erreichen. Da in der stationären sowohl auch in der ambulanten Pflege (obwohl meistens die Betroffenen bei sich Zuhause orientierter und selbstbestimmend selbständiger sind) gravierende Probleme der Pflegenden mit dem verstehenden Zu- und Umgang mit Betroffenen vorherrschen (weil uns psychologisches Erklärungswissen und speziell pädagogisches Verständnis fehlt und eine nur ungenügende/ diskontinuierliche Biographie durchgeführt wird) und unser aller Ziel das gemeinsame Verstehen sein sollte, erhielt dieser Artikel seinen Begründungszusammenhang.

Das Erklären und Verstehen(lernen) von Betroffenen in ihrem psychosozialen Verhaltenserleben und -vermögen als auch in den speziell AEDL -Struktur basierenden pflegerischen Interaktionen ist eine elementare Kompetenz in der Pflege, ohne diese Verstehensleistung ist eine gemeinsame gezielte Handlungszielformulierung im Alltag nicht möglich. Durch mangelnde Verstehensleistung gegenüber dem Betroffenen, bleibt der Betroffene eine Oberfläche des Unerklärlichen, Opfer seines verwirrten Verhaltens und somit sozial isoliert und alleine gelassen.

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die 'Verstehende Diagnostik' als erster Schritt im professionell geführten Pflegeprozess bei Demenzerkrankten
Hochschule
Universität Bremen  (Pflegewissenschaft)
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V51455
ISBN (eBook)
9783638474252
ISBN (Buch)
9783638820899
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dieser pflegewissenschaftliche Ansatz stammt aus der Bindertenpädagogoik und erläutert die methodische Herangehensweise von der Syndromanalyse des psychosozialen Verhaltens von Menschen mit Demenz (Beschreibenungswissen) zum Erklären der Tätigkeit von Menschen mit Demenz (Erklärungswissen)bis zum subjektiven Verstehen des Pflegediagnostikers von Menschen mit Demenz (Verstehendes Wissen). Dieses pflegediagnostische Verfahren stellt den ersten Schritt des Pflegeprozesses dar.
Schlagworte
Verstehende, Diagnostik, Schritt, Pflegeprozess, Demenzerkrankten
Arbeit zitieren
Dipl. Berufspädagoge der Pflegewissenschaft Oliver Finck (Autor:in), 2001, Die 'Verstehende Diagnostik' als erster Schritt im professionell geführten Pflegeprozess bei Demenzerkrankten , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51455

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