Verdeutlichen oder Verschleiern. Karten manipulieren Weltbilder und politische Entscheidungen


Lizentiatsarbeit, 2006

90 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


INHALT

1. VORGEHEN
1.1. Einleitung
1.2. Zielsetzung
1.3. Forschungsstand
1.4. Aufbau
1.5. Auswahl der Fälle
1.6. Theoretischer Rahmen
1.7. Das Betrachten einer Karte

2. FALLBEISPIEL 1: DIE CARTE ROUGE
2.1. Das Thema
2.2. Literatur
2.3. Beschreibung der Karte
2.4. Hintergrund der Quelle
2.5. Kritik der Methoden
2.6. Zusammenfassung

3. FALLBEISPIEL 2: HITLERS SÜDAMERIKA-KARTE
3.1. Das Thema
3.2. Literatur
3.3. Beschreibung der Karte
3.4. Hintergrund der Quelle
3.5. Kritik der Methoden
3.6. Erfolg der Manipulation
3.7. Zusammenfassung

4. FALLBEISPIEL 3: DIE DEUTSCHLAND- KARTE IM PUTZGER
4.1. Das Thema
4.2. Literatur
4.3. Die Karte „Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (1946)“
4.4. F. W. Putzgers Historischer Schulatlas 1954
4.5. Zusammenfassung

5. ZUSAMMENFASSUNG

6. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

7. BIBLIOGRAPHIE
7.1. Quellen
7.2. Darstellungen

1. Vorgehen

1.1. Einleitung

Was zeigt eine Karte? Berge, Täler, Städte und Strassen. Ist das wirklich alles? Und: Stimmt das, was wir auf der Karte sehen? Natürlich, ein Berg ist nun einmal da, dann kann man ihn auch einzeichnen. Aber wie ist es mit Grenzverläufen? Sind auch die naturgegeben? Wenn zwei Parteien sich über den Grenzverlauf streiten, kann eine Karte dann noch objektiv sein? Die Betrachtung von Karten gleicht einer Suche nach der Wahrheit. Aber die Grundüberzeugung ist schon vorher da: Was auf einer Karte vorkommt, muss auch in der Realität existieren. Unser Vertrauen einer Karte gegenüber ist wesentlich grösser als das Vertrauen, das wir einem Text entgegen bringen. Schliesslich wissen wir, dass Texte Autoren und Autoren Meinungen und Interessen haben. Aber Karten wollen uns doch eigentlich nur helfen, uns zu orientieren. Nur, ist das wirklich ihr einziges Ziel?

Die Fragestellung der vorliegenden Lizenziatsarbeit ergab sich aus mehreren Seminararbeiten an der Universität Zürich, die Geschichte der Neuzeit und das Mittelalter betreffend. Dort wurden Karten als Quellen miteinbezogen - jetzt soll die Qualität der Karte als Quelle im Mittelpunkt stehen.

Betrachtet ein Historiker1 eine Karte, kann er sich mehrere Fragen stellen: „Was ist auf der Karte zu sehen?“ oder „Wer hat die Karte gezeichnet?“ sind vermutlich die ersten. Sie werden auch hier gestellt. Doch es soll weiter gefragt werden: „Wie drückt sich ein politischer Wille auf einer Karte aus?“ und „Wie versuchen Akteure andere mit Karten zu beeinflussen?“.

Sobald von Einfluss und Manipulation die Rede ist, lautet die interessanteste Frage dann: „Hat die Manipulation Erfolg, erreichen die Kartenzeichner oder ihre Auftraggeber ihre Ziele?“ Auf den nachfolgenden Seiten werden Karten betrachtet, beschrieben und hinterfragt. Mark Monmonier schrieb in seiner Anleitung „How to Lie with Maps”: „There is no escape from the cartographic paradox: to present a useful and truthful picture, an accurate map must tell white lies.“2 Ob die in der vorliegenden Arbeit porträtierten Kartenzeichner überhaupt Anstalten machten, Monmoniers Paradox zu entfliehen, ist noch zu untersuchen.

1.2. Zielsetzung

Grundsätzlich kann für Historiker alles eine Quelle darstellen. Meistens beschäftigen sich Historiker jedoch hauptsächlich mit Texten, die Interpretation von Gegenständen oder Prozessen überlassen sie verwandten Fachrichtungen. Wenn wie in der vorliegenden Arbeit Karten als Quellen betrachtet werden, offenbart sich der Zusammenhang von Geschichte und Raum - die Nähe von Geschichte und Geographie.

Es gibt keine ausgeprägte Tradition der Erforschung von Karten als Quelle. Das Verweben mit anderen Quellen, die Interpretation und die Verwendung über die Illustration hinaus, ist Historikern bis heute fremd. Wird die Karte als Quelle Texten gleichgestellt und in der historischen Forschung untersucht, sind Methoden, Interpretationsschemata und theoretische Rahmen notwendig. Diese fehlen bis anhin weitgehend. Das Bearbeiten dieser selten benutzten Quellen stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar.

Es werden drei Fallbeispiele präsentiert, deren Auswahl weiter unten beschrieben wird. Bei jedem der Beispiele steht eine Karte als Quelle im Mittelpunkt. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen Beitrag dazu zu leisten, Karten als Zugang zu historischen Momenten zu etablieren. Konkrete Fragestellungen werden nach den theoretischen Grundlagen unter 1.6.3 erläutert.

1.3. Forschungsstand

Die Arbeit bewegt sich auf den Gebieten der Geschichte und Geographie. Genauer leistet sie einen Beitrag zur Geschichte der Kartographie, wobei es sich um ein vergleichsweise wenig bearbeitetes Feld handelt. Ein Handbuch der thematischen Kartographie, allerdings mit dem Schwerpunkt Österreich, publizierte Erik Arnberger.3 Ingrid Kretschmer befürwortete eine stärkere europäische Zusammenarbeit bei der Herstellung ethnologischer Atlanten.4

Für die theoretischen Impulse der vorliegenden Arbeit massgebend waren die Werke von John Brian Harley.5 Er zeigte, dass Karten wesentlich komplexer sind als die vermeintlich objektive Abbildung von natürlichen Gegebenheiten. Die Sprache, mit der er die Verknüpfung von Macht und Karte darlegte, wurde in Wissenschaftskreisen häufig als polemisch aufgefasst, was jedoch eine erwünschte Diskussion anregte.6

Denis Wood, John Fels und David Woodward folgten Harleys Arbeiten und zeigten, dass Karten nicht einfach nur abbilden, sondern zwei Funktionen erfüllen: Sie zeigen einerseits das Weltbild des Kartographen und beeinflussen andererseits das Weltbild des Betrachters.7 Diese manipulative Qualität der Karten macht bewusst, was Historiker bei Texten als selbstverständlich annehmen: Karten sind auch konstruierte Artefakte.

Die wechselseitige Beziehung von Geschichte und Kartographie wird von Michael Biggs beschrieben.8 Er stellt einen Zusammenhang zwischen europäischer Staatenbildung und Kartographie her: Die Darstellung von Territorialbesitz auf Karten bindet den Machtanspruch nicht mehr an einen Herrscher, sondern an die physische Realität des Territoriums. Karten werden so zu einem Beweismittel, wenn es um territoriale Ansprüche geht.

Neben den Arbeiten von Historikern wurden auch grundlegende Werke von Kartographen zu den technischen Aspekten von Karten konsultiert. Besonders ausführlich mit der thematischen Kartographie befasst sich Werner Witt, der ein Grundlagenwerk vorlegte.9 Auf spezielle Probleme der Darstellung von Bevölkerungskarten geht Hermann Freudenberg ein.10 Whittlemore Boggs erörtert die Auswirkung von unterschiedlichen Projektionen auf die Wahrnehmung kartographischer Inhalte.11

1.4. Aufbau

Nach einem einführenden Teil zu den Bestandteilen einer Karte und der Darlegung der theoretischen Grundlagen folgen drei Fallbeispiele, die den Hauptteil der Arbeit darstellen. Jedes soll gemäss derselben Struktur bearbeitet werden:

1. Beschreibung der Karte: Wer stellt was wie dar? Bei dieser ersten Frage handelt es sich um eine Bestandsaufnahme. Es wird beobachtet, was mit welchen Mitteln dargestellt wird.
2. Hintergrund der Quelle: Deckt sich die Darstellungsweise und ihre Wirkung mit anderen Quellen? Hier wird der Kontext der Karte erarbeitet und eine Verbindung zu anderen Quellen geschaffen. Es geht um Sachverhalte und Prozesse, die nicht unmittelbar auf der Karte ersichtlich sind.
3. Kritik der Methoden: Lässt sich etwas über die Motivation zu dieser Darstellungsweise sagen? Dieser Teil interpretiert die Quelle und setzt die anderen Quellen zu der Karte in Beziehung. Hier wird der subjektive Eindruck wissenschaftlich erörtert und der Zugang durch kartographische Quellen auf historische Geschehnisse geübt. Die Ergebnisse des ersten und zweiten Schrittes, des reinen Beobachtens und der Recherche des Hintergrundes, werden zusammengeführt.

1.5. Auswahl der Fälle

Sieht man Geschichte schwarz und weiss, wie Krieg und Frieden, sind Karten in beiden Phasen von grosser Bedeutung. Sie dienen im Krieg der Strategie und im Frieden der Repräsentation der eigenen Macht.

Alle drei Fallbeispiele stehen mit Krieg und Frieden in Zusammenhang. Es geht um Friedensverhandlungen, einen Kriegseintritt oder die Verarbeitung eines territorialen Verlustes. Trotzdem sind die behandelten Karten nicht im eigentlichen Sinn „Kriegskarten“, das heisst Karten, die Kriegsschauplätze geographisch verorten, sondern es sind Karten, die mit der politischen Komponente des Krieges in Verbindung stehen, ein Auslöser oder Resultat davon sind.

Besonders für das erste und dritte Fallbeispiel wurden Karten von Autoren gewählt, die aus Ländern kommen, welche nicht für ihre Kartenkunst berühmt und deshalb gut erforscht sind, wie etwa England oder Frankreich es wären. Auch deshalb kann die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur kartographischen Forschung beitragen. Die Entscheidung für einen europäischen Bezug und das letzte Jahrhundert fiel aufgrund des Studienschwerpunktes.

1.6. Theoretischer Rahmen

1.6.1. Theorie zur Wahrnehmung von Karten

Begegnen wir einem Text, erscheint es uns natürlich, ihn zu lesen. Begegnen wir einer Karte, betrachten wir sie und lesen die vorhandenen Buchstaben, wenn es denn welche gibt. Aber was geht in unseren Köpfen vor? Jürgen Bollmann hat die Fragen, die sich der Betrachter stellt, systematisiert12:

1. Vorgang: Suchen/Verorten Wo ist das Objekt mit dem Namen „N“?
2. Vorgang: Lesen Welchen Namen hat das Objekt mit dem Zustand „Z“?
3. Vorgang: Diskriminieren/Klassifizieren Welchen Zustand hat das Objekt mit dem Namen „N“?
4. Vorgang: Vergleichen Wo ist das Objekt, das dem Zustand „Z“ eines anderen Objekts entspricht?
5. Vorgang: Muster bilden Welche inhaltlichen Beziehungen haben die Objekte mit dem Namen „N“?
6. Vorgang: Zählen/ Schätzen Wie viele Objekte mit der Beziehung „B“ gehören zur Region?

Bei jedem dieser Vorgänge können Fehler geschehen. Verliest man sich, oder kann man den gesuchten Ort nicht sofort finden, ist das vielleicht Grund zur Ungeduld. Beginnt man Muster zu bilden, indem man Orte von gleichem Zustand gruppiert (zum Beispiel Orte mit mehr als 50'000 Einwohnern), führt das zu einer Interpretation, die über das reine Lesen hinausgeht (in dieser Region leben wesentlich mehr Menschen, als in einer anderen). Wie solche Interpretationen bewusst herbeigeführt werden können, haben Denis Wood und John Fels untersucht, wie im folgenden Kapitel ausgeführt wird.

1.6.2. Theorie zur Interpretation von Karten

Während Bollmann auf der Ebene der Wahrnehmung blieb, befassten sich Wood und Fels mit der Interpretation von Karten. Ihr theoretischer Zugang liegt dieser Arbeit zu Grunde. Andere Konzepte oder Ansätze wurden beispielsweise von Wilfried Krallert oder David Turnbull entwickelt.13

Denis Wood und John Fels sprechen von mindestens zehn Codes, mit denen Karten arbeiten.14 Codes sehen sie als Interpretationsrahmen, eine Anzahl von Regeln und Konventionen.15 Einige davon arbeiten innerhalb der Karte, sie werden von Wood und Fels codes of intrasignification genannt. Sie sind das, was wirklich auf der Karte zu sehen ist: die Objekte und Ereignisse dieser Welt.

Codes of extrasignification hingegen arbeiten ausserhalb der Karte auf der Ebene von Mythen. Es handelt sich dabei um Dinge, die nur abgeleitet werden können und nicht unmittelbar ersichtlich sind: Informationen über die Kartenhersteller und ihre Weltsicht zum Beispiel. Im Folgenden werden codes of intrasignification und codes of extrasignification genauer beschrieben.

Von den codes of intrasignification existieren fünf Varianten: iconic, linguistic, tectonic, temporal und presentational.16

1) Der iconic code ist das eigentliche Thema der Karte, wie z.B. die Strassen von Genua, der Export französischen Weins oder die Verluste während einer Schlacht Napoleons. In der vorliegenden Arbeit könnten das die Bevölkerung Ungarns vor 1920, das Luftverkehrsnetz Südamerikas 1941 oder die Grenzen Deutschlands nach 1945 sein. Der iconic code ist der Code des Inventars, hier soll das deutlich hervortreten, was dargestellt wird.
2) Der linguistic code ist der Code der Sprache. Hier geht es um Bezeichnung, Klassifizierung und somit Besitz: identifizieren, benennen und zuordnen (z.B. Moskau, Via Corsica, Asiaten). In den nachfolgenden Fällen sind das „Ungarn“, „Brasilien“ oder „sowjetische Zone“. Die typographische Darstellung eines Wortes ist Aufgabe dieses Codes. So wird nicht nur gezeigt, was ein Objekt ist, zum Beispiel eine Stadt, sondern auch deren Bedeutung, zum Beispiel „Hauptstadt“.
3) Der tectonic code ist der Code des Findens, des Dahinkommens. Er fokussiert auf das „Wo“. Die Beziehung dieser Dinge zueinander ist einerseits skalarisch, mit der Anzahl Meter, die durch einen Zentimeter dargestellt werden und andererseits topologisch durch die Projektion, planimetrisch für Städte, stereometrisch für Gebirge. Die Lage der Objekte wird vom Betrachter viel weniger angezweifelt als irgendetwas anderes, sie wird als gegeben betrachtet.17
4) Zeitliche Aspekte werden durch codes of duration (Krebstote zwischen 1950 und 1969) und codes of tense (Die Welt zur Zeit Alexander des Grossen) dargestellt. Meistens sind diese im Titel der Karte festgehalten, wie in den nachfolgenden Fallbeispielen im ersten und zweiten Fall.
5) Der Inhalt einer Karte ist gemäss einem presentational code arrangiert. Titel, Legende, Rahmen, Kartenbild, Text, Illustrationen, eingesetzte Bilder, Massstäbe, Anweisungen, Tabellen, Diagramme, Fotos, Erklärungen, Pfeile, Verzierungen, Farbschemata und Schriftbilder sind alle ausgewählt, arrangiert und strukturiert worden, um etwas auszusagen. Was ist im Zentrum und was am Rand? Was ist pink und was blau? Was passiert mit dem Papier nach Zeit und Gebrauch? Ist es das Kartenbild oder der Text, der dominiert? Bei diesem Code geht es um die Handschrift des Darstellers.

Die bisherigen codes of intrasignification befinden sich auf dem Niveau der ,Information'. Die nachfolgenden codes of extrasignification stehen für ,Manipulation'. Auch bei den codes of extrasignification sehen Wood und Fels fünf dominante Codes: den thematic, topic, historical, rhetorical und utilitarian code. Alle arbeiten auf der Ebene des Mythos, sie benutzen die Karte für eigene Zwecke und verändern ihre Aussage.

1) Der thematic code legt fest, über welches generelle Thema diese Karte Auskunft geben soll. Werden Autobahnen dargestellt, geht es um Mobilität. Dieser Code arbeitet mit Symbolen. Er kann durchaus im Gegensatz zu dem kommunizierten iconic code von den codes of intrasignification stehen, wie das dritte Fallbeispiel zeigt. Dort sagt der Titel, dass die Nachkriegsgrenzen dargestellt werden, das Kartenbild zeigt aber die Grenzen vor dem Krieg.
2) Der topic code arbeitet mit dem Raum, den sein Pendant, der tectonic code, dargestellt hat. Er verwandelt Raum in Ort, bindet ihn mit einem Namen, und bestätigt so seine Existenz. Das Gegenteil ist auch möglich, durch die Nicht-Bezeichnung, das Weglassen eines Namens, kann die Existenz eines Ortes auf der Karte unterschlagen werden.
3) Der historic code bezeichnet den dargestellten Zeitabschnitt. Auch das ist eine Form der Interpretation. Es werden Momente als einschneidend festgelegt, Epochen gebildet und durch allgemeine Titel gewertet (z.B.: Unruhige Zeiten, vor 1920, Die Zeit der Entdeckungen).
4) Der rhetoric code setzt die Tonart der Kommunikation der Karte. Nachdem man den presentational code der codes of intrasignification aufgenommen hat, wird man durch den rhetoric code in das Wertesystem der dargestellten oder darstellenden Kultur eingeführt. Die Art und Weise, wie eine Karte gezeichnet ist, sagt durch den rhetoric code meist mehr über die Kultur des Zeichnenden aus als über das Dargestellte. Die Bezeichnung von Strassen in der Legende als „Strassen“ oder als „Pfade“ muss nicht zwingend mit der Beschaffenheit der Strasse zu tun haben, sondern kann auch von einer herabschauenden Sichtweise auf einen „Pfad“ zeugen.18 Der rhetoric code zeigt die Karte in dem Stil, der am besten transportiert, was sie zeigen soll - in einem wissenschaftlichen, künstlerischen, werberischen, umgangssprachlichen oder volksnahen Stil.
5) Der utilitarian code steht für die Art und Weise, wie eine Karte verwendet wird. Je nachdem, ob eine Karte auf einer Werbetafel am Rand einer Autobahn oder an einer Friedenskonferenz präsentiert wird, hat sie eine andere Wirkung gegen aussen.

1.6.3. Anwendung der Theorien

Der Betrachter einer Karte nimmt sie zuerst wahr und verleiht ihr dabei eine subjektive Wertung. Er findet die Karte klar oder verwirrend, ist durch das Dargestellte beeindruckt oder abgestossen. Dabei tritt die Tatsache, dass die Karte nur eine Abbildung der Realität ist und nicht die Realität selbst, zuerst in den Hintergrund. Nur bei offensichtlichen Fälschungen' wird die Konstruktionsqualität einer Karte bewusst und führt zu grossen Emotionen.20

In der vorliegenden Arbeit wird jedes der Fallbeispiele auf drei Ebenen betrachtet, um genauer bestimmen zu können, auf welcher Ebene eine Irritation oder Begeisterung des Betrachters hervorgerufen wird:

- Was ist auf der Karte zu sehen? Es wird die wahrnehmungspsychologische Ebene untersucht.
- Was für Bilder und Assoziationen löst das aus, was man sieht? Der Einfluss der visuellen Wirkung auf die Denk- und Handlungsweise der Rezipienten wird betrachtet.
- Welche Konsequenzen haben die ausgelösten Bilder und Assoziationen?

Für jedes der Fallbeispiele wird dieser Dreischritt vollführt, die Schwerpunkte werden jedoch unterschiedlich gelegt. Im ersten Fallbeispiel spielt der visuelle Eindruck die grösste Rolle. Im zweiten Fallbeispiel wird vor allem die Beweiskraft einer Karte in den Mittelpunkt gestellt und die Handlungsweise von Personen im Zusammenhang mit der Karte untersucht. Im dritten Fallbeispiel ist die beim Betrachter ausgelöste Vorstellung zentral, die auch „mental map“ genannt wird.

1.7. Das Betrachten einer Karte

1.7.1. Farben

Verschiedene Mittel beeinflussen die Wahrnehmung einer Karte, Farbe ist einer der stärksten Faktoren. Ist eine Karte koloriert, enthält der Betrachter mehr Informationen als von einer schwarz-weissen Karte. Er kann schneller verstehen, was der Kartograph oder dessen Auftraggeber darstellen wollten. Andrzej Makowski bezeichnet Farben sogar als „kondensierten Ausdruck des Inhalts einer Karte selbst“.21 Laut Makowski werden Farben semantisch und ästhetisch interpretiert:

1. Bei der semantischen Interpretation geht es um das Verständnis von Farbe in Bezug zu dem Fragment der Realität, das sie darstellt. Dies nennt er den „nutzenorientierten Aspekt von Farbe“. Es ist sinnvoller, Meere blau darzustellen und Wälder grün, als umgekehrt.
2. Die ästhetische Interpretation bezieht sich nicht mehr auf den Inhalt, der Betrachter reagiert einer Farbe gegenüber positiv oder negativ und zeigt Gefallen oder Missfallen. Facetten von Grün können als „moosgrün“ oder „schlammgrün“ gesehen und bezeichnet werden.

Was die Ästhetik der Farben betrifft, unterscheidet Makowski drei verschiedene Beziehungen voneinander:

1. den ästhetischen Wert während der Betrachtung, d.h. die Farben in Bezug aufeinander
2. die bestmögliche Darstellungsweise des Inhalts, d. h. die Farben in Bezug zum dargestellten Inhalt
3. die positive oder negative Reaktion des Betrachters aufgrund von Farbkompositionen, d.h. die Farben in Bezug zu Präferenzen des Senders und Empfängers.

Wahrnehmungspsychologisch sind die Farben Rot, Grün, Gelb, Blau und Violett interessant. Auf sie reagieren wir am stärksten und am schnellsten. Dies ist beim Lesen des Wortes

blau

zu erfahren. Die rote Farbgebung und der Inhalt des Wortes widersprechen sich, zurück bleibt in erster Linie die Erinnerung an die Farbe.21 Durch diese intuitive Reaktion wirken mit der gleichen Farbe gezeichnete Formen für den Betrachter als eine Einheit, durch gleich gefärbte Teile und ihre Interpretation als zusammengehörig entstehen für den Betrachter Muster in einem Farbenteppich. Die Anzahl der visuellen Ebenen, auf die sich das Auge des Lesers konzentrieren soll, kann deshalb schon mit wenig Farbe erhöht werden. Auch der Sättigungsgrad einer Farbe kann für die Interpretation verwendet werden.

Es ist möglich, kulturabhängige Beliebtheiten von Farben zu instrumentalisieren: In westlichen Kulturen gefällt die Farbe Blau am meisten. Rot steht an zweiter Stelle, Gelb und Violett werden am wenigsten gemocht.22 In orientalischen Kulturen sind Gelb und Violett hingegen beliebt, was aufgrund der häufigen Verwendung auf Zeichnungen vermutet wird. Ausserdem wird die Farbwahl dem Zielpublikum angepasst. Für Laien und Kinder werden starke Farbkontraste gewählt, für Wissenschaftler Pastelltöne.23 Neben den emotionalen Argumenten spielen bei der Farbgebung auch physikalische Faktoren eine Rolle. Wenn Licht durch eine transparente Linse fällt, wird es in umgekehrter Relation zu seiner Wellenlänge gebrochen. Rot wird so am wenigsten gebrochen und Blau am meisten, rote Objekte scheinen auf einer Karte deshalb näher als blaue.

1.7.2. Zeichen

Neben den Farben gehören auch Zeichen zu den bestimmenden Elementen einer Karte. Gemeint sind damit nicht nur Symbole wie kleine Bäume o.ä., sondern auch geometrische Figuren. Das Zeichensystem, das für eine Karte gewählt wird, strukturiert sie. Will man auf Höhenunterschiede aufmerksam machen, wählt man Isolinien. Will man die Verteilung von Einwohnern zeigen, wählt man zum Beispiel Punkte und Kreise, die sie symbolisieren. Welche Zeichen auf einer Karte verwendet werden, hängt direkt mit dem darzustellenden Thema zusammen, die Zeichen sind die Sprache, mit der die Karte kommuniziert.

Da Zeichen wie Wörter interpretiert werden müssen, ist es sinnvoll, die Ebenen von Zeichen zu betrachten. Es handelt sich dabei um eine Bedeutung (einen konzeptionellen Teil) und eine Ausdrucksweise (einen wahrnehmbaren Teil). Beide Ebenen müssen bei der Interpretation von Karten beachtet werden. Zeichen geben wieder, was in der Wirklichkeit vorhanden ist und sind dabei gleichzeitig Teil eines grösseren Arrangements, in dem vorliegenden Fall Teil einer Karte. Eine leicht nachvollziehbare Verbindung zur Realität und das Zusammenspiel mit den anderen Zeichen, dem System, machen die Karte leicht lesbar.24

Damit ein Zeichen verstanden wird, sind Konventionen notwendig. Jedes Zeichen ist Teil einer Konvention, also nicht völlig willkürlich. Generell ist empfehlenswert, Zeichen möglichst einfach zu halten und sie in immer gleicher Form wiederkehren zu lassen. Im Vorwort des Historischen Schulatlas von F. W. Putzger wird dies als didaktisches Mittel hervorgehoben.25 Mit einer solchen Konsistenz wird erreicht, dass der Leser die Bilderschrift von Karte zu Karte lesen lernt.26 Hier ergibt sich aber auch eine Möglichkeit zur Beeinflussung des Betrachters: Mit dem Wechseln von Zeichen kann der Leser absichtlich oder unabsichtlich fehlgeleitet werden.

Die von Jacques Bertin herausgegebene „Sémiologie graphique“ wird als ,Bibel der Kartografen' bezeichnet, was Zeichen betrifft.27 Auch wenn Bertin Ideen oft als Fakten darstellt und sehr selten auf andere Experimente oder Studien verweist, ist seine Theorie der Universalität von Zeichen nachvollziehbar. Nach Bertin haben Zeichen acht Variablen: eine x- und y-Ausdehnung, eine Grösse, eine Helligkeit, eine Farbe, eine Oberflächenbeschaffenheit, eine Richtung und eine Form. Jede dieser Variabeln hat eine bis vier Qualitäten: Assoziation, Selektion, Ordnung und Menge. Nach Bertin hat die Variable Farb e eines Zeichens nur die Qualitäten Assoziation und Selektion, nicht Ordnung oder Menge. Das bedeutet, dass Zeichen aufgrund ihrer Farbe dazu verwendet werden können, Assoziationen herzustellen unter anderen Zeichen oder Objekten in der Realität und Zeichen. Ein Zeichen für einen Wald grün zu färben ist sinnvoller, als beispielsweise violett. Bertins System macht klar, dass Zeichen nicht aufgrund ihrer Farbe dazu verwendet werden sollen, Mengenzusammenhänge darzustellen, obwohl dies in der Realität von Kartographen getan wird. Ein hellgrüner Baum sollte nicht für 1 ha Wald stehen, während ein dunkelgrüner Baum für 1000 ha Wald steht. Die Variable Farbe eignet sich nicht, um diesen Unterschied durch Zeichen zu erklären.

Ein eindrücklicher Beweis für die Manipulation mit Hilfe von Zeichen ist die Verwendung von Quadraten und Kreisen auf einer Bevölkerungskarte von Rumänien von Laurian Somesan.28 Er verwendete für 1000 Einwohner ein Quadrat, für 100 Einwohner einen Kreis - beide in der gleichen Grösse. Der erhebliche Unterschied in der Bedeutung wurde visuell nicht deutlich und nur formell in der Legende genannt.

Die Wirkung von Symbolen wird besonders deutlich auf der Karte „Menschenverluste und materielle Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg“, die im „Atlas zu Geschichte“, 1975 in der DDR erschien.29 Sie ist von Kreuzen in drei Grössen übersät, die für 10'000 Tote, 100'000 Tote oder 1'000'000 Tote stehen. Weiterführende Theorien zu Symbolen sind für die Untersuchung kaum relevant, da in allen Fällen nur ihre fast vollständige Abwesenheit festgestellt werden kann.

1.7.3. Vordergrund - Hintergrund

Besonders für das erste Fallbeispiel relevant sind Überlegungen zur Wirkung von Vordergrund und Hintergrund. Eine Form wird zu einem Objekt, wenn sie vor einem Hintergrund steht. Wenn in einer flächigen Färbung ein kleines Gebiet von einem anderen in einer kontrastierenden Farbe umschlossen wird, erhält das umschlossene Gebiet so eine grössere Bedeutung, da es als freistehendes Objekt wahrgenommen wird. Dieser Effekt entsteht erwünscht oder unerwünscht.

Eine visuelle Hierarchie kann gezielt etabliert werden, indem Formen, die einmal als Vordergrund wirkten, für andere den Hintergrund darstellen. So entstehen mehrere Schichten, die durch die Kontraste in der Farbgebung entweder unterstrichen, oder aufgeweicht werden.

Die Bildung von Mustern ist für das Verständnis einer Karte unabdingbar. Das Auge bewegt sich mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer von einem Kontrast zum anderen und kann nicht per Zufall das Ganze erkennen.30 Die Muster führen eine Interpretation herbei, doch bei zu vielen verschiedenen Farben ohne erkennbare Struktur erscheint die Karte unlesbar. Je nach Kontext kann aber auch dies bewusst angestrebt werden.31

1.7.4. Wo Karten schweigen

Wie der Autor eines Textes entscheidet auch der Kartograph darüber, was nicht auf einer Karte erscheinen soll. Harley nennt dies „the silence of the map“.32 Für den kritischen Betrachter bedeutet dies, dass er nicht nur fragen muss: Was sehe ich auf der Karte? Sondern: Was ist nicht dargestellt? Was hätte der Kartograph darstellen können? Warum hat er es nicht getan? Um die Antworten auf diese Frage zu finden, muss Vergleichsmaterial konsultiert werden: andere Karten, aber auch Texte.

Die Antworten auf die oben genannten Fragen zum ,Schweigen der Karte' sind oft zu einem hohen Grad spekulativ. Wenn sich aber nachvollziehbar begründen lässt, was auch welchen Gründen weggelassen wurde, sind sie äusserst aufschlussreich. Die Aufgabe des Historikers besteht nun darin, durch das Vergleichen verschiedener Quellen Gründe für das Schweigen der Karte zu liefern.

Im Zusammenhang mit dem nicht direkt Sichtbaren steht der schon früher zitierte Begriff der „Mental Maps“. Es handelt sich dabei um Landkarten in unserer Vorstellung. Wir sind es zum Beispiel gewohnt, auf einer Weltkarte Europa in der Mitte zu finden. Dies ist nicht naturgegeben, sondern Konvention. Unsere „Weltanschauung“ im kartographischen Sinn wird durch das Betrachten von Karten der immer gleichen Perspektive geschult. Wird die Perspektive von Zeit zu Zeit gewechselt, beeinflusst auch dies unsere Wahrnehmung der Welt. Auf einer Karte aus dem Magazin Fortune aus dem Jahr 1941 wurde eine Azimuthal- Projektion vom Nordpol aus gewählt, dies bedeutet, das man den Nordpol in die Mitte stellte und den Rest des Globus darum herum auffächert. Auf der Karte selbst wird diese Projektion durch eine Zeichnung erklärt, die eine Frau zeigt, die den Globus als Rock trägt und dann eine Pirouette dreht. Dabei hebt sich der Rock auf eine flache Ebene und der Globus breitet sich um den Nordpol als Mittelpunkt aus. Auf dieser Karte sind die Achsenmächte und die Anti­Achsenmächte eingezeichnet. Die Karte wird begleitet von einem Text: „The struggle divides the world into two huge camps: those who are for us and those who are against us“. Der grösste Teil der Karte ist in der Farbe der Anti­ Achsenmächte gezeichnet, Deutschland und Russland erscheinen so ,von den Guten' eingekesselt.33 Solche Darstellungsweisen lassen „mentale Karten“ entstehen.

In der Geschichtswissenschaft spielt der Aspekt „Zeit“ eine grosse Rolle, Phänomene werden chronologisch geordnet und dies erscheint dem Leser natürlich. Frithjof Benjamin Schenk fordert eine stärkere Berücksichtigung des Aspekts „Raum“, er sieht ihn als vernachlässigten Faktor bei der Beschreibung kultureller und sozialer Prozesse besonders in Osteuropa.34

Für Österreich stellte die Autorin in einem Seminar zur Geschichte der Habsburger im Jahre 2005 an der Universität Zürich die These auf, dass Kontinuität von Grenzen die Argumentationsweise von konservativen politischen Parteien beeinflusst. In dieser These wird der Aspekt „Raum“ mit dem Aspekt „Zeit“ verknüpft. In der vorliegenden Arbeit wird „Raum“ im ersten Fallbeispiel für das ungarische, im zweiten Fallbeispiel für das nordamerikanische und im dritten Beispiel für das deutsche Volk betrachtet.

2. Fallbeispiel 1: Die Carte Rouge

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Ethnographical Map of Hungary based on the census of 1910. In: Teleki, Paul. The Ethnographical Composition of Hungary. Bern 1919. Kartenbeilage. Ca. 27x41 cm (Exemplar in Landesbibliothek Bern zerschnitten).

2.1. Das Thema

Wenn ein Land einen Krieg verliert, verliert es meistens die Souveränität über sein Territorium. Was macht der Sieger mit dem gewonnenen Gebiet? Erweitert er seinen Einfluss? Gliedert er die neuen Ländereien in seinen Besitz ein?

Das Ende eines Krieges ist immer ein Moment in der Geschichte, in dem politische Entscheidungen die Landkarte bestimmen - und vielleicht auch Karten die Entscheidungen beeinflussen. Das folgende Fallbeispiel zeigt, wie physische Karten die mentalen Karten in Europa nach dem Ersten Weltkrieg beeinflussen sollten. Bewusst eingesetzt, sollten Karten die jeweiligen Besitzansprüche auf die ehemals habsburgischen Gebiete beweisen. Exemplarisch wird hier eine der umstrittensten Regionen, Siebenbürgen, behandelt. Ungarn verlor bei den Friedensverhandlungen von Trianon zwei Drittel seines Territoriums an Nachbarstaaten, was in Ungarn bis zum heutigen Tag das „Trianoner Trauma“ genannt wird. Das Thema ist immer noch hochaktuell, bei den politischen Unruhen in Budapest im Sommer 2006 wurde von politischen Agitatoren eine klare Parallele zu Trianon gezogen.35

In Ungarn zeichnete man für die Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg eine Karte, die in die Geschichte der Kartographie einging: die Carte Rouge des Grafen Paul Teleki. Diese steht hier im Zentrum, rumänische und andere Karten werden hier nur betrachtet, um gewisse Aspekte der ungarischen Karte hervorzuheben. Anhand der Carte Rouge soll gezeigt werden, wie vielfältig die Manipulationsmöglichkeiten der visuellen Wahrnehmung durch eine Karte sind.

Das Fallbeispiel ist wie die nachfolgenden aufgebaut: Es beginnt mit einer Kartenbeschreibung, danach wird der Hintergrund der Quelle dargelegt. Abschliessend wird in der Kritik die manipulative Qualität der Karte erörtert.

2.2. Literatur

Das Feld der Literatur zum Thema muss mindestens drei Unterteilungen erfahren: Literatur zur Carte Rouge und der Kartographie, Literatur zu den Friedensverhandlungen von Paris und Literatur zu den politischen Konsequenzen der Entscheidungen von Paris. Die ungarische Literatur zum Thema ist ausgesprochen üppig.36

Die Carte Rouge wird von Kartographen wegen ihrer neuen Methoden für thematische Karten als Meilenstein bezeichnet, und deshalb auch ausserhalb der ungarischen Kartographiegeschichte erwähnt.37 Der Autor selbst brüstet sich damit, dass seine Karte in der „Hundertjahr-Ausgabe der Seydlitz'schen Geographie“ erschienen sei, was als musterhafte Arbeit überall anerkannt werde.38

Für den historischen Hintergrund der Friedensverhandlungen selbst gibt es eher wenig Literatur, die Konsequenzen jedoch wurden vor allem in Ungarn ausgiebig erforscht. Die hier verwendete Sammlung diplomatischer Dokumente ist französischer Herkunft, eine ausführliche Liste von weiteren Quellenausgaben befindet sich bei Balazs Ablonczy.39

Propaganda gegen Rumänien gab es schon vor der „Katastrophe von Trianon“40, doch die territorialen Verluste nach dem Ersten Weltkrieg gruben sich so tief in das Volksbewusstsein ein, dass bis zum heutigen Tag geschrieben und geforscht wird.41 Teleki selbst, Mitglied der Friedensdelegation und späterer Minister­präsident, veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zu politischen und kartographischen Fragen.42 Im Zuge einer breiten Revisionismus-Kampagne erschienen zahllose Artikel von Politikern, die den Verlust beweinten und die Wiederherstellung des alten Gebietes forderten.43 Zum historischen Hintergrund der Siebenbürgen-Frage präsentierte Nándor Dreisziger den westlichen Forschungsstand, während Ungarn noch unter sowjetischem Einfluss stand.44 Ignac Romsics verfasste zahlreiche Artikel und Monographien, in denen er die historische Entwicklung des Friedensvertrages beschrieb.45

Die andere Seite, den Beginn der Identitätsfindung des rumänischen Volkes, beschreibt Robert Kann in „Die Rumänen und die nationale Frage in Siebenbürgen“.46

2.3. Beschreibung der Karte

2.3.1. Ausgaben

Von der hier untersuchten Karte existieren zahlreiche Ausgaben. Im Zentrum der folgenden Beschreibung wird das Original stehen, wie die Karte wahrscheinlich ausgesehen hat, die an der Friedenskonferenz präsentiert wurde. Es handelt sich dabei um die Ausgabe von Kümmerly & Frey in Bern aus dem Jahr 1919, die auf S. 19 verkleinert abgebildet ist.47

[...]


1 Grundsätzlich wird sprachlich die männliche Form verwendet, die jedoch inhaltlich die weibliche einschliessen soll.

2 Monmonier, Mark. How to Lie with Maps. Chicago 1991. S. 1.

3 Arnberger, Erik. Handbuch der thematischen Kartographie. Wien 1966.

4 Kretschmer, Ingrid. Ethnologische Atlanten in Europa, ihre Entwicklung und ihr Beitrag an die thematische Kartographie. In: Internationales Jahrbuch der Kartographie, Nr. 15, 1975. S. 55-90.

5 Harley, John Brian. Deconstructing the Map. In: Cartographica, Sommer 1989, S. 1-20; Harley, John Brian. Maps, Knowledge and Power. In: Cosgrove, Denis, Daniels, Stephen (Hg.). The Iconography of Landscape. Cambridge 1988. S. 289-290; Harley, John Brian. The evaluation of early maps: towards a methodology. In: Imago Mundi, Nr. 22, 1968, S. 62-80; Harley, John Brian, Woodward, David (Hg.). The History of Cartography. Chicago, 1987.

6 Vgl. Edney, Matthew H. Theory and the History of Cartography. In: Imago Mundi, Nr. 48, 1996. S. 185-1991; Andrews, J. H. Meaning, Knowledge and Power in the Map Philosophy of J. B. Harley. Dublin 1994; Keates, John S. Understanding Maps. Essex 19822.

7 Wood, Denis. What Makes a Map a Map? In: Cartographica, Nr. 2/3 1993, S. 81-86. Wood, Denis. Maps and Mapmaking. In: Cartographica, Nr. 1 1993, S. 1-9.

8 Biggs, Michael. Putting the State on the Map: Cartography, Territory, and European State Formation. In: Comparative Studies in Society and History, April 1999, S. 374-405.

9 Witt, Werner. Thematische Kartographie: Methoden und Probleme, Tendenzen und Aufgaben. Hannover 19702.

10 Freudenberg, Hermann. Zur Methodik bei angewandten Karten insbesondere Volksmengen­karten. In: Petermanns geographische Mitteilungen, 1941, S. 227-229.

11 Boggs, Whittlemore Samuel. Cartohypnosis. In: The Scientific Monthly, Juni 1947, S. 469-476.

12 Hier wird das simplifizierte Modell besprochen wie es in: Bollmann, Jürgen, Koch, Wolf-Günther (Hg.). Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg 2001, S. 43 abgedruckt ist. Das Original befindet sich in: Bollmann, Jürgen. Geo-Informationssysteme und kartographische Informations­verarbeitung. S. 63-74. In: Trierer Geographische Studien, Heft 9, 1993, S. 73.

13 Krallert, Wilfried. Methodische Probleme der Völker- und Sprachenkarten dargestellt an Beispielen über Ost- und Südosteuropa. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie, Nr.1, 1961, S. 99-117; Turnbull, David. Maps are Territories: Science is an Atlas. Chicago 1989.

14 Wood, Denis, Fels, John. Designs on Signs: Myths and Meaning in Maps. In: Cartographica, Nr.1, 1984, S. 54-103. S. 68.

15 Ebd., S. 80.

16 Ebd., S. 68.

17 Sogar etwas so Selbstverständliches wie die Lage eines Ortes kann manipuliert werden. Rekacewicz berichtet, wie in der DDR ganze Städte und Dörfer in der Nähe der bundesdeutschen Grenze überhaupt nicht auf Karten figurierten. Vgl. Rekacewicz, Philippe. Der Kartograf und seine Welten. In: Le Monde diplomatique, September 2006, S. 12-13. S. 12.

18 Wood, Denis, Fels, John. Designs on Signs: Myths and Meaning in Maps. In: Cartographica, Nr.1, 1984, S. 54-103. S. 70.

19 Ein australisches Beispiel einer absichtlich gefälschten Karte vom Ende des 19. Jahrhunderts ist bei David Turnbull zu finden. Turnbull, Maps are Territories, S. 46.

20

20 Makowski, Andrzej. Aesthetic and Utilitarian Aspects of Colour in Cartography. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie, 1967, S. 62-87. S. 65ff.

21 Robinson, Arthur H. Psychological Aspects of Color in Cartography. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie, 1967, S. 50-61. S. 51.

22 Ebd., S. 55. Die Beliebtheit kann ausserdem mit symbolische Konnotationen zusammenhängen, in der Sprache z.B. „feeling blue“ oder in der Kunst durch die Einteilung von warm und kalt. In der Gestaltpsychologie haben Farben Dimensionen, grün gilt z. B. als frisch und weich. Vgl. Witt, Thematische Kartographie, S. 135.

23 Ebd., S. 137.

24 Wood, Design on Signs, S. 74; Schlichtmann, Hansgeorg. Discussion of C. Grant Head ‘The Map as Natural Language: A Paradigm for Understanding'. In: Cartographica, Frühling 1984, S. 33- 36.S. 33.

25 Hansel, Alfred, Leisering, Walter (Hg.). F. W. Putzger Historischer Schulatlas. Bielefeld 195463. S. 3.

26 Neurath, Otto. Bildliche Darstellung gesellschaftlicher Tatbestände. In: Haller, Rudolf, Kinross, Robin (Hg.). Neurath, Otto: Gesammelte bildpädagogische Schriften. Wien 1991. S. 118-125. S. 120.

27 Bertin, Jacques. Sémiologie graphique. Paris 20054 ; Rekacewicz, Der Kartograf und seine Welten, S. 13.

28 Vgl. Carte de la Region des Monts Calimani. In: Staatswissenschaftliches Institut der ungarischen statistischen Gesellschaft. Rumänische Landkartenfälschungen. Budapest, 1940. S. 11.

29 Akademie der Wissenschaften der DDR. Atlas zur Geschichte. Leipzig 1975. S. 5.

30 Makowski, Aesthetic and Utilitarian Aspects of Colour, S. 79.

31 Witt, Thematische Kartographie, S. 107.

32 Harley, John Brian. The New Nature of Maps: Essays in the History of Cartography. London 2001. S. 85.

33 The World Divided. In: Fortune, August 1941, S. 48/49.

34 Schenk, Frithjof Benjamin. Mental Maps: Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung. In: Geschichte und Gesellschaft, Nr. 3, 2002, S. 493-514. Vgl. Schultz, Hans-Dietrich. Raumkonstrukte der klassischen deutschsprachigen Geographie des 19./20. Jahrhunderts im Kontext ihrer Zeit. In: Geschichte und Gesellschaft, Nr. 28, 2002, S. 345-377; Schultz, Hans-Dietrich. Räume sind nicht, Räume werden gemacht. In: Europa Regional, Nr. 5, 1977, S. 2-14.

35 Odenthal, Bernhard. Auf der Strasse spricht man besser nicht Ungarisch. In: Tages-Anzeiger, 13.10.2006, S. 12.

36 Weiterführende Bibliographien in: Nemzetör, Schriftsteller des ungarischen Freiheitskampfes (Hg.). Die Siebenbürgische Frage. Zürich 19722; Apponyi, Albert, Berzeviczy, Albert, Eôttevérnyi, Oliver u. a. (Hg.). Justice for Hungary: Review and Criticism of the Effects of the Treaty of Trianon. London 1928.

37 Kish, George. Paul Teleki (1979-1941). In: Geographer's Biobibliographical Studies, 1987, S. 141.

38 Teleki, Paul. A propos d'une carte ethnique. In: Nouvelle Revue de Hongrie, Januar 1937, S. 1­6. S. 6; Machatschek, Fritz. Ungarn. In: Krause, Kurt; Reinhard, Rudolf; Voppel, Konrad (Hg.). E. von Seydlitz'sche Geographie Hundertjahr-Ausgabe. Breslau 1931. S. 221-238. S. 227.

39 Ablonczy, Balàzs. Teleki Pal. Budapest 2005. S. 515.

40 Im Palais „Grand Trianon“ in Versailles, in der Nähe von Paris, wurden 1919 und 1920 die Bedingungen für die Nachfolgestaaten der Monarchie Österreich-Ungarn verhandelt. Der „Friedensvertrag von Trianon“ wird auch als einer der „Pariser Vorortverträge“ bezeichnet.

41 Frühe Propaganda z.B.: Moldovan, Grégoire M. La Grande Roumanie. In: Revue de Hongrie, 15. März 1918, S. 16-30. Aktuelle Forschung z.B.: Ädam, Magda (Hg.) The Versailles System and Central Europe. Aldershot 2004. Zu Fragen von deutschen Minderheiten: Tilkovsky, Lorant. Teufelskreis: Die Minderheitenfrage in den deutsch-ungarischen Beziehungen 1933-1938. Budapest 1989; Tilkovsky, Lörant. Nationalitätenpolitische Richtungen in Ungarn in der gegenrevolutionären Epoche (1919-1945). Budapest 1975.

42 Teleki, Paul. Un système de cartes ethnographiques et son emploi pour des régions de densités différentes. In: Comptes Rendus du Congrès International de Géographie Varsovie 1934 (1935) S. 279-283; Teleki, Paul. Les Frontières de la Hongrie. Note XXII prés. à la Conférence de la Paix. Budapest 1921; Teleki, Paul. Ungarische Nationalitätenpolitik. Budapest 1940; Teleki, A propos d'une carte ethnique, S. 1-6.

43 Z. B. Apponyi, Justice for Hungary.

44 Dreisziger, Nándor. Count Istvan Bethlen's Secret Plan for the Restoration of the Empire of Transsylvania. In: East European Quarterly, Januar 1975, S. 413-423.

45 Romsics, Ignac. Der Friedensvertrag von Trianon. Herne 2005.

46 Kann, Robert. Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie: Geschichte und Ideen­gehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. Graz 1964. S. 309-321.

47 Vgl. auch Klinghammer, Istvan, Gercsak, Gabor. Der ungarische Geograph Pal Teleki als Mitglied der Mossul-Kommission. In: Cartographica Helvetica, Januar 1999, S. 17-25, S. 17.

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Verdeutlichen oder Verschleiern. Karten manipulieren Weltbilder und politische Entscheidungen
Hochschule
Universität Zürich
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
90
Katalognummer
V513960
ISBN (eBook)
9783346107671
ISBN (Buch)
9783346107688
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kartographie, Rumänien
Arbeit zitieren
Judit Costa-Patry (Autor:in), 2006, Verdeutlichen oder Verschleiern. Karten manipulieren Weltbilder und politische Entscheidungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513960

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