Die Praxis der räumlichen Marktabgrenzung in der amerikanischen Antitrustpolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Intention und Motivation der Arbeit

2 Theoretische Ansätze und Probleme zur räumlichen Marktabgrenzung
2.1 Test auf uniforme und parallele Preisentwicklung
2.2 Test der Handelsströme (Shipment Test) von Elzinga und Hogarty
2.3 Tests der Preis-Mengen-Reaktion.

3 Schwierigkeiten und Folgen der räumlichen Marktabgrenzung

4 Die Abgrenzung räumlicher Märkte in der Rechtsprechung
4.1 Der Fall Brown Shoe und King Shoe
4.1.1 Darstellung und Analyse
4.1.2 Kritik
4.2 Hospital Mergers
4.2.1 Darstellung und Analyse
4.2.2 Kritik
4.3 Die Abgrenzung des räumlichen Marktes durch die Regulierungsbehörde für Energie
4.3.1 Darstellung und Analyse
4.3.2 Kritik

5 Zusammenfassung und Ausblick

B Anhang

C Literaturverzeichnis

1 Intention und Motivation der Arbeit

Um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit unternehmerischen Handelns in Bezug auf den Schutz des Wettbewerbs beurteilen zu können, ist es notwendig den für das Handeln relevanten Markt zunächst sachlich, räumlich und zeitlich abzugrenzen.[1]

Wie umstritten die Abgrenzung räumlicher Märkte in der Praxis ist, veranschaulichen
u. a. die folgenden Aussagen. So schreibt Kaufer 1968:

„Der relevante Markt wird dem Fall und dem Gesamturteil entsprechend zurecht-‚geschneidert’“.[2]

Andere Autoren sprechen später zumindest von einer „subjektiven Wertentscheidung“.[3] Aber auch über zwanzig Jahre später, nach Herausgabe von Merger Guidelines durch die Antitrust Division des Department of Justice (DOJ) und die Federal Trade Commission (FTC) und zahlreichen Gerichtsurteilen, deren Entscheidung die räumliche Marktabgrenzung wesentlich beeinflusste, urteilt Pitofsky 1990 kritisch:

„Unfortunately, no aspect of antitrust enforcement has been handled nearly as badly as market definition. This failure has resulted in part because of persistent and unreconciled conflicts of approach in important judicial opinions.“[4]

In der vorliegenden Arbeit soll daher die Praxis der räumlichen Marktabgrenzung als ein Teilprozess der amerikanischen Antitrustpolitik untersucht und beurteilt werden.

Die Entscheidungen verschiedener Gerichte, die Analysen des DOJ und der FTC wurden im zeitlichen Verlauf sowohl durch die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Modelle zur Abgrenzung des relevanten Markes, als auch durch politische Einflussnahme stark beeinflusst.

2 Theoretische Ansätze und Probleme zur räumlichen Marktabgrenzung

Die räumliche Marktabgrenzung stellt einen Teilprozess der Abgrenzung eines Marktes dar.

Das angestrebte Ideal räumlicher Marktabgrenzung geht dabei von dezentralen Konsumenten- und Produzentenentscheidungen aus, die in einem zentralen Marktpreis münden. Alle Anbieter und Nachfrager außerhalb eines abgegrenzten Marktes haben durch ihre Entscheidungen keinen Einfluss auf die Preisbildung dieses Marktes. Die derart abgegrenzten einzelnen Märkte, sind vollkommen unabhängig voneinander.[5]

Aufgrund vorhandener Unschärfen in der Abgrenzung als auch infolge der bislang nur unzureichend beherrschten Datenmengen führen sämtliche Ansätze jedoch „nur“ zu einer Annäherung an das angestrebte Ideal.

Grundsätzlich lassen sich die folgenden theoretischen Ansätze und Indikatoren zur räumlichen Marktabgrenzung unterscheiden:[6]

- Test auf uniforme und parallele Preisentwicklung[7]
- Test der Handelsströme (Shipment Test) von Elzinga und Hogarty[8]
- Tests der Preis-Mengen-Reaktion[9]

2.1 Test auf uniforme und parallele Preisentwicklung

Der Test auf uniforme Preisentwicklung von Horowitz basiert auf der Vorstellung, dass die sich bildenden Preise für ein Gut innerhalb des räumlich abzugrenzenden Marktes langfristig stets in einem konstanten Abstand zueinander verlaufen. Unterschiedliche Preise innerhalb des gleichen Marktes kommen nur aufgrund unterschiedlicher Raumüberwindungskosten und durch Zufallseinflüsse zustande. An den verschiedenen Handelsorten i und j bildet sich eine feste Preisdifferenz Dij=Pi-Pj, deren Existenz aufgrund von Zufallseinflüssen und kurzfristigen Einflüssen nur mittels statistischer Regressionsverfahren langfristig nachzuweisen ist.[10]

In ihrem Test auf parallele Preisentwicklung wählen Stigler und Sherwin das Kriterium paralleler Preisentwicklung infolge von Abitrageprozessen zur räumlichen Marktabgrenzung. Nur Handelsplätze mit signifikanter paralleler Preisentwicklung bilden einen Markt. Transportkostenänderungen werden bei einem die Homogenität des räumlichen Marktes messenden Korrelationskoeffizienten entsprechen berücksichtigt.[11]

2.2 Test der Handelsströme (Shipment Test) von Elzinga und Hogarty

Der Shipment Test von Elzinga und Hogarty vereint zwei Gebiete zu einem räumlichen Markt, wenn zwischen beiden durch Arbitrageprozesse ausgelöste signifikante Handelsströme des betrachteten Produktes existieren. Mit dem Indikator „Little Out From Inside“ (LOFI) wird die Angebotsseite erfasst, während der Indikator „Little In From Outside“ (LIFO) die Nachfrageseite darstellt. Beide Quoten werden wie folgt definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Je höher beide Quoten ausfallen, um so eher handelt es sich um einen räumlich abgegrenzten Markt. Bei niedrigen Quoten ist der Markt iterativ räumlich um weitere Produzenten bzw. Konsumenten zu erweitern. Als Schwellenwert für die Anwendung zur Abgrenzung räumlicher Märkte im Antitrustverfahren sehen Elzinga und Hogarty für beide Quoten mindestens neunzig Prozent vor.[12]

2.3 Tests der Preis-Mengen-Reaktion

Nach dem Konzept der externen Interdependenz[13] bilden zwei Orte i und j für ein Gut einen räumlichen Markt, wenn die Preisbildung eine hohe gegenseitige Abhängigkeit aufweist. Als Indikator wird die partielle Preiskreuzelastizität für das betrachtete Gut nach der Formel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

herangezogen. Je höher dieser Wert ausfällt, um so eher liegt ein gemeinsamer Markt vor.[14]

Der Preiserhöhungstest versucht einen Markt gleichzeitig sachlich und räumlich abzugrenzen, indem er prüft ob in dem zunächst bestimmten Gebiet für das bestimmte Gut für einen hypothetischen Monopolisten ein signifikanter nicht vorübergehender Preiserhöhungsspielraum besteht, der bei Ausnutzung höheren Gewinn bedeutet. Begonnen wird der Test zunächst mit einem einzelnen Produkt und dem räumlichen Markt, in welchem das Angebot des Unternehmens liegt, welches einen Zusammenschluss anstrebt. Iterativ wird dieser Markt anschließend so lange um Produktsubstitute und geographisch erweitert, bis auf dem so abgegrenzten Antitrustmarkt der hypothetische Monopolist eine Preiserhöhung von fünf (oder zehn) Prozent durchsetzen kann. Diese Definition fand erstmals 1982 in den vom DOJ herausgegebenen Merger Guidelines[15] Anwendung.[16] Als Indikator für die Operationalisierung dieses Testverfahrens dient die totale Elastizität, welche über ein interdependentes Gleichungssystem zu ermitteln ist. In ihr werden die Eigenpreiselastizität im hypothetischen Markt, die Summe aller Kreuzpreiselastizitäten und alle Reaktionselastizitäten abgebildet.[17]

Mit den Merger Guidelines von 1992[18] wurde die vorhandene Definition des Antitrustmarktes verändert, wodurch auch eine weitere Modifikation des bisher bestehenden Preiserhöhungstests entstand. Dieser prüft (wie bisher) ob in dem zunächst bestimmten Gebiet für das bestimmte Gut für einen hypothetischen Monopolisten ein signifikanter nicht vorübergehender Preiserhöhungsspielraum besteht, der bei Ausnutzung höheren Gewinn bedeutet. Neu eingeführt wurde die Nebenbedingung der Konstanz der Verkaufsbedingungen aller anderen Güter. Da durch diese Nebenbedingung nur die Substitutionsprozesse der Nachfrage und nicht des Angebots von der Definition eingeschlossen werden, kann als Indikator die wesentlich einfacher zu erhebende Eigenpreiselastizität verwendet werden.[19]

3 Schwierigkeiten und Folgen der räumlichen Marktabgrenzung

Bei der Auswahl von theoretischen Konstrukten für die praktische Abgrenzung des relevanten Marktes ist darauf zu achten, dass die Abgrenzung in Hinblick auf die Erfüllung der Ziele der Wettbewerbspolitik sowohl sinnvoll, als auch operationalisierbar ist.[20]

In einem ersten Schritt zur Analyse des Wettbewerbs können anhand der Abgrenzung des relevanten Marktes die für den Marktstrukturtest notwendigen relevanten Marktanteile und deren Verteilung bestimmt werden. Die so ermittelten Marktanteile lassen jedoch nach h. M. noch keine direkten Rückschlüsse auf die Wettbewerbsintensität bzw. die Marktmacht einzelner Unternehmen zu. Hierzu bedarf es der Ermittlung und kritischen Würdigung weiterer Faktoren, wie beispielsweise Marktschranken und potentieller Wettbewerber.[21]

Trotz der Anwendung des Konzeptes des relevanten Marktes nicht nur im amerikanischen Antitrustverfahren, ist die zweistufige Vorgehensweise der Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse in der Literatur umstritten. Zum einen sei die Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in die wettbewerbliche Praxis – wie bereits oben angedeutet – nur unter Schwierigkeiten möglich, zum anderen behandelten Marktabgrenzung und Wettbewerbsbeurteilung dieselbe Frage, da sie stets miteinander in Wechselwirkung stünden. Somit liefere die Zweiteilung nur scheinbar mehr Rationalität und damit Rechtssicherheit.[22]

[...]


[1] Vgl. Schmidt, 2001, S. 49.

[2] Kaufer, 1966 S. 4.

[3] Vgl. Maxeiner, 1986, S. 34.

[4] Pitofsky, 1990, S. S. 1807.

[5] Vgl. Kallfaß, 1996, S. 3f.

[6] die Ansätze werden an dieser Stelle nur sehr kurz und überblicksartig dargestellt, zur ausführlicheren Darstellung vgl. Kallfaß, 1996, S. 5-19 (Insbesondere auch Kritik und Anwendung in Bezug auf die europäische Zusammenschlusskontrolle) bzw. die dort und an entsprechenden Stellen genannte weiterführende Literatur.

[7] Vgl. Horrowitz, 1981,S. 1-16, Stiegler/Scherwin, 1985, S. 555-585 und Kallfaß, 1996, S. 5-10.

[8] Vgl. Elzinga/Hogarty, 1973, S. 45-81 und Kallfaß, 1996, S.10-15.

[9] Vgl. Schmidt, 1996, S. 48, U.S. Department of Justice, 1982, Merger Guidelines, II (A), U.S. Department of Justice and Federal Trade Commission, 1992, Merger Guidelines, 1.11 und Kallfaß, 1996, S. 15-19.

[10] Vgl. Horowitz,1981, S. 1-9 und Kallfaß, 1996, S. 6.

[11] Vgl. Stigler/Sherwin, 1985, S. 555-585 und Kallfaß, 1996, S. 6-10.

[12] Vgl. Elzinga/Hogarty, 1973, S. 45-81 und Kallfaß, 1996, S. 10-15.

[13] Vgl. Schmidt, 1996, S. 48.

[14] Vgl. Kallfaß, 1996, S. 15.

[15] Vgl. U.S. Department of Justice, 1982, Merger Guidelines, II (A).

[16] Vgl. Kallfaß, 1996, S. 16f..

[17] Vgl. ebenda, S. 17.

[18] Vgl. U.S. Department of Justice and Federal Trade Commission, 1992, Merger Guidelines, 1.11.

[19] Vgl. Kallfaß, 1996, S. 19.

[20] Vgl. Schwalba, 2000, S. 16f.

[21] Vgl. Schmidt, 2001, S. 53.

[22] Vgl. Maske, 1998, S. 115-117.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Praxis der räumlichen Marktabgrenzung in der amerikanischen Antitrustpolitik
Hochschule
Technische Universität Ilmenau  (Institut für Betriebswirtschaft, Fachgebiet VWL / Industrieökonomik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V51394
ISBN (eBook)
9783638473866
ISBN (Buch)
9783656777311
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Inkl. 2 Seiten Thesenpapier
Schlagworte
Praxis, Marktabgrenzung, Antitrustpolitik
Arbeit zitieren
Bodo Elsner (Autor:in), 2003, Die Praxis der räumlichen Marktabgrenzung in der amerikanischen Antitrustpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51394

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