ANC - zwischen Widerstandsbewegung und Regierungspartei


Hausarbeit, 2001

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kapitel

I. Einleitung

II. Die Freiheits-Charta

III. Regierungsprogramm und Regierungsarbeit
III.1. Das Ringen um eine neue Verfassung
III.2. Regierungsprogramm des ANC
III.3. Arbeit als Regierungspartei

IV. Vergleich der traditionellen Forderungen mit der Regierungsarbeit

V. Perspektiven

VI. Literaturangaben

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Seit der Rubikon Rede F.W. de Klerk’s im Jahre 1990 und dem mit ihr beginnenden Ende der Apartheid in Südafrika und der Freilassung Nelson Mandelas im Februar 1990 ist inzwischen ein Jahrzehnt vergangen. Der ANC als die bedeutendste Widerstandsbewegung vor jener Zeit hat sich zu einer politischen Partei gewandelt, die seit sieben Jahren die Regierungsverantwortung inne hat. Ausgestattet mit einer satten Mehrheit im Zweikammer-Parlament muss sich der ANC den Problemen des Landes stellen. Es gilt eine hohe Arbeitslosigkeit (unter den Schwarzen bei 50%) und eine damit verbundene immense Zahl von Gewaltverbrechen zu bekämpfen. Hinzu kommt eine immer noch deutliche ethnische und rassische Differenzierung, die sich aus einer Geschichte entwickelt hat, die weiter zurückliegt als der Beginn der Apartheid oder der Sieg der National Party (NP) im Jahre 1948. Dadurch gestaltet sich die Werbung um ausländische Investoren als schwierig und deshalb ist auch der Ausweg aus der wirtschaftlichen Misere noch nicht gefunden. Die immer noch große Schere zwischen arm und reich tut sich besonders zwischen Schwarzen und Weißen auf.

Der ANC hat mittlerweile seine Transition von der Widerstandsbewegung hin zu Organisationsstrukturen einer demokratischen Partei weitgehend abgeschlossen, wenn auch unter Schwierigkeiten. An einigen Stellen erkennen Kritiker seiner Regierungsarbeit jedoch schon Ansätze einer für das Afrika südlich der Sahara typischen Pfründen- und Vetternwirtschaft. Man beobachtet eine Verknüpfung der Partei mit eigenen ökonomischen Interessen ihrer Mitglieder und eine enge Bündnispolitik mit Gewerkschaften, insbesondere dem COSATU und der South African Communist Party (SACP), so dass man von keiner nennenswerten Opposition sprechen kann.

Wie es dem ANC gelingt seine alten, bereits als Widerstandsbewegung formulierten Forderungen nach Gleichheit, Gleichberechtigung, Wohlstand für alle und demokratischer Regierung aus der Position der Regierungsverantwortung zu verfolgen und durchzusetzen sowie Gefahren hin zur Entwicklung eines Einparteienregimes zu entgehen, darüber soll die vorliegende Arbeit handeln. Als Grundlage für die ursprünglichen Forderungen dient im wesentlichen die Freiheits-Charta von 1958, welche verglichen wird mit dem Engagement des ANC innerhalb der Verfassungsgespräche (CODESA I+II), mit seinem Regierungsprogramm und der tatsächlichen Regierungsarbeit.

II. Die Freiheits-Charta

Zu Beginn des Jahres 1954 unterbreitete Professor Zachariah Mathews, in seinem Ansinnen „dem Volk politisches Bewusstsein zu vermitteln und es zu politischem Handeln zu ermutigen“[1], dem ANC auf seiner Jahreskonferenz die Idee, ein „Freiheitsmanifest“ zu formulieren. Zu diesem Zweck wurde 1954 ein nationaler Organisationsstab gegründet, zu welchem der Indian Congress, die South African Colord People's Organisation und der Congress of Democrats, in dem sich eine kleine aber einflussreiche Gruppe Weißer zusammengeschlossen hatte, gehörten. Alle zusammen firmierten unter dem Namen „Kongress-Allianz“. Am 25. und 26. Juni 1955 fand in Kliptown der Volkskongress mit 2 884 Delegierten und 700 Zuschauern statt. Die Delegierten ratifizierten das Freiheitsmanifest, zu dem zuvor Freiwillige aus allen Provinzen des Landes Ideen zusammengetragen hatten[2]. Auch wenn die Schlussabstimmung von südafrikanischen Sicherheitskräften unterbrochen und der Kongress aufgehoben wurde, blieb die Freiheit-Charta das Grundsatzprogramm des ANC. Während der Jahre des Freiheitskampfes und darüber hinaus wurden die wesentlichen Elemente auch in das spätere Wahl- und dann Regierungsprogramm aufgenommen.

Aus diesem Grund möchte ich zuerst auf die wesentlichen Forderungen der Charta eingehen, um dann an späterer Stelle vollzogene Wendungen im Regierungsprogramm aufzuzeigen.

In der Präambel der Freiheits-Charta heisste es: „Dass Südafrika allen gehört, die dort leben Schwarzen wie Weissen[...];

dass nur ein demokratischer, auf dem Willen der Menschen begründeter Staat allen ihr Geburtsrecht sichern kann, ohne Ansehen von Farbe, Rasse, Geschlecht oder Glauben[...]“.

Die Charta zählt Bedingungen für ein freies, demokratisches Südafrika auf. Unter der Überschrift „Das Volk soll herrschen“ wird das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürger zu allen gesetzgebenden Körperschaften gefordert. Weiterhin wird die Bedingung gestellt: „Die Rechte der Menschen sollen die selben sein ungeachtet der Rasse, der Hautfarbe oder des Geschlechts.“[3]

Unter gleichen Rechten versteht die Charta die Gleichberechtigung in den Körperschaften des Staates, in den Gerichten und in den Schulen sowie der gleiche Schutz durch das Gesetz für alle. Es soll darüber hinaus jedem das Recht eingeräumt werden seine eigene Sprache zu gebrauchen, eine eigene Volkskultur und eigene Volkssitten zu entwickeln. Bei den späteren Verfassungsdiskussionen war es eher der ANC, der diese Forderung zurückhaltender interpretierte. Die Verfassung garantiert zwar jene Rechte, aber es waren Vertreter der NP, welche spezielle Autonomierechte verlangten, weil sie darin einen Minderheitenschutz im Sinne ihrer Anhänger sahen[4]. Auch in Fragen der Bildung und der Unterrichtssprache ist es häufig einfach eine Frage der praktischen Möglichkeiten.

Weiterhin heisst es in der Charta, dass ein Verstoss gegen diese Grundsätze sowie die rassische oder farbige Verächtlichmachung und Diskriminierung als strafbares Verbrechen geahndet werden soll.

Über die genannten Punkte herrschte weitgehende Einigkeit unter den Mitgliedern des ANC und denen seiner Partnern SACP und COSATU. Zu Differenzen kam es bei dem Absatz „Die Menschen sollen sich in den Reichtum des Landes teilen“. Besonders der liberale Flügel des ANC kritisierte den zu hohen Einfluss der SACP und die Charta als sozialistischen Entwurf. Als solcher ist er jedoch von der Mehrheit des ANC nie betrachtet worden. Ziel war immer eine liberale Demokratie im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung, es galt dabei auch dem schwarzen Bevölkerungsteil die Möglichkeit ökonomischen Aufstiegs zu bieten[5].

Unter dem Punkt: "Das Land wird denen übergeben, die es bearbeiten"[6] gibt es Hinweise die auf einen stärkeren Einfluss des linken Flügels innerhalb der Congress Alliance. Zu erkennen ist dies beispielsweise bei der Forderung "Der Staat hilft Bauern mit landwirtschaftlichen Geräten, Saatgut, Traktoren und Dämmen, um den Boden zu erhalten und die Ackerbauern zu unterstützen."[7] Jedoch wird auch an dieser Stelle vom realen Sozialismus Abstand genommen, da das Eigentum an Produktionsmitteln garantiert wird. "Alle haben das Recht, Land in Besitz zu nehmen wo immer sie wollen". Weiterhin wird in der Freiheits-Charta die Gleichheit vor dem Gesetz und gleiche menschliche Rechte für alle gefordert.

Ein weiterer Abschnitt der überschrieben ist mit, "Es wird Arbeit und Sicherheit geben!" garantiert das Recht auf Gewerkschaften, volle Arbeitslosenunterstützung, gleichen Lohn für Männer und Frauen sowie einen nationalen Mindestlohn. Inwieweit diese Forderungen im befreiten Afrika erfüllt wurden, wird noch durch einen Vergleich mit der politischen Wirklichkeit zu klären sein. Auch in Fragen der Bildung hat es sich als schwierig erwiesen der Charta gerecht zu werden, insbesondere in dem Punkt: "Die Bildung ist kostenlos, obligatorisch, umfassend und gleich für alle Kinder;"

Die Freiheits-Charta verspricht außerdem: "Es wird Wohnungen, Sicherheit und Komfort geben![...]Unbenutzter Wohnraum ist dem Volk zur Verfügung zu stellen; Mieten und Preise werden gesenkt, genügend Nahrungsmittel werden vorhanden sein; und niemand wird hungern; Das Gesundheitswesen wird vom Staat übernommen; Jedem wird freie ärztliche Behandlung und freier Krankenhausaufenthalt garantiert, [...] die Slums werden abgerissen und neue Vororte gebaut;"[8]

Solche sehr sozialistisch anmutenden Erwartungen an ein befreites Südafrika weisen auf die Entstehung des Manifests hin. Die Delegierten sammelten die Ideen aus allen verschiedenen Townships und Provinzen, wobei jeder Einzelne angehalten war, sich zu beteiligen. Es wurden Vorstellungen geäußert, die zwar durchaus an planwirtschaftliche Gedankengebäude erinnern und später auch von der SACP aufgegriffen wurden. Zur damaligen Zeit jedoch, spiegeln jene Sätze lediglich die Unzufriedenheit mit dem bestehenden System, mit den Lebensbedingungen sowie Vorstellungen eines besseren, von der Apartheid freien Südafrikas wieder. Heute wird zunehmend klar, dass die Apartheid nicht nur ein rassistisches System, ausschließlich ideologisch motiviertes System war, sondern, dass es sich auch um ein wirtschaftliches Ausbeutungssystem handelte, mit welchem eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit hohe Renditen erzielen konnte. Ein System auf dem die florierende Wirtschaft des Landes basierte[9]. Mit der Abschaffung der Apartheid entfallen diese Möglichkeiten der hohen Rendite völlig und Südafrika rutscht ökonomisch in die Position eines Entwicklungslandes. Dabei gilt es einem Heer von Arbeitslosen die Chance zum Brotverdienen zu geben und es muss versucht werden, die mannigfachen wirtschaftlichen Probleme mit der Arbeitsethik und der Lebensauffassung eines multi-ethnischen Staates in Einklang zu bringen[10]. In dieser Zielsetzung bleiben erst einmal viele nur zu verständliche Forderungen nach besseren und gleichen Lebensbedingungen auf der Strecke. Eine vollständige Verwirklichung der Freiheits-Charta in allen ihren Punkten wird vielleicht nicht am politischen Willen, so aber doch an den ökonomischen Bedingungen der Möglichkeit scheitern.

Während der Volkskongress abgehalten wurde, war schon eine Reihe ANC-Mitglieder mit einem Bann-Order belegt, was bedeutete, dass sie sich weder frei bewegen noch frei äußern konnten noch durften sie öffentlich zitiert werden. Der ANC wurde bald darauf, nach dem von Polizeitruppen verübten Massaker von Sharpville, verboten. Die NP-Regierung entschloss sich in einer Flucht nach vorn, alle bedeutenden Oppositionsgruppen zu verbieten, insbesondere den ANC und den PAC, die SACP wurde bereits zuvor im Rahmen des Supression of Communism Act verboten. Die Führungspersonen jener Vereinigungen wurden durchweg mit Bann belegt.

Außerdem mussten sich 156 der Beteiligten einem Gerichtsprozess wegen Hochverrat stellen, welcher über mehrere Jahre geführt wurde und mit einem Freispruch endete.

Der ANC sah sich unter den gegebenen Umständen gezwungen, aus dem Untergrund weiter zu arbeiten. Das erforderte eine völlig veränderte Organisationsstruktur, die hierarchisch aufgebaut war und nur sehr wenig demokratische Delegation ermöglichte.

III. Regierungsprogramm und Regierungsarbeit

Nachdem der ANC aus dem Untergrund und Exil ausgedehnte Streikwellen und Protestkundgebungen organisiert hatte, nachdem er bei internationalen Gremien eine Ächtung Südafrikas und ein Embargo erkämpft hatte und bei der Bevölkerung eine deutliche Verweigerungshaltung im Sinne der Unregierbarkeitsstrategie bewirkte, sanken die ökonomischen Renditen zusehends. Die NP-Regierung wurde von Seiten der Wirtschaft zu Reformen gedrängt, da Südafrika nicht mehr in seinen Pariadasein existieren konnte. F.W de Klerk nahm sich der Aufgabe dieser Reformen an, wobei viele seiner Begleiter von politischem Selbstmord sprachen.

Trotzdem verkündete er 1990 auf seiner Regierungsantrittsrede das Ende der Apartheid. Damit musste der ANC seine Strukturen einer Widerstandsbewegung wieder umbauen, um als wichtigster Verhandlungspartner mit der alten Regierung eine demokratischere Legitimation zu haben. Dabei gab es zu Anfang noch einige Konflikte, zwischen dem überwiegenden Teil der aus dem Exil zurückkehrenden Führung und im Land existierenden Organisationsteilen, die ihre Positionen behaupteten. Weiterhin gab es Probleme bei der Überführung des militärischen Flügels des ANC umkhonto we sizwe (MK) in die neue demokratische Ordnung. Es kam zu Kompetenzstreitigkeiten auf allen Ebenen innerhalb der Organisation aber auch innerhalb des Landes. Eine Vielzahl der Beobachter prophezeite, dass Südafrika in Chaos und Gewalt versinken werde, wenn sich die über Jahrzehnte unterdrückte schwarze Mehrheit über den Reichtum der Weißen hermachen würde. Nelson Mandela war in dieser Zeit eine sehr wichtige Person von hoher Integrität. Er konnte die Mehrheit der Schwarzen davon überzeugen, dass die Weißen noch gebraucht werden, beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes.

[...]


[1] Zitiert nach: Heidi Holland, ANC - Braunschweig 1990, S. 94.

[2] Nelson Mandela, Der lange Weg zur Freiheit - Frankfurt am Main, 1997.

[3] ebd., S. 240.

[4] Michael Philippsen: Perspektiven der Verfassungentwicklung. in: Ulrike Schumacher (Hrsg.): "Das Neue Südafrika. Das Ende einer Illusion?", Frankfurt am Main, 1997.

[5] Nelson Mandela, Der lange Weg zur Freiheit - Frankfurt am Main, 1997.

[6] Die Freiheitscharta von Südafrika / hrsg. vom Weltfriedensrat in Zusammenarbeit mit d. Antiapartheid-Zentrum d. UNO. - 2. Aufl. / mit e. Einl. von Leslie O. Harriman. - Helsinki : Informationszentrum d. Weltfriedensrates. S. 6

[7] ebd., S. 7

[8] ebd., S. 9

[9] Jörg Fisch, Südafrika - München, 1990. S. 290 ff.

[10] Jens Aden, Der Abschied : Südafrikas Übergang von der Apartheid zur Demokratie - 1. Aufl.. - Wolfsburg : Ed. Phillon, 1995

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
ANC - zwischen Widerstandsbewegung und Regierungspartei
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Afrikanistik)
Veranstaltung
Geschichte Südafrikas im 20. Jh.
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V51382
ISBN (eBook)
9783638473774
ISBN (Buch)
9783638862370
Dateigröße
571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Widerstandsbewegung, Regierungspartei, Geschichte, Südafrikas
Arbeit zitieren
M.A. Birk Töpfer (Autor:in), 2001, ANC - zwischen Widerstandsbewegung und Regierungspartei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51382

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