Natur- und Umweltbewusstsein von Felskletterern im Pfälzer Wald


Bachelorarbeit, 2018

87 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

0 Vorwort

1 Einleitung

2 Klettern als Sportart
2.1 Geschichte des Kletterns
2.2 Felsklettern
2.2.1 Arten und Techniken
2.3 Klettern im Pfälzer Wald
2.3.1 Geschichte des Pfalzkletterns
2.4 Demographische Daten des Kletterns in Deutschland und der Pfalz

3 Klettern und Naturschutz
3.1 Naturschutz im Pfälzer Wald
3.1.1. Tier- und Pflanzenwelt im Pfälzerwald
3.2 Kletterspezifischer Natur- und Umweltschutz
3.4 Forschungsergebnisse im Bereich Klettern und Umweltbewusstsein

4 Natur- und Umweltbewusstsein
4.1 Begriffsdefinitionen
4.2 Die Entwicklung von Umweltbewusstsein
4.2.1 Einflussfaktoren auf das Umweltbewusstsein
4.2.2 Die Bedeutung von Naturerfahrungen für das Umweltbewusstsein

5 Empirische Untersuchung
5.1 Das Untersuchungsinstrument
5.1.1 Die Naturbewusstseinsstudie
5.1.2 Der Fragebogen
5.2 Durchführung der Befragung

6 Auswertung und Darstellung der Ergebnisse
6.1 Persönliche Angaben
6.2 Die Einstellungsdimensionen
6.3 Ergebnisse zu den Hypothesen

7 Diskussion
7.1 Vergleich der Leititems
7.2 Interpretation der Hypothesentests
7.3 Kritische Betrachtung

8 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Anhang

0 Vorwort

Die vorliegende Bachelorthesis über das Natur- und Umweltbewusstsein von Felskletterern im Pfälzer Wald stellt eine Verbindung zwischen den zwei Studienfächern Sportwissenschaft sowie Naturschutzbiologie dar. Die persönliche Leidenschaft für das Felsklettern weckte das Interesse, mehr über die Einstellung zur Natur von Klettersportlern zu erfahren und neue Erkenntnisse in diesem Forschungsgebiet voranzutreiben

Aufgrund langjähriger persönlicher Klettererfahrungen im Pfälzer Wald wurde bereits am eigenen Leib erlebt, dass diese Erfahrungen einen persönlich, insbesondere hinsichtlich des eigenen Naturbewusstseins, verändern können.

Nach Alexander von Humboldt „muss die Natur gefühlt werden“ erst so kann eine Beziehung zu ihr entstehen (vgl. Der Tagesspiegel, 2016, Absatz 12). Nun soll in dieser Arbeit geklärt werden, ob durch das Klettern in der Natur diese auch stärker „gefühlt“ werden kann und ob sich durch diese Erfahrung das Naturbewusstsein verändert.

Für eine bessere Lesbarkeit dieser Arbeit werden Personenbezeichnungen wie „Kletterer“ oder „Teilnehmer“ in der männlichen Form verwendet. Dabei sind in allen Fällen Frauen und Männer gemeint.

1 Einleitung

Wegen der stetig steigenden Zahl der Kletterer nimmt der Druck auf die Felsbiotope weiter zu. Im sauerländischen Hönnetal gibt es Dutzende natürlicher Felstürme. Das Hönnetal ist ein traditionelles Klettergebiet. Und es ist ein FFH- Gebiet, ein Naturschutzgebiet nach europäischem Recht. Deshalb ist es komplett für die Kletterei gesperrt worden. […] Die zuständige Bezirksregierung klagt, offene Feuerstellen und Trampelpfade wiesen auf illegales Klettern hin. Streng geschützte Vögel hätten deshalb ihre Nester verlassen (Deutschlandfunk, 2014, Absatz 1).

Dieser Auszug aus einem Bericht des Deutschlandfunks 2014 weist exemplarisch auf die Konflikte zwischen oft fast hundert Jahre alter Klettertradition und dem Schutz der Natur hin, der in diesem Fall bis hin zum kompletten Verbot des Kletterns in diesem Gebiet geführt hat. Auch in anderen Regionen wird die Natur durch die steigende Beliebtheit des Kletterns immer mehr genutzt, sodass die Naturschutzbehörden Handlungsbedarf sehen (vgl. ebd., Absatz 2f). Das Beispiel vom sauerländischen Hönnetal zeigt, dass das Klettern an den Sandsteinfelsen des Pfälzer Waldes, das bislang noch zu keinen größeren Einschränkungen geführt hat, jedoch keine Selbstverständlichkeit ist.

Der Konflikt zwischen Naturschützern und Kletterern führt dazu, dass Regelungen getroffen werden müssen, um sowohl seltene Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, als auch den Kletterern eine Möglichkeit zur Ausübung ihrer Sportart zu bieten. Deutschlandweit gibt es unterschiedliche Regelungen bezüglich teilweise oder komplett gesperrter Felsen für Klettersportler aufgrund des Naturschutzes.

Betrachtet man diese Nutzungskonflikte zwischen dem Klettersport und dem Lebensraum für heimische Tiere, so erweist sich Klettern auf den ersten Blick als eine Sportart, die an dem Erhalt der Natur nicht besonders orientiert ist und wenig Sinn für Naturschutz bietet. Doch ist es nicht möglich, dass das Klettern am Fels in unmittelbarer Umgebung zur natürlichen Umwelt, einen intensiveren Kontakt und Zugang zur Natur ermöglicht und somit die Menschen für das Thema Natur und Umwelt mehr sensibilisiert? Gerade das Klettern an Naturfelsen bietet eine Fülle an Naturerfahrungen und Bewegungsmöglichkeiten, dass daraus ein tieferes Verständnis für Natur- und Umweltschutz entstehen könnte.

Um herauszufinden, ob im Klettern potentielle Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf Natur-/ und Umweltbewusstsein stecken können, wird deshalb in der vorliegenden Bachelorarbeit beleuchtet, wie sich das Bewusstsein für Natur und Umwelt bei Kletterern darstellt. Dabei wurde sich aufgrund der Regionalität zur Universität Landau auf das Gebiet des Pfälzer Waldes beschränkt. Mithilfe des Fragebogens der Naturbewusstseinsstudie 2015 des Bundesamtes für Naturschutz konnte eine empirische Untersuchung zu dieser Fragestellung in die Wege geleitet werden. Durch den Vergleich der Ergebnisse dieser Studie mit denen der Naturbewusstseinsstudie 2015, die ein Abbild der Durchschnittsbevölkerung in Deutschland liefert, konnte dann betrachtet werden, ob Unterschiede bestehen, die darauf zurückzuführen sein könnten, dass Kletterer durch ihren Sport mehr unmittelbare Erfahrungen mit der Natur machen, die ihr Umweltbewusstsein prägen.

In dieser Arbeit wird einführend geklärt, was das Klettern als Sportart ausmacht und ein Abriss darüber gegeben, wie das heutige Felsklettern entstanden ist (Kapitel zwei).

Das dritte Kapitel widmet sich dem Themenfeld Klettern und Naturschutz, dabei wird unter anderem auf die relevanten Naturschutzaspekte in Verbindung mit der Sportart eingegangen.

Im vierten Kapitel werden Begrifflichkeiten im Kontext von Natur- und Umweltbewusstsein näher beleuchtet und erläutert, wie sich Umweltbewusstsein entwickeln kann, und unter Rückgriff auf die Befunde von Bögeholz (1999) der Zusammenhang von Naturerfahrungen und Umweltbewusstsein dargelegt. Außerdem wird das Thema Umweltverhalten kurz skizziert.

Im Anschluss an die Theorie folgen die Methoden der empirischen Untersuchung (Kapitel fünf). Die Hypothesen der Arbeit werden dargelegt, die sich aus der zuvor beschriebenen theoretischen Grundlage ergeben. Es wird die Naturbewusstseinsstudie des Bundesamts für Naturschutz vorgestellt, die als Grundlage für diese Studie diente, sowie die Methoden und das Vorgehen genauer erörtert.

Die Auswertung und Darstellung der Ergebnisse sind Inhalt des sechsten Kapitels, hier werden die ausgewerteten Ergebnisse der Umfrage veranschaulicht und die geprüften Hypothesen vorgestellt.

Im siebten Kapitel, der Diskussion werden diese Ergebnisse dann interpretiert und erörtert, und in Bezug zur theoretischen Grundlage gesetzt. Darauf folgt eine kritische Betrachtung der Studie. Ein Ausblick soll Ansatzpunkte für weitere interessante Forschungsmöglichkeiten im Bereich von Klettern und Naturschutz geben.

Abschließend wird im Fazit die Bedeutung der Ergebnisse, und insbesondere deren Relevanz als Chance für Umweltbildungsmaßnahmen, deutlich gemacht (Kapitel 8).

2 Klettern als Sportart

Nahezu jeder Mensch hat schon einmal das Klettern in seiner ursprünglichsten Form betrieben. „Klettern ist wie Gehen, Laufen, Hüpfen, Springen usw. eine Grundtätigkeit, die jeder Mensch zumindest in der Kindheit in irgendeiner Form (auf einen Baum, über eine Mauer, auf die Sprossenwand, auf eine Leiter) schon ausgeführt hat“ (Elsner & Haase, 2000, S.72). Klettern wird hier als eine Grundbewegungsart beschrieben, die jeder Mensch im Verlauf seines Lebens bereits ausgeübt hat. Das Klettern bietet den Menschen somit die Möglichkeit, natürliche Bewegungsformen auszuüben. Dabei erscheint die Vielfalt der Bewegungsmöglichkeiten als beinah grenzenlos, da selbst in ein und derselben Route (definierte Kletterstrecke) auf unterschiedlichste Art und Weise mit den Strukturen der Wand gearbeitet werden kann (vgl. Shepherd, 2007, S.18).

Nicht außer Acht zu lassen ist, dass es sich beim Klettern um eine Risikosportart handelt. Schon ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, sowohl durch den Kletterer, als auch den Sicherer kann fatale Folgen haben. Demnach ist es von größter Bedeutung für den Sportler sowohl das eigene Können, wie auch die gebietstypischen Eigenheiten (Felsqualität, Wetter etc.) richtig einschätzen zu wissen und dementsprechend zu handeln (vgl. Güllich & Kubin, 1989, S.132).

Wie andere Sportarten auch, hat das Felsklettern eine soziale Wirkung auf die, welche ihn betreiben. Zwar findet das Klettern selbst im Alleingang statt, jedoch muss dem Sicherungspartner am Boden vertraut werden, weshalb die Kommunikation eine essenzielle Grundlage einer funktionierenden Seilschaft (bestehend aus mindestens zwei Kletterern) ist. Klettern ist ein sozialer Sport, da er nicht alleine betrieben werden kann, gegenseitiges Vertrauen und sich aufeinander verlassen zu können sind für diese Sportart elementar (vgl. Brandauer, 1994, S.31f; Ebd., S.38).

2.1 Geschichte des Kletterns

Im Folgenden soll geklärt werden, wie die Entwicklung des Bergsteigens zum heutigen Klettersport geführt hat. Dabei soll die Geschichte des Bergsteigens und Kletterns in einen logischen Zusammenhang gebracht werden. Da Motivationen und Möglichkeiten in den verschiedenen Gebieten nicht gleich waren und sich sowohl Gemeinsamkeiten, als auch Unterschiede feststellen lassen, wird im Folgenden aufgrund des besseren Verständnisses auf die europäische Klettergeschichte eingegangen.

Die Geschichte des Kletterns reicht Jahrtausende zurück. „[…] überall dort, wo Schäfer oder Holzfäller zwischen Felsen ihrer Arbeit nachgehen, wird man dann und wann gezwungen gewesen sein, zu klettern. Um den Tieren nachzusteigen, eine Felsspitze zu erreichen oder einen Baumstamm umzusägen, der an exponierter Stelle stand“ (Messner, 2002, S.20 zitiert nach Hohmann, 2003, S.4f.). Damals war das Klettern jedoch keinesfalls ein Selbstzweck, sondern war in höher gelegenen Bergregionen ein Mittel zur Berufsausübung. Dass es dazu kommen konnte, dass das Bergsteigen mehr als ein Mittel zum Zweck wurde, dafür werden zwei geistesgeschichtliche Entwicklungen verantwortlich gemacht: Zum einen wurde aufgrund der Entmythologisierung der Natur durch die Zeit der Aufklärung ein neuer, naturwissenschaftlicher Zugang zu der Natur dargelegt. Zum anderen fand durch die Industrialisierung ein Entfremdungsprozess von der Natur statt. Die Epoche der Romantik (1790-1840) setzte mit dem Motiv einer bewussten Naturwahrnehmung dem entgegen (ebd., S.5).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren bereits fast alle hohen Berge der Alpen bestiegen worden. Somit war die Möglichkeit, auf dem klassischen Weg des Bergsteigens neue Gipfel zu erklimmen, eingeschränkt. Aufgrund dieser Tatsache entstanden neue alpinistische Bewegungen. Zum einen wurden an anderen Orten außerhalb der Alpen neue Gipfel gesucht, welche erstbestiegen werden konnten. Auf der anderen Seite wurde versucht, neue und schwierigere Wege auf einen bereits bestiegenen Berg zu finden. So rückte auch das sportliche Können immer mehr in den Vordergrund des Bergsteigens. Während die Alpinisten des 19. Jahrhunderts im Klettern vorwiegend ein Mittel zum Zweck sahen, war für die neue Klettergeneration der Weg das Ziel. Es wurden zunehmend neue Klettergärten als Trainingsgebiete erschlossen, da ohne die entsprechende Kraft und Technik die anspruchsvollen Routen nicht begangen werden konnten. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden vermehrt Bohrhaken an den Kletterrouten angebracht, sodass es möglich wurde, mit künstlichen Hilfsmitteln selbst schwierigste Passagen zu durchsteigen. Das Klettern erfolgte nun an Steigleitern, welche an den Bohrhaken angebracht wurden, und nicht mehr an den vorhandenen Felsstrukturen. Diese Art des technischen Kletterns führte dazu, dass es kaum noch Herausforderungen gab, welche nicht ohne Hilfsmittel bewältigt werden konnten. So setzte sich der Gedanke des freien Kletterns bei amerikanischen, englischen und französischen Kletterern wieder stärker durch. Der Freikletter-Gedanke führte zum heutigen Sportklettern, bei dem Felsen nur mithilfe des eigenen Körpers bewältigt werden. In den achtziger Jahren wurden vermehrt Kletterwettkämpfe an künstlichen Kletterwänden organisiert. Damit wurde es möglich, die Teilnehmer direkt miteinander zu vergleichen und zu bewerten (vgl. Brandauer, 1994, S.13ff).

Das Sportklettern in seiner heutigen Form gilt als die jüngste Spielart des Alpinismus. Die Anerkennung des Sportkletterns als eine der besonderen Disziplinen des Bergsteigens verlief jedoch nicht problemlos, vielmehr wurde diese Bewegung von den traditionellen Bergsteigern sehr zwiespältig aufgenommen. Es herrschte Uneinigkeit darüber, welcher Begehungsstil Geltung besaß. Dass sowohl diverse Bergsportvereine, wie der deutsche Alpenverein (DAV), das Sportklettern nunmehr verstärkt unterstützen, verweist jedoch auf die erfolgte Anerkennung (vgl. ebd., S.13). Heutzutage erfreut sich Klettern immer größerer Beliebtheit, so wird im deutschsprachigen Europa das Sportklettern von einer zunehmenden Zahl an Kletterern aktiv betrieben. Sowohl in Kletterhallen, als auch an den Felsen der Gebirge, sowie der Mittelgebirge kann diese Sportart ausgeübt werden. Mit den immer mehr werdenden Kletterhallen, welche die Möglichkeit bieten in allen Schwierigkeitsgraden bei sehr geringem Risiko jederzeit klettern zu gehen, hat sich Klettern als Breitensport etabliert (vgl. Winter, 2010, S.6).

Ab 2020 wird das Sportklettern sogar ein Teil der Olympischen Spiele. „Dafür wurde das neue Wettkampfformat „Olympic Combined“ geschaffen, und insgesamt 40 Athleten (20 Frauen und 20 Männer) für Tokio 2020 zugelassen“ (Klettern, 2017, Absatz 2). Durch die Medien wird dem Klettersport voraussichtlich noch mehr öffentliches Interesse entgegengebracht.

2.2 Felsklettern

Das Felsklettern ist eine Natursportart, welche der Kategorie des Bergsports1 zugeschrieben wird (vgl. Späker, 2017, S.106).

Im Vergleich zur Kletterhalle bietet der Naturfelsen ein höheres Bewegungs-, sowie Erlebnispotential. Jedoch müssen beim Klettern am Fels verschiedene Regeln beachtet werden, da das Klettern in der Natur ein erhöhtes Maß an Selbst- und Mitverantwortung benötigt. Zuerst sollte geklärt werden, ob der ausgewählte Fels gesperrt ist (unter anderem wegen Vogelschutz) oder eine Teilsperrung für bestimmte Kletterrouten vorliegt. Neben diesen Naturschutzaspekten gilt es auch zu überprüfen, welche Felsen wie abgesichert sind, bzw. ob Routen ganz oder teilweise mit mobilen Sicherungen (Klemmgeräten, Schlingen) selbst abzusichern sind. Der Kletterer ist für sich selbst und seinen Partner (mit-) verantwortlich und muss das Risiko einschätzen können. Das bedeutet, es muss das eigene Können reflektiert und realistisch beurteilt werden, bevor in eine Route eingestiegen wird (vgl. Hoffmann, 2013, S.6f). Außerdem unterscheidet sich das Klettern im Freien insofern vom Klettern an künstlichen Wänden, dass der ausgewählte Fels erst einmal erreicht werden muss. Um an die benötigten Informationen zu gelangen, empfiehlt es sich einen Kletterführer für das entsprechende Gebiet zu benutzen. Der Zustieg zu den Felsen, also der Weg, welcher zu Fuß an das Klettergebiet zurückgelegt wird, muss mit einkalkuliert werden. So kann ein Zustieg in den Alpen mehrere Stunden dauern. Außerdem sollte vor der Anreise die Wetterprognosen geprüft werden, da das Klettern bei Unwetter viele Gefahren birgt (vgl. Hagenmuller et al., 2010, S.16f).

2.2.1 Arten und Techniken

Es gibt unterschiedliche Arten einen Felsen zu ersteigen. Die mittlerweile am weitesten verbreitete Art an Felswänden zu klettern ist das Freiklettern. Nach Güllich & Kubin (1989, S.17) kann es folgendermaßen definiert werden:

Zur Überwindung der Schwerkraft beim Klettern werden allein die vom Fels gegebenen natürlichen Haltepunkte wie Griffe, Tritte, Risse etc., verwendet. Benutzt man irgendwelche künstlichen Hilfsmittel wie Seil, Haken oder Klemmkeile zur aktiven Fortbewegung oder auch nur zum Ausruhen, so hat man von künstlicher Kletterei zu sprechen.

Beim Freiklettern werden ausschließlich die natürlichen Felsstrukturen, wie Leisten, Löcher oder Risse, zur Fortbewegung benutzt (siehe Abb. 1). Auf das Anbringen von künstlichen Haltepunkten, sowie Steigleitern wird dabei komplett verzichtet. Hilfsmittel wie Seil, Karabiner, Schlingen oder mobile Sicherungen werden ausschließlich zur Selbstsicherung verwendet und dienen somit nicht der Fortbewegung am Fels (vgl. ebd. S.17; Brandauer, 1994, S.9). Häufig wird das Freiklettern (Englisch: Freeclimbing) mit Free Solo verwechselt, bei dem komplett ohne Seilsicherungen über Absprunghöhe hinausgeklettert wird. Das Ziel des Freikletterns ist die Durchsteigung einer Kletterroute bis zu ihrem Ende in einem Zug und ohne Ruhen oder Sturz ins Seil (vgl. Brandauer, S.9f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Idealisiertes Wandprofil eines Felsstandortes (Senn, 1995, S.79)

Im Folgenden werden die geläufigsten Freikletter-Stile beschrieben und erläutert. Darauf folgt eine kurze Erläuterung unterschiedlicher Klettertechniken am Fels.

Klassisches Klettern

Das Klassische Klettern oder traditionelle Klettern entstand Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhundert und wird von vielen als der ethisch reinste Stil verstanden. Damals waren die vorhandenen Sicherungsmittel oft einzig und allein ein Hanfseil, welches die Kletterer miteinander verband und wenige Schlaghaken, die in Felsrisse mittels Hammer geschlagen wurden. Heute kann auf unterschiedliche, moderne Sicherungsmittel, wie Keile, Rocks, Hexentrics, Friends oder Schlingen, zurückgegriffen werden (siehe Anhang 2,3). Diese mobilen Sicherungen werden an geeigneten Stellen vom Kletterer (Vorsteiger) am Fels platziert und können dann vom nachkommenden Kletterer (Nachsteiger) wieder entfernt und mitgenommen werden. So kann der Felsen in seiner ursprünglichen Form belassen werden, und auf das Setzen von Sicherungsringen (siehe Anhang 4) weitgehend verzichtet werden. Beim klassischen Klettern wird vorwiegend frei geklettert. Jedoch wurden bei den Erstbegehungen einzelne schwierige Passagen oft technisch geklettert, das heißt, es wurde sich an Sicherungspunkten unter Zuhilfenahme von Steigleitern nach oben gearbeitet, um die, wie damals noch gedacht, „unkletterbaren“ Passagen einer Kletterroute zu durchsteigen. Da das klassische Klettern viel Erfahrung und Wissen des Kletterers voraussetzt, wird diese Disziplin vor allem von Bergsteigern mit einer langjährigen Klettererfahrung betrieben (vgl. ebd., S.10; Shepherd, 2007, S.22f).

Sportklettern

Das Sportklettern zählt zu der am meisten verbreiteten Art des Kletterns und kann von Anfängern, wie auch von Fortgeschrittenen in allen Altersstufen betrieben werden. „Die Grundlage des Sportkletterns ist die Idee des Freikletterns. Zur Fortbewegung dürfen nur die Gesteinsstrukturen der Felswand als Griff- und Trittmöglichkeiten benutzt werden“ (Winter, 2010, S.9). Beim Sportklettern wird im Vergleich zum klassischen Klettern nur wenig Ausrüstung benötigt, da sämtliche Sicherungspunkte in den meisten Fällen schon fest im Fels verankert sind (vgl. Shepherd, 2007, S.24). Die Routen sind normalerweise eine Seillänge lang (circa 10-35 Meter) und enden unterhalb des höchsten Punktes der Wand an einem Standplatz oder einer Umlenkung, von wo aus der Sicherungspartner den Kletterer zum Boden ablassen kann. Da beim Sportklettern das Seil mittels Karabiner in bereits vorhandene Haken eingeklinkt wird und nicht wie beim klassischen Klettern oft eigene Sicherungspunkte angebracht werden, kann sehr schnell und viel geklettert werden (vgl. ebd., S.24). Ebenso ist es möglich Kletterrouten im Toprope (Nachstieg) zu klettern, darunter wird verstanden, dass das Seil mittels Karabiner am höchsten Punkt der Kletterroute umgelenkt wird. Dadurch kann sich die kletternde Person jederzeit in den Gurt setzen und ausruhen. Im Vergleich zum

Vorstiegs-Klettern besteht dabei kein Sturzrisiko2 und auf das Anbringen von Zwischensicherungen kann bei einem geraden Routenverlauf verzichtet werden (vgl. Winter, 2010, S.17).

Bouldern

Das Bouldern (engl. boulder = Felsblock) beschreibt das Klettern in Absprunghöhe. Diese Spielform des Kletterns kann allein oder zu mehreren und ohne Seilsicherung betrieben werden. Vor allem für das Erlernen und Verbessern von Klettertechniken, sowie für das regelmäßige Klettertraining hat das Bouldern in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung dazu gewonnen. Darüber hinaus hat es sich mittlerweile zu einer eigenständigen Spielart des Kletterns entwickelt. Viele betreiben lediglich das Bouldern als einzige Kletterdisziplin, da ausschließlich die Kletterbewegungen im Vordergrund stehen. Diese werden an manchen Felsblöcken auf wenige Kletterzüge, manchmal sogar auf nur einen einzelnen reduziert. Darüber hinaus ist das Bouldern mit einem geringeren zeitlichen Aufwand verbunden und es ist kein Sicherungspartner notwendig (vgl. ebd., S.83).

Da beim Klettern der ganze Körper eingesetzt wird und es eine schier unendliche Zahl an Routen gibt, die jede ihre je eigenen Ansprüche an den Körper des Kletterers hat, wäre es zu ausführlich, und theoretisch nur schwer nachvollziehbar, jede spezielle Klettertechnik, zum Beispiel Riss- oder Überhangklettern hier zu erläutern. Deshalb wird im Folgenden nur ein kurzer Abriss über die grundlegenden Techniken des Kletterns gegeben.

In leichten Kletterrouten gibt es meist relativ viele Griffe, welche das Aufsteigen erleichtern. Beim Klettern geht es neben dem Greifen vor allem um die Beinarbeit. Die Beinmuskulatur ist stärker und ausdauernder als die der Arme, daher empfiehlt es sich, die Füße möglichst geschickt einzusetzen, um kraftsparend zu klettern. Je geringer der Neigungswinkel der Felswand ist, desto leichter fällt das Stehen. Oft müssen die feinen Unebenheiten der Felswand genutzt werden, indem die Sohlen gegen den Felsen gepresst werden, um die Reibung zu nutzen (vgl. Shepherd, 2007, S.18).

Beim Klettern besteht häufig die Möglichkeit, Stellen entweder mit Technik oder Kraft zu lösen. Je ausgereifter die Technik ist, desto weniger Kraft wird insgesamt für die Begehung einer Kletterroute benötigt (vgl. Hoffmann, 2012, S.41). Hoffmann formuliert vier Regeln, welche für eine grundlegende Klettertechnik entscheiden sind:

1. In einliegenden bis senkrechten Gelände wird der Körperschwerpunkt möglichst über der Standfläche gehalten.
2. In senkrechtem bis überhängenden Gelände werden die Tritte im Lot der Haltehand gewählt. Die Haltehand ist jeweils die, welche nicht weitergreift.
3. Beim Weitergreifen bzw. Weitertreten behalten die drei anderen der vier Haltepunkte (zwei Hände, zwei Füße) ihren Wandkontakt („Dreipunktregel“)
4. Die Bewegungen erfolgen reversibel, also zurücknehmbar

(Verändert nach Hoffmann, 2012, S.41).

Diese Klettertechniken können neben anderen, spezielleren Techniken auf unterschiedliche Felsstrukturen (Risse, Kamine, Platten etc.) angewendet werden. Kletterrouten können sich von ihren Strukturen deutlich voneinander unterscheiden. Im nächsten Kapitel werden die gebietstypischen Felsstrukturen des Pfälzer Sandsteins kurz genannt.

2.3 Klettern im Pfälzer Wald

Der südliche Teil des Pfälzer Waldes, der Wasgau, ist eine der eindrucksvollsten Buntsandstein-Landschaften Deutschlands. Die etwa 80 freistehenden Türme und mehr als 140 Massive geben dem Dahner und Annweiler Felsenland ihr charakteristisches Gepräge. Durch die oft exponierte Lage und einen rötlichen Grundton stellen die Felsen einen Kontrast zu den dunklen Farben des hier überwiegenden Kiefernwaldes dar und gestalten das Landschaftsbild abwechslungsreich. […] Die bis über 60 Meter hohen, teilweise mächtigen Wände in einer reizvollen Landschaft und eine langjährige Klettertradition machen die Südpfalz zu einem der bedeutendsten Sandsteinklettergebiet Westeuropas (Daigger & Cron, 1996, S.7).

Jedes Klettergebiet hat seine eigenen charakteristischen Merkmale und Besonderheiten, einerseits durch die Einzigartigkeit einer jeden Landschaft, in die das Gebiet gebettet ist, wie es hier für die Pfalz beschrieben ist, und die Eigenheiten der Felsstrukturen im Besonderen: Das Klettern im Pfälzer Buntsandstein wird von vielen Kletterern als ausgesprochen vielseitig wahrgenommen: „An ein und denselben Felsen gibt es nebeneinander Risse, Kamine, Reibungsplatten, Wabenwände und Überhänge. Das typische Griffbild der Pfalz ist charakterisiert von Auflegern und Leisten, Kieselsteinen, Löchern und Waben“ (Richter & Tittel, 2013, S.12). Die Pfälzer Sandsteinfelsen bieten Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden. Diese können flach (Platten-Klettern), gerade und steil (Wand-Klettern) oder sogar überhängend sein (Überhang-/ Dach-Klettern). Im Anhang befindet sich eine Schemazeichnung eines typischen Sandsteinfelsens der Pfalz mit den gebietstypischen Eigenheiten (siehe Anhang 1). Was die Pfalz als eines der beliebtesten Klettergebiete Deutschlands auszeichnet, ist neben der Vielfalt an unterschiedlichen Routen (über 5000) die Tatsache, dass eindrucksvolle klassische Kletterrouten neben anspruchsvollen Sportklettertouren (siehe Anhang 5) geklettert werden können (vgl. ebd., S.12).

Was das Klettern im Pfälzer Buntsandstein ebenso einzigartig macht, ist die gebietseigene Kletterethik. Diese bezieht sich vor allem auf die Quantität der in den Felsen angebrachten Ringe, welche der Absicherung dienen. So finden sich in vielen Sportklettergebieten viele feste Ringe in den Wänden, wodurch sich das Anbringen von zusätzlichen Sicherungen erübrigt. In traditionellen Klettergebieten, wie im Elbsandstein-Mittelgebirge, sind jedoch neben den wenigen Ringen nur Knotenschlingen zur Absicherung erlaubt. Die Pfalz ist ebenso ein traditionsreiches Klettergebiet. Vor allem in den zahlreichen historischen/ klassischen Routen sind nur wenige Sicherungsringe vorhanden. Daher müssen viele der klassischen, aber auch modernen Routen mit mobilen Sicherungen wie Klemmgeräten oder Schlingen selbst abgesichert werden (siehe Anhang 2,3) (vgl. Hoffmann, 2013, S.27; Richter & Tittel, 2013, S.12).

2.3.1 Geschichte des Pfalzkletterns

Die Pfälzer Klettergeschichte begann vermutlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts am Asselstein, einen freistehenden Felsen über der Stadt Annweiler:

Bereits 1860 machten sich die ersten Wagemutigen auf, um [diesen imposanten Sandsteinturm zu erklimmen]. Die Erstersteigung war abenteuerlich. Bis auf den Westgrat ging es über einen nahe stehenden Baum. Dann wurden Löcher gemeißelt, in diese wurde eine Holzleiter gestellt und einfach an die Wand gelehnt. Über die gelangten die 4 Männer […] schließlich zum Gipfel (Richter & Tittel, 2011, S.50).

Erst 1909, knapp 50 Jahre später erfolgte eine sportliche einwandfreie Besteigung des Asselsteins über den heutigen ‚Normalweg‘ (vgl. Ebd., S.50).

Im Jahre 1919 wurde die Vereinigung der Pfälzer Kletterer E.V. (kurz: PK) gegründet, welche die Entwicklung des Pfälzer Kletterns maßgeblich mitgeprägt hat. Bis in die Mitte der siebziger Jahre wurden die meisten Erstbegehungen von Vereinsmitgliedern durchgeführt. Mitte der siebziger Jahre sah sich der traditionell geprägte Verein einer neuen Entwicklung – dem Sportklettern – gegenüber. Dabei kam es zum sogenannten „Pfälzer Hakenstreit“ (vgl. Daigger & Cron, 1996, S.45). Die modernen Sportkletterer begannen, Ringe vor der Erstbegehung in den Felsen zu setzen und benutzten Magnesia3, wodurch die bestehenden Schwierigkeitsgrade immer weiter angehoben wurden. Als Reaktion der Traditionalisten folgten Hakenabsägeaktionen, Anzeigen wegen Magnesiamissbrauch, sowie persönliche Anfeindungen (vgl. Geiger, 2015, S.162). Aufgrund drohender Felssperrungen aus Naturschutzgründen zeigten sich die Felskletterer kompromissbereit. Dies führte ab 1990 dazu, dass die alten Regelungen im Konsens zwischen Tradition, Moderne und Naturschutz überarbeitet wurden, und durch die Richtlinien für sanftes Klettern im Naturpark Pfälzerwald ersetzt wurden, sodass sich auch die Vereinigung der Pfälzer Kletterer für das Sportklettern öffnete (vgl. ebd., S.162). Die Verfassung dieser Neuregelungen zeigt, dass Kletterer in der Vergangenheit durchaus die Bereitschaft gehabt haben, ihren Sport den Bedürfnissen der Natur anzupassen.

2.4 Demographische Daten des Kletterns in Deutschland und der Pfalz

Es ist schwierig eine genaue Zahl zu nennen, wie viele Menschen in Deutschland aktiv klettern. So werden in verschiedenen Medien oftmals überhöhte Schätzungen über die Anzahl deutscher Felskletterer angegeben (vgl. Schurz, 2000, S.31 zitiert nach Hohmann, 2003, S.33).

Anhaltspunkte zur Beliebtheit von Bergsportarten, zu denen auch das Klettern zählt, liefern die Zahlen des DAV im „Hintergrundinfo-Bericht“ von 2018. Der Deutsche Alpenverein (DAV) wurde am 9. Mai 1869 gegründet und ist mit circa 1,25 Millionen Mitgliedern die größte Bergsportvereinigung der Welt. Er setzt sich aus einzelnen selbstständigen Sektionen in Deutschland zusammen (insgesamt 356). Die Zahl der DAV-Mitglieder ist in den vergangenen Jahren jeweils um rund 5% gestiegen. Laut einer Mitgliederbefragung des DAV verzeichnet der Klettersport in Deutschland starke Zuwächse. In der letzten Leserbefragung 2017 gaben 23% an, Sportklettern Indoor zu betreiben, während 18% notierten, draußen Sportklettern zu gehen. Die Befragung gelangte zu dem Ergebnis, dass sich die Anzahl der aktiven Klettersportler in Deutschland auf rund 600.000 Personen beläuft. Allerdings werden hier Felskletterer, Hallenkletterer, als auch Boulderer mit einberechnet (vgl. DAV, 2018, S.1).

Rund 60% aller Kletter-Anfänger sind zwischen zwölf und 20 Jahre alt. Am dauerhaftesten aktiv sind die Altersgruppen zwischen 20 und 39 Jahren. Fast die Hälfte aller Kletternden ist weiblich (vgl. ebd., S.2).

Auf lokaler Ebene sind keine Statistiken bekannt, wie viele Kletterer jährlich in den Pfälzer Wald zum Klettern kommen. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Sport meistens unorganisiert (außerhalb eines Vereins) betrieben wird, kann nur anhand der Mitgliederzahlen der lokalen Verbände eine Entwicklung abgeleitet werden. Der Verein der Pfälzer Kletterer zählt aktuell 1057 Mitglieder (2018), während es im Jahr 2014 noch 917 Mitglieder waren. Es ist demnach ein Wachstumstrend zu erkennen, welcher als ein allgemein steigendes Interesse am Klettersport in der Bevölkerung gedeutet werden kann (vgl. Sportbund Pfalz, 2014/ 2018).

3 Klettern und Naturschutz

Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, nimmt die Anzahl der Kletterer kontinuierlich zu, wobei die Anzahl an kletterbaren Felsen nahezu konstant bleibt. Weniger als 1% der Fläche Deutschlands sind Felsen, wobei der größte Teil davon in den Alpen liegt. Viele aktive Kletterer bevorzugen aufgrund der schnellen Erreichbarkeit das Klettern im Mittelgebirge, dazu kommt noch eine wachsende Anzahl an Indoor-Kletterern, welche Erfahrungen am Naturfels sammeln wollen. Über die Hälfte der Kletterer, welche den Sport in Kletterhallen ausüben, bekunden ihr Interesse, auch einmal am Felsen klettern zu gehen (Outdoor-Klettern) (vgl. Hoffmann, 2013, S.7). Dadurch steigt der Druck auf seltene Tier- und Pflanzenarten, welche die Felsen als ihren Lebensraum benötigen (vgl. ebd., S.11f).

Der DAV betont den sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit den Felsen als Lebensraum. Wer in die freie Natur hinaus zum Klettern gehen will, sollte sich zunächst vergewissern, ob das ausgesuchte Gelände und die dort befindlichen Felsen aus Naturschutzgründen überhaupt betreten werden dürfen. Denn Felsen sind in Deutschland ausgesprochen seltene Landschaftsformen: Sie sind - im Gegensatz zur übrigen menschlich genutzten Landschaft - nicht wirtschaftlich genutzt und vielfach die Heimat seltener Pflanzen und Tiere. Sie sind deshalb in unterschiedlicher Weise unter Schutz gestellt. Felsen stellen kleine empfindliche Ökosysteme dar, welche sich nach Schädigung oft kaum mehr erholen. Klimaveränderung, Schadstoffeintrag und technische Eingriffe beeinträchtigen diese Biotope. Daneben kann auch die Nutzung durch Sportler, wie Kletterer und Erholungssuchende zu lokalen Schäden führen (vgl. ebd., S.3).

Es ist unabdingbar geworden, gesetzliche Vorgaben bezüglich der Nutzung der Felsen zu erlassen. So werden in diesem Kapitel zuerst die Begebenheiten im Biosphärenreservat Pfälzer Wald – Nord-Vogesen erläutert, und dann auf Naturschutzaspekte im Kontext von Klettern eingegangen.

3.1 Naturschutz im Pfälzer Wald

Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind der Erhalt der biologischen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit, sowie der Erhalt der Vielfalt, Eigenart und Schönheit, sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft (vgl. BfN, 2009, §1 BNatSchG, S.2543). Deutschlandweit gibt es zunehmend mehr Naturschutzgebiete und die Anzahl derer wächst konstant. Das Interesse der Naturschutzbehörden und Verbände besteht darin, die Schutzgebiete möglichst frei von menschlichen Störungen zu belassen, sodass sich geschädigte Naturräume dauerhaft regenerieren können (vgl. BfN, 1996/ 2008, zitiert nach Engel et al., 2011, S.119).

Das Bundesnaturschutzgesetz definiert für die jeweiligen Schutzgebiete einen entsprechenden Paragraphen. Nach Naturschutzgebieten und Nationalparks haben Biosphärenreservate, wie das Biosphärenreservat Pfälzer Wald – Nord-Vogesen, den höchsten Schutzstatus von Gebieten, die auch teilweise wirtschaftlich genutzt werden können. Sie verfügen allerdings nicht über eine Kernzone, wie in Naturparks (Schwarzwald), welche vom Menschen völlig unberührt bleiben. Das Bundesnaturschutzgesetz definiert Biosphärenreservate wie folgt:

[Sie] sind einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete, die großräumig und für bestimmte Landschaftstypen charakteristisch sind. Sie sind vornehmlich der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten, und beispielhaft der Entwicklung und Erprobung von die Naturgüter besonders schonenden Wirtschaftsweisen dienen. […] Biosphärenreservate können auch als Biosphärengebiete oder Biosphärenregionen bezeichnet werden (BfN, 2009, §25 BNatSchG, S.2554).

Das von der UNESCO geschützte Biosphärenreservat Pfälzer Wald - Nord Vogesen ist ein Landesgrenzen überschreitendes und zusammenhängendes Waldgebiet (siehe Abb. 2). Um den Erhalt dieser Landschaft zu sichern, wurden drei allgemeine Grundsätze und Ziele formuliert. Ziel eins ist der Erhalt der natürlichen und kulturellen Vielfalt. Punkt zwei besagt, dass Landbewirtschaftung mit Ansätzen zur nachhaltigen Entwicklung erfolgen soll. Das dritte Ziel ist Forschung, Umweltbeobachtung, Bildung und Ausbildung im Sinne einer nachhaltigen Waldentwicklung (vgl. UNESCO, 2003, S.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Geographische Lage des Biosphärenreservats Pfälzerwald – Nordvogesen (Wikipedia, 2018a)

3.1.1. Tier- und Pflanzenwelt im Pfälzerwald

In diesem Kapitel wird sich auf die Flora und Fauna im Bereich der Sandsteinfelsen beschränkt, da der Kletterer sich die meiste Zeit im Bereich der Felsen aufhält. Der Zustieg an die Felsen im Pfälzer Wald dauert im Durchschnitt zehn Minuten (vgl. Richter & Tittel, 2011, S.16), daher wird auf die Bereiche außerhalb der Kletterzonen nicht eingegangen.

Weil viele Felsen aufgrund ihrer Unzulänglichkeit über lange Zeit eine größtenteils ungestörte Entwicklung erfahren konnten, stellen diese Orte spezielle Lebensräume für unterschiedliche Organismen dar (vgl. Senn, 1995, S.75). „Der Biotoptyp Fels zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten gegenüber anderen Lebensräumen aus, die dazu führen, dass er vor allem Lebensraum für eine Reihe von „Spezialisten“ aus der Tier- und Pflanzenwelt ist“ (ebd., S.75).

Einige der Felsen des Pfälzer Waldes sind Naturdenkmäler und stehen somit unter Naturschutz. Sie bieten seltenen und geschützten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum (vgl. Geiger, 2015, S.52).

Allen voran sind die Wildkatze (Felis silvestris), der Wanderfalke (Falco peregrinus) und der Uhu (Bubo bubo) zu nennen. Die Wildkatze benötigt für die Aufzucht ihrer Jungen Höhlungen, die sie im Pfälzer Wald vor allem im Umfeld von Felsen findet. Wanderfalken und Uhu brüten an steilen Felswänden, wo kaum andere Tier hingelangen [siehe Anhang 6] (ebd., S.52).

Neben diesen Raubtieren findet sich eine Vielzahl anderer Organismen an den Sandsteinfelsen wieder. Folgend werden einige der wichtigsten Vertreter genannt. Amphibien, wie der Feuersalamander (Salamandra salamandra) brauchen die Felsen im Winter als Rückzugsgebiet. Das Reptil, welches an den Felsen des Pfälzerwaldes wohl am häufigsten anzutreffen ist, ist die Mauereidechse (Podarcis muralis) (siehe Anhang 7).

Ein typisches Insekt des felsigen Lebensraums ist die Gewöhnliche Ameisenjungfer (M yrmeleon formicarius), eine Libellenart, welche aus der Metamorphose des Ameisenlöwen hervorgeht.

Zu den dominierenden Blütenpflanzen zählen die Waldkiefer (Pinus sylvestris), die Hängebirke (Betula pendula) und die Besenheide (Vaccinium myrtillus). Aber auch seltene Farnpflanzen, Flechten und Moose fügen sich an den Felsen in ihrer biologischen Nische ein (vgl. ebd., S.52ff).

3.2 Kletterspezifischer Natur- und Umweltschutz

Um die Nutzung von Gebieten mit stark besuchten Felsen möglichst umweltfreundlich zu gestalten, wurden unterschiedliche Regeln für das Klettern dort festgelegt, wie beispielsweise das Dreizonenkonzept, das die Nutzung der Kletterfelsen einschränkt (vgl. Hoffmann, 2013, S.16):

„Zone 1 Ruhezone: Es dürfen weder Neutouren eröffnet, noch alte Routen beklettert werden.

Zone 2 Vorrangzone Naturschutz: Klettern bis zu den Umlenkern erlaubt, Neuerschließungen nicht.

Zone 3 Vorrangzone Klettern: Außerhalb der Vegetationszone sind Erstbegehungen mit Umlenkhaken möglich“ (ebd., S.16).

Die einzelnen Zonen werden an den entsprechenden Felsen mittels Schildern gekennzeichnet, um die Kletterer auf ihr Nutzungsrecht hinzuweisen. Oft bieten auch Internetplattformen die nötigen Informationen über Felssperrungen.

Im Pfälzer Wald wurde, um die seltenen Vogelarten wie Wanderfalke, Uhu oder Kolkrabe zu schützen, eine eigene Fachgruppe im Arbeitskreis Klettern und Naturschutz gegründet. Die Hauptaufgabe dieser Arbeitsgruppe liegt in der befristeten Festlegung von Felssperrungen für die Vogelarten. Grundlage bildet ein gemeinsam erstelltes Arbeitspapier. Da die Felsen von den genannten Arten als Brutplätze genutzt werden, sind die betroffenen Felsen für die Brutzeit für den Klettersport gesperrt und werden auch dementsprechend überwacht (vgl. NABU Rheinland-Pfalz, 2014, Absatz 1ff).

Neben den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes und den von der UNESCO erarbeiteten Grundsätzen für den Erhalt des Schutzgebietes, wurden auch speziell für den Klettersport Regelwerke erstellt, welche die Felskletterer zur Einhaltung dieser Regeln auffordert.

In Anlehnung an die 10 Regeln zum Naturverträglichen Klettern des DAV, welche die grundsätzlichen Verhaltensweisen in der Natur betonen (vgl. Hoffmann, 2013, S.15ff), wurden speziell für das Klettern im Pfälzer Wald die sogenannten Richtlinien für sanftes Klettern im Naturpark Pfälzerwald erarbeitet. Sowohl, um den Erhalt vieler endemischer Tier- und Pflanzenarten zu gewährleisten und das natürliche Bild der Naturdenkmäler (Felsen) zu schützen, als auch, um den Klettersport zukünftig in der Pfalz betreiben zu können, wurden 5 Punkte formuliert:

1. Verhalten am Fels

Die Felsen im Pfälzer Wald sind Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Die Vegetation am Felsen darf nicht beschädigt oder entfernt werden.

Bei Sperrungen aus Gründen des Artenschutzes sind die Sperrschilder des Arbeitskreises Klettern und Naturschutz Pfalz verbindlich. Darüber hinaus werden die Sperrinfos in den Schaukästen der PK und unter der Homepage des Vereins (www.pfaelzer-kletterer.de) veröffentlicht.

[...]


1 Zu den Bergsportarten zählen unter anderem auch das Wandern/ Trekking, Mountain-Biking oder das Klettersteiggehen

2 Es besteht solange kein Risiko eines Sturzes, als von Kletterer und Sicherer keine Fehler, wie falsches Anseilen oder Fehler beim Ablassen, entstehen

3 „Magnesia“ steht für Magnesiumcarbonat, welches eine schweißbindende Wirkung aufweist und somit dem Kletterer mehr halt an den Felsstrukturen geben kann.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Natur- und Umweltbewusstsein von Felskletterern im Pfälzer Wald
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
87
Katalognummer
V513743
ISBN (eBook)
9783346117403
ISBN (Buch)
9783346117410
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Naturbewusstsein, Umweltbewusstsein, Felsklettern, Klettern, Mittelgebirge, Pfalz, Pfälzer Wald, Empirische Untersuchung, Forschung, Naturbewusstseinsstudie
Arbeit zitieren
Alexander Komm (Autor:in), 2018, Natur- und Umweltbewusstsein von Felskletterern im Pfälzer Wald, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513743

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