Das Gruppenleben der Kinder. Wie gestalten Kinder ihre Spielbeziehungen?

Wissenschaftlicher Projektbericht


Hausarbeit, 2017

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Definition „Peergroups“
2.1 spezifische Merkmale früher Peerbeziehungen

III. Soziale Beziehungen im Kindesalter
3.1. Entwicklungstheorien
3.2. EntstehungderSpielgruppen

IV. Kommunikationstheorie
4.1 Definition „Kommunikation“
4.2 Theorien und Modelle der Kommunikation
4.3 Nonverbale Kommunikationsform
4.4 ÜbersichtüberwichtigeKommunikationsformen
4.5 KommunikationderKinder

V. Methode
5.1 Nicht-teilnehmende Beobachtung
5.2 DiedurchgeführteBeobachtung

VI. Ergebnisse

VII. Diskussion und Interpretation

VIII. Schlussfolgerung

IX. Persönliches Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

ZUSAMMENFASSUNG

Kinder haben ein allgemeines Bedürfnis nach Affiliation, nach sozialem Kontakt zu anderen. Sie streben danach sich anderen anzuschließen und verbringen einen erheblichen Teil ihres Lebens in der Gesellschaft anderer Menschen. Die Eltern sind in der Regel die erste, aber keineswegs die einzige prägende Sozialisationsinstanz im Leben des Kindes. Zu den wichtigsten außerfamiliären Beziehungssystemen zählen vor allem die Gleichaltrigengruppe, die so genannte Peergroup. Die Peergroup umfasst Freundschaftsbeziehungen, Spiel- und Kindergartengruppen, Zweierfreundschaften sowie Cliquen. Peergroups oder Gleichaltrigengruppen bezeichnen Gruppen von Menschen, die sich durch einen ähnlichen Entwicklungsstand, vergleichbaren sozialen Rang sowie gleichen Alters auszeichnen (vgl. Kolip 1993, S. 74).

Die ersten Kinderfreundschaften bilden sich ab dem dritten Lebensjahr, in der Zeit des Eintritts in den Kindergarten. Hier suchen Kinder gezielt nach Spielkameraden. Wenn sich Kinder dann öfter begegnen und miteinander spielen, bilden sich Sympathien, die zur Freundschaft werden. Allerdings werden im frühen Kindesalter nicht wirklich Gemeinschaftsspiele praktiziert, sondern vielmehr nebeneinander gespielt. Die Kinder sind oft noch mit sich selbst beschäftigt und Piaget spricht sogar von kollektiven Monologen. Sie erzählen sich der Reihe nach etwas, scheinbar einander zuhörend, allerdings stellt sich bei genauerer Beobachtung heraus, dass jeder nur für sich selbst einen Monolog hält, eine Gemeinschaftsbezogenheit noch nicht gegeben ist. Erst mit Beginn des Schulalters entwickeln sich dann Gemeinschaftsspiele, bei denen alle Kinder das Gleiche tun. Ab diesem Alter beziehen Kinder ihre Interaktion aufeinander. Aufgrund dessen richten wir unser Interesse in dieser Arbeit auf Kinder im Alter zwischen fünf bis sechs Jahren. Die Aufnahme von Freundschaften stellt eine Entwicklungsaufgabe bereits im Kindesalter zu den zentralen Aspekten einer gesunden Entwicklung dar. Ein grundlegender Bestandteil der kindlichen Entwicklung bildet auch die Kommunikationsfähigkeit. Sie ist eines der Schlüsselelemente für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und zur Ausprägung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit. Ab dem Beginn seines Lebens geht jedes Kind unzählbare Beziehungen zu anderen Kindern in seiner Umgebung - hier: in den Kindertagesstätten - ein. Die Kommunikation stellt demnach eine erforderliche Existenzbedingung und zugleich einen enormen Grundfaktor für die psychische Entwicklung dar. Eine erwachsene Person, die ihre Kultur in einem gewissen Maß beherrscht und fähig ist, diese gesammelten Erfahrungen weiterzugeben, kann dem Kind die von der Menschheit entwickelten Verfahren vermitteln. Damit spielen die Kommunikation und die eigene Kommunikationsfähigkeit eine entscheidende Rolle für den Erwerb neuer Kenntnisse und Fertigkeiten des Kindes, sowie für dessen inhaltliche Bereicherung seines Bewusstseins (vgl. Boguslawskaja u.a., 1978, S. 7 - 8).

I. EINLEITUNG

Kinder sind als soziale Wesen darauf angewiesen, mit anderen Kindern zu interagieren und zu kommunizieren. Beziehungen zu anderen bilden für die meisten von ihnen einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Bestandteil ihrer Lebensbahn. Fast jeder braucht in bestimmten Zeiten und aus bestimmten Gründen andere Personen und wendet sich an sie. „Menschen sind eine sehr soziale Gattung. Sie suchen in den verschiedensten Situationen den gegenseitigen Kontakt, sie freunden sich mit anderen an und scheinen in ihren intimen Beziehungen sowohl größtes Glück als auch schlimmste Verzweiflung zu finden“ (Buunk 2002, S. 416 f). In dieser Arbeit beschäftigen wir uns mit der Fragestellung: Wie gestalten Kinder ihre Spielbeziehungen und wie kommunizieren sie in den selbst erstellten Gruppen untereinander? Im Rahmen dessen gilt es zu klären, ob wir durch unsere Beobachtung die Frage anhand verschiedenerTheorien praktizieren konnten.

Zu Beginn der Arbeit wird die Definition des Begriffs „Peerbeziehungen“ aufgezeigt und die „spezifischen Merkmale der frühen Peerbeziehungen“ erläutert. Anschließend werden die, zu der oben genannten Fragestellung passende Theorien, anhand der Ansichten von Piaget, Wygotski und Youniss untersucht. Zum Einstieg in das dritte Kapitel werden wir die Beobachtungsmethode genauer erläutern. Danach werden die gewonnenen Daten der Fragestellung (Ergebnisse) aufgezeigt. Des Weiteren wird im nächsten Kapitel eine Diskussion und Interpretation durchleuchtet, in der die Antworten auf die Fragestellung diskutiert werden. Zum Ende dieses Kapitels wird versucht, eine Beziehung zwischen den eigenen und fremden Ergebnissen herzustellen. Im vierten Kapitel wird eine Schlussfolgerung erstellt, die die Gesamtergebnisse und ihre Bedeutung auflisten. Im letzten Kapitel erfolgt ein persönliches Fazit der Arbeit, in dem die Lernprozesse des Projektes dargestellt werden.

II. DEFINITION

Der Begriff Peers ist eine umgangssprachlich abgeleitete Form vom englischen Begriff Peer Group, welcher übersetzt werden kann mit eine „Gruppe von Gleichaltrigen“ oder „Gruppe von Gleichgestellten“. Der Begriff Peers bezeichnet die Mitglieder dieser Gruppe. Der Begriff wird in der Pädagogik häufig genutzt und geht über den Begriff der Gleichaltrigen hinaus. Peers können mehrere ähnliche Merkmale, wie etwa Alter, Interessen, Kompetenzen, soziale Herkunft, Geschlecht, Temperament o.a. aufweisen. Im Kindes- und frühen Jugendalter finden Peers zumeist in sozialen Institutionen (Kita, Schule, Hort, Nachbarschaftstreffen) zueinander. Peergruppen sind im Vergleich zur Familie eine besondere Bezugsform, weil sie in einem geschützten Raum das Erproben und Erfahren neuer Dinge, Verhaltensweisen oder Handlungen zulassen. Peergruppen haben eine Sozialisationsfunktion, indem Wertvorstellungen, Normen und Regeln neu ausgehandelt und festgelegt werden. Die Erfahrungen, welche mit den Kindes- und Jugend-Peers gemacht werden, sind meist prägend und wirken bis ins Erwachsenenalter hinein (vgl. Schneider- Andrich 2011.S.1)

2.1 Spezifische Merkmale früher Peerbeziehungen

Peerbeziehungen bieten ein Spiel- und Übungsfeld, um den sozialen Umgang zu erlernen und eigene soziale Strategien auszubilden. Es kann angenommen werden, dass ein frühes spielerisches Erfahren von Zusammengehörigkeit, Rücksichtnahme, gegenseitiger Abstimmung und Konfliktregulation Auswirkung auf die spätere Integrationsfähigkeit in der Gesellschaft haben kann. Institutionelle Tageseinrichtungen bieten solch einen sozialen Bezugsrahmen, in der kleine Kinder die Möglichkeit haben, auf andere Kinder zu treffen und die Nähe und den Kontakt zueinander zu suchen.

Beziehungen zwischen Kleinkindern steigern sich erst mit zunehmendem Alter zu Gruppen von drei bis vier Kindern. Ältere Kleinkinder nehmen bevorzugt Kontakt mit gleichaltrigen oder wenig älteren Kindern auf und wünschen selten die Aufmerksamkeit jüngerer Kinder. Kinder in altersgemischten Beziehungen interagieren auf einem höheren Niveau als in altershomogenen Beziehungen. Spielen ältere Kinder mit Jüngeren zusammen, übernehmen die größeren Kinder eine führende Rolle und wirken als Modell oderVorbild (vgl. Becker-Stoll et. al 2009, 122 ff.; Völkel 2009).

Frühe Peerbeziehungen bilden sich unabhängig des Geschlechtes, können also sowohl geschlechtshomogen als auch -heterogen sein. Diese Art von Beziehungen kann jeden Tag anders aussehen und entstehen, da kleine Kinder noch wenig daran festhalten. Junge Kinder sind selbst Ausgangspunkt des eigenen Handelns (Egozentrismus) und sind durch einen starken Explorationsdrang geprägt. Aus diesem Grund sind frühe Peerinteraktionen meist nur von kurzer Dauer. Erst mit zunehmendem Alter treten Vorlieben zwischen bestimmten Peers auf, welche dann auch stabile Spielbeziehungen entstehen lassen (vgl. Ahnert 2010, 5).

Während man bei ein-und zweijährige Kinder parallele Spielmomente beobachten kann, in denen Aktivitäten nebeneinander stattfinden und ohne einen wechselseitigen Bezug, ist eine Wechselseitigkeit bei älteren Kleinkindern in den Aktionen eher beobachtbar. Wechselseitige (reziproke) Interaktionen werden erst im Kindergartenalter qualitativ und quantitativ stark ausgeprägt, sind aber bereits vorher vereinzelt und zwischendurch zu beobachten. Mit steigender Reziprozität nehmen auch die Stabilität und Dauer der Beziehungen zu.

Kleinkinder nehmen über verschiedene Formen der Kommunikation Kontakt mit einander auf, sind aber insgesamt noch stark motorisch-affektiv geprägt. Sie kommunizieren auf verbaler Sprachebene sehr wenig miteinander, weil sich die symbolische Sprache noch im Entwicklungsprozess befindet und noch kein bis nur geringer aktiver Wortschatz zur Verfügung steht. Mit Hilfe des Körpers können sich Kleinkinder auf nonverbaler Sprachebene vielfältig verständigen: sie lächeln oder schauen sich an, sie zeigen sich etwas, sie wenden sich einander zu oder voneinander ab, hocken sich nebeneinander, halten sich gegenseitig fest, lehnen sich aneinander an, hauen oder schubsen sich, kneifen sich, tragen etwas gemeinsam, geben, nehmen und tauschen Gegenstände, klopfen gemeinsam auf einen Ball, überschütten sich mit Sand, laufen zusammen und so weiter (vgl. Ahnert 2010, 4).

III. Soziale Beziehungen im Kindesalter

Persönliche Beziehungen zu Bezugspersonen bilden die Kontexte, in denen Kinder sich entwickeln und sozialisiert werden. Diese Einflüsse entstehen in direkten Interaktionen, in denen das selbstreflexive Kind sich von den Signifikanten Anderen her sieht, sich mit deren Sicht auseinandersetzt und mit seinem Handeln antwortet (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 491). Nach Jean Piaget (1983) lassen sich zwei Idealtypen von Beziehungen unterscheiden. Die auf Überlegenheit, Macht und Zwang beruhenden Beziehungen zu Eltern und Erwachsenen, zum einen, und zum anderen, die auf Gleichheit beruhenden Beziehungen zu anderen Kindern. James Youniss (1980,1982) hat diese Sichtweise weiter ausgearbeitet und die Beziehungen zu Gleichaltrigen als symmetrisch reziprok bezeichnet (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 491). Die Beziehungen zu Gleichaltrigen werden als symmetrisch reziprok bezeichnet, da niemand das Recht hat, über Anderen zu bestimmen. Da Peer Gruppen gleichrangig sind, schafft dies die Gelegenheit in Aushandlungsprozessen die Erfahrung von Verbindlichkeit und Flexibilität von Regeln zu machen. Dadurch machen sie eine positiv verstärkende Erfahrung sich an die gemeinsam getroffenen Verabredungen zu halten (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 496).

Kinder im Kindergarten entwickeln gemeinsam eine Kinderkultur, womit nicht nur Spielfolklore oder Konsum gemeint ist, sondern die Regulierungen der gleichaltrigen Beziehungen durch die Entstehung von Routinen. In ihren Interaktionen erfinden sie Spielregeln, verschiedene Typen von Beziehungen zu Peers und Aspekte ihrer Identität in Relation zu Anderen. Zu den wichtigsten Konstruktionsthemen im Kindergarten gehören den Zugang zu spielenden Kindern zu gewinnen, das Aufrechthalten des Spiels und wie sie ihre Spielpartner zu Freunden machen. In diesen Aushandlungsprozessen sollten Erzieher/innen sich im Hintergrund aufhalten, da ihre Eingriffe die Lernmöglichkeiten der Kinder behindern. William A. Corsaro beschäftigte sich detailliert mit der Lösung von Zugangsproblemen und er zeigte durch den Vergleich von Szenen aus amerikanischen und italienischen Kindergärten, wie die Merkmale der Erwachsenenkultur sich in den Lösungen der Kinder wiederfinden. Sie benutzen das vorhandenes Material und bauen sie in ihre eigene Entwicklung ein (Lernen am Modell). Andere relevante Themen sind die Kontrolle von Furcht, Ungewissheiten und Verwirrungen. Kinder bauen gemeinsame Routinen auf, um Ängste zu überwinden, wofür zum Beispiel Monsterspiele dienen können. Sehr wichtig sind in diesem Kontext Rollenspiele und Fantasiespiele, in denen Kinder ihre soziale Welt konstruieren können. Ab einem bestimmten Alter können sie zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden. In solchen Spielen werden alle bedrückenden Themen, welche nicht in Sprache gefasst werden kann symbolisiert und ausagiert. Themen können sein: Leben und Tod, Eifersucht und Rivalität, Macht und Machtlosigkeit, sowie Angst vor dem Verlassen werden und dem Verloren sein. Fantasiespiele bilden unter Freunden einen Lernkontext, in dem soziale Fähigkeiten, einschließlich wechselseitigen Verstehens, geübt werden und in dem bereits vor dem Schulalter das Vertrauen und mögliche Freundschaften entsteht (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 497 f.). Streit und Auseinandersetzungen im Kindergarten sind von großer Entwicklungsbedeutung. Im Kindergarten geht es bei den meisten Konflikten um Besitz, Verfügung von Spielzeug und Raum. Bei Regelbrüchen und Zugangsproblemen kann es auch zu verbalen Eingriffe kommen, wenn ein Kind sich in eine Spielgruppe eindrängt fühlt oder von einer gemeinsamen Tätigkeit ausgeschlossen wird. Streitigkeiten im Kindergarten sind meistens kurz und Erwachsene greifen selten ein. Befreundete Kinder streiten nicht seltener als nicht Befreundete. Allerdings sind Konflikte zwischen Freunden weniger feindselig. Sie haben seltener einen „Gewinner“ und werden leichter überwunden (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 498). „Konflikt kann im Dienste sozialer Entwicklung stehen- indem er Individuation und soziale Verbundenheit befördert“ (Shantz/ Hobart 1989,S. 72). Die Entwicklung und Reifung der individuellen Persönlichkeit wird vorangetrieben, weil das Kind sich im Konflikt abzugrenzen lernt, seine Grenzen erkennt und sich seiner Bedürfnisse und Absichten bewusst wird. Konflikte basieren auf Gemeinsamkeiten und führen zu Gemeinsamkeiten. Man sollte also Kinder ihre Konflikte selbst austragen lassen. Dies zählt allerdings nicht bei Mobbing, indem Kinder immer wieder im Kindergarten Opfer von Hänseleien, verbale und körperlichen Angriffen werden. Solche Mobbing- Beziehungen sind asymmetrische persönliche Beziehungen unter Gleichrangigen, in denen die machtunterworfene Seite immer wieder erniedrigt wird und kaum Chancen hat sich zu wehren. In dem Fall müssen Erziehungspersonen in die Interaktionen der Kinder einstreiten, um Entwicklungsschäden von den Opfern zu vermeiden“ (vgl. Lenz/ Nestmann 2009,S. 498).

Nach Piaget können Kinder, wegen der relativen Statusgleichheit gegenüber Peers ihre Gedanken und Überzeugungen ausdrücken. Sie sind im allgemeinen offener und spontaner als in Gegenwart Erwachsener. Kinder akzeptieren die Regeln und Überzeugungen der Erwachsenen häufig nur auf der Basis reinen Gehorsams und nicht auf der Grundlage von Verständnis. Mit Gleichaltrigen wiederum ist es wahrscheinlicher, dass sie die Vorstellungen anderer offen kritisieren und ihre eignen Ideen erläutern. Deshalb entwickeln Peers gemeinsam ihre eignen Regeln und Auffassungen, warum Dinge funktionieren oder funktionieren sollten. Lew S. Wygotski (1978) ging in ähnlicher Weise davon aus, dass Kinder in ihren Interaktionen mit Gleichaltrigen neue Fertigkeiten lernen und ihre kognitiven Fähigkeiten entwickeln. Anders als Piaget erwähnte Wygotski die Rolle der Kooperation von Peers und betonte insbesondere die Zusammenarbeit der Kinder, welches ihnen hilft, neue Fertigkeiten und Fähigkeiten aufzubauen und einander die Wissensbestände zu vermitteln (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011,S.500). In den Jahren vor und während der Schulzeit gestalten Gleichaltrige eine wichtige Quelle der Begleitung und Hilfe im Umgang mit Problemen und Aufgaben. Nach Harry Stack Sullivan (1953) sind Freundschaften für das Wohlbefinden größerer Kinder unerlässlich. Kinder im früheren Jugendalter beginnen enge und intime Beziehungen zu Peers einzugehen, diese kameradschaftliche Beziehungen bieten den Kindern ihre ersten intimeren zwischenmenschlichen Beziehung, die auf Gegenseitigkeit und Austausch zwischen Gleichgestellten aufbaut. Sullivan nahm an, dass Kinder, die von ihren Peers nicht akzeptiert werden, Gefühle wie Minderwertigkeit und Einsamkeit entwickeln. Sie zweifeln an ihre Fähigkeiten und sind verunsichert.

Im Allgemeinen haben Theoretiker wie Piaget, Wygotski und Sullivan behauptet, dass Peer­Beziehungen eine einzigartige Verbindung für die kognitive-, soziale- und emotionale Entwicklung darstellen. Ihrer Auffassung nach wachsen die Denkfähigkeit der Kinder und ihre Berücksichtigung der Belange Anderer infolge von Gleichberechtigung, Kooperation und Vertrautheit, die sich in Peer- Beziehungen entwickeln (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011.S.500).

3.1. Entwicklungstheorien

Für die kindliche Entwicklung sind sowohl die kognitive-, als auch die soziale Entwicklung entscheidend. Krappmann bezieht sich in seinen Beiträgen (1994 und 2010) zu gleichaltrigen Beziehungen und ihre Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Hierzu beschreiben Jean Piaget und Lew Semjonowitsch und Wygotski in ihrer Entwicklungstheorien, dass Beziehungen unter Kindern ein besonderes Entwicklungspotenzial im gesamten Verlauf der Kindheit prägt (vgl. Krappmann 1994, S. 496).

Jean Piagets Annahme über Kinder besteht darin, dass sie von Geburt an geistig ebenso aktiv sind wie körperlich und dass ihre Aktivität stark zu ihrer eigenen Entwicklung beiträgt.

In seinem konstruktivistischen Ansatz schreibt er den Beziehungen unter Kindern eine besondere Rolle für die Entwicklung sozialer und moralischer Kompetenzen, sowie der kognitiven Fähigkeiten zu. Er geht davon aus, dass Kinder aktiv und eigenständig ihre Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen in Interaktionen gestalten können (vgl. Textor 2000.S.1). Nach Piaget ist für das Kind zunächst schwierig, die eigene Persönlichkeit von denen der Eltern abzugrenzen (vgl. Krappmann 1994,S. 499). Die Beziehungen zwischen Bezugspersonen und Kindern sind durch Macht der Erwachsenen- den unilateralen Zwang geprägt (vgl. Youniss 1994.S.18). Dadurch werden Meinungen, Ansichten oder Regeln der Erwachsenen von Kindern übernommen. Beziehungen zwischen Kindern beruhen allerdings auf Gleichheit, da Kinder unabhängig voneinander sind. Durch diese Bedingungen wird das Kind das eigene Ich, mit den eigenen Ansichten und Meinungen von dem der Anderen differenzieren lernen (vgl. Krappmann 1994.S.499).

Jean Piaget entwickelte die Theorie der kognitiven Entwicklung von Kindern. Im Vordergrund steht dabei die Interaktion eines Kindes mit seiner Umwelt. Seine Beobachtungen beruhen auf seine eigenen Kinder, die altersabhängig bestimmte (Denk-) Fehler begingen. Piaget beschäftigte sich mit dem Aufbau der kindlichen Logik anhand seiner empirischen Beobachtungen und entwickelte daraus eine erkenntnistheoretische begründete Theorie. Er stellte den Zusammenhang zwischen dem kindlichen Denken und den unterschiedlichen Entwicklungsphasen dar. Er baute auf seine Beobachtungen ein Modell der vier Entwicklungsstufen auf:

- Sensomotorische Phase
- Präoperationale Phase
- Konkrete Operationen
- Formale Operationen

Bei der Entwicklung haben vier Faktoren einen Einfluss auf die kognitive Entwicklung:

- Reifung
- Soziale Interaktion
- Aktive Erfahrung
- Streben nach Gleichgewicht (vgl. lern-psychologie 2017.S.1).

Bei der Analyse unserer Ausarbeitung beschäftigen wir uns mit der präoperationalen Phase. Unsere Ergebnisse beruhen auf Beobachtungen einer Kindergruppe zwischen fünf und sechs Jahren.

In Piagets Sicht umfasst das präoperationale Stadium eine Mischung aus eindrucksvollen kognitiven Errungenschaften und noch eindrucksvolleren Beschränkungen (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011.S.134 f.).

Das Denken ist in dieser Phase noch voll mit logischen Irrtümern, da das kindliche Denken viel mehr von der Wahrnehmung als von der Logik beherrscht wird. Deshalb glauben Kinder, zu Beginn der präoperationalen Phase, dass aus einem Jungen ein Mädchen werden kann, wenn er beispielsweise mit Puppen spielt (vgl. lern-psychologie 2017.S.1). Im Verlauf ihrer Entwicklung verlassen sich Kinder weniger auf selbsterzeugte Symbole, sondern eher auf Konventionen Wenn zum Beispiel Fünfjährige Piraten spielen, dann tragen sie vielleicht eine Klappe über einem Auge, weil Piraten oft auf diese Weise abgebildet werden. In Zeichnungen gebrauchen Kinder zwischen drei und fünf Jahren ausweitend Symbolkonventionen, beispielsweise die Darstellung der Blätter von Blumen in V-Form (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011.S.135).

Egozentrismus:

Ab ca. 4 Jahren minimalisieren sich zwar einige „logische Irrtümer“, dennoch ist das Denken sehr egoistisch und stark von der Wahrnehmung dominiert (vgl. lern-psychologie 2017.S.1). Die Schwierigkeit von Kindergartenkindern besteht darin, die räumliche Perspektive anderer Menschen einzunehmen und nicht nur den eignen Blickwinkel zu berücksichtigen. Die Perspektive anderer Menschen einzunehmen, erweist sich auch in ganz anderen Kontexten als schwierig, zum Beispiel bei der Kommunikation. Kinder reden im Vorschulalter oft aneinander vorbei bzw. nebeneinander her. Sie scheinen ungeniert darüber hinwegzusehen, dass ihr Gegenüber, der Zuhörer, dem was sie sagen keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Die egozentrische Kommunikation von Kindern in diesem Alter wird deutlich, wenn sie Aussagen treffen, die Wissen voraussetzen, über das nur sie selbst, kaum aber die Zuhörer verfügen (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011.S.136). Im Verlauf des präoperationalen Stadiums wird der egozentrische Sprachgebrauch seltener. Ein frühes Anzeichen des Fortschritts besteht in den verbalen Auseinandersetzungen des Kindes, die in diesem Stadium immer mehr zunehmen. Dass die Annahme eines Kindes den Widerspruch eines Spielgefährten hervorrufen, lässt erfahren, dass dieser die abweichende Perspektive beachtet, die in der Äußerung des anderen Kindes enthalten ist. Sie können sich auch im präoperationalen Stadium andere räumliche Perspektiven, als ihre Eigenen besser vorstellen (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011.S.136).

Zentrierung:

Die Zentrierung ist eine mit der Egozentrierung verwandte Eigenschaft im Denken von Kindern im Kindergartenalter. Darunter versteht man die Konzentration auf ein einzelnes, in der Wahrnehmung beachtliches Merkmal eines Objekts oder Ereignisses unter Ausschluss anderer wichtiger, aber unauffälliger Merkmale. Zeigt man Fünf- und Sechsjährigen eine Balkenwaage und fragt sie, nach welcher Seite sie sich neigen wird, dann zentrieren sie auf die Gewichtsmenge auf beiden Seiten und ignorieren den Abstand der Gewichte. Sie sagen, dass diejenige Seite nach unten gehen wird, auf der sich mehr Gewicht befindet.

Während in anderen Theorien das Kind als Individuum im Mittelpunkt steht, wird der Ansatz von Wygotski den soziokulturellen Theorien zugeordnet. Wygotski vertritt die Auffassung, dass nahezu alle psychischen Strukturen und kognitiven Fähigkeiten auf soziale Phänomene zurückgehen, ursprünglich in Interaktionen mit anderen (kompetenteren) Personen auftreten und anschließend von demjeweiligen Kind internalisiertwerden.

Die Entwicklung des Kindes umfasst laut Wygotski, zum einen relativ stabile Perioden, in denen Veränderungen nach und nach unauffällig erfolgen und zum anderen gibt es voraussagbare Entwicklungstheorien, die durch das Zusammenkommen vieler Neubildungen gegen Ende einer Phase hervorgerufen werden. Wygotski interessierte sich besonders für die Entwicklung des Sprechens und Denkens bei Kindern. Nach seiner Auffassung eignet sich das Kind in der Interaktion mit Erwachsenen und andren (älteren) Kindern die Kultur seiner Gesellschaft an. Durch die in sozialen Beziehungen erfolgte „Interiorisation“ bzw. „Internalisierung“ in das kindliche Bewusstsein wird die psychische Aktivität angeregt. Das Kind kann letztendlich nur durch ein denkendes Wesen werden, indem es sich in der Interaktion mit kompetenteren Personen die „Werkzeuge“ des Denkens wie Sprache, Gedächtnisinhalte und Denkweisen aneignet und sie solange ausprobiert, bis es sie selbstständig und effektiv anwenden kann. Die kognitive Entwicklung, eine „gemeinsame Konstruktion“ des Kindes und seiner sozialen Welt, werden kulturelle Wissensbestände rekonstruiert sowie auf aktive und kreative Weise transformiert (ko-konstruktivistische Perspektive) (vgl.Textor2000 .S.71-83).

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Das Gruppenleben der Kinder. Wie gestalten Kinder ihre Spielbeziehungen?
Untertitel
Wissenschaftlicher Projektbericht
Hochschule
Hochschule RheinMain - Wiesbaden Rüsselsheim Geisenheim
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
32
Katalognummer
V513001
ISBN (eBook)
9783346114952
ISBN (Buch)
9783346114969
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gruppenleben, kinder, wissenschaftlicher, projektbericht
Arbeit zitieren
Solmaz Saligheh (Autor:in), 2017, Das Gruppenleben der Kinder. Wie gestalten Kinder ihre Spielbeziehungen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513001

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