Gegenüberstellung der neuägyptischen Lebenslehren. Die Lehre des Ani und die Lehre des Amenemope


Ausarbeitung, 2019

18 Seiten, Note: 1,5

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Allgemein über Lehren

1. Textzeugen

2. Gemeinsamkeiten und Zusammengehörigkeit der beiden Lehren

3. Inhalt und Aufbau

4. Gattungszugehörigkeit

5. Stilistische Mittel

6. Sprache, Alter und Verfasserschaft

7. Bedeutung und Resümee

Bibliographie

Die Lehre des Ani und die Lehre des Amenemope

Allgemein über Lehren:

Die Lehren gehören nach Thema und Verwendungssituation zur profanen Alltagswelt der Ägypter. Sie sind getrennt in solche, die an eine königliche Person gerichtet sind und in solche, die sich an den Beamtennachwuchs wenden. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren (innertextlichen) Adressanten, sondern auch nach Themen und Sprachform. Übliche Themen bei profanen Lehren sind: das allgemeine Verhalten im Beruf, Stellung und soziales Verhalten, menschliche Eigenschaften, Familie und Privatleben. Es waren Texte, die von vielen genutzt und kopiert wurden. Sie wurden im Unterricht verwendet, und zwar nicht nur in ihrer Entstehungszeit, sondern noch Jahrhunderte später, als sie dem mittelägyptischen Sprachunterricht dienten. In den profanen Lebenslehren wendet sich eine Lehrautorität an einen Schüler (d.h. ein älterer Beamter an einen Lehrling oder der Vater an den Sohn usw.) zum Zweck der beruflichen und gesellschaftlichen Erziehung. Die literarische Fiktion und Wirklichkeit stimmen zumindest grundsätzlich überein. Sie sind in einer Sprachstufe überliefert, die der gesprochenen Sprache entspricht oder ihr nahesteht. Lehren sind auf Papyri, Ostraka oder Schreibtafeln überliefert, also auf Gegenständen, die ausschließlich als Textträger fungieren und sie sind normalerweise in der jeweils gängigen Kursivschrift (Hieratisch oder Demotisch) geschrieben. Sie haben keine innere Bindung zu ihrem Textträger oder zu dem Ort, wo sie aufgezeichnet sind, der Text gibt alle zum Verständnis notwendigen Erläuterungen. Die Themen der Lebenslehren sind vor allem das Verhalten in Beruf, Gesellschaft und Familie: wie man mit Vorgesetzten umgeht oder mit gleichrangigen und untergeordneten Kollegen, wie man berufliche Aufträge erledigt, wie man sich bei Tisch oder als Gast benimmt, wie man bei verschiedenen Anlässen spricht oder wie man sich gegenüber Armen verhält. Sie sind im Allgemeinen selbstständige, in sich abgeschlossene Texte und auch als solche überliefert. Sie werden nicht in andere Textsorten eingebettet und schließen auch keine anderen in sich ein. Lebenslehren (wie die des Ani und Amenemope) haben, soweit der Anfang erhalten ist, eine Überschrift und darin eine Eigenbezeichnung, eben „Lehre“ (sb3yt). Die Bezeichnung umfasst nicht nur Lebenslehren, sondern auch andere, wie z.B. theologische Traktate. Bei manchen findet man auch einen Abschnitt über ihre Nutzung, meist als Epilog (z.B. Amenemope). Alle diese Elemente dienen aber gewissermaßen nur als Hilfsfunktion für den Kern des Textes: der Belehrung selbst. Sie zeigen, wie sie zustande kamen, wer sie erteilt, welchen Nutzen sie hat. Der Text der eigentlichen Lehre bespricht die einzelnen Themen, über die der Schüler belehrt wird, meist in einer willkürlichen Reihenfolge, die am ehesten durch assoziative Verknüpfungen zu erklären ist (Jansen-Winkeln 2004:59-72).

1. Textzeugen

(a) Die Lehre des Ani (Quack 1994: 5-13)

- pKairo CG 58042 (früher pBoulaq 4), am vollständigsten (Basistext), Text füllt das gesamte Rekto, wobei das Ende erhalten ist, während vom Anfang nur geringe Fragmente bleiben. Spätere 21. Dynastie (Möller 1936:III, 3 Anm. 1; Gardiner 1947:35).
- pDeir el-Medineh I.: Anfang und Ende verloren, literarische Text auf Rekto, Verse Sammlung an magischer Texte. ca. 19. Dynastie.
- pLouvre E 30144 (früher pGuimet 16959) Mittlere/spätere 20. Dynastie.
- pBM 10685 (pBeatty V). Späte 19. Dynastie. Bewusst ausgewählter Auszug und keine vollständige Ani-Handschrift. Rückseite zeigt u.a. Nilhymnus (Van der Plas 198: pl. 1-4).
- pSaqqara : 22.-26. Dynastie, Fragmente.
- Holztafel Berlin 8934 (13562): 22. Dynastie.
- Ca. 9 Ostraka (größtenteils aus Deir el-Medineh, Posener 1951 und 1977) Liefern Ausschnitte aus den ersten beiden gut erhaltenen Seiten der Haupthandschrift.

(b) Die Lehre des Amenemope (Laisney 2007: 5-6)

- Papyrus British Museum BM 10474 (vollständiger Text, 27 Seiten (Lichtheim 2006: 147), Die Lehre stammt aus der 20. Dynastie und der pBM 10474 wird in die 26. Dynastie datiert (Assmann 2018: 1006), Rückseite Hymne an den Mondgott, Höhe: 24,2 cm und Länge: ca. 3,5m; entdeckt von Ernest A. Walls Budge (Lange 1925: 4); 1888 erworben vom British Museum, London
- Papyrus de Stockholm MM 18416 (Einer der ältesten Textzeugen (21.-22. Dyn.), gefunden 1889 v. Retzius, wahrscheinlich aus Fayum (Peterson 1966:120), 23,5cm x 14,5cm
- Tafel Viren du Louvre AE/E 17173 (Paris)
- Turiner Tafel N. 58008
- 2. Turiner Tafel N. 58001
- Moskauer Tafel I 1o 324
- Kairiner Ostraka No. 1840 (Eines der älteren Textzeugen, Ende 21. Oder 22. Dyn.)
- Graffti aus Medinet Habou

(c) Anmerkung zur Textkenntnis

(a) Lehre des Ani (Quack 1994:3-19)

Durch die etwas ins Stocken geratene Untersuchungen im 20. Jahrhundert ist bis dato (1994) noch keine zuverlässige Textausgabe und eine gesicherte Übersetzung für die in Theben entstanden Lehre (Barta 1991:97) des Ani erschienen. Sämtliche Textzeugen der Lehre des Ani sind unvollständig und nur noch fragmentarisch vorhanden, außerdem unterscheiden sie sich auch zu großen Teilen in ihrem Inhalt. Keine Handschrift ähnelt komplett einer anderen. Der Papyrus Kairo 58042 ist bei Weitem am besten erhalten, dennoch zeigen auch die jüngeren Handschriften keineswegs einen schlechteren Text auf und müssen als gleichwertige Zeugnisse betrachtet werden (Barta 1991:97).

(b) Lehre des Amenemope

Im Vergleich dazu liefert der Papyrus aus dem Britischen Museum BM 10474 den nahezu vollständigen Text der Lehre des Amenemope.

2. Gemeinsamkeiten und Zusammengehörigkeit der beiden Lehren

- Bei beiden handelt es sich um eine in Neuägyptisch abgefasste Lebenslehre (Lange 1925:16)
- Beide wollen belehren, geben Ratschläge und Anweisungen
- Beide haben denselben „typischen“ Anfang einer Lehre (s. Ani: Berliner Tafel) (Quack 1994: 47)
- Beide haben dieselbe Zielgruppe, den Mittelstand (z.B. untere Beamte), Anwendung in Beamtenschule (Lange 1925: 9)
- Beide verwenden eine bildliche Sprache, viele Vergleiche
- Beide haben Überschneidungen bei der Themenwahl (z.B. unvorhersehbare Veränderungen, Fluß-Beispiel, Warnung vor Gier) (Quack 1994: 203)

Zur Zusammengehörigkeit: Grumach (1972) schreibt, dass die Lehre des Ani im großen Ausmaß als Quelle für die Lehre des Amenemope gewesen sei. Quack (1994: 201) schreibt, dass sich dies nicht definitiv absichern lässt, dennoch an manchen Stellen die Ähnlichkeit so groß ist, dass man es wagen kann, eine relativ wörtliche Übernahme zu postulieren und der Verfasser der Lehre des Amenemope den Text des Ani kannte.

3. Inhalt und Aufbau:

(a) Die Lehre des Ani: Zum Aufbau:

1. Einleitung mit Einleitungsformel vorhanden auf der Berliner Tafel; Empfehlung des Buches („Anfang der Erziehungslehre, die der Schreiber Anii gemacht hat“ (Volten 1937:37))
2. Mittelteil: Maxime mit „Lebensratschläge“, Einheit von profanen und religiösen Anweisungen und den Erfolg infolge des Einhaltens der Ordnung (Quack 1994:79).
3. Epilog: Streitdebatte zwischen Vater und Sohn

Lehrtexte weisen oft einen eher lockeren Aufbau mit weniger strengem Kompositionsschema auf (Quack 1994:63). Im Inneren der Maximen finden sich oft weiterführende und begründende Aussagesätze, die generelle Feststellungen enthalten, während das Ende öfter in einen Satz mündet, der die Folgen des richtigen bzw. falschen Verhaltens enthält. Vorbild für die Lehre des Ani wird die Lehre des Ptahhotep gewesen sein, bei der sich auch Ani die Maxime mit einer Einleitung und einem Epilog umrahmen lässt (Volten 1937:46-49). Es herrscht eine Debatte zwischen Volten (1937) und Quack (1994), der schreibt, dass es keine geregelte Reihenfolge bei den Maximen gab, sondern dass es sich bei der Lehre um eine Lehr -und Diktierübung des Schülers im Schulunterricht gehandelt hat, um das Schreiben zu üben. Dagegen stellt sich Quack, da einige der überlieferten Handschriften eine gleiche Abfolge der Maxime aufweisen, somit kann das Argument einer wahllosen Abfolge der Diktierweise des Lehrers nicht wirklich bekräftigt werden. Weshalb aber die Maxime in dieser bestimmten Reihenfolge angeordnet wurde, ist nicht greifbar (Quack 1994:62-65), dennoch handelt es sich um in sich korrekte unterschiedliche Versionen. Eine zweifelsfreie Erklärung für ihre Entstehung ist bisher nicht belegbar, aber ihre Vielfalt ist als bewusste Veränderungen zu beschreiben (Quack 1994:24). Üblicherweise folgen im Epilog Weisheitstexte, eine Betonung auf den Wert des Hörens und die Qualität der Lehre wird (nochmals) unterstrichen (vgl. Merikare, Ptahhotep, Amenemope). Bei der Lehre des Ani wird im Schlussdialog der Sinn der Belehrung aber in Zweifel gezogen (Quack 1994: 65).

Zum Inhalt:

Trotz der gegenüber älteren Lehren vergleichsweise häufigen Erwähnung des Gottes ist der größere Teil der Maximen profan gehalten. Hier finden sich zwei verschiedene Arten von Verhaltensregeln: zum einen Anweisungen, Verhalten zu vermeiden, das strafrechtlich sanktioniert wird, sozial verpönt oder allgemein nachteilig ist, zum anderen Empfehlungen, bestimmte Handlungen zu unternehmen, weil sie Vorteile bringen („erfolgsorientierte Mittelstandsethik“). In beiden Fällen sind Nützlichkeitserwägungen maßgeblich für das Vorgehen (Quack 1994: 74-75).

Themenüberblick: Beispiele (Volten 1937: 46-132)

- Ermahnungen und Warnungen: Gegen freies Reden, Kränkungen, fremde Frauen, Säuferei
- Aufforderungen: „gewöhnliche Sitte“ zu folgen, Erde zur richtigen Zeit pflügen, Fest der Götter zu feiern, Selbstständigkeit, Dankbarkeit gegenüber derMutter, an den Tod denken, Respekt vor Alter
- Ratschläge: Jung heiraten (Vorteile der jungen Ehe), gutes Verhältnis zu Nachbarn, rechtes Verhalten gegenüber

(b) Die Lehre des Amenemope: „Persönliche Frömmigkeit“ (Assmann 2018: 1006) Zum Aufbau:

1. Prolog: Titel - Autor - Empfänger; Prolog = längstes Kapitel (Laisney 2007:21); Nützlichkeitcharakter des Werkes wird betont (Quack 1994: 77)
2. Hauptteil: Kapitel 1-29 mit „Lebensratschläge“, Kapitel 1: Lob der Rede; Idealtypus des „Schweigenden“ vs. der „Hitzige“
3. Abschluss: Lob der Lehre (im 30. Kapitel).

Schon im ersten Kapitel wird durch die Anweisung des Lehrers klar, dass die folgenden Kapitel dafür da sind, um gehört, verstanden und behalten zu werden. Assmann (2018:1008-1030) beschreibt die Lehre des Amenemope als die erste in der lange Geschichte der Gattung ägyptischer Lebenslehren, in der Gott eine dominierende Rolle spielt. Von den 30 Kapiteln weisen nicht weniger als 22 einen expliziten Bezug auf „Gott“ oder einen Gott (Thot, Re, Chnum) auf. Die einzelnen Maximen haben einen unterschiedlichen Umfang und sind in Strophen zu vier und sechs Versen gegliedert. Sie tragen eine Überschrift, die sie als Kapitel 1-30 durchzählt. Das Wort „Kapitel“ heißt wörtlich „Haus“ und bezeichnet die Elemente einer zyklischen Komposition. Bei dem im religiösen Grundton (Lange 1925:116; „Papyrushäuser“ s.:Bissing 1955:13) gehaltenen nummerierten Text handelt es sich um die originale Unterteilung. Eine solche Art von Nummerierung findet man außerdem in Grabtexten, Ritualen, in Liebesgedichten und in Götterhymnen (Laisney 2007) Die Zahl 30 hatte für die Ägypter eine universelle Bedeutung und wird mit den 30 Tagen im Monat, mit dem Mond und folglich auch mit Thot assoziiert. (Laisney 2007:8) Dabei dient offenbar auch die auffallende Betonung der Zahl 30 dem Zweck, die Lehre als literarisches Werk gewissermaßen zu kanonisieren und vor Kürzungen und Auslassungen zu bewahren. (Assmann 2018:1030) Im Papyrus aus dem Britischen Museum und auf den Platten in Turin und Paris finden sich Texte, die stichisch geschrieben wurde d.h. in Linien, die das metrische Schema anzeigen (Lichtheim 2006:147; Assmann 2018:1006). Im Vergleich zu den unterschiedlichen Textvariationen, die wir bei Ani finden, handelt es sich bei Amenemope um ein relativ geschlossenes und einheitliches Werk. Dieser Text wurde offenbar in höherem Maße als wortwörtlich verbindlich angesehen (Quack 1994:20).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Gegenüberstellung der neuägyptischen Lebenslehren. Die Lehre des Ani und die Lehre des Amenemope
Hochschule
Universität Wien
Note
1,5
Jahr
2019
Seiten
18
Katalognummer
V512509
ISBN (eBook)
9783346107558
ISBN (Buch)
9783346107565
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ägyptologie, Literaturgeschichte, Die Lehre des Ani, Die Lehre des Amenemope, Lebenslehre, Die Lehre des Ptahhotep, Lebenslehren, Weisheitslehre, Verhaltensregeln, profane Lehren, Papyrus, Papyri, Ostraka, Textzeugen, Neuägyptisch, Beamtenschule, Lehrtext, Quack, Volten, Merikare, Assmann, Laisney
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Anonym, 2019, Gegenüberstellung der neuägyptischen Lebenslehren. Die Lehre des Ani und die Lehre des Amenemope, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512509

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