Betreuung von Kindern mit Fluchterfahrungen in einer Kindertagesstätte


Studienarbeit, 2018

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kinder auf der Flucht
2.1 Fluchtgründe
2.2 Aktuelle Zahlen

3. Kindertageseinrichtungen
3.1 Kindertageseinrichtungen in Bayern
3.2 Recht auf Bildung und den Besuch einer Kindertageseinrichtung

4. Bedeutung des Besuches von Kindertageseinrichtungen

5. Problemlagen
5.1 Traumatisierung
5.2 Wohnverhältnisse
5.3 Asyl

6. Anforderungen an die pädagogische Fachkraft

7. Handlungsbereiche in der Kindertageseinrichtung
7.1 Ankommen in der Kindertageseinrichtung
7.2 Eingewöhnung und Elternarbeit
7.3 Spracherwerb
7.4 Umgang mit belastenden Situationen
7.5 Religionsausübung im Kita-Alltag

8. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

Was Flucht für Kinder bedeuten kann und warum sie flüchten, hat meist unterschiedliche Gründe und soll nachfolgend erläutert werden. Die quantitative Relevanz der Personengruppe der Kinder mit diesem Erfahrungswert in Deutschland belegen die Zahlen. Zum Teil besuchen sie Kindertageseinrichtungen, identisch wie Kinder in diesem Land, die keine Flucht erlebt haben. Welche möglichen Institutionen sich genau hinter dem Begriff Kindertageseinrichtungen in Bayern verbergen, kann durch Rückgriff auf das Gesetz definiert werden. Diese Ausarbeitung zeigt im weiteren Verlauf auf, wie der Anspruch auf Bildung, Betreuung und Förderung in Deutschland für Kinder aussieht. Zudem ist ebenfalls zu erwähnen, wie bedeutsam der Besuch von Kindertageseinrichtungen für Kinder mit Fluchterfahrung ist. Besieht man sich die Problemlagen, denen sie ausgesetzt waren oder sind, kann unter anderem hieraus auch der besondere Anspruch an die pädagogischen Fachkräfte im Arbeitsalltag erklärt werden. Mit Verdeutlichung der Anforderungen an die Handlungsbereiche in der Kindertageseinrichtung im Rahmen der Betreuung und Begleitung von Kindern mit Fluchterfahrung, soll die Ausarbeitung ihren Abschluss finden.

1. Einleitung

Mit der Flüchtlingsbewegung der letzten Jahre migrierten auch viele Kinder nach Deutschland. Ihre Biografie wurde mit dem Baustein der Flucht ergänzt. Hier in Deutschland besuchen sie Kindertageseinrichtungen, ebenso wie ihre Altersgenossen/innen, die nicht auf etwaige Erlebnisse des Fliehens zurückgreifen können. Doch wie sehen die Möglichkeiten für den Besuch einer Kindertageseinrichtung aus? Sind diese generell gegeben und auf welchen Anspruch in Sachen Bildung kann sich berufen werden? Die Betreuung und Begleitung von Kindern mit dem Thema Flucht im Lebenslauf stellt eine Herausforderung für pädagogische Fachkräfte dar. Warum dies eine große Aufgabe ist, soll unter anderem im Hinblick auf die Problemlagen in der nachfolgenden Ausarbeitung erläutert werden. Außerdem möchte ich im weiteren Verlauf pädagogische Umsetzungsmöglichkeiten in verschiedenen Handlungsbereichen innerhalb der Kindertageseinrichtung aufzeigen. Die Ausarbeitung umfasst den Bereich des Kindesalters bis zur Einschulung, um den Umfangvorgaben gerecht zu werden.

2. Kinder auf der Flucht

Kinder kommen mit ihren Eltern und/oder weiteren Familienmitgliedern nach Deutschland. Doch nicht immer bleibt die Konstellation so. Auf dem Fluchtweg verlieren Kinder unter Umständen Teile ihrer Familie, machen sich alleine auf dem Weg weiter oder treten die Flucht alleine an und lassen Familienangehörige und Freunde im Heimatland zurück (vgl. Schmitt/Homfeldt 2014, S. 16 f.).

2.1 Fluchtgründe

Warum verlassen Menschen ihr Heimatland, begeben sich auf die Flucht in ein ihnen oftmals unbekanntes Land? Fluchtgründe für Menschen jeden Alters lassen sich unter anderem von Kriegen, Konflikten (ethnisch oder auch religiös), Krisen aber auch Unruhen sowie politischen Ursachen, Armut und Naturkatastrophen ableiten (vgl. Gravelmann 2016, S. 15). Jedoch gerade für Kinder ergeben sich zusätzlich spezifische Fluchtgründe. (vgl. Deutscher Caritasverband 2014, S. 23) Hierzu gehören unter anderem der erzwungene Einsatz als Kindersoldat/in oder der Kinderhandel sowie Gewalt und Misshandlung. Motivation zur Flucht von Kindern können zudem die Suche nach Familienmitglieder oder mehr Bildungschancen und eine Zukunftsperspektive erwecken. „Auch Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung, Sippenhaft, Diskriminierungen und die Zugehörigkeit zu einer benachteiligten sozialen Gruppe gelten für Erwachsene wie auch für Kinder als fluchtauslösende Faktoren“ (Deutscher Caritasverband 2014, S. 23). Gerade Mädchen können neben jungen Frauen einer „[...] (drohende(n)) Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, sexuelle(m) Missbrauch oder Zwangsprostitution [...]“ (Gravelmann 2016, S. 15), ausgesetzt sein. Gravelmann (2016, S. 15) spricht auch von Hoffnungslosigkeit und Angst, die Auslöser für eine Flucht sein können, wenn die Eltern verhaftet oder getötet wurden. Wie quantitativ bedeutend das Handlungsfeld der Betreuung und Begleitung von Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen ist, belegen die Zahlen an Kindern die nach Deutschland migrieren.

2.2 Aktuelle Zahlen

Gemäß einem Bericht des United Nations High Commissioner for Refugees (künftig UNHCR) (2017) waren 2016 die Hälfte der Menschen der weltweiten Flüchtlingsbewegung, Kinder. Dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig BAMF) (2018a, S. 3) erstellten Bericht ist zu entnehmen, dass 2017 die Zahl der Registrierungen 222.683 Asylanträge (Erst-/Folgeanträge) betrug. Bereits von Januar bis April 2018 wurden 63.972 Asylanträge (Erst-/Folgeanträge) gestellt. (ebd.) 27,6 % der Erstantragsteller und somit 15.482 Personen waren unter 6 Jahre. (vgl. BAMF 2018a, S. 7) Auch wenn den Zahlen nicht zu entnehmen ist, ob die Migration nach Deutschland fluchtbedingt erfolgte oder nicht, so ist doch registriert, dass die höchste Zahl an Asylerstanträgen von Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit im Berichtsmonat Januar 2018 gestellt wurden (vgl. BAMF 2018a, S. 5). Nachdem in Syrien seit längerem Krieg herrscht, kann hier von fluchtbedingter Migration ausgegangen werden. In 2017 stellten 9.084 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, also Flüchtlinge, die ohne Erziehungsberechtigen/e in Deutschland eingereist sind, erstmals einen Asylantrag. (vgl. BAMF 2018b, S. 1) Im ersten Quartal 2018 konnte eine Zahl von 1.325 verzeichnet werden. (ebd.)

3. Kindertageseinrichtungen

Nicht für alle Kinder, die im Rahmen der Flucht nach Deutschland kommen, ist der Besuch einer Kindertageseinrichtung (künftig Kita) möglich. Gemäß einer vom Weltkinderhilfswerk United Nations Children`s Fund (künftig UNICEF) (2017, S. 8) veröffentlichten Studie sind die Voraussetzungen hierfür abhängig von dem Ankunftszeitpunkt in Deutschland, dem Herkunftsland und den damit verbundenen Bleibeperspektiven sowie dem Ort und der Unterbringungsart aber auch den örtlichen Gegebenheiten für einen umsetzbaren Besuch einer Kita. Da auf eine bundeseinheitliche Unterbringungsform und Abruf von Leistungen nicht zurückgegriffen werden kann, sind die Bedingungen deutschlandweit sehr von Diversität geprägt. (ebd.) Aus dem Bildungsbericht 2016 (vgl. DIPF 2016, S. 195) geht hervor, dass gemäß einer Befragung aus 2016 in etwa jede 3. befragte Kita, Kinder aus Familien, die Schutz und Asyl in Deutschland suchen, betreuten. Doch welche Formen an Kitas für Kinder bis zum Alter der Einschulung gibt es in Bayern?

3.1 Kindertageseinrichtungen in Bayern

In Bayern definiert das Bayerische Gesetz zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege (künftig BayKiBiG) den Begriff der Kindertageseinrichtung. (Art. 2, BayKiBiG) Hierbei wird erläutert, dass es sich bei diesen Institutionen um Tageseinrichtungen handelt, die außerhalb der Schule regelmäßig Kinder bilden und erziehen sowie betreuen. Es handelt sich dabei, eingeschränkt auf die fokussierte Altersgruppe dieser Ausarbeitung, um Kinderkrippen für überwiegend Kinder mit einem Alter von bis zu drei Jahren sowie Kindergärten, die hauptsächlich von Kindern ab dem dritten Lebensjahr bis zum Eintritt in die Schule besucht werden. Außerdem zählen Häuser für Kinder, die unterschiedliche Altersgruppen betreuen, zu dem Sammelbegriff der Kitas in Bayern. Einen Teilbereich hierbei umfassen integrative Kitas deren zu betreuenden Kinder aus bis zu einem Drittel und mindestens drei Kindern mit einer (drohenden) Behinderung besucht werden. Die durchschnittliche Besuchszeit ist durch das BayKiBiG mit 20 Stunden in der Woche und einem Mindestbelegungszeitraum von einem Monat festgelegt. Das Recht auf die beiden Bereiche Bildung und Förderung, welche in Kitas stattfindet, begründen verschiedene gesetzliche Grundlagen, wie nachfolgend ausgeführt werden soll.

3.2 Recht auf Bildung und den Besuch einer Kindertageseinrichtung

Um die rechtlichen Grundlagen, welche einen Anspruch auf Förderung darlegen, betrachten zu können, gilt es zunächst die Altersdefinition in Deutschland für die Bevölkerungsgruppe der Kinder heranzuziehen. So erklärt das Achte Buch des Sozialgesetzbuches (künftig SGB VIII) mit § 7 (§ 7, SGB VIII), dass jede Person im Alter von 0 bis 14 Jahren ein Kind ist. Richtet man den Blick nun auf den Anspruch auf Bildung und Förderung für die Gruppe der Kinder, so werden die §§ 6, 22 ff. SGB VIII (§§ 6, 22 ff., SGB VIII) relevant, die das Recht auf Förderung unter anderem in Tageseinrichtungen festlegen. Ab dem ersten Lebensjahr können sich alle Kinder auf einen Rechtsanspruch bezüglich eines Platzes in einer Kita berufen. (ebd.) Dies gilt für alle Kinder, unabhängig einer Fluchterfahrung. (vgl. Baum 2017, S. 12) Jedoch, wenn Kinder sich in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, ist dies in der Regel nicht möglich. (ebd.) Der Bildungsbericht 2016 (vgl. DIPF 2016, S. 195) sieht aus rechtlicher Sicht keinen Unterschied bezüglich des Anspruchs auf Bildungsangebote im frühkindlichen Bereich, bezogen darauf, ob ein Bleiberecht in Deutschland besteht oder nicht. Der Anspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung beginnt nach Vollendung des ersten Lebensjahres, ab dem Zeitpunkt, ab dem die Eltern mit dem Kind in Deutschland einreisen und nicht weiterreisen möchten. (vgl. DIPF 2016, S. 195) Aber auch die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (künftig AEMR) (Art. 26, AEMR) legt den Anspruch eines jeden Menschen auf Bildung fest. Zudem fixiert der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (künftig ICESCR) (Art. 13, ICESCR) das Recht auf Bildung für jeden Menschen, so dass auch Kinder mit Fluchterfahrung die nach Deutschland migrieren, nicht davon ausgenommen werden können. Und auch die UN-Kinderrechtskonvention (künftig UN-KRK) (§§ 28 f., UN-KRK) spricht sich dafür aus. Konkreter fasst sich hier die EU-Aufnahmerichtlinie (Art. 14 Abs. 2, 2013/33/EU), welche neben dem Recht auf Bildung für Kinder, die Schutz in Deutschland suchen, auch die Wartefrist bezüglich des Zugangs zur selbigen auf maximal drei Monate ab Stellung des Antrages auf Asyl beschränkt. Wenngleich das deutsche Grundgesetz nicht explizit einen rechtlich begründeten Anspruch auf Bildung für Kinder mit Fluchterfahrung fixiert, so ist dennoch ein Diskriminierungsverbot gegeben (vgl. UNICEF 2017, S. 38).

4. Bedeutung des Besuches von Kindertageseinrichtungen

Betrachtet man die Vorteile für das Kind, den der Besuch einer Kita hat, so können hier diverse Aspekte gefunden werden. Gerade für Kinder mit Fluchterfahrung, welche oft in Flüchtlingsunterkünften ausharren und hier bisweilen keinen kindgerechten Alltag erfahren, bedeutet der Besuch der Kita Struktur und notwendige Förderung. (vgl. UNICEF 2017, S. 39) Ein wichtiger Punkt sind dem Alter des Kindes angepasste Angebote, die Gefühle der Fremdheit und des Alleinseins vermeiden. Sie lenken aber auch von vermehrten gegenseitigen Auseinandersetzungen ab, die häufig der wenig zufriedenstellenden Situation in den Unterkünften geschuldet sind. (ebd.) Peucker und Seckinger (2014, S. 14) sehen aber auch die Bildungsmöglichkeiten und die möglichen Freiräume, die für Kinder entstehen und positiv wirken können, wenn sie eine Kita besuchen. Sie haben so die Möglichkeit der Enge und Isolation, die oft in den Unterkünften herrschen, für eine Zeit zu entfliehen. (ebd.) Kitas können Kindern einen Raum für ihre Entwicklung bieten, abseits der herausfordernden Erfahrungen und Perspektiven (vgl. Lutter/Westphal 2015 zit. n. bpb 2015).

5. Problemlagen

Wer als Kind aufgrund Flucht nach Deutschland kommt, war für gewöhnlich bereits einer schwierigen Situation im Heimatland ausgesetzt, gekoppelt mit unter Umständen schwierigen Fluchtbedingungen. Und gerade weil Geflohene großen Anstrengungen ausgesetzt waren, um Grenzen zu überwinden, verbunden mit Ausgrenzung aber auch Entwürdigung, sind sie als kompetente Menschen wahrzunehmen (vgl. Abdel Fattah 2016, S. 36). Doch auch in Deutschland erwartet die schutzsuchenden Kinder wesentliche Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt.

5.1 Traumatisierung

Bei erwachsenen Flüchtlingen ist von einer Traumatisierungsrate von über 30 % auszugehen. (vgl. Soyer 2014, S. 7 f.) Betrachtet man Kinder mit Fluchterfahrung, so liegen hier keine nachweisbaren Daten vor, allerdings geht man davon aus, dass mit einem noch höheren Prozentsatz gerechnet werden kann. (ebd.) Problematisch hierbei ist die oft fehlende psychotherapeutische Betreuung, um eine chronische Verankerung des Erlebten im Kind zu vermeiden. (vgl. Kindler, 2014 S. 10 f.) Aber auch die psychologische Unterstützungsarbeit bei den Eltern ist von wesentlicher Bedeutung, da nur gesunde Eltern (-teile) positive Beziehungen zu ihren Kindern aufbauen und diese in der Bewältigung der traumatisierenden Erfahrungen unterstützen können. (ebd.)

5.2 Wohnverhältnisse

Leben Kinder mit ihrer Familie in Flüchtlingsunterkünften, so werden die Wohnverhältnisse nach Soyer (2014, S. 8) dem Kindeswohl meist nicht gerecht. Durch zu engem Raum teilen sich Eltern und Kind(er) einen Wohnraum in dem geschlafen, gegessen und die Freizeit verbracht wird. Zum Spielen und Lernen sind keine Rückzugsmöglichkeiten vorhanden. Aufgrund der oft räumlichen Trennung der Toiletten und Bäder vom Wohnraum, stellt der Gang hierzu für die Kinder meist eine Gefahrenquelle dar, die Angst auslöst. Aufgrund der Wohnsituation vermeiden es Kinder, Spielkameraden/innen aus der Umgebung oder der Kita einzuladen, da sie sich für die Wohnverhältnisse schämen. Demzufolge nehmen sie auch keine Einladung an, um keine Gegenleistung erbringen zu müssen. (ebd.) Negativ wirken sich für Kinder aber auch Gewalt und sexuelle Übergriffe, welche in Flüchtlingsunterkünften vorherrschen können, aus (vgl. Kindler 2014, S. 11). Oft liegen Flüchtlingsunterkünfte abgelegen, so dass für die Kinder die Gestaltung der Freizeit meist ohne große Abwechslungsmöglichkeiten abläuft (vgl. Peuker/Seckinger 2014, S. 12). Soyer (2014, S. 8) zeigt die Problematik auf, dass Eltern mit ihren Kindern, die in ländlichen Gegenden leben, oft zu wenig Unterstützung seitens der örtlichen Sozialberatung erhalten. Verantwortlich macht er hier die meist fehlenden Sprachkenntnisse aber auch das mangelnde Wissen über Menschen mit Fluchterfahrung. (ebd.)

5.3 Asyl

Die belastende Situation der Eltern, nicht zu wissen ob sie in Deutschland Asyl erhalten oder wieder zurückkehren müssen, überträgt sich auch auf die Kinder. (vgl. Peuker/Seckinger 2014, S. 12) Unter dieser Voraussetzung eine positive Sicht auf die Zukunft zu entwickeln ist meist schwierig. (ebd.)

6. Anforderungen an die pädagogische Fachkraft

Aufgrund der im Vorfeld geschilderten gesetzlichen Grundlagen ergibt sich somit der Auftrag für die Kitas in der Erziehung sowie Bildung aber auch Betreuung von Kindern mit Fluchterfahrung und umfasst deren soziale und emotionale sowie körperliche und weiter die geistige Entwicklung. (vgl. Abdel Fattah 2016, S. 76 f.) Dabei werden Orientierung schaffende Werte sowie Regeln vermittelt. Der Förderanspruch ist dem Alter sowie dem Stand der Entwicklung der Kinder anzupassen und soll sich unter anderem an deren sprachlichen Kompetenzen, ihrer individuellen Lebenssituation, deren Bedürfnissen sowie ihrer ethnischen Zugehörigkeit orientieren. Aus der Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung besteht aber auch die Aufgabe in der Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. der Herkunftsfamilie. Diese Kernaufgabe umfasst zudem die Kooperation mit anderen Personen und Einrichtungen. (ebd.) Gerade aufgrund der vorgenannten Problemlagen, denen Kinder mit Fluchterfahrung ausgesetzt waren und in Deutschland sind, sehen Schmitt und Homfeldt (2014, S. 16 f.) es als von wesentlicher Bedeutung an, dass den Kindern eine sichere Bindung sowie liebevolle Zuwendung zu Teil wird und sie ein stabiles Umfeld vorfinden. Dies geht einher mit einer erforderlichen Sensibilität für die besondere Lage, in der sich Kinder mit Fluchterfahrung befinden. Dabei sind die Erfahrungswerte der Kinder nicht homogen vergleichbar. Die pädagogische Fachkraft ist gefordert, die individuellen Lebenssituationen der Kinder im Blick zu haben. (ebd.) Zudem sollte sie über Wissen zur Sprache der Kinder und ihre Belastungen verfügen (vgl. Ritter/Albers 2016, S. 14). Durch die Fokussierung auf die Ressourcen der Kinder wird ein, gemäß Abdel Fattah (2016, S. 36), häufig stattfindender Ansatz, orientiert an Defiziten, vermieden. Seiner Ansicht nach zeigt die Praxis häufig die Degradierung von Flüchtlingen auf Menschen mit einer Hilfsbedürftigkeit. (ebd.) Von großer Bedeutung ist, dass in der Kindertageseinrichtung ein Weg zwischen dem oft tristen Alltag der Kinder und dem pädagogischen Ziel, ihnen eine individuelle Entwicklungsmöglichkeit zu bieten, gefunden wird (vgl. Lutter/Westphal 2015 zit. n. bpb 2015). Die Offenheit gegenüber Kindern mit Fluchterfahrung ist für pädagogische Fachkräfte im Rahmen ihrer Vorbildfunktion für die zu betreuenden Kinder von großer Bedeutung. (vgl. Baum 2017, S. 8 f.) Bereits zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr können Kinder Unterschiede wahrnehmen und Bewertungen von erwachsenen Personen übernehmen. (vgl. Baum 2017, S. 8 f.) Auch die pädagogische Fachkraft ist immer wieder gefragt, ihre eigene Haltung bezüglich der Gleichbehandlung zu reflektieren. (ebd.) Lutter und Westphal (zit. n. bpb 2015) sehen auch die Notwendigkeit für Familien mit Fluchterfahrung, dass sie bald nach ihrer Einreise in Deutschland migrations- sowie kultursensible Möglichkeiten zur Förderung der Familienbeziehung aber auch der Elternkompetenz erhalten. So sind im Rahmen der Elternarbeit auch deren Bedürfnisse sowie Ressourcen der Eltern wahrzunehmen. (ebd.) Außerhalb des Kulturraumes von Europa sind Bildungs- und Betreuungsangebote in der frühen Kindheit oftmals nicht bekannt. (vgl. Abdel Fattah 2016, S. 69 f.) Eine Betreuung und Erziehung der Kinder bis zur Einschulung ist zuhause üblich. Hinzu kommt, dass das deutsche Bildungssystem für viele Menschen außerhalb der Grenzen als positiv eingeschätzt wird. So kann es sein, dass Eltern der Kita mit einem hohen Erwartungsdruck begegnen, da diese mit der Schule gleichgestellt wird. Hier ist es wichtig, den Eltern durch Hospitationen das Bildungsgeschehen in der Kita erleben und verstehen zu lassen. (ebd.) Von besonderer Bedeutung ist auch, dass eine Umkehrung der Generationenrolle zwischen Kindern und Eltern vermieden wird. (vgl. Struck 2014, S. 24) Kinder lernen die deutsche Sprache oft schneller als ihre Eltern. Dies bedeutet aber auch, dass sie häufig die Position des/der Übersetzers/in einnehmen müssen und so Sprache und Kultur vermitteln. Hierdurch entsteht für die Kinder eine permanente Konfrontation mit Herausforderungen, mit denen die Erwachsenen zu kämpfen haben. (ebd.) Lutter und Westphal (zit.n. bpb 2015) sehen hier auch die mögliche Überforderung von Kindern. Aufgrund der traumatischen Erlebnisse vor und während der Flucht, können Eltern oft nicht adäquat mit ihren Kindern interagieren und sich mit ihnen beschäftigen oder notwendige Grenzen aufzeigen. Überforderung, Hilflosigkeit aber auch Machtlosigkeit machen sich bei den Eltern breit und finden ihre Kompensation unter Umständen in einem Verhalten, orientiert am Patriarchismus, gegenüber den Kindern, wobei hier auf Gefühle meist nicht eingegangen wird. Von Vorteil ist eine mögliche starke emotionale Bindung innerhalb des Familienverbundes. Diese bedeutet eine hohe Ressource zur Bewältigung von schwierigen fluchtbedingten Erlebnissen und kann somit bei Kindern mit Fluchterfahrung deren Selbstwirksamkeit stärken. Der Wille des Überlebens, den viele Kinder hieraus im besonderen Maße entwickelt haben, kann besondere Fähigkeiten herausbilden. (ebd.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Betreuung von Kindern mit Fluchterfahrungen in einer Kindertagesstätte
Hochschule
Technische Hochschule Rosenheim
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
22
Katalognummer
V512411
ISBN (eBook)
9783346104663
ISBN (Buch)
9783346104670
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flucht Kindertageseinrichtung Kinder
Arbeit zitieren
Erika Wimmer (Autor:in), 2018, Betreuung von Kindern mit Fluchterfahrungen in einer Kindertagesstätte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512411

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