Genrekonventionen im Film Casablanca


Seminararbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Rick Blaine, der Westernheld?
1. Gemeinsamkeiten zum Western
2. Beispiel an einer Szene
3. Mehr als nur ein Westernheld

III. Rick im Spannungsfeld der Gefühle
1. Gemeinsamkeiten zum Melodrama
2. Beispiel an einer Szene
3. Casablanca, das besondere Melodrama

IV. Resümee und Bedeutung der Genrekonzeption

V. Literaturverzeichnis

VI. Filmographie

I. Einleitung

Zärtlich berührt er ihr Gesicht, schaut ihr tief in die Augen und spricht: „Here´s looking at you, kid.“ 63 Jahre nach dem Erscheinen des Films Casablanca in den amerikanischen Kinos bleibt die Abschiedsszene zwischen Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann bis heute unvergessen. Doch worin besteht die Faszination dieses Films, der doch nur einer unter vielen war? Die Starbesetzung, die politische aktuelle Situation des Zweiten Weltkriegs verknüpft mit einem Drehbuch, das für die Traumfabrik Hollywood einzigartig war, sind nur einige Gründe, warum der Film einen Kultstatus bei den Zuschauern in aller Welt erreicht hat.

Ein überaus wichtiger Punkt für den Erfolg des Films und die große Wirkung beim Publikum sind die verschiedenen Genrekonventionen, denen sich der Film bedient. Zahlreiche Anleihen aus unterschiedlichsten Filmgenres vereinen sich zu einem Meisterstück des frühen Hollywoodkinos. Unter diesem Aspekt soll, ausgehend von der Hauptfigur Rick, in dieser Arbeit verdeutlicht werden, inwiefern sich der Film Casablanca bestimmter Konventionen des Westerns und des Melodrams bedient und deren Spielräume erweitert. Darüber hinaus soll diese genrespezifische Analyse dazu dienen, die besondere Wirkung dieser Konzeption darzustellen und dadurch die Bedeutung des Films zu erläutern.

Zunächst ist jedoch zu klären, was sich hinter dem schwer fassbaren Begriff Genre überhaupt verbirgt. Der Ausdruck an sich stellt einen Ordnungsbegriff wie die Gattung dar, der Einzelwerke anhand von Regelmäßigkeiten zu gliedern versucht. Genrebestimmend seien nach Knut Hickethier wiederkehrende Erzählmuster, Themen oder Motive. Die Einteilung von Filmen in bestimmte Kategorien ist jedoch niemals völlig eindeutig, da die Grenzen zwischen den verschiedenen Genres oftmals fließend und nicht klar definiert sind. Ein Abenteuerfilm kann zum Beispiel gleichzeitig ein Melodrama, ein Horror- auch ein Detektivfilm sein.[1]

Im Bereich des Kinos hat die Einteilung von Filmen in bestimmte Gattungen einerseits die Funktion, als Muster für den Produzenten und der Verständigung zwischen den Verleihern und Kinobesitzern zu dienen. Andererseits bietet das Genre-Konzept dem Zuschauer einen Anhaltspunkt für die Art des Films, also die Verständigung zwischen Kinobesitzern und dem Publikum.[2]

Für die Erarbeitung des Themas sind im Hinblick auf die Genreanalyse die Arbeiten Georg Seeßlens[3] nützlich, da sie einen guten Überblick über die Merkmale des Westerns und des Melodramas geben. Die Analyse des Films Casablanca stützt sich in erster Linie auf den sehr umfangreichen Aufsatz von Werner und Ingeborg Faulstich[4] und auf den Text „Das Phänomen Kultfilm: Casablanca“ von Gaby Kreutzner.[5] Außer einigen kurzen englischen Aufsätzen, ist jedoch recht wenig Literatur zur konkreten Filmanalyse vorhanden. Besonders durch die spezielle Fragestellung dieser Arbeit musste auf allgemeine Werke zurückgegriffen werden und stützt sich zu einem großen Teil auf eigene Interpretationsansätze.

II. Rick Blaine, der Westernheld?

1. Gemeinsamkeiten zum Western

Raue Landschaften, Rauchende Colts, Cowboys und Apachen: Das ist es, was wir uns unter einem Western vorstellen. Die lange Tradition dieses Genre in Amerika hat jedoch auch eine Menge Filme beeinflusst, die zeitlich und geographisch nicht an die Zeit der Kolonisation gebunden sind. Diese Fluchtstimmung, Teil der amerikanischen Geschichte, wird in dem Film Casablanca aufgegriffen und modernisiert.[6] Der Held des Films, Rick Blaine, ein Barbesitzer in einer Welt, in der fremde Menschen und Kulturen aufeinanderprallen, lässt sich als ein klassischer Westernheld interpretieren. Die zynische und neutrale Art des Protagonisten wird in dem Film vielfach hervorgehoben: „Rick is neutral about everything“.[7] Nach der Verhaftung Ugartes behauptet er von sich selbst: „I stick my neck out for nobody“.[8] Diesen Satz hätte auch John Wayne nicht besser sagen können. Rick verhält sich sehr distanziert zu den Gästen in seinem „Saloon“; kühl nimmt er die Verhaftung seines Bekannten Ugarte hin und zeigt sich unbeeindruckt von den Vorfällen. „Madame , he never drinks with costumers”[9]: Er scheint etwas verbergen zu wollen; er möchte weder seine Identität noch seine Vergangenheit preisgeben. Die abneigende und neutrale Haltung gegenüber politischen Ansichten und die rüde Art, wie er am Anfang des Films mit Menschen umzugehen scheint, lässt ihn als einen kühlen und gefühllosen Charakter wirken.

Solomon definiert einen Westernhelden als „an isolated figure, a man apart from society“. Seine Attribute “competence and reserve“ seien oftmals durch die Gesellschaft ausgelöst worden, die ihn aus einem bestimmen Grund verstoßen hatte. Er berge Geheimnisse oder tiefen Schmerz in sich, die nie psychologisch aufgearbeitet wurden.[10] Die Geheimnisse des einsamen Helden Rick und der Grund für seine harte Schale werden jedoch im Verlauf des Films in einer Rückblende, einem Flashback, [11] geklärt: Die unglückliche Liebe zu einer Frau, die ihn in Paris sitzen gelassen hatte, machte aus ihm einen scheinbar unnahbaren Menschen ohne Mitgefühl. „Er ist politisch neutral, passiv, weil er im Privaten Schiffbruch erlitten hat.“[12]

Der Barbesitzer Blaine beherrscht seinen Bereich souverän. Die Unterwürfigkeit Ugartes („what right do I have to think“)[13] sowie die Ablehnung eines deutschen Spielers an der Kasinotür lassen Rick´s Café Américain als einen Ort erscheinen, an dem eigene Gesetze gelten. Die Loyalität zu seinen Angestellten, vor allem zu Sam wird in der Szene deutlich, in der der Schwarzhändler Ferrari den Klavierspieler für sein eigenes Restaurant kaufen möchte. Ricks Ablehnung wird von Ferrari politisch aufgefasst: “When will you realize that in this world isolationism is not a practical policy?“[14] Dieser Satz lässt sich zweifach deuten. Einerseits soll Ricks verschlossene Haltung gegenüber den illegalen Geschäften Ferraris angedeutet werden. Auf der anderen Seite jedoch wird die aktuelle Situation angesprochen, in der sich Amerika zu jener Zeit befindet. Der Ausspruch lässt sich somit als einen Aufruf zum Kriegseintritt der USA interpretieren. Der amerikanische Barbesitzer, abgeschottet in seiner eigenen Welt, wird jedoch im weiteren Verlauf seine isolationistische Politik aufgeben, um für seine Ideale einzutreten.

Das Gute und Böse wird in Casablanca klar definiert: Major Strasser als Sinnbild des Dritten Reichs steht Victor Laszlo gegenüber, dem Freiheitskämpfer, dem sogar der verschlossene Rick seine Bewunderung äußert. Die scheinbare Neutralität Ricks verändert sich im Laufe der Handlung bis hin zur aktiven Rolle des Helden: Die Erschießung Major Strassers in Western-Manier bildet den Höhepunkt der Selbstaufgabe. Der Held, „der keinen Führungsanspruch erhebt“, opfert sein privates Glück für eine größere Sache. Die Sehnsucht nach Ordnung, Frieden, Recht und Gesetz lässt ihn sein Leid vergessen und für eine gute Welt kämpfen. Er übernimmt dies jedoch nicht selbst, er stellt, wie im Western, nur den Mittler dar, „der Bote, ein „Engel der Geschichte“.[15]

[...]


[1] Vgl. Hickethier, Knut: Film-und Fernsehanalyse, Stuttgart-Weimar 1993, S. 202-204 und Faulstich, Werner: Die Filminterpretation, 2.Aufl. Göttingen 1995, S. 78-80,

siehe auch: Neale, Steve: Genre and Hollwood, London-New York 2000 und Schatz, Thomas: Hollywood Genres: Formulas, Filmmaking and the Studio System, New York 1981.

[2] Vgl. Altman, Rick: Film und Genre, in: Geschichte des internationalen Films, hrsg. v. Geoffrey Nowell-Smith, Stuttgart-Weimar 1998 ,S. 253f.

[3] Seeßlen, Georg/Weil, Claudius: Western-Kino. Geschichte und Mythologie des Western-Films (Grundlagen des populären Films 1), Hamburg 1979 und Seeßlen, Georg: Kino der Gefühle. Geschichte und Mythologie des Film-Melodrams (Grundlagen des populären Films 6), Hamburg 1980.

[4] Faulstich, Werner/ Faulstich, Ingeborg: Modelle der Filmanalyse (Kritische Information 57), München 1977.

[5] Kreutzner, Gaby: Das Phänomen Kultfilm: Casablanca (1942/1943), in: Der Film als gesellschaftliche Kraft. 1925-1944 (Fischer Filmgeschichte 2), Frankfurt am Main 1991, S. 324-336.

[6] Vgl. Seeßlen: Western-Kino, S. 25.

[7] Casablanca: Directed by Michael Curtiz. Screenplay by Julius J. & Philip G. Epstein and Howard Koch from a play by Murray Burnett, Joan Alison. Music by Max Steiner, DVD der Originalausgabe von 1943, USA 1999, 0:23:06.

[8] Ebd. 0:21:42.

[9] Ebd. 0:08:08.

[10] Vgl. Solomon, Stanley: Beyond Formula. American Film Genres, New York 1976,S. 20-22.

[11] Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse, S. 131f.

[12] Faulstich: Modelle der Filmanalyse, S. 84.

[13] Casablanca, 0:09:46.

[14] Ebd. 0:13:52.

[15] Vgl. Seeßlen: Western-Kino, S. 28 und Faulstich, Werner: Grundkurs Filmanalyse, S. 32.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Genrekonventionen im Film Casablanca
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Deutsches Seminar II)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V51152
ISBN (eBook)
9783638471954
ISBN (Buch)
9783656803362
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Genrekonventionen im Film Casablanca - eine filmische Analyse des Kinoklassikers
Schlagworte
Genrekonventionen, Film, Casablanca, Proseminar
Arbeit zitieren
Jochen Engelhorn (Autor:in), 2004, Genrekonventionen im Film Casablanca, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51152

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