Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz in multikulturellen Gesellschaften

Möglichkeiten des Erwerbs und der Weiterentwicklung interkultureller Kompetenz durch interkulturelles Lernen


Hausarbeit, 2019

41 Seiten, Note: 1,7

Elisa Späth (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen: Begriffsbestimmung relevanter Aspekte
2.1 Kultur
2.1.1 Begriffsdefinition
2.1.2 Standardisierung von Kultur vs. Kulturstandards
2.1.3 Tiefenebenen und Dimensionen
2.2 Enkulturation vs. Akkulturation
2.3 Begriffsdefinition Kompetenz

3 Interkulturalität
3.1 Multikulturalität vs. Interkultur(alität)
3.2 Interkulturelle Kompetenz
3.2.1 Begriffsdefinition
3.2.2 Teilkompetenzen: Ansatz nach Erll/ Gymnich
3.2.3 Potentielle Kritikpunkte

4 Interkulturelles Lernen: Modelle und Methoden im Überblick
4.1 Förderliche Voraussetzungen
4.2 Unbewusstes interkulturelles Lernen: Kulturkontakt
4.2.1 Das Modell des Kulturschocks
4.2.2 Potentielle Kritikpunkte
4.3 Bewusstes interkulturelles Lernen: Interkulturelles Training
4.3.1 Trainingsziele
4.3.2 Informationsorientierte Trainingsmethoden
4.3.2.1 Informationsorientiertes kulturallgemeines Training
4.3.2.2 Informationsorientiertes kulturspezifisches Training
4.3.2.3 Potentielle Kritikpunkte
4.3.3 Erfahrungsorientierte Trainingsmethoden
4.3.3.1 Erfahrungsorientiertes kulturallgemeines Training
4.3.3.2 Erfahrungsorientiertes kulturspezifisches Training
4.3.3.3 Potentielle Kritikpunkte

5 Kritische Würdigung und Fazit

Literaturverzeichnis

Genderhinweis

A us Gründen der Lesbarkeit wurde in der vorliegenden Arbeit die männliche Sprachform gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich sämtliche Personenbezeichnungen auf Angehörige beider Geschlechter.

Hervorhebungen

A lle Hervorhebungen, fett und kursiv, wurden durch den Verfasser vorgenommen, wenn nicht anders markiert.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Drei Dimensionen der Kultur

Abb. 2: Die Dynamik kultureller Uberschneidungssituationen

Abb. 3: Drei Teilkompetenzen interkultureller Kompetenz in ihrem Zusammenwirken

Abb. 4: Phasenmodell des Kulturschocks

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

In einem von vorschreitender Globalisierung, Migration und Internationalisierung geprägten Zeitalter gehört das Aufeinandertreffen von Mitgliedern verschiedener Kulturen für viele Menschen bereits zum Alltag.1

Da Menschen kulturgeprägt agieren, denken und kommunizieren2, kommt es bei interkulturellen Aufeinandertreffen häufig zu kulturellen Divergenzen, die nicht nur als Bereicherung, sondern auch als Belastung wahrgenommen werden können.3 Während interkultureller Überschneidungssituationen, die sowohl im Ausland als auch im Inland entstehen4, kann es somit häufig zu interkulturellen Verständigungsproblemen, Kommunikationsproblemen und Missverständnissen kommen,5 deren Folge oft allgemeine Frustration ist. Beispiele hierfür sind Frustration oder Kommunikationsprobleme im Auslandssemester oder in multikulturellen Schulklassen, sowie auch gescheiterte Geschäftsabschlüsse.6 Professionelles Handeln und verträgliches Zusammenleben im multikulturell geprägten Alltag ist damit nicht selbstverständlich.7

Zudem ist den Betroffenen selbst der Grund solcher interkulturellen Missverständnisse und Probleme häufig nicht bewusst, sodass sie nicht wissen, wie sie diese überwinden können.8 Demnach sind für eine erfolgreiche Interaktion, Kommunikation sowie einen verträglichen Umgang mit Mitgliedern anderer Kulturen bestimmte Einstellungen und Fähigkeiten erforderlich.9 Dadurch ist ,,Interkulturelle Kompetenz‘‘ in unserem Zeitalter zu einer Schlüsselkompetenz avanciert, die jeder benötigt, da sie sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich relevant ist.10

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist somit zum einen, auf die Unentbehrlichkeit interkultureller Kompetenz im 21. Jahrhundert aufmerksam zu machen, und zum anderen, verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ,,Interkulturelle Kompetenz‘‘ erworben und weiterentwickelt werden kann.

Das zweite Kapitel der Hausarbeit soll auf den Begriff der interkulturellen Kompetenz vorbereiten, indem zunächst theoretische Grundlagen vorgestellt und relevante Begriffe terminologisch geklärt werden, die im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder auftauchen. Hierfür werden verschiedene Definitionen des Begriffs Kultur herangezogen sowie darauf eingegangen, wie Kultur entsteht, wozu sie dient und inwiefern sie den Menschen prägt. Weiterhin wird mit Hilfe der ,Tiefenebenen und Dimensionen‘ auf allgemeine zentrale Charakteristika von Kultur aufmerksam gemacht. Daraufhin wird untersucht, wann Menschen Kultur erlernen. Abschließend wird dann der Begriff Kompetenz definiert. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff "Interkulturelle Kompetenz". Hierfür werden zunächst die Begriffe Multikulturalität und Interkultur(alität) voneinander abgegrenzt, sowie verschiedene Definitionen dieses Begriffs aufgeführt. Danach wird untersucht, welche Teilkompetenzen die ,,Interkulturelle Kompetenz‘‘ beinhaltet. Das Ziel des interkulturellen Lernens ist es nämlich, diese zu erwerben. Auf dieser Grundlage gewährt das vierte Kapitel einen Einblick in zwei verschiedene Formen interkulturellen Lernens, die den Erwerb und die Weiterentwicklung interkultureller Kompetenz ermöglichen. Zunächst wird ein Modell vorgestellt, dass den unbewussten Erwerb interkultureller Kompetenz veranschaulicht. Daraufhin wird auf interkulturelle Trainings eingegangen, indem zwei Trainingsmethoden vorgestellt werden, die den bewussten Erwerb interkultureller Kompetenz ermöglichen. Das letzte Kapitel fasst schließlich die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammen und zieht ein Fazit in Bezug auf die beschriebenen Möglichkeiten des Erwerbs interkultureller Kompetenz.

2 Theoretische Grundlagen: Begriffsbestimmung relevanter Aspekte

Das folgende Kapitel beleuchtet den Kulturbegriff etwas genauer, indem der Begriff zunächst definiert wird. Anschließend wird darauf eingegangen, wie Kultur entsteht, wozu sie dient und inwiefern sie den Menschen prägt. Auf dieser Grundlage werden daraufhin verschiedene Dimensionen und Tiefenebenen von Kultur dargestellt, um dafür zu sensibilisieren, weshalb es zu Missverständnissen während interkultureller Interaktionen kommen kann. Außerdem wird hierbei untersucht, wann Menschen Kultur erlernen. Zum Schluss wird schließlich der Begriff Kompetenz definiert.

2.1 Kultur

2.1.1 Begriffsdefinition

In der Fachliteratur existiert keine allgemeingültige Definition zum Kulturbegriff11, die Bedeutung des Begriffs ist abhängig von seinem Kontext12.

Das Wort Kultur stammt vom lateinischen Verb ,,colere‘‘ und hat viele Übersetzungs- möglichkeiten.13 Den Begriff Kultur gibt es ungefähr seit dem 17. Jahrhundert, hier beschreibt er etwas, das der Mensch aus Eigeninitiative und Eigenvermögen erschafft.14 Laut Gerhard Maletzke ist Kultur demnach ein menschliches Phänomen.

Jürgen Bolten hingegen unterscheidet wegen der vielfältigen Übersetzungen des Begriffs zwischen einem engem und einem erweiterten Kulturbegriff15, welche im Folgenden näher erläutert werden. Der enge Kulturbegriff umfasst einerseits die ,,Hochkultur‘‘16 bzw. die ,,Elitekultur‘‘, die nur der belesenen Bevölkerung disponibel ist. Beispiele hierfür sind die Literatur Goethes und Schillers17, d.h. Geisteskultur sowie Kunst und Kulturgüter. Andererseits umfasst der enge Kulturbegriff das Wort ,,Kult‘' und somit kultbezogenes wie z.B. Religion.18 Im Gegenzug dazu umfasst der erweiterte Kulturbegriff zum einen eine lebensweltliche Deutung von Kultur, wie z.B. den Kulturraum oder die Nationalkultur. Zum anderen bezieht er sich auf biologische Kulturen, wie z.B. Kulturpflanzen und Natur. Kultur wird hier erschaffen und organisiert durch das Zusammenspiel von Kultur und Natur.19 Sowohl der enge als auch der erweiterte Kulturbegriff besitzen jedoch Konfliktpotenzial.

Gefahren des engen Kulturbegriffs sind Konflikte und Unterdrückung, die durch ein hierarchisches Verhältnis zwischen vermeintlich ,,entwickelte [n] Kulturen‘‘ und ,,naive [n] Kulturen‘‘ hervorgerufen werden.20

Der erweiterte Kulturbegriff wird noch weiter differenziert in einen offenen erweiterten Kulturbegriff und einen geschlossenen erweiterten Kulturbegriff.21 Beim geschlossenen Kulturbegriff wird die räumliche, politische, sprachliche und geisteswissenschaftlich Abgrenzung von Lebenswelten in Nationalkulturen problematisch gesehen.22 Ziel ist es, Orientierung zu geben und Eigenschaften ethnischer Gruppen herauszufinden.23 Zum einen können somit ethnische Gruppen miteinander verglichen werden. Zum anderen besteht die Gefahr beim geschlossenen erweiterten Kulturbegriff, dass im Vergleich zum offenen Kulturbegriff, nicht die Überschneidung von Kulturen berücksichtigt wird, was ,,einen der größten Wiedersprüche von Konzeptionen zum interkulturellen Lernen dar [stellt]‘‘.24

,,Kulturen sind [demnach] keine Container, sie sind weder homogen, noch mit dem Zirkel voneinander abgrenzbar, sondern – als Zeichen ihrer Vernetzung – an den Rändern mehr oder minder stark ,ausgefranzt‘ zu denken.‘‘ 25

Astrid Erll u. Marion Gymnich sehen es ebenso als problematisch an, Kulturen voneinander abzugrenzen, sowie jedem Individuum einer Kultur dieselben Merkmale zuzusprechen.26 Kultur ist also ,,keine geschlossene, statische und räumlich fixierte Einheit.‘‘ 27 Der Mensch wird zum einen von der Kultur, in der er lebt, geprägt, zum anderen beeinflusst er diese auch selbst.28 Kultur befindet sich folglich in einem ständigen Wandel.29

Relevant für den interkulturellen Kontext ist demnach der offene erweiterte Kulturbegriff, demzufolge Kulturen ,,soziale Lebenswelten wechselnder Größe und Zusammensetzung‘‘ sind30, die aus interkulturellen Prozessen resultieren.31 Besonders Globalisierung führt zu kulturellem Austausch, wodurch Kulturen miteinander verschmelzen und sich somit verändern.32 Laut Bolten stellt ,,jede Kultur […] ein Produkt interkultureller Prozesse dar.‘‘ 33 Eine nationalstaatliche Kulturdefinition wird dem Zeitalter der Globalisierung demnach nicht gerecht.34 Kultur kann also als ,,offener, dynamischer und ein sich wandelnder Prozess‘‘ verstanden werden, währenddessen ,,Normen, Werte und Lebensweisen [...] immer wieder neu verhandelt [werden].35

Im Rahmen der Bearbeitung der Thematik dieser Arbeit soll die folgende kulturanthropologische Definition von Gerhard Maletzke gelten, da diese dafür geeignet ist Prozesse zu betrachten, die zwischen den Kulturen stattfinden.36

„In der Kulturanthropologie ist Kultur im Wesentlichen zu verstehen als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Werteorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden. Ganz vereinfacht kann man sagen: Kultur ist die Art und Weise, wie die Menschen leben und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen.‘‘ 37

2.1.2 Standardisierung von Kultur vs. Kulturstandards

In der Kulturanthropologie wird Kultur als System verstanden. Ein solches kulturelles System entsteht, indem sich Gewohnheiten bilden innerhalb von Gruppen.38 Laut dem Amerikanistik Klaus-Peter Hansen wird genau dieser Prozess der Gewohnheitsbildung innerhalb von Gruppen als ,,Standardisierung‘‘ bezeichnet.39 Hansen definiert Kultur demnach wie folgt: ,Kultur umfasst Standardisierungen, die in Kollektiven gelten.‘ 40 Kulturelle Standardisierung, bedeutet ihm zufolge, dass unser Empfinden, Denken, Verhalten und Handeln, sowie unsere Kommunikation kulturell standardisiert, bzw. kulturell geprägt ist.41 Im Folgenden werden zu jedem Bereich der kulturellen Standardisierung Beispiele gegeben.42

Zum einen ist unser Empfinden kulturell standardisiert. Empfindungen und Gefühle können oft nicht kontrolliert werden, was den Anschein erwecken kann, dass sie spontan erfolgen. M. Foucault hat 1976 jedoch bewiesen, dass Gefühle soziale Konstrukte und folglich kulturspezifisch sind. Je nach Kultur können Gefühle z.B. anders ausgedrückt werden, oder dasselbe Ereignis kann in verschiedenen Kulturen ein anderes Gefühl hervorrufen. Zum anderen ist unser Denken kulturell geprägt. Unsere Ansichten, Wirklichkeitsdeutungen sowie Urteile über Sachen, die uns ständig umgeben, sind kulturell geprägt. Das zeigt sich besonders im Alltagswissen, welches sich häufig in Redewendungen manifestiert (Bsp: ,Morgenstund‘ hat Gold im Mund‘ 43 ). Zudem sind unser Verhalten und Handeln standardisiert. Kulturell geprägtes Verhalten ist z.B. das unbewusste Händeschütteln in Deutschland, zur Begrüßung oder zum Abschied. In anderen Ländern, wie z.B. Frankreich44, begrüßt oder verabschiedet man sich anders, z.B. durch einen Kuss auf die Wange.45 Auch bewusste Handlungen sind kulturell standardisiert, so schüttelt man sich z.B. bewusst nicht die Hände, wenn Ablehnung zum Ausdruck gebracht werden soll. Weiterhin ist unsere Kommunikation kulturell geprägt. Zeichen wie z.B. Gesten (z.B. Kopfnicken), Wörter oder mathematische Symbole sind kulturspezifisch. Durch konventionalisierte Zeichen können wir kommunizieren. Beispielsweise bedeutet ,,Kopfnicken‘‘ in Deutschland ,,Bestätigung‘‘, in Griechenland hingegen ,,Verneinung‘‘. Man spricht von kulturellen Codes. Hierbei handelt es sich um Zeichen, die in ihrem Gebrauch und ihrer Bedeutung konventionalisiert sind. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird noch genauer erläutert, wann diese kulturellen Standardisierungen erworben werden (vgl. dazu Kap. 2.2).

Was sind Kulturstandards? Der Begriff wurde von Alexander Thomas geprägt.46 Er definiert den Begriff Kulturstandards wie folgt:

,Kulturstandards sind alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich und andere als normal, , typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert‘ 47

Kultur ist für Alexander Thomas ein Orientierungssystem. Kulturstandards ermöglichen eine Orientierung in diesem System.48 Es gibt z.B. deutsche Kulturstandards, chinesische, US- amerikanische usw.49 Zu den deutschen Kulturstandards zählen z.B. laut Thomas die folgenden sieben: Sachorientierung, Regelorientierung, Direktheit/ Wahrhaftigkeit, Interpersonale Differenzierung, Internalisierte Kontrolle, Zeitplanung, Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereich.50 Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass man mit Kulturstandards nicht Kulturen in ihrer Gesamtheit erfassen kann.51 Kapitel 4.3.2.2 wird sich mit der Vermittlung von Kulturstandards beschäftigen und veranschaulichen wozu es nützlich ist fremdkulturelle und die eigenkulturellen Kulturstandards zu kennen.

2.1.3 Tiefenebenen und Dimensionen

Es ist unmöglich, Kulturen in ihrer Gesamtheit inhaltlich zu beschreiben.52 Die obigen kulturellen Standardisierungen decken nur eine Dimension von Kultur ab. Zum besseren Verständnis des Kulturbegriffs, beschäftigt sich dieses Teilkapitel nun mit weiteren Dimensionen und allgemeinen Charakteristika von Kultur. Im Folgenden wird dafür Kultur nach Astrid Erll und Marion Gymnich in drei Dimensionen eingeteilt und nach Gerhard Hofstede mit einer Zwiebel verglichen.

In der Anthropologie wird Kultur in drei Dimensionen unterteilt: die soziale-, materiale- und mentale Dimension.53

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A bb. 1: D rei Dimensionen der Kultur

Quelle: Erll/ Gymnich (2011), S. 23.

Bei den in Kapitel 2.1.2 genannten Standardisierungen handelt es sich um kognitive Phänomene wie kulturspezifische Codes, Gedanken, Gefühle und Handlungsmuster. Diese bilden die mentale Dimension von Kultur und sind nicht beobachtbar (vgl. dazu Abb. 2). Kulturelle Standardisierungen werden jedoch beobachtbar, sobald sie sich in der materialen oder sozialen Dimension manifestiert. Als Beispiel hierfür kann das Manifestieren von Werten und Normen in Sprichwörtern herangezogen werden. Die soziale und materiale Dimension ist nicht beobachtbar. Während die materiale Dimension Medien und kulturelle Artefakte, wie z.B. Literatur, Bilder, Fernsehsendungen und Theaterstücke, umfasst, bezieht sich die soziale Dimension von Kultur auf konkrete soziale Handlungen, Interaktionen, Strukturen und Institutionen (vgl. dazu Abb. 2).54 Die drei Dimensionen stehen in enger Verbindung zueinander, was die Voraussetzung dafür ist, dass Kultur entstehen und weitergegeben werden, sowie Enkulturation (vgl. dazu Kap. 2.2) erfolgen kann, nämlich indem Werte und Normen einer Gemeinschaft ,,artikuliert, in Handlungen veranschaulicht und in Medien dargestellt werden.‘‘ 55

Weiterhin unterscheidet Jürgen Bolten ebenso zwischen einer wahrnehmbaren Ebene von Kultur, die er ,,perceptas‘‘ nennt, und einer nicht sichtbaren Ebene von Kultur, die er als ,, konceptas ‘‘ bezeichnet.56,,Perceptas‘‘ umfasst die Elemente der materialen und sozialen Dimension, ,,konceptas‘‘ hingegen die Elemente der mentalen Dimension.57 Mittels materieller

Dinge können Kulturen, laut Bolten, am ehesten annähernd beschrieben werden,58 Artefakte und konkrete Handlungen erzählen jedoch nur einen Ausschnitt über Kultur.59 Die Beobachtbarkeit und Nicht-Beobachtbarkeit der Dimensionen hat bedeutende Folgen für interkulturelle Begegnungen.60 Während fremdkultureller Interaktionen tendieren Menschen dazu, aufgrund der ,,perceptas‘‘ Rückschlüsse auf die ,,konceptas‘‘ zu ziehen, wodurch das Verstehen fremder Kulturen beeinträchtigt wird61, denn ,,hinter identischen Zeichen können sich – kulturspezifisch – durchaus unterschiedliche Konzepte verbergen.‘‘ 62 Für interk. kompetentes Verhalten ist es demnach zusätzlich bedeutsam, den kulturellen Zusammenhang der Phänomene63 und ihrer Bedeutung im fremdkulturellen Orientierungssystem zu kennen.64

Hofstede vergleicht die verschiedenen Ebenen von Kultur mit den Schichten einer Zwiebel. Die äußerste und oberflächlichste Ebene von Kultur bezeichnet er als ,,Symbole‘‘, die mittleren Ebenen als ,,Helden‘‘ und ,,Rituale‘‘ und die tiefste Ebene bezeichnet er als ,,Werte‘‘.65 Im Folgenden werden diese Ebenen nach Hofstede kurz beschrieben.66

,,Symbole‘‘ sind ,,Worte, Gesten, Bilder und Objekte‘‘, denen einen bestimmte Bedeutung zugeschrieben wird und die nur von den Angehörigen der eigenen Kultur erkannt werden können, z.B. Sprache, Statussymbole oder Kleidung.67 Weiterhin sind Symbole oberflächlich, da sie sich ständig verändern, verschwinden und neu hinzukommen. Die nächst äußere Zwiebelschicht, ,,Helden‘‘ genannt, umfasst ,,Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, welche in einer Kultur hoch angesehen sind.‘‘ 68 Helden sind kulturelle Vorbilder für die Individuen einer Kultur. Die vorletzte Zwiebelschicht, die als ,, Rituale‘‘ bezeichnet wird, umfasst z.B. Begrüßungsformeln oder soziale und religiöse Zeremonien. Rituale sind ,,kollektive Tätigkeiten, die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten: sie werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt.‘‘ 69 Den Zwiebelkern und damit auch den Kern von Kultur bilden die sogenannten , ,Werte‘‘. Menschen erwerben kulturelle Werte unbewusst während ihrer Sozialisation im Kindesalter, d.h. sie sind sich ihnen also oft nicht bewusst. Folglich werden Werte nur indirekt durch Handlungen für andere wahrnehmbar.70,, Als Werte bezeichnet man die allgemeine Neigung bestimmte Umstände anderen vorzuziehen.‘‘ 71 Diese äußeren Zwiebelschichten fasst Hofstede unter dem Begriff ,, Praktiken‘ ‘ zusammengefasst und sind für fremdkulturelle Individuen zwar sichtbar, allerdings können sie die kulturelle Bedeutung der Praktiken nicht wahrnehmen, sondern nur interpretieren. Demnach machen sowohl das Modell der ,,Drei Dimensionen von Kultur‘‘, als auch das ,,Zwiebelmodell‘‘ auf beobachtbare und nicht beobachtbare Elemente von Kultur aufmerksam, deren Bedeutung es im Zusammenhang zu entschlüsseln gilt, um Missverständnissen während interkultureller Interkationen vorzubeugen.

2.2 Enkulturation vs. Akkulturation

Enkulturation gehört zur Primärsozialisation im Kindesalter und bezieht sich auf die Sozialisation des Individuums in der Herkunftskultur, die meist unbewusst erfolgt.72 Der Mensch wächst sowohl in eine spezifische Kultur als auch in eine soziale Gemeinschaft hinein. Alexander Thomas betont, dass der Mensch während seines gesamten Lebens diesen Sozialisationsprozess durchläuft, da er, je nach Lebensphase, spezifische Verhaltensweisen erlernen muss, um in der Gesellschaft bestehen zu können.73 Maletzke definiert Enkulturation wie folgt: ,,Enkulturation umfasst u.a. das Lernen grundlegender menschlicher Fertigkeiten im sozialen Bereich‘‘. 74 Demzufolge erlernen wir Kultur während unserer Primärsozialisation von der sozialen Gemeinschaft, die uns umgibt, und werden durch sie kulturell geprägt (vgl. dazu ,Standardisierung von Kultur‘ Kap. 2.1.2).

Akkulturation gehört zur Sekundärsozialisation und bezieht sich auf den eigenen Sozialisationsprozess in eine fremde Kultur.75 Durch die Interaktion zwischen fremdkulturellen Individuen können auch Einheimische einen Akkulturationsprozess durchlaufen.76 Häufig bewirken Auslandsaufenthalte oder Migration diesen Akkulturationsprozess.77 Durch einen längeren Aufenthalt in einer fremdkulturellen Umgebung ändern sich die in der Primärsozialisation erlernten Werte und Denkweisen und es werden Stück für Stück die fremdkulturellen ,,Werte, Normen, Denkweisen etc. übernommen und als ,eigene‘ deklariert‘‘.78 Es wird jedoch noch immer auf das in der Primärsozialisation erworbenen Wissen zurückgegriffen , z.B. während Konflikten oder auch bei Alltagshandlungen, da es ,,den Grundstock für alles spätere Wahrnehmen, Verstehen usw. darstellt.‘‘ 79

Kapitel 4.2.1 wird idealtypischen Akkulturationsphasen etwas näher beleuchten und auf verschiedene Arten der Akkulturation hinweisen.

2.3 Begriffsdefinition Kompetenz

Der Begriff Kompetenz hat seinen Ursprung im lateinischen Verb ,, competencia‘‘ und wird mit ,,zu etwas geeignet, fähig oder befugt sein‘‘ übersetzt.80 In unserer heutigen Gesellschaft stehen Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen und Kontexten vor komplexen Problemstellungen und Herausforderungen.81

Die ,Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung‘ (OECD82 ) definiert den Begriff Kompetenz demnach wie folgt:

,,Eine Kompetenz ist mehr als nur Wissen und kognitive Fähigkeiten. Es geht um die Fähigkeit der Bewältigung komplexer Anforderungen, indem in einem bestimmten Kontext psychosoziale Ressourcen (einschließlich kognitive Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen) herangezogen und eingesetzt werden. ‘‘83

Die OECD-Bildungsminister betonen, dass eine ,,[n] achhaltige Entwicklung und sozialer Zusammenhalt […] entscheidend von den Kompetenzen der gesamten Bevölkerung [abhängen].‘‘ 84

Laut Klaus North, Kai Reinhardt et al. ist eine kompetente Person dazu fähig, ,,bei der Bewältigung einer Problemstellung […] aus dem Potenzial ihrer Ressourcen die der Lösung dienlichen Elemente abzurufen, zu bündeln und diese auf die zu bewältigende Aufgabe hin zu aktivieren‘‘. 85 Zudem kann sie auch Situationen meistern, ,,die zum Zeitpunkt der Entwicklung der entsprechenden Kompetenz noch nicht klar vorauszusehen waren.‘‘ 86 Franz E. Weinert definiert den Begriff Kompetenz wie folgendermaßen:

[U] nter Kompetenzen [werden] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten [verstanden], um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“87

[...]


1 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6; vgl. Thomas (2003 a), S. 7.

2 Vgl. Erll/ Gymnich (2011). S. 8.

3 Vgl. Thomas (2003 a), S. 13.

4 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S.10.

5 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6.

6 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6.

7 Vgl. Thomas (2003 a), S. 7f..

8 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6f.

9 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6f.

10 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 6.

11 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 10; vgl. Maletzke (1996), S. 15.

12 Vgl. Maletzke (1996), S. 15.

13 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 10.

14 Vgl. Maletzke (1996), S. 15.

15 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 10.

16 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 11.

17 Vgl. Maletzke (1996), S. 15-17.

18 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 11f.

19 Vgl. Bolten (2007) (online), S.11-13.

20 Bolten (2007) (online), S. 12.

21 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 15.

22 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 15f.; vgl. Bertelsmann Stiftung (2006) (online), S. 6.

23 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 14-16.

24 Bolten (2007) (online), S. 15f.

25 Bolten (2007) (online), S. 16.

26 Vgl. Erll/ Gymnich (2001), S. 19.

27 Bertelsmann Stiftung (2006) (online), S. 7.

28 Vgl. Maletzke (1996), S. 22.

29 Vgl. Bertelsmann Stiftung (2006) (online), S. 7.

30 Maletzke (1996), S. 18.

31 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 14.

32 Vgl. Bertelsmann Stiftung (2006) (online), S. 6.

33 Bolten (2007) (online), S. 14.

34 Eigene Interpretation.

35 Bertelsmann Stiftung (2006) (online), S. 7.

36 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 18.

37 Maletzke (1996), S. 16.

38 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 20.

39 Vgl. Hansen (2003), S. 39, zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 20.

40 Hansen (2003), S. 39, zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 20.

41 Vgl. Hansen (2003) S. 32-146, zit. n: Erll/ Gymnich (2011), S. 20.

42 Vgl. zu dem Folgenden Hansen (2003), S. 32-146, zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 20-22.

43 Hansen (2003) S. 104, zit. n: Erll/ Gymnich (2011), S. 21.

44 Eigenes Beispiel.

45 Eigenes Beispiel.

46 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 50.

47 Thomas (2005), S. 45, zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 50.

48 Vgl. Thomas (1996), S. 115, zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 50.

49 Vgl. Thomas (2005), S. 46f., zit. n.: Erll/ Gymnich (2011), S. 51.

50 Vgl. Thomas (2003 b), S. 26.

51 Vgl. Thomas (2003 b), S. 30.

52 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 21f.

53 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 22.

54 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 22f.

55 Erll/ Gymnich (2011), S. 23f.

56 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 20.

57 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 24.

58 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 20.

59 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 23; vgl. Bolten (2007) (online), S. 20.

60 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 24.

61 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 24.

62 Bolten (2007) (online), S. 21.

63 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 24.

64 Eigene Interpretation.

65 Vgl. Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 8.

66 Vgl. für das Folgende Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 8-10.

67 Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 8.

68 Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 9.

69 Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 9.

70 Eigene Interpretation.

71 Hofstede, G./ Hofstede, G. J. (2011), S. 9.

72 Vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 68.

73 Vgl. Thomas (2003 b), S. 23.

74 Maletzke (1996), S. 22f..

75 Vgl. Bolten (2007) (online), S. 58; vgl. Erll/ Gymnich (2011), S. 68.

76 Vgl. Kumbruck/ Derboven (2016), S. 11.

77 Vgl. Erll/Gymnich (2011), S. 69.

78 Bolten (2007) (online), S. 58.

79 Bolten (2007) (online), S. 58.

80 North/ Reinhardt et al. (2013), S. 43.

81 Vgl. OECD (2005) (online), S. 6.

82 Die OECD hat zum Ziel ,,eine Politik zu befördern, die das Leben der Menschen weltweit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verbessert.‘‘ In Kooperation mit 36 Mitgliedsstaaten, Schwellenländern und der Europäischen Kommission möchte sie ,,herauszufinden, welche Faktoren die Wirtschaft, die Gesellschaft oder die Umwelt verändern‘‘, um so Empfehlungen aussprechen zu können (OECD (2018) (online)).

83 OECD (2005) (online), S. 6.

84 OECD (2005) (online), S. 6.

85 North/ Reinhardt et al. (2013), S. 44.

86 North/ Reinhardt et al. (2013), S. 44.

87 Weinert (2001), S. 27f..

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz in multikulturellen Gesellschaften
Untertitel
Möglichkeiten des Erwerbs und der Weiterentwicklung interkultureller Kompetenz durch interkulturelles Lernen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
41
Katalognummer
V511431
ISBN (eBook)
9783346088703
ISBN (Buch)
9783346088710
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelle Kompetenz, Interkulturelles Lernen, Schlüsselkompetenz, Erwerb Interkulturelle Kompetenz, Multikulturalität, Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz in multikulturellen Gesellschaften
Arbeit zitieren
Elisa Späth (Autor:in), 2019, Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz in multikulturellen Gesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511431

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