Führung- und Führungskontexte mit Blick auf die stationäre Jugend- und Heimerziehung


Vordiplomarbeit, 2004

43 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1.) Einleitung

2.) Abgrenzung des Begriffes Führung

3.) Unterscheidung Führung und Management

4.) Führungskonzeptionen
4.1.) Management by Objectives oder Führung durch Zielvereinbarung
4.2.) Management by Exception oder Führung nach dem Prinzip der Ausnahme
4.3.) Management by Delegation oder Führung durch Delegation von Verantwortung und Kompetenz
4.4.) Management by systems oder Führung nach dem Regelkreis
4.5.) Management by motivation oder Führung durch Motivation

5.) Eignung der Konzeptionen für die Arbeit im Bereich der stationären Jugendhilfe

6.) Neuere subjektwissenschaftliche Führungstheorien
6.1.) Anzutreffende Führungsstile
6.1.1.) Autoritärer Stil
6.1.2.) Partnerschaftlicher Stil
6.1.3.) Führungsstil des Laissez faire
6.2.) Rollenmodelle der Führung
6.2.1.) Gute Führung aus Sicht der Geführten
6.2.2.) Indifferente Führung aus Sicht der Geführten
6.2.3.) Schlechte Führung aus Sicht der Geführten
6.3.) Anwendung der Erkenntnisse auf den Bereich der stationären Jugendhilfe

7.) Fazit

1.) Einleitung

Die von mir sehr geschätzte Generation der 68er widersetzte sich dem autoritären Führen und forderte als Prinzip der Pädagogik das normen- und wertfreie Wachsenlassen. Leitbild dieses Wert- und Normsystems ist nach der Vorstellung der 68er der mündige, sozial und ökologisch engagierte, politisch hochmotivierte Jugendliche. Trotz der wunderbaren Erfolge die diese Leidbilder unterstützt haben ist es nicht gänzlich gelungen alle jungen Menschen mit ins Boot zu nehmen, wie die stets steigenden Jugendkriminalitätsrate und das um sich greifende politische Desinteresse erkennen lassen. Es werden inzwischen Stimmen laut die wieder eine strengere, eine mit Werten und Normen ausgestattete, autoritärere Erziehung fordern. Beide Positionen erscheinen extrem. Erziehen als verantwortungsbewußtes Führen und ehrfürchtig- geduldiges Wachsenlassen erscheinen hingegen vielversprechend.[1]

Während einem Praktikum in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe sind mir Parallelen zu meiner beruflichen Tätigkeit in einer Bank in Bezug auf Führungsmuster aufgefallen. Ist dies ein Indiz dafür, daß Führung, wie sie in der Wirtschaft gelebt wird, bereits in einzelnen Bereichen der Jugendarbeit angekommen ist? Bei der Literaturrecherche zu Führung und Führungskonzepten fällt mir auf, daß sowohl die Bereichbibliotheken der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten Führungsliteratur aus den Bereichen der Sozialwissenschaften bereitstellen und umgekehrt. In der vorliegenden Arbeit liegt mein Augemerk auf Führung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die Betreuer in der stationären Jugendhilfe. Der relativ parallele Blick aus der Wirtschaft ist die Führung von Mitarbeitern durch die Führungskraft. Sind hier signifikante Übereinstimmungen zu beobachten? Sind die gut ausdifferenzierten Techniken aus der Wirtschaft anwendbar? Nicht im Fokus der Betrachtung steht hingegen die Anleitung oder Führung der Sozialpädagogen durch die jeweilig übergeordnete Bereichs- oder Einrichtungsleitung. Zu diesem Thema ( Führen von Organisationen, professionelles Führen in non profit organisatons...) ist in der Literatur hinlänglich und umfassend berichtet. Mit anderen Worten: Werden beziehungsweise können Jugendliche durch Sozialpädagogen und Jugend- und Heimerzieher ganz ähnlich geführt werden wie Mitarbeiter in der Wirtschaft durch deren Vorgesetzte und wenn ja wird dies den Erwartungen der Beteiligten gerecht ? Gibt es Führungskonzeptionen aus der Welt der Erwachsenen die auch passend sind für Jugendliche? Die Arbeit geht aber noch einen Schritt weiter. Nachdem verschiedene gängige Führungstechniken dargestellt sind, richtet sich der Fokus darauf inwieweit neuere subjektwissenschaftliche Theorien, speziell für die stationäre Jugend- und Heimerziehung, geeignet erscheinen einen Beitrag zur Führung von Jugendlichen leisten zu können. Später richtet ich den Blick darauf was von den „Geführten“ heute subjektiv als gute, indifferente oder schlechte Führung empfunden wird. Eine von mir unter diesem Blickwinkel durchgeführte Befragung von Jugendlichen findet ebenfalls Berücksichtigung in dieser Arbeit. Nicht Gegenstand der Arbeit ist also die Fragestellung ob Führung an sich gut oder schlecht ist. Es geht darum was Führung ist, wie geführt werden kann und was als gute oder schlechte Führung empfunden wird. Stets präsent ist, daß in der Lebenswelt stationäre Jugend- und Heimerziehung Führung nicht den Alltag bestimmen kann, sondern nur als eines von vielen Instrument und Werkzeugen dienen kann um im Alltagsgeschehen einander zu begegnen.

2.) Abgrenzung des Begriffes Führung

Nach Durchsicht der Literatur erscheint mit die Definitionsvielfalt unersättlich. Eine umfassende und eindeutig verbindliche, von allen akzeptierte Definition des Begriffes Führung gibt es so nicht. Daher erscheint es mir nicht angemessen eine alle Aspekte umfassende Definitionen von Führung darzustellen zu wollen. Eine erste Annährung an den Begriff Führung gelingt aber mit dem Wortpaar „Zielorientierte Verhaltensbeeinflussung“.[2] In neuerer Zeit wird darüber hinaus Führung weitgehend übereinstimmend als ein Prozeß sozialer Beeinflussung gesehen.[3] Eine in die gleiche Richtung weisende aber weitaus differenziertere handlungstheoretische Definition liefert Neuberger mit seiner handlungstheoretisch fundierten Aussage; Akteur A führt in Bezug auf Akteur B in der Situation C die Handlung X aus und bewirkt Y.[4] Eine etwas andere Sichtweise von dem was Führung ist aber in die gleiche handlungstheoretische Richtung weißt beschreibt und unterstützt Kehr in Anlehnung an Bass. Dieser beschreibt Führung als, “Leadership is an interaction between two or more members of a group that often involves a struktuing or restructuring of the situation and the perceptions and expectations of the members.” Die Auffassungen stimmen wie man sieht heute weitgehend darin überein, daß Führung eine zielbezogen Einflußnahme ist. Die konzeptionelle Verbindung von Führung und Einfluß wird nach wie vor anerkannt.[5]

Wie verhält es sich nun mit dem dazugehörigen Substantiv nämlich Führer. Ist dies nur die personifizierte Anwendung dessen was die Definition des Wortes Führung vermuten läßt? Liebl beschreibt Führung als komplexes Phänomen, daß zwei wesentliche Aspekte umfaßt. Der erste Aspekt der Führung ist der funktionelle, nämlich das Führen an sich. Der zweite Aspekt ist der personale, der Führer als Individuum.[6] Der funktionale Aspekt der Führung wurde bereits eingegrenzt. Nun zum personalen Aspekt des Führens. Eine aus heutiger Sicht etwas antiquiert wirkende aber meiner Meinung nach sehr treffende Definition des Wortes Führer liefert ein älteres Lexikon der Pädagogik. Hiernach nennt man Führer solche Menschen die fähig und willens sind, dem streben und handeln gleichgearteter Mitmenschen den Weg zu einem wertbestimmenden Ziel zu weisen.[7] Eine echte Führungspersönlichkeit kann die gesamte Einstellung, Philosophie und Geist jeder beliebigen Gruppe verändern.[8] So verstanden ist Führung, auch wenn es noch so behutsam geschieht, dem Herrschen eng verwandt. So meint Führung einmal die Ausübung von Macht durch den Führer. Andererseits umfaßt das Führen aber auch die Handhabung von Gegenständen und die Betreuung mit einer Aufgabe beispielsweise das Führen eines Klassenbuches. Es bleibt festzustellen, daß es eine alle Aspekte umfassende fachwissenschaftliche, von allen akzeptierte Definition von Führung nicht gibt.[9] Dies hat sich inzwischen nicht geändert. Für die vorliegende Arbeit wird die handlungstheoretische Führungsdefinition von Neuberger zu Grunde gelegt. Sie ist meines Erachtens für die Unterstützung der vorliegenden Arbeit bestens geeignet. Zur nähren Erläuterung was Führung im Sinne Neubergers meint, muß die Definition in deren Bestandteile zerlegt werden. „Akteur A führt in Bezug auf Akteur B in der Situation C die Handlung X aus und bewirkt Y.“ Was heißt das? Bei Führen sind Akteur A und Adressat B Subjekte. Es wird immer in konkreten Situationen C gehandelt. Probleme, die das Handeln der Führungskraft auslösen sind Teil der Situation C. X sind Handlungen wie beispielsweise informieren, beurteilen, motivieren, bestrafen und so weiter. Y sind Ereignisse, Ergebnisse und Zielwerte die aus der Situation C heraus als Figur hervorgehoben sind und die in einen kausalen oder temporalen Bezug zur Handlung der Führungskraft gesetzt werden.[10] Handel kann hier durchaus im Sinne Max Webers als soziales Handeln verstanden werden, allerdings ergänzt um den Aspekt des Handels des politischen Führers wie Weber die Führungskraft nennt. Weber stellt klar, daß die Ehre des Führenden die ausschließliche Eigenverantwortung für das was er tut ist, die er nicht ablehnen oder gar abwälzen darf.[11]

Zusammenfassend kann man sagen, daß Führung eine personale und inhaltliche Komponente hat, wobei sich das Handeln der Führungskraft durch Zielorientierung und Verhaltensbeeinflussung auszeichnet und sich nicht auf bestehenden Regeln hin ausrichtet.

3.) Unterscheidung Führung und Management

Die Begriffe Führung und Management werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft synonym verwendet. Oft ist festzustellen das eine Unterscheidung nicht und wenn überhaupt nur sehr unscharf vollzogen wird. So schreibt Rice :“ Meines Erachtens ist es schwierig zwischen Managment und Führung zu unterscheiden.“[12] Aber eine synonymes Verwenden beider Begriffe ist insoweit völlig unzulänglich als beide Begriffe etwas anderes meinen. Dennoch haben Führung und Management etwas miteinander zu tun. Sie beschreiben Bereiche die miteinander verzahnt sind und korrelieren. Eine erste Annährung an diese, meines Erachtens auch notwendige, Unterscheidung soll mit der Hilfe von Max Weber gelingen. Max Weber setzt anstelle des Führers den politischen Führer und anstelle des Manager den Beamten. Er führt aus. „(Das Handeln des politischen Führers) steht unter einem ganz anderen, geradezu entgegengesetzten Prinzip der Verantwortung, als die des Beamten ist. Ehre des Beamten ist die Fähigkeit, wenn- trotz seiner Vorstellungen – die ihm vorgesetzte Behörde auf einem ihm falsch erscheinenden Befehl beharrt, ihn auf Verantwortung des Befehlenden gewissenhaft und genau so auszuführen, als ob er seiner eigenen Überzeugung entspräche: ohne diese im höchsten sittliche Disziplin und Selbstverleugnung zerfiele der ganze Apparat. Ehre des politischen Führers, also: des leitenden Staatsmannes, ist dagegen gerade die ausschließliche Eigenverantwortung für das, was er tut, die er nicht ablehnen oder abwälzen kann und darf.“[13] Dieses Zitat Webers trifft im Kern die Unterscheidung zwischen Führung und Management wie sie auch von der neueren Führungs- und Managementliteratur überwiegend geteilt wird. Führungshandeln orientiert sich an der Eigenverantwortung der Führungskraft, wohingegen sich Management an bestehenden Systemen, Regeln und Verfahrensweisen orientiert. Es wird deutlich, daß man eine Unterscheidung zwischen Management und Führung nicht auslassen kann. Dennoch bleibt festzuhalten, daß viele Führungsaufgaben Managementanteile enthalten und umgekehrt. Dies Überscheidung ist je nach Lebensbereich und Aufgabe unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt. Um Kriterien zu nennen, die eine idealtypische Unterscheidung transparent machen und den gegenwärtigen allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tatsächlichkeiten angemessen sind, erscheint mir folgende Unterscheidung in Anlehnung an Lamberger geeignet.

Die Merkmalen eines Führers werden hier den Merkmalen eines idealtypischen Managers gegenübergestellt. Ich wählen eine freie aber bedeutungsidentische Übersetzung aus dem Englischen. Eine Führer zeichnet sich demnach dadurch aus, daß sein Blick auf die längerfristige Zukunft augerrichtet ist, wohingegen der Manager den Fokus auf die Gegenwart und bestenfalls auf die nähere Zukunft legt. Ein Führer denkt an Erneuerung und initiiert den Wandel, wohingegen der Manager den Status quo und die damit verbundene Stabilität aufrechterhält. Ein Führer schafft eine Kultur die auf gemeinsamen Werten beruht wohingegen der Manager Abläufe und Vorschriften implementiert. Führer sehen größere Zusammenhänge bezogen auf externe Gegebenheiten, wohingegen der Manager sich ganz auf die Organisation konzentriert. In der Folge hängt ein Führer nicht von einer Organisation ab, der Manager hingegen schon. Der Führer baut eine emotionale Bindung zu seinen Anhängern auf, wohingegen der Manager versucht die Objektivität aufrechtzuerhalten. Ein Führer legt die Betonung auf Visionen und gemeinsame Werte, der Manager hingegen legt die Betonung auf Routine. Ein Führer arbeitet mit Menschen und Kulturen, ein Manager hingegeben mit Hierarchie und den dazugehörigen Systemen.[14] Max Weber und Michael Lamberger bringen zum Ausdruck was vielen Menschen im Alltagserleben auffällt aber nur wenigen geling faktisch zu trennen. So ist jedem der sprichwörtliche Bürokrat bekannt und meist zuwider. Andererseits sind Kontinuität und Pflichterfüllung geschätzte Tugenden. Wozu dann diese Unterscheidung? Sie wird wichtig um beschreiben, unterscheiden, analysieren und verstehen zu können, ob konkret über Führung oder Management gesprochen wird. Auf dieser Basis kann dann bezogen auf Lebensbereichen, in meinem Fall die stationäre Jugendhilfe, mit dem Begriffspaar Führung und Management gearbeitet werden. Dies ist schon deshalb notwendig, weil durch die heutige institutionalisierte westliche Welt im Kontext von Führung notwendigerweise immer Management auftaucht. Führungskonzeptionen berücksichtigen diesen Sachverhalt.

4.) Führungskonzeptionen

Schneider macht darauf aufmerksam, daß jede pädagogische Einwirkung sich bekanntlich zunächst an das Individuum richtet und bei ihm individuelle Prozesse herbeiführt. Daher kann Erziehung keine Technik und Pädagogik keine Technologie sein. Gleichzeitig macht er aber darauf aufmerksam, daß die Anwendung von Techniken und Technologien in der Erziehung nicht ausgeschlossen werden soll.[15] Führungskonzeptionen und Führungstechniken sind Techniken, die also auch im Zusammenhang mit Erziehung zumindest diskutiert werden können. Führungskonzeptionen werden als Gestaltungshilfen für Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung entwickelt. Da sie für Führungskräfte entwickelt werden richtet sich der Blick der jeweiligen Konzeptionen tendenziell von der Führungskraft auf die Geführten und nur in Ansätzen von den Geführten auf die Führungskraft. Man könnte nun zu der Einsicht gelangen, daß diese Konzepte und deren Blickwinkel im Bereich der Jugendarbeit so nicht verwendet werden können. Ich mache in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß mir dies durchaus bewußt ist. Jedes der im folgenden vorgestellten Führungskonzepte muß natürlich kritisch durchleuchtet und vor dem Hintergrund der pädagogischen Anwendbarkeit diskutiert werden. Aber wenn man sich zu Ziel macht Jugendliche so gut wie möglich auf das Leben als Erwachsene vorzubereiten, dürfen solche Konzepte nicht von vorn heraus ausgeschlossen werden. Es gilt vielmehr diejenigen Bestandteile herauszunehmen, die sich aus dem Umstand heraus verbieten, daß man es mit einer Jugendlichen Klientel zu tun hat. Diese kritischen Bestandteile herauszulesen bleibt dem interessierten Leser allerdings nicht gänzlich überlassen. Es geht mir darum die Konzepte wenigstens ansatzweise so zu modifizieren, daß sie auf die Arbeit mit Jugendlichen anwendbar sind. Denn es würde es den Rahmen der Arbeit sprengen eigene Führungskonzepte speziell für die Arbeit mit Jugendlichen zu entwickeln, die auch nur annährend so ausdifferenziert sind wie die vorhanden Führungskonzepte für die Arbeit mit Erwachsenen. Als eine Testkriterium oder Gradmesser inwieweit Führungskonzepte auch für die Arbeit mit Jugendlichen geeignet erscheinen dient der von Crisand und Kiepe in Arbeitshefte zur Führungspsychologie erschienen Band „Psychologie der Jugendzeit“[16]. Hierein machen die Autoren auf genau die speziellen Probleme im Zusammenhang mit Führung aufmerksam, die sich aus des Umstand ergeben, daß Jugendliche eben gerade keine Erwachsenen sind. Schwerpunkte sind die seelische Situation der Jugendlichen, das Bild vom Jugendlichen, die besonderen Problembereiche der Jugendlichen und die Problembewältigung durch den Jugendlichen sowie jugendspezifische Konflikte. Ich möchte vorwegnehmen, daß mir die Führungskonzepte zum ganz überwiegenden Teil anwendbar erscheinen auch wenn sie der Modifikation bedürfen. Ich habe mich im Vorfeld bemüht gänzlich inkompatible Konzeptionen auszulassen und nur diejenigen mit aufgenommen die ich für zumindest in Teilen für anwendbar halte. Sofern eine Konzeption dennoch als überwiegend ungeeignet erscheint mache ich an der entsprechende Stelle darauf aufmerksam.

Meist handelt es sich bei Führungskonzeptionen nicht um geschlossene Konzepte, sondern lediglich um eine Sammlung von empfohlen Verhaltensweisen und Handlungsvorschriften. Sie alle enthalten Verhaltensempfehlungen für Führungskräfte oder Prinzipien nach denen die Führungskräfte ihre Handlungen ausrichten sollten. Die schlagwortartigen Bezeichnungen der Führungskonzeptionen werden oft mit „Management by...“ eingeleitet. Alle Führungskonzeptionen berücksichtigen inhärent, daß der Führungsprozeß in den Funktionen Zielfindung, Planung, Entscheidung, Realisierung und Kontrolle abläuft. Die Führung von Gruppen stößt überall auf gleiche Gesetzmäßigkeiten, Bedingungen und Schwierigkeiten. Die Konzeptionen variieren deshalb auch vornehmlich nur in den Betonungen. Sie stellen jeweils unterschiedliche Funktionen des Führungsprozesses besonders heraus. Beispiele für diese Funktionen sind beispielsweise Zielsetzung, Kontrolle und Motivation.[17] Es entseht nun der Verdacht, daß hier die Begriffe Führung und Management wild gemischt werden. Dies ist in der gängigen Literatur oft der Fall und beruht auf den festgestellten Überschneidungen von Führungs- und Managementaufgaben die von ein und derselben Person innerhalb von Organisationen erledigt werden müssen. In der europäischen Gesellschaft findet in den meisten Lebensbereichen keine institutionalisierte Trennung von Führung und Management statt. Gleiches gilt für den Bereich der stationären Jugendhilfe. Mit Blick auf die Arbeit der Betreuer zeichnet sich dies deutlich ab. Der Betreuer ist die Führungskraft und die Jugendlichen sind die Geführten. Aber der Betreuer nimmt auch Managementaufgaben, die von der Einrichtung in den entsprechenden Arbeitsanweisungen vorgegeben sind, war. So kann man erklären warum es keine ausschließliche Führungs- oder Managementliteratur gibt, die zur Beschreibung entsprechender Fragestellungen geeignet ist. Es bleibt als festzuhalten das Führungskonzepte immer Anteile von Management enthalten und berücksichtigen. Ich konzentriere mich nun auf eine kurze Darstellung einzelner, gängiger Führungskonzeptionen vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit im Bereich der stationären Jugendhilfe. Welche Führungstechniken sind eher und welche weniger im Umgang mit Jugendlichen und jungen Erwachsene geeignet? Ich wiese noch mal auf den Blickwinkel der Arbeit hin. Dieser liegt auf Führung von Jugendlichen. Die Leitung oder Führung einer Einrichtung oder deren Mitarbeiter ist nicht Gegenstand der Arbeit. Ungeachtet dessen wären diese Führungskonzeptionen natürlich auch auf solche Bereiche anwendbar.

4.1) Management by Objectives oder Führung durch Zielvereinbarung

Mangagement by objectives bezeichnet eine Methode zielorientierter Führung.[18] Sie strebt eine effiziente Zielerreichung an und ist gegen Bürokratie und reine Verfahrensgewichtung gerichtet. Der Führungsstil ist zukunfts- und ergebnisorientiert. Maßgebend ist nicht was ein Jugendlicher tut, sondern wozu er etwas tut. Was er erreicht oder mit seinem Verhalten bewirkt steht im Vordergrund. Was bedeutet dies nun für die Arbeit mit Jugendlichen. Einigen Handlungsempfehlungen können zur Führung nach dieser Metthode gegeben werden. Die Zielformulierung wird von den Betreuern und den Jugendlichen gemeinsam vorgenommen. Daher spricht man hier von Zielvereinbarung und nicht von Zielvorgabe. Man kann davon ausgehen, daß gemeinsam formulierte Ziele zur größerer Zielidentifikation führen. Die Beteiligten haben Anteil am Ziel. Konkret kann das folgendermaßen aussehen.

- Die Jugendlichen schlagen Ziele selbst vor die sie erreichen möchten. Es gilt nur derjenige der ein Ziel hat, kann es erreichen. In diese Richtung gehen Hilfeplangespräche[19] in die Jugendliche aktiv einbezogen werden.
- Es werden nicht mehr als drei bis sieben Ziele ins Auge gefaßt, um Überforderung zu vermeiden. Hier sollte meines Erachtens auf die individuellen Merkmalen des Jugendlichen eingegangen werden. Standardisierte Hilfeplanformulare die einheitlich für allen Jugendlichen verwendet werden halte ich daher für unangemessen.
- Die Ziele werden durch Leistungsstandards präzisiert, die angeben, wann Ziele als erreicht gelten. In diese Richtung geht die Arbeit mit dem „TOKEN System“.
- Gemeinsam festgelegte Kontrolldaten und –verfahren dienen dazu, die Zeilerreichung zu kontrollieren.
- Die Maßnahmen zur Zielereichung können vom Jugendlichen, abhängig von ihrem Reifegrad, mitbestimmt werden. Bei der Durchführung kontrollieren sie sich reifegradabhängig selbst.[20]

[...]


[1] Schneider Gerhard, Was ist Erziehung?; Eine Einführung in die Grundfragen der Erziehung, Führen oder Wachsenlassen, Tübingen 2002, S. 77-85.

[2] Vgl. Wolff, Georg; Göschel, Gesine: Führung 2000, Höhere Leistung durch Kooperation, Frankfurter Allgemeine, Wiesbaden 1987. S. 11.

[3] Vgl Niederer Peter: Führungsverhalten im Unternehmen, in Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Studientexte, Wuppertal 1976, S. 235.

[4] Vgl. Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen: Ansäte, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung, 6. Auflage, Stuttgart 2002. S. 31ff..

[5] Vgl. Kehr, Hugo Martin: Die Legitimation von Führung, in Wirtschaftspsychologische Schriften Band 13 Berlin 2000, S. 20-24.

[6] Vgl. Liebel, Hermann: Führungspsychologie; Theoretische und empirische Beiträge, Freiburg im Breisgau 1977 S. 11.

[7] Vgl. Lexikon der Pädagogik, II Band, fünfte Auflage, Freiburg im Breisgau 1967, S. 174-177.

[8] Vgl. Shea, Michael: Führungspersönlichkeiten,: Wie man an die Spitze kommt, Deutsche Erstausgabe, Düsseldorf; Wien 1991 S. 134.

[9] Vgl. Liebel, Hermann: Führungspsychologie; Theoretische und empirische Beiträge, Freiburg im Breisgau 1977 S. 12-13.

[10] Vgl. Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen: Ansäte, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung, 6. Auflage, Stuttgart 2002. S. 31ff..

[11] Vgl. Koch, Stefan: Eigenverantwortlichen Handel von Führungskräften, in Schriftenreihe Organisation & Personal, Band 10, München 2001, S. 1-2.

[12] Rice, A.K. Leitung und Gruppe, Learning for Leadership. Interpersonal and Intergroup Relations, in Texte zur Gruppendynamik, Zweite Auflage, Stuttgart 1973, S. 28ff.

[13] Weber, Max 1988, S. 524f. ; zitiert aus Koch, Stefan: Eigenverantwortlichen Handel von Führungskräften, in Schriftenreihe Organisation & Personal, Band 10, München 2001, S. 1-2.

[14] Vgl. Lambauer, Michael; Effective Business Leadership: Past, Present and Future, in IEWS-Schriftenreihe Band 13, S. 4.

[15] Schneider Gerhard, Was ist Erziehung?; Eine Einführung in die Grundfragen der Erziehung, Führen oder Wachsenlassen, Tübingen 2002, S. 81.

[16] Vgl. Crisand/Kiepe: Psychologie der Jugendzeit, in : Arbeitshefte zur Führungspsychologie, Band 12,Heidelberg 1989, S. 9-86.

[17] Vgl. Jeuschede, Gerhard: Führungstechniken, in Handels-Fachwirt, Stuttgart, 1977, S. 3-8.

[18] Vgl. Bieding, Fritz; Scholz, Konrad; Methoden des modernen Managements, in Arbeits- und betriebskundliche Reihe, Köln 1975, S. 21-26.

[19] Vgl. Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe, in der Fassung vom 8.Dezember 1998, § 36.

[20] Vgl. Stroebe Rainer W., Führungsstile, Management by Objectives und situatives Führen, in Arbeitshefte Führungspsychologie, 7. Auflage Heidelberg 2003, S. 12.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Führung- und Führungskontexte mit Blick auf die stationäre Jugend- und Heimerziehung
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
43
Katalognummer
V50996
ISBN (eBook)
9783638470759
ISBN (Buch)
9783638764421
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Führung-, Führungskontexte, Blick, Jugend-, Heimerziehung
Arbeit zitieren
Dipl.Betrw.(BA) Michael M. Fleißer (Autor:in), 2004, Führung- und Führungskontexte mit Blick auf die stationäre Jugend- und Heimerziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50996

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