Musikalische Förderung autistischer Kinder an der Schule für Geistigbehinderte


Examensarbeit, 2005

187 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Autismus
2.1 Definition
2.2 Epidemiologie
2.3 Ätiopathogenese
2.4 Autistisches Erscheinungsbild
2.4.1 Zwischenmenschliche Beziehungen
2.4.2 Kommunikation
2.4.3 Aktivitäten und Interessen
2.4.4 Wahrnehmung
2.4.5 Kognitive Entwicklung
2.4.6 Verhalten
2.5 Erscheinungsformen
2.5.1 Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)
2.5.2 Asperger- Syndrom
2.5.3 Atypischer Autismus
2.6 Abgrenzungen zu anderen Krankheitsbildern
2.6.1 Schizophrenie
2.6.2 (Elektiver) Mutismus
2.6.3 Bindungsstörungen
2.6.4 Paranoide Zustände
2.6.5 Das Tourette-Syndrom
2.6.6 Zwangszustände
2.6.7 Das Rett-Syndrom
2.7 Das pädagogische Dilemma
2.8 Diagnose
2.8.1 Ziel einer Diagnose
2.8.2 Diagnostische Möglichkeiten
2.8.3 Verschiedene Förder- und Therapiemöglichkeiten
2.9 Zusammenfassung

3 Ist die SfGB der geeignete Förderort für Schüler mit autistischen Störungen?
3.1 Allgemeine Aspekte der Pädagogik im Umgang mit Schülern mit autistischen Störungen
3.2 Zur Situation der schulischen Förderung von Personen mit autistischen Störungen
3.3 Mögliche schulische Förderorte für Schüler mit autistischen Störungen
3.3.1 Beschulung und Förderung in einer Sonderschule
3.3.1.1 Schule für Körperbehinderte
3.3.1.2 Schule für Gehörlose
3.3.1.3 Schule für Erziehungshilfe und Verhaltensauffällige
3.3.1.4 Schule für Sprachbehinderte
3.3.1.5 Schule für Lernbehinderte
3.3.2 Gemeinsamer Unterricht (Integration)
3.4 Schule für Geistigbehinderte
3.4.1 Zum Personenkreis von Menschen mit geistiger Behinderung
3.4.2 Schule für Geistigbehinderte als die „bevorzugte“ Schulform für Schüler mit autistischen Störungen
3.5 Kritik an der Schule für Geistigbehinderte als Förderort für Menschen mit autistischen Störungen
3.6 Zusammenfassung

4 Ein Leben mit Musik
4.1 Was ist Musik?
4.2 Die Bedeutung von Musik in unserem Leben
4.3 Wirkungen von Musik
4.3.1 Vegetative Wirkung
4.3.2 Emotionale Wirkung
4.3.3 Die soziale Wirkung
4.3.4 Die Ästhetische Wirkung
4.3.5 Zusammenfassung
4.4 Musik wahrnehmen, erfahren und erleben
4.5 Musik lernen
4.6 Zusammenfassung

5 Musik und Autismus
5.1 Definition, Zielsetzung und Abgrenzung von musikalischer Förderung, Musikunterricht und Musiktherapie
5.2 Musikalische Förderung in der Vermittlerrolle zwischen Musiktherapie und Musikunterricht
5.3 Begründung der Musikalischen Förderung
5.3.1 Begründung der Musikalischen Förderung von Menschen mit Behinderung
5.3.2 Begründung der Musikalischen Förderung bei Menschen (Kindern) mit autistischen Störungen
5.4 Musikalische Förderung in der Schule für Geistigbehinderte
5.5 Zusammenfassung

6 Didaktische Vorüberlegungen zum musikalischen Förderansatz
6.1 Allgemeines methodisches Vorgehen in der musikalischen Förderung
6.2 Spezielles Methodisches Vorgehen bei Kindern mit autistischen Störungen
6.3 Allgemeine Überlegungen zu einer Didaktik der musikalischen Förderung
6.3.1 Die persönliche Ebene oder die dialogische Beziehung
6.3.2 Der Bezug der musikalischen Förderung zu den Richtlinien und Lehrplänen der Schule für Geistigbehinderte
6.4 Koordinierung von Einzelförderung, Unterricht und Therapie
6.5 Grundsätze der Förderung von Kindern mit autistischen Störungen
6.5.1 Aspekte des Symptomabbaus
6.5.2 Förderung der Kommunikation
6.5.3 Beachtung der Individualität
6.6 Zusammenfassung

7 Entwicklung der eigenen Aufgabenstellung und Hinweise zur Planung

8 Konzept einer musikalischen Förderung
8.1 Fernziele einer musikalischen Förderung
8.1.1 Bezug zu den Richtlinien der Schule für Geistigbehinderte
8.2 Musikalische Umsetzung
8.2.1 Förderung der Kommunikation durch Instrumentalspiel
8.2.2 Förderung der Eigenaktivität beim Lautieren
8.3 Zur musikalischen Gestaltung der Förderung
8.3.1 Zum Einsatz der Stimme der Lehrperson
8.3.2 Merkmale der Musik
8.4 Methoden der Beobachtung

9 Rahmenbedingungen der musikalischen Förderungen
9.1 Durchführungsort
9.2 Förderräume
9.3 Durchführungszeiten
9.4 Gestaltung der Förderräume und ihre materielle Ausstattung

10 Didaktische Möglichkeiten einer musikalischen Förderung von Serkan
10.1 Bisheriger Entwicklungsverlauf
10.2 Aktueller Zustand
10.3 Prognose
10.4 Entwicklungsstand im musikalischen Bereich
10.5 Fernziele der musikalischen Förderung von Serkan

11 Durchführung der Musikalischen Förderung mit Serkan
11.1 Gestaltung der musikalischen Förderung mit Serkan
11.2 Begründung der Medienwahl
11.2.1 Mögliche Lieder
11.2.2 Mögliche Instrumente
11.3 Zu den Transfermöglichkeiten
11.4 Gestaltung der einzelnen Fördereinheiten von Serkan
11.4.1 Serkan 1. Fördereinheit
11.4.2 Serkan 2. Fördereinheit
11.4.3 Serkan 3. Fördereinheit
11.4.4 Serkan 4. Fördereinheit
11.4.5 Serkan 5. Fördereinheit
11.4.6 Serkan 6. Einheit
11.4.7 Serkan 7. Fördereinheit
11.4.8 Serkan 8. Fördereinheit
11.5 Gesamtreflexion der musikalischen Förderung von Serkan

12 Didaktische Möglichkeiten einer musikalischen Förderung von Damian
12.1 Bisheriger Entwicklungsverlauf
12.2 Aktueller Zustand
12.3 Entwicklungsstand im musikalischen Bereich
12.4 Fernziele einer musikalischen Förderung für Damian

13 Durchführung der musikalischen Förderung von Damian
13.1 Gestaltung der Einheiten der musikalischen Förderung von Damian
13.2 Begründung der Medienwahl
13.2.1 Mögliche Lieder
13.2.2 Mögliche Instrumente
13.3 Zu den Transfermöglichkeiten
13.4 Beschreibung der einzelnen Fördereinheiten von Damian
13.4.1 Damian 1. Fördereinheit
13.4.2 Damian 2. Fördereinheit
13.4.3 Damian 3. Fördereinheit
13.4.4 Damian 4. Fördereinheit
13.4.5 Damian 5. Fördereinheit
13.4.6 Damian 6. Fördereinheit
13.5 Gesamtreflexion der musikalischen Förderung von Damian

14 Resümee und Ausblick

15 Literaturverzeichnis

16 Anhang
16.1 In der musikalischen Förderung mit Serkan verwendete Bildkarten
16.2 Mögliche Bildkarten zur musikalischen Förderung von Serkan
16.3 Mögliche Spiellieder für eine musikalische Förderung
16.4 Von Serkan gesummte Melodien
16.5 Fotos der musikalischen Förderung

1 Einleitung

Musikalische Förderung von autistischen Kindern an der Schule für Geistigbehinderte ist zum jetzigen Zeitpunkt kein häufig diskutiertes Thema. Sowohl in den Richtlinien, als auch in den Lehrplänen der Schule für Geistigbehinderte in Nordrhein-Westfalen ist der Musikunterricht nur ansatzweise verankert (vgl. Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2000). Nach differenzierter Literaturrecherche fand die Verfasserin dieser Arbeit ein breites Spektrum an Beiträgen zum Thema Autismus, Musiktherapie und Musikunterricht in Regelschulen, allerdings existieren nur wenige Schriften speziell zur musikalischen Förderung von Schülern mit autistischen Störungen.

Nach den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz ist „der weitaus größte Teil des Musikunterrichts in den Klassenunterricht einzubinden. […] Daneben können Teilbereiche der musikalischen Erziehung in Lehrgängen durchgeführt werden“ (1980, 20).

Obwohl bekannt ist, dass Musik vielfältig wirken kann, wird dieses mögliche Potential in den Schulen für Geistigbehinderte nur rudimentär genutzt. An vielen Schulen werden musikalische Angebote gemacht, dennoch ist Musik bisher nicht als durchgängiges Angebot oder gar als Pflichtfach eingeführt worden. Musik wird derzeit selten als therapeutisches Mittel zur Verbesserung der individuellen Förderbereiche der Schüler mit einer so genannten geistigen Behinderung eingesetzt.

Es stellt sich die Frage, ob nicht auch in der Schule für Geistigbehinderte die Förderung durch Musik für andere Bereiche genutzt werden kann. Berichte von Musiktherapeuten zeigen, dass sich das Befinden, besonders von Kindern mit autistischen Störungen, durch eine Musiktherapie verbessern kann.

Aus verschiedenen Gründen kann nicht jedes Kind musiktherapeutisch gefördert werden. Besonders die Kostenübernahme stellt häufig ein Problem dar, da sie uneinheitlich organisiert ist. Zudem darf ein Arzt einem Patienten in einer gesetzlichen Krankenkasse eine Musiktherapie generell nicht verordnen (vgl. http://www.musiktherapie.de)

Die Antwort auf die Frage, ob eine musikalische Förderung für Kinder mit autistischen Störungen an Schulen für Geistigbehinderte sinnvoll sein könnte, soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.

Hierzu ist es zunächst notwendig, das Spektrum autistischer Störungen in seinen möglichen Erscheinungsformen näher zu beleuchten (vgl. Kapitel 2), die Schule für Geistigbehinderte als Förderort für die Schüler zu definieren (vgl. Kapitel 3) und das Phänomen Musik ganzheitlich zu erfassen (vgl. Kapitel 4).

Das fünfte Kapitel beinhaltet für die Arbeit notwendige Definitionen und Begründungen der musikalischen Förderung in der Schule für Geistigbehinderte.

Im sechsten Kapitel werden methodische und didaktische Überlegungen für einen musikalischen Förderansatz für Kinder mit Autismus in der Schule für Menschen mit geistiger Behinderung thematisiert.

Die Durchführung von zwei Fördermaßnahmen im schulischen Bereich steht in den folgenden Kapiteln (vgl. Kapitel 7 – 13) im Mittelpunkt. Es werden die diagnostischen Mittel erläutert und begründet. Zudem wird eine ausführliche Beschreibung der Förderung gegeben. Abschließend werden die Ergebnisse der Maßnahmen aufgezeigt und kritisch hinterfragt (vgl. Kapitel 14).

In der vorliegenden Arbeit wird das generische Maskulinum verwendet, welches die feminine Form einschließt. Außerdem unterliegt diese Arbeit den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung, lediglich Zitate werden in der jeweils vorgefundenen Rechtschreibung wiedergegeben, damit die größtmögliche Nähe zum Original bewahrt wird.

2 Autismus

Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die Erscheinungsformen des „Krankheitsbildes Autismus“. Es werden bekannte autistische Syndrome mit ihren Symptomen und Entstehungsursachen beschrieben und differenzial-diagnostische Abgrenzungen zu anderen Störungsbildern definiert. Diese propädeutischen Überlegungen bilden die Grundlage für den Kern dieser Arbeit, die pädagogische Umsetzung der musikalischen Förderung von Kindern mit autistischen Störungen.

2.1 Definition

Der Begriff Autismus, bzw. autistische Störung ist abgeleitet vom griechischen Reflexivum „autos“ (=selbst) und bezieht sich auf eines der Hauptsymptome, nämlich die Selbstbezogenheit von Menschen, die eine autistische Störung haben (vgl. Janetzke, 1993, 8).

Die aktuelle internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD- 10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ordnet Autismus der Gruppe der „tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ zu, die durch „eine qualitative Beeinträchtigung in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten gekennzeichnet“ ist (WHO, 2004, 358).

Egon Bleuler verwendete erstmals den Begriff „autistisch“ zur Beschreibung des psychopathologischen Befundes von schizophrenen Patienten. Er beobachtete den „Verlust der Beziehung des Patienten zu seiner Umwelt als Ausdruck […] einer Unfähigkeit, sich selbst nicht ausschließlich als Mittelpunkt der erlebbaren Umwelt zu betrachten und zu erleben […]“ (Lempp, 1992, 96).

Es waren schließlich der amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner (1894-1981) und der österreichische Kinderarzt Hans Asperger (1906-1980), die 1943/44 – unabhängig voneinander – den Begriff „Autismus“ zur Beschreibung von Abweichungen der normalen kindlichen Persönlichkeitsentwicklung verwendeten und erstmals als eigenes Störungsbild einer kindlichen Psychose definierten.

Nach diesen beiden Wissenschaftlern sind das Kanner-Syndrom (frühkindlicher Autismus) und das Asperger-Syndrom, die beiden bekanntesten Formen des Autismus, benannt worden.

Zu unterscheiden sind diese beiden klassischen Autismus-Syndrome von autistischen Störungen (= autistischen Syndromen) als Symptome von anderen zugrunde liegenden Erkrankungen.

2.2 Epidemiologie

Es gibt keine verlässlichen Zahlen zur Prävalenz und Inzidenz von autistischen Symptomen bei Kindern. Die Prävalenz des Kanner-Syndroms in Deutschland beträgt ungefähr 0,04 %, das heißt es leben ungefähr 30.000 – 40.000 Kinder und Erwachsene mit frühkindlichem Autismus. Die Zahl der subklinischen, nicht diagnostizierten Fälle ist nach heutigen Einschätzungen jedoch um ein Vielfaches höher (Dzikowski, 1996, 12 und Willms, 1975, 14). Anders sind die Zahlen im Hinblick auf das Asperger-Syndrom. Untersuchungen zufolge liegt die Prävalenzzahl bei mindestens 0,5%. Bei beiden Formen sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen (vgl. Jørgensen, 1998, 35).

2.3 Ätiopathogenese

Das Kanner-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung mit Manifestation der autistischen Störung in der Regel vor dem 3. Lebensjahr. Beim Asperger-Syndrom tritt die Störung meist im Kindergarten oder in der Schule auf. Es gibt neben diesen beiden klassischen autistischen Syndromen viele verschiedene Krankheitsbilder, bei denen die kindliche Entwicklung schwer gestört ist und das Verhalten autistische Züge aufweist. Beispielsweise können Kinder mit Zustand nach Hirnschädigungen, Stoffwechseldefekten, Psychosen oder genetischen Fehlbildungssyndromen in ihrem Verhalten autistisch gestört sein (siehe Abbildung 1; vgl. S. Dzikowski, 1996).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Nosologische Unterteilung der Autistischen Störung

(= Autistisches Syndrom)

2.4 Autistisches Erscheinungsbild

Wesentliche Merkmale des Autismus sind nach der WHO-Definition eine qualitative Beeinträchtigung zwischenmenschlicher Beziehungen sowie der Kommunikation und ein deutlich eingeschränktes Repertoire an Aktivitäten und Interessen. Darüber hinaus bestehen Störungen in Wahrnehmung und Kognition.

2.4.1 Zwischenmenschliche Beziehungen

Die Beeinträchtigung der (sozialen) Interaktion, die durch die Selbstbezogenheit der Betroffenen hervorgerufen wird, ist das auffälligste Merkmal einer autistischen Störung und spiegelt sich daher in der Bezeichnung „Autismus“ wider.

Betroffene Personen fallen häufig durch die Vermeidung von Blickkontakten, zum Beispiel durch das Schließen der Augenlider, durch das „Kopf-Weg-Drehen“ oder „Durch-Einen-Hindurchsehen“, auf. Betroffene Kinder zeigen sehr häufig Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen. Von außen betrachtet wirkt es so, als behandelte die Person mit autistischen Störungen andere Personen wie Gegenstände oder Werkzeuge. Bereits Kleinkinder zeigen häufig keine Reaktionen auf Trennungen oder Wiedersehen. Manche Menschen mit autistischen Störungen können keinen Körperkontakt ertragen oder haben scheinbar einfach kein Bedürfnis nach menschlichem Kontakt und weichen daher der Nähe anderer Personen weitestgehend aus. Sie ziehen sich aktiv zurück. G. Nissen bezeichnet dieses Phänomen als „emotional frigides Verhalten“ (vgl. Nissen, 1975, 15).

Menschen mit autistischen Störungen fehlt die Möglichkeit, soziale und emotionale Signale zu deuten, sodass sie z. B. nicht oder nicht adäquat auf Emotionen von Mitmenschen reagieren und sich in der Gesellschaft nicht angemessen verhalten können. Nissen bezeichnet dies als „kombinierte Seelenblindheit und Seelentaubheit“ (vgl. Nissen, 1975, 21). Ebenso haben sie Probleme, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu zeigen. Ihnen fehlt das Gefühl für die soziale und emotionale Gegenseitigkeit. (vgl. Kaminski, 2000, 5).

Dzikowski beschreibt die Rückzugstendenzen (irritierendes Verhalten bei der Anwesenheit anderer Personen, Ausweichen, Ablehnung von Körperkontakt, usw.) als sekundäre Verhaltensprobleme, die als Folge der für ihn grundlegenderen Symptome auftreten. (vgl. Dzikowski, 1996, 10f)

Es ist allerdings stets zu beachten, dass diese Beschreibungen Interpretationen unserer Beobachtungen sind; was sich in den Betroffenen tatsächlich abspielt, bleibt Außenstehenden weitestgehend verschlossen.

2.4.2 Kommunikation

Häufig suchen Personen mit autistischen Störungen keinen kommunikativen Blickkontakt. Auffälligkeiten und Abweichungen sind auch in anderen Bereichen der nonverbalen Kommunikation festzustellen.

Personen, bei denen die Diagnose des (frühkindlichen) Autismus getroffen wird, zeigen entweder keinen Spracherwerb, ein geringes oder kein Sprachverständnis und/oder Auffälligkeiten beim Sprechen, wie beispielsweise Echolalien. Zudem ist ihre Sprache, wenn vorhanden, häufig monoton und ohne begleitende Mimik und Gestik. Selbst bei einem gut ausgebildeten Sprechvermögen ist nach JANETZKE eine eingeschränkte Dialogfähigkeit zu bemerken. (vgl. Janetzke, 1993, 14). Sie können ihre Sprache „nicht im Sozialen Miteinander sinnvoll gebrauchen.“ (vgl. Kaminski, 2000, 5). Nach Nissen erlernen nur etwa 60- 70% der Personen, bei denen autistische Störungen diagnostiziert wurden, das Sprechen, während 30- 40% stumm bleiben (vgl. Nissen, 1975, 20).

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die so genannte Gestützte Kommunikation eine Möglichkeit für Betroffene sein kann, mit anderen zu kommunizieren, d.h. aus der Isolation herauszutreten. Allerdings müssen sich Vertreter und Befürworter der Gestützten Kommunikation immer wieder gegen Vorwürfe der Manipulation und Steuerung der Kommunikation zur Wehr setzen.

2.4.3 Aktivitäten und Interessen

Die meisten Menschen mit autistischen Störungen zeigen kaum bis keine Spontaneität und Initiative bei der Organisation ihrer Freizeit. In ihrem Denkprozess scheint nur wenig Platz für Kreativität und Phantasie (vgl. Beyer/Gammeltoft, 2002, 25). Häufig haben sie Probleme, Konzepte zur Entscheidungsfindung anzuwenden (auch, wenn die Aufgaben selbst für sie zu bewältigen sind). Außerdem zeigen sie die Tendenz, ihre alltäglichen Aufgaben mit einer auffälligen, zwanghaft anmutenden Routine auszuführen. Mit Abweichungen von dieser Routine können sie sich nur schwer arrangieren und es fällt ihnen nicht leicht diese zu verstehen. Ihnen scheint dadurch Sicherheit verloren zu gehen, sodass sie häufig mit Widerstand reagieren (vgl. Kaminski, 2000, 5). Im Kleinkindalter sind Kinder mit autistischen Störungen oft auf einen bestimmten Gegenstand fixiert, der sie ungemein zu faszinieren scheint, sodass sie sich über Stunden in einer Beschäftigung mit eben diesem „verlieren“ können. Auffällig ist, dass sie sich allerdings meistens nur für einen Teilaspekt dieses Gegenstandes zu interessieren scheinen, wie beispielsweise seinen Klang, seinen Geruch, seine Farbe usw. Die anderen Teilaspekte, die zusammen diesen Gegenstand ausmachen, scheinen völlig ausgeblendet zu werden. Überhaupt zeigen sich Menschen mit autistischen Störungen häufig extrem auf ein bestimmtes Interessengebiet beschränkt.

2.4.4 Wahrnehmung

Ein Kind mit autistischen Störungen ist kaum in der Lage, zwei Dinge auf ein Mal zu tun, und zwar deshalb, weil es ihm schwer fällt, „Informationen auf verschiedenen Sinneskanälen gleichzeitig zu verarbeiten“ (Gottschewski 2001, 42). Wenn es sich beispielsweise intensiv mit der Betrachtung eines für ihn interessanten Gegenstandes beschäftigt, kann das Kind eine Ansprache oder Rufe, die direkt an es gerichtet werden, nicht hören. Es ist dann offenbar nicht in der Lage, diese äußeren Reize während der eigenen Beschäftigung wahrzunehmen. „Um "information overload" zu vermeiden, werden ein oder mehrere Sinne "abgeschaltet"“ (Gottschewski 2001, 42).

Menschen mit autistischen Störungen fühlen sich leicht sensorisch überlastet. Häufig ist der Grad der Überempfindlichkeit von der jeweiligen Situation abhängig. Wenn sie sensorisch oder emotional bereits belastet sind, können bestimmte Sinneseindrücke wesentlich belastender erlebt werden als in Momenten der Entspannung.

Sehen

Viele Menschen mit autistischen Störungen sind visuell überempfindlich und erleben z.B. den Einfluss von Licht als problematisch. So beschreibt eine Person mit autistischen Störungen ihre Wahrnehmung eines mit Neonlicht beleuchteten Raumes:

„Es gab keine vollständigen Gegenstände im Raum, nur glänzende Ränder und Dinge, die im reflektierenden Licht sprangen. Das Neonlicht wurde von den gelben Wänden zurückgeworfen wie Sonnenschein vom Wasser“

(Williams, 1996, 144f)

Hören

Auch im Bereich der auditiven Wahrnehmungen zeigen Menschen mit autistischen Störungen mitunter eine Überempfindlichkeit. Manche können Töne und Geräusche hören, die von Menschen mit einem durchschnittlichen Gehör nicht mehr wahrgenommen werden können. Häufig sind ihnen Geräusche mit hohen Frequenzen besonders unangenehm. Oft fällt es diesen Menschen schwer, verschiedene, gleichzeitig auftretende Geräusche zu ordnen und zu orten. So ist es ihnen beispielsweise nicht möglich Hintergrundgeräusche auszufiltern, oder die Richtung, aus der Geräusche kommen, anzugeben. Besonders in der Kindheit können „die akustischen Eindrücke […] dann ein einziges Chaos sein“ (Gottschewski , 2001, 42).

Fühlen

Berührungen, besonders leichte wie beispielsweise das Kitzeln, erleben viele Menschen mit autistischen Störungen als diffus und daher unangenehm oder sogar als unerträglich: „To be just lightly touched appeared to make my nervous system whimper, as if the nerve ends were curling up. “ (Gerland, 1997, 38; In: Aldrige, 2001, 43). Nach Gottschewski kann die Ablehnung Berührungen gegenüber einerseits in einer möglichen taktilen oder andererseits in einer emotionalen Hypersensibilität oder einer Kombination beider begründet sein. Feste Berührungen scheinen sie eher einordnen und daher auch eher ertragen zu können. Zudem haben Menschen mit autistischen Störungen häufig ein herabgesetztes Schmerzempfinden, was DZIKOWSKI aus dem teilweise vorhandenen autoaggressiven Verhalten, also z. B. dem Zuführen von Schmerzen durch Kopf-Schlagen, Beißen, usw., ableitet (vgl. Dzikowski, 1996, 9).

Riechen und Schmecken

Nach Gottschewski kann der Sinnesbereich des Riechens und Schmeckens besonders ausgeprägt sein (vgl. Gottschewski , 2001, 42). Die Mutter eines Säuglings, bei dem im Kleinkindalter frühkindlicher Autismus diagnostiziert wurde, beschreibt ihre Erfahrungen mit den Sinneswahrnehmungen ihres Kindes folgendermaßen: „Er verhielt sich von Anfang an auffällig; so nahm er eher mit den niederen Sinnen Riechen und Tasten Kontakt mit der Umwelt auf, reagierte manchmal nicht auf akustische Reize, erschien wie taub…“ (www.autismus-muenchen.de)

2.4.5 Kognitive Entwicklung

Bei einer Person mit autistischen Störungen kann jedes Intelligenzniveau vorkommen. Neben den genannten teils spezifisch-diagnostischen Merkmalen können betroffene Kinder nach Kaminski „oft auch eine Reihe anderer, unspezifischer Probleme wie Befürchtungen, Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüche und Aggressionen“ aufweisen (vgl. Kaminski, 2000, 5). Der Schweregrad des selbst verletzenden Verhaltens scheint - Beobachtungen zufolge - in Abhängigkeit zur Schwere der Intelligenzminderung zu stehen. (vgl. Kaminski, 2000, 5). Kehrer u. a. sprechen eher von einer verschütteten Intelligenz, die aufgrund der komplexen Probleme in anderen Bereichen von den Betroffenen nicht genutzt werden kann.

Personen mit autistischen Störungen sind oft nicht in der Lage, ein angemessenes Problemlöseverhalten anzuwenden. Sie haben häufig Schwierigkeiten (auch bei elementaren Aufgaben) den „Überblick“ zu behalten, Aufgaben zu strukturieren, wesentliche Merkmale zu erkennen und unterschiedliche Teilaspekte von Aufgaben zu koordinieren. So beschreibt der von autistischen Störungen betroffenen Maximilian Herold: „Unordnung im behinderten Denken ist Autismus. Erst die Ordnung künstlerischen Gestaltens zeigt meinem Denken den Weg.“ (www.autismus-muenchen.de).

Häufig haben Betroffene spezielle Probleme im Aufmerksamkeits- und Arbeitsverhalten, da ihre Konzentration, wie oben erwähnt, leicht störbar ist. Äußere Struktur und Ordnung sowie eine reizarme Umgebung können Menschen mit autistischen Störungen helfen, sich über längere Zeit zu konzentrieren. Dies beschreibt D. Williams:

„Deshalb versuchen wir, das Leben in unserem Haus sehr ruhig zu gestalten, sodass wir nicht viele Hintergrundgeräusche haben. Das Haus ist sehr ruhig, wir hören keine Musik und haben nicht gleichzeitig den Fernseher laufen. Wir haben keine Tapeten an allen Wänden und wir haben keine aufdringlichen Muster auf dem Teppich. Die Art und Weise, wie wir unsere Sachen haben, ist sehr ordentlich und berechenbar, alles an sehr logischen Orten. Wenn man sich hier umschaut, gibt es einen sehr logischen Aufbau des Hauses, wo man alles findet. Viele Dinge sind sehr symmetrisch. Das gibt mir unmittelbar einen Sinn, einen natürlichen Sinn dafür, wo man nach Dingen suchen muss. So bekommt man einen Eindruck von der Ganzheit eines Ortes und wo man sich innerhalb dessen befindet.“

(www.autismus-nordbaden-pfalz.de)

2.4.6 Verhalten

Sehr häufig fallen Personen mit autistischen Störungen durch ihr wenig flexibles, d.h. durch ein eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten auf. Sie führen immer wiederkehrende Bewegungen oder Verrichtungen aus, so z. B. das Drehen von bestimmten Gegenständen. Der Versuch, ihr rigides Verhalten abrupt zu beenden, so z. B. durch das Wegnehmen des Gegenstandes, kann zu heftigen Reaktionen, z. B. Wutausbrüchen, führen. Aber auch bei Veränderungen von gewohnten Abläufen oder der gewohnten Umgebung reagieren sie häufig stark verunsichert und für Außenstehende meistens erschreckend und unerwartet.

2.5 Erscheinungsformen

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen autistischen Syndrome frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom und atypischer Autismus beschrieben und voneinander unterschieden.

2.5.1 Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)

Der Begriff des frühkindlichen Autismus geht auf die Beschreibungen von Leo Kanner zurück. Die Begriffe Kanner-Syndrom, Kanner-Autismus und frühkindlicher Autismus werden heute synonym verwendet.

Diese Form der autistischen Störungen besteht ebenso wie das Asperger-Syndrom und der atypische Autismus von Geburt an. Allerdings fallen die Störungen in der Entwicklung dieser Kinder zu einem deutlich früheren Zeitpunkt auf als bei den anderen Formen.

Oft sind es die Mütter, die schon sehr früh, meist schon innerhalb des ersten Lebenshalbjahres, Abweichungen zu anderen Kindern bemerken. Häufig stellt sich auch nur ein diffuses, nicht weiter begründbares Gefühl ein, dass etwas mit ihrem Kind „nicht stimmt“ (vgl. Kaminski, 2000, 4).

Häufig verhalten sich diese Kinder in den ersten Lebensmonaten für Außenstehende unauffällig, d.h., sie können beispielsweise stundenlang unbeweglich und scheinbar zufrieden in ihrem Bett liegen und dabei nichts und niemanden, auch nicht die Anwesenheit der Mutter, zu vermissen scheinen (vgl. Willms, 1975, 15). Die Mutter ist in einem solchen Fall oft irritiert, da sie von ihrem Kind, welches keinen Blickkontakt zu suchen scheint, nicht als Bezugsperson wahrgenommen wird. Auch die möglichen Äußerungen aus der Familie und dem Bekanntenkreis, was für ein Glück es sei, so ein „pflegeleichtes“ Kind zu haben, können die Mutter nicht hinreichend beruhigen.

Es kann aber auch sein, dass die Kinder sehr unruhig sind, oft stundenlang schreien und sich nicht beruhigen lassen. Trösten und Tragen durch die Mutter scheinen von ihnen nicht bemerkt zu werden und sind von daher auch keine Hilfe, um sie zu beruhigen.

Die Mütter solcher Kinder denken häufig, dass ihr Kind sehr starke Schmerzen habe. Oft werden deshalb auch von Ärzten Koliken diagnostiziert. Die verabreichten Mittel scheinen aber keine Linderung zu verschaffen. Häufig müssen die Eltern auch Äußerungen aus der Familie und dem Bekanntenkreis ertragen wie „Unser Kind war auch ein Schreibaby! Da müsst ihr durch, das geht auch wieder vorbei.“ Selbst wenn sie Mutter eines Erstgeborenen mit autistischen Störungen ist, wird sie trotzdem sehr verwundert bleiben. Diese Bedenken äußert sie häufig erst spät, z. B. nach der Geburt eines weiteren (gesunden) Kindes. (vgl. Willms, 1975, 15).

„Beide Arten von Säuglingen machen aber keinen glücklichen Eindruck, wenn man sich um Kontakt mit ihnen bemüht, und scheinen nicht kommunizieren zu wollen“ (vgl. Lelord/ Rothenberger, 2000, 15).

Eltern haben in solchen Fällen ambivalente Gefühle ihrem Kind gegenüber, weil die autistischen Störungen eines Kindes die Kommunikation und die soziale Interaktion stark beeinflussen. Da wir aber „die Kompetenz Beziehungen aufzubauen, für selbstverständlich erachten, überrascht uns das Fehlen dieser sozialen und kommunikativen Kompetenz“ (vgl. Beyer/ Gammeltoft, 2002, 14) oft so sehr, dass besonders die Eltern mitunter nicht in der Lage sind, diese Auffälligkeiten schon früh zu benennen.

Das diffuse Empfinden der Mutter, bzw. der Eltern konkretisiert sich allerdings mit zunehmendem Alter des Kindes. Sie erkennen zunehmend deutliche Verhaltensauffälligkeiten, die sie nun klarer benennen können. Auch Willms erklärt, dass sich nach der Vollendung des ersten Lebensjahres die für den frühkindlichen Autismus typischen Wesensmerkmale mit zunehmender Deutlichkeit darstellen (vgl. Willms, 1975, 15). Daher äußern die meisten Eltern ihre Sorgen und Beobachtungen, wenn das Kind zwischen 16 und 24 Monate alt ist (vgl. Lelord/ Rothenberger, 2000, 15).

Häufig suchen die Eltern einen Arzt auf, da ihr Kind nicht altersgemäß spricht und sie befürchten, es könne nicht (richtig) hören, weil es verbalen Aufforderungen nicht nachkommt oder sich nicht an auditiven Reizen orientiert (vgl. Willms, 1975, 16). Hier ist jedoch anzumerken, dass das Leistungsvermögen der Sinne bei Kindern mit autistischen Störungen normalerweise unauffällig und nicht in einem primären Zusammenhang mit autistischen Störungen zu sehen ist. Trotzdem bleibt, wie oben erwähnt, bei etwa einem Drittel aller betroffenen Kinder eine Sprachentwicklung aus (vgl. Willms, 1975,16).

Ebenfalls möglich ist aber auch, dass sich diese Fähigkeiten anfangs regelgerecht entwickeln, aber dass es dann plötzlich zu einer deutlichen Regression dieser erworbenen Fähigkeiten kommt.

Bei der Kannerschen Form des Autismus verursacht das Ausmaß der organischen Störung eine beträchtlich verzögerte psychische und kognitive Entwicklung bei etwa 60- 70% der Betroffenen (vgl. Jørgensen, 1998, 45). Willms dagegen ist der Auffassung, dass diese Entwicklung maskiert vollzogen wird oder verschüttet ist. Daher können die Ergebnisse von Entwicklungs- und Intelligenztests nur unzureichende Hinweise auf reale Verhältnisse liefern. Willms stützt seine Vermutung auf eine Theorie von Kanner, der von „einer spezifischen Verwerfung der Intelligenzstruktur“ spricht (vgl. Willms, 1975, 17).

Die WHO hat die Erscheinungsform des frühkindlichen Autismus folgendermaßen zusammengefasst:

„Diese Form der tief greifenden Entwicklungsstörung ist durch eine abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung definiert, die sich vor dem 3. Lebensjahr manifestiert. Sie ist außerdem gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster abnormer Funktionen in den folgenden pathologischen Bereichen: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und in eingeschränktem, stereotyp repetitiven Verhalten. Neben diesen spezifischen diagnostischen Merkmalen zeigen sich häufig eine Vielzahl unspezifischer Probleme wie Phobien, Schlaf- und Ess- Störungen, Wutausbrüche und (autodestruktive) Aggressionen“

(vgl. WHO, ICD- 10, 2004, 358).

In einigen Fällen von frühkindlichem Autismus treten die für Autismus typischen Verhaltensweisen nach einer Erkrankung wie beispielsweise einer Mittelohrentzündung (verstärkt) in den Vordergrund“ (vgl. Lelord/ Rothenberger, 2000, 26).

2.5.2 Asperger- Syndrom

1944 veröffentlichte der österreichische Kinderarzt Hans ASPERGER (1906- 1980) die Beschreibung von einer Gruppe von Kindern, mit einer auffälligen Abweichung von einer normalen Persönlichkeitsentwicklung, die er „autistische Psychopathie“ nannte und als eigenständiges Störungsbild definierte.

Er nannte Auffälligkeiten und Störungen im Blickkontakt, der Körpersprache, Abweichungen in Mimik und Gestik und dem Sprachgebrauch, aufgrund derer diese Kinder keine altersgemäße und natürliche Kommunikation führen können (vgl. Jørgensen, 1998, 14f).

Im Gegensatz zu den Beschreibungen des frühkindlichen Autismus von Leo KANNER aus dem Jahre 1943 blieb ASPERGERs Artikel lange unbekannt und unbeachtet.

Die von Asperger beschriebene Störung entspricht nicht ganz den heutigen Definitionen des Asperger-Syndroms, „aber die Grundzüge seiner Sicht auf die Natur dieser Störung treffen in großem Umfang mit den heutigen Erkenntnissen überein.“ (Jørgensen, 1998, 16).

Kinder mit einem Asperger-Syndrom wirken auf den ersten Blick nicht so auffällig wie Kinder mit frühkindlichem Autismus. „Erst wenn man sie näher kennen lernt, merkt man ihre Schwierigkeiten, die Interaktion wie auch Kommunikation und Denken betreffen“ (Jørgensen, 1998, 85).

Nach heutiger Auffassung steht im Mittelpunkt dieses Syndroms ebenfalls eine auffallende Kontaktstörung mit der Tendenz zur Selbstisolierung und Abkapselung von der Umwelt, die jedoch im Gegensatz zu dem zuvor beschriebenen „Kanner- Syndrom“ nicht in einer so schweren Ausprägung auftritt. Unterscheidend wirkt die in den meisten Fällen höhere Intelligenz. Die WHO nahm das Asperger- Syndrom erst 1992 in die internationale Diagnoseklassifikation auf (vgl. Jørgensen, 1998, 22). Dort wird es folgendermaßen beschrieben:

„Diese Störung von unsicherer nosologischer Validität ist durch dieselbe Form qualitativer Abweichungen der wechselseitigen sozialen Interaktionen, wie für den Autismus typisch, charakterisiert, zusammen mit einem eingeschränkten, stereotypen, sich wiederholenden Repertoire von Interessen und Aktivitäten. Die Störung unterscheidet sich von Autismus in erster Linie durch fehlende allgemeine Entwicklungs-verzögerung bzw. den fehlenden Entwicklungsrückstandes der Sprache und der kognitiven Fähigkeiten. Die Störung geht häufig mit einer auffallenden Ungeschicklichkeit einher. […]“

(WHO, ICD- 10, 2004, 288)

Neueren Untersuchungen zufolge tritt das Asperger- Syndrom häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf (vgl. Jørgensen, 1998, 35).

Bis heute diskutieren Experten auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie über die Frage, ob das Asperger-Syndrom eine Form des Autismus (nach Kanner) bei hoch begabten Menschen ist, oder aber eine eigenständige Störung darstellt, die sich in Ursachen, Erscheinungsform, Diagnose, Verlauf und Behandlung von dem frühkindlichen Autismus unterscheidet.

Die Entwicklung in den Bereichen der Sprache, Kognition und Motorik verläuft meistens recht unauffällig. Allerdings sind gelegentlich motorische Retardierungen bei sprachlicher Akzeleration beschrieben worden (vgl. Willms, 1975, 17). Daher wird das abweichende Verhalten eines Kindes mit einem Asperger-Syndrom, im Gegensatz zu denen mit einem in der frühkindlichen Entwicklung diagnostizierten Autismus, meistens erst im Kindergarten oder nach der Einschulung als autistisch bezeichnet. Auffällig wird das Kind, da es sich „in der Interaktion mit anderen, in seiner Kommunikation sowie in seinen Interessen und seinem Verhalten“ (Jørgensen, 1998, 38) von gleichaltrigen Kindern unterscheidet.

Zwar erscheint ein solches Kind den Eltern und Erziehern oft schon viel früher als etwas „eigentümlich“, da es zum Beispiel eine „übertriebene“ Abhängigkeit von einer alltäglichen Routine hat und bei nur leichten Veränderungen schon verwirrt erscheint oder wenig Interesse an anderen Kindern zeigt, aber in aller Regel erlebt niemand ein solches Kind als psychisch gestört.

Typisch für das Asperger- Syndrom ist, das ein solches Kind meistens im Kindergartenalter beginnt ein „Spezialinteresse“ mit auffallendem Wissen zu entwickeln. Das bedeutet, dass es mit Hingabe eine, für andere oft sehr sonderbare, Aktivität aufnimmt, mit der es sich in einem solchen Umfang beschäftigt, dass es kaum noch Zeit für andere Dinge findet und regelrecht besessen und zwanghaft wirkt. Auffällig ist auch, dass das Wissen, welches ein Kind in seinem Spezialgebiet erwirbt nicht sozial genutzt wird. Es wird beispielsweise nicht eingesetzt, um Bekanntschaften oder sogar Freundschaften zu knüpfen, oder um Erfolg in der Schule zu haben. (vgl. Jørgensen, 1998, 41ff).

Generell haben Kinder mit einem Asperger- Syndrom keine Verzögerung in der sprachlichen Entwicklung, weder in der kognitiven Entwicklung noch im Sprechen selbst, oder im Sprachverständnis. Solche Kinder fallen durch eine monotone Sprachmelodie in einer zu hohen oder zu tiefen Stimmlage und durch eine scheinbar übernommene „erwachsene“ Ausdrucksweise, die eine spontane verbale Kommunikation erschwert, auf. Häufig scheint es so, als ob sie Sprache ebenfalls nicht in kommunikativer Form nutzen wollten. Nonverbale Kommunikationsschwierigkeiten bestehen z. B. in einem sonderbaren Gebrauch von Mimik und Gestik, sowie der Körpersprache. Häufig gibt es keinen erkennbaren Konsens zwischen dem, was das Kind vermutlich ausdrücken möchte und den begleitenden nonverbalen Signalen in Tonfall, Körperhaltung und Gesten (vgl. Jørgensen, 1998, 40).

Asperger verstand dies als den Ausdruck „einer Diskrepanz zwischen Intelligenz und Gefühlsleben bei diesen Kindern“ (Jørgensen, 1998, 14).

Für Eltern und Betreuer ist das wesentliche Problem, dass Kinder mit einem Asperger-Syndrom nicht „natürlich“ auf soziale Signale reagieren. Sie halten an ihren Gewohnheiten rigide fest, ohne sich durch die Anwesenheit oder die Reaktionen anderer Personen wesentlich beeinflussen zu lassen (vgl. Attwood, 2000, 34f).

Zusammenfassend kann man sagen, dass es bei dem Asperger Syndrom selten eine auffällige allgemeine Entwicklungsverzögerung gibt. Die in der sprachlichen Entwicklung und dem Verhalten in Erscheinung tretenden Auffälligkeiten sind per se nicht so gravierend und vordergründig, wie bei einem frühkindlichen Autismus. Dennoch ist das Asperger-Syndrom eine Störung, die das Leben eines Betroffenen massiv beeinflusst.

2.5.3 Atypischer Autismus

Wie schon die Bezeichnung andeutet, ist atypischer Autismus, auch als Pseudoautismus bezeichnet (vgl. Willms, 1975, 18), dadurch gekennzeichnet, dass betroffene Personen Symptome zeigen, die denen des frühkindlichen Autismus ähneln, „aber doch nicht ganz der festgelegten Diagnose entsprechen“ (Jørgensen, 1998, 87).

Atypisch wird ein Auftreten der für Autismus üblichen Störungen genannt, wenn nur eins oder zwei der Kriterien erfüllt sind, die zur Diagnose des frühkindlichen Autismus nach der Definition der WHO gefordert werden. Atypischer Autismus wird bei geistig schwer behinderten Kindern, die zudem sehr kontaktarm sind und/ oder typische motorische Stereotypien zeigen, diagnostiziert. Häufig ist die Sprache in einem so erheblichen Umfang gestört, dass eventuelle Abweichungen in der Kommunikation nicht festzustellen sind. „Es kann allgemein festgestellt werden, dass auch die kommunikativen Fähigkeiten kaum entwickelt sind“ (Jørgensen, 1998, 87). Die autistischen Verhaltensweisen sind bei diesem Störungsbild als eine Begleiterscheinung einer geistigen Behinderung oder von beeinträchtigten Sinnesorganen zu verstehen. Es handelt sich also „nicht um spezielle, sondern um generelle Defekte oder Ausfälle auf organischer Grundlage“ (Willms, 1975, 19). Abbildung 1 gibt einen kurzen Überblick über die möglichen Ursachen eines atypischen Autismus. Viele Erkrankungen können bei Kindern zu Störungen in der sozialen Interaktion, Kommunikation und dem Verhalten […] mit […] Phobien, Schlaf- und Ess-Störungen oder Wutausbrüchen“ führen. Die Liste der hierunter liegenden Erkrankungen ist lang und wird in der Literatur im Sinne von Verursachungstheorien des Autismus beschrieben (vgl. S. Dzikowski, 1996) (Siehe Tabelle 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Symptomatische Ursachen eines autistischen Syndroms

Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus und zum Asperger- Syndrom ist beim atypischen Autismus eine gleichmäßige Geschlechterverteilung zu beobachten.

2.6 Abgrenzungen zu anderen Krankheitsbildern

Autismus wird erst bei dem Zusammentreffen mehrerer Symptome diagnostiziert, die jedoch auch bei anderen Störungsbildern vorkommen können. Es werden in der Literatur einige psychische Störungen beschrieben, die dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom ähneln oder sogar mit diesen als verwandt angesehen werden, weil diese begrenzt gemeinsame Züge haben, sich in ihren Symptomen ähneln, aber „ohne dass dieselben Ursachen dafür verantwortlich sind“ (Jørgensen, 1998, 82). Allerdings erfordern diese unterschiedlichen Störungen auch unterschiedliche Behandlungen, Therapien und einen unterschiedlichen pädagogischen Umgang. Im Folgenden werden einige den zuvor beschriebenen Formen der autistischen Störungen nahe stehenden Störungen und Krankheitsbilder ohne Anspruch auf Vollständigkeit zur besseren Abgrenzung kurz umschrieben.

2.6.1 Schizophrenie

„Die Schizophrenien bilden das Kerngebiet des Psychosebegriffs in der Psychiatrie“ (Jørgensen, 1998, 97). Schizophrenien sind schwere psychische Störungen, die im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter auftreten. „Nach einer Kindheit ohne deutliche Anzeichen kommt es zu schneller oder langsamer Veränderung des Denkens, der Wahrnehmung, des Fühlens und in Interaktionen mit anderen“ (Jørgensen, 1998, 97).

Obwohl die zentralen Symptome von Schizophrenien wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und das Erleben von Gedankenbeeinflussung, „die immer oder zeitweilig während des Krankheitsverlaufs vorhanden sind“ (Jørgensen, 1998, 98), nicht als kennzeichnende Symptome für die bereits beschriebenen Formen des Autismus in der Literatur gewertet werden, gibt es dennoch Psychiater, die den Autismus als das zentrale und spezifische Symptom von Schizophrenie betrachten. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Begriff Autismus in der Psychiatrie eine andere Bedeutung als im Zusammenhang des frühkindlichen Autismus hat. Im Kontext der Schizophrenie ist mit Autismus „lediglich“ die Tendenz der Patienten, sich mit ihrer inneren Welt zu beschäftigen, gemeint. Bevor frühkindlicher Autismus und das Asperger-Syndrom als eigenständige Störungsbilder beschrieben wurden, sind bei solchen Personen in der Regel Schizophrenien diagnostiziert worden. Auch heute noch sind diese unterschiedlichen Formen des Autismus nicht immer eindeutig zu diagnostizieren: „Gerade die Psychiater, die bei Schizophrenie den Autismus in den Mittelpunkt stellen, werden dazu geneigt sein, das Sonderbare bei Patienten mit Asperger-Syndrom (oder auch Autismus) für eine Form des Autismus zu halten, die bei Schizophrenie beobachtet wird“ (Jørgensen, 1998,. 99).

2.6.2 (Elektiver) Mutismus

Mutismus ist eine sehr seltene und schwere Form des abweichenden Sozialverhaltens, die bei Kindern ab ca. 3 Jahren zu beobachten ist. Das Wesentliche dieser Störung besteht in der völligen Einstellung jeglicher Kommunikation. Gelegentlich kommt es vor, dass ein betroffenes Kind noch selten mit besonders nahe stehenden Personen kommuniziert oder sogar noch spricht. In solchen Fällen wird von „elektivem“ Mutismus gesprochen. Manche der betroffenen Kinder „fremdelten“ auffällig ausgeprägt oder zeigten vor dem Auftreten dieser Störung Auffälligkeiten in der sprachlichen Entwicklung wie späte Sprachentwicklung oder Schwierigkeiten im Ausdruck. Kinder mit Mutismus wirken wenig aufgeschlossen Neuem gegenüber, teilweise sogar unflexibel und werden von ihrem sozialen Umfeld oft als rigide oder sogar stur angesehen. Die Behandlung ist äußerst schwierig, da es wenige Möglichkeiten gibt, die rigiden Gewohnheiten der Kinder zu ändern. Teilweise kann eine grundlegende Änderung des Alltags eine spontane Besserung der kommunikativen Fähigkeiten hervorrufen. Da es über Mutismus bisher nur wenig fundierte Untersuchungen gibt, ist noch unklar, „ob gemeinsame Züge mit dem Asperger- Syndrom vorkommen“ (Jørgensen, 1998, 90).

2.6.3 Bindungsstörungen

Mit Bindungsstörungen ist, wie der Begriff bereits aussagt, gemeint, dass eine Person eine Störung in der Bindung zu anderen Personen aufweist. Solche Auffälligkeiten treten meistens nach einer emotionalen Frustration auf. Eine typische Form der Bindungsstörung besteht darin, dass das Kind leicht Kontakt zu Fremden aufbaut oder sich nicht selektiv an Personen, die es versorgen, bindet. Gerade in diesem zweiten Verhalten wird die Nähe der für das autistische Verhalten typischen Symptome deutlich.

Bindungsstörungen und Autistische Störungen können auch gleichzeitig auftreten und sind kombiniert erschwert zu diagnostizieren. Die Kombination dieser Störungen muss anschließend bei der therapeutischen Behandlung unbedingt berücksichtigt werden, da die betroffenen Personen „sowohl organisch wie auch sozial bedingte psychische Schwierigkeiten“ mitbringen (Jørgensen, 1998, 88).

2.6.4 Paranoide Zustände

Als Paranoide Zustände oder auch „Paranoia“ werden „verrückte“ Auffassungen von der Wirklichkeit bezeichnet, da diese im Verhältnis zu den Auffassungen „normaler“ Personen nicht nachvollziehbar sind. Diese Auffassungen werden von den Betroffenen, auch wenn sie eine normale Intelligenz vorweisen, in einer vollkommen unrealistischen Weise erklärt. An diesen paranoiden Zuständen wird rigide, ohne das das Einfließen jeglicher Logik zugelassen wird, festgehalten.

Die Nähe zum Autismus besteht darin, dass auch Personen mit autistischen Störungen eine für Außenstehende sonderbare Auffassung von Geschehnissen in ihrer Umwelt äußern. Menschen mit autistischen Störungen ist es häufig nicht möglich, ihre eigenen Auffassungen zu begründen oder anderen zu erklären, da sie „Schwierigkeiten mit Frage-und-Antwort-Dialogen“ haben und sie überdies ihre Mitmenschen und ihre Umwelt oftmals „missverstehen“ bzw. sich missverständlich ausdrücken, „sodass die Auffassung[en] für andere vollkommen uneinfühlbar“ werden (Jørgensen, 1998, 101). Diese Missverständnisse sind nach Jørgensen bei Menschen mit autistischen Störungen „nicht so unkorrigierbar wie paranoide Vorstellungen“, da sie seiner Auffassung nach lediglich von einer Art „Naivität“ herrührten (Jørgensen, 1998, 101).

2.6.5 Das Tourette-Syndrom

Das Tourette-Syndrom ist Ausdruck einer hirnorganischen Dysfunktion, das sich in einem von Tics geprägten Zustand zeigt. Diese Tics können sowohl motorischer (z.B. unwillkürliche Bewegungen von Kopf, Armen, Händen, Fingern und/oder der Gesichtsmuskulatur) als auch verbaler Art (wie z. B. unwillkürliches Husten, Räuspern oder auch das Sprechen von Wörtern, die zwanghaft wirken und obszön sein können) sein. Die Tics können zeitweilig und an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten. Die Symptome des Tourette-Syndroms fangen im Kindesalter an aufzutreten. Eine direkte Verbindung zwischen Autismus und dem Tourette- Syndrom ist bisher nicht beschrieben worden. Es sind allerdings „Patienten beschrieben worden, bei denen eine Kombination von Tourette- und Asperger-Syndrom vorkam. Ungewiss ist jedoch, ob es sich dabei um Zufälle handelt oder ob beide Störungen de facto öfter zusammen auftreten als zu erwarten wäre“ (Jørgensen, 1998, 96).

2.6.6 Zwangszustände

Mit Zwangszuständen oder „obsessiv-kompulsiven Störungen“ werden psychische Symptome, die von Zwangsgedanken und Handlungen geprägt sind, bezeichnet. Sozialverhalten und sprachliche Kommunikationsfähigkeit sind dabei allerdings nicht auffällig. „Betrachtet man das Verhalten eines Menschen mit ritualisierten Zwangshandlungen, kann es äußerlich dem eines begabten Autisten ähneln“ (Jørgensen, 1998, 90). Allerdings unterscheiden sich Zwangszustände vom Autismus dadurch, dass diese Zwänge auch als solche von den betroffenen Personen erlebt werden, und sie keine tief greifenden sozialen und kommunikativen Störungen aufweisen.

2.6.7 Das Rett-Syndrom

Das Rett-Syndrom ist eine tief greifende Entwicklungsstörung, die fast ausschließlich Mädchen betrifft (AWMF, 2005, 1). Der Verlauf dieses Syndroms ist insgesamt progressiv und erfolgt in 4 verschiedenen Stadien (Lindberg, 1991). Nach zunächst normaler Entwicklung kommt diese im Alter von 6- 18 Monaten zum Stillstand. Es folgen Regression und der Zerfall der bisher erlernten Fähigkeiten. Individuell unterschiedlich sind jeweils der Krankheitsbeginn, das Tempo des Fortschreitens und die Ausprägung der Symptome. Zu den Symptomen zählen u. a. epileptische Anfälle, Atemschwierigkeiten (Apnoe, Hyperventilation), Apraxie, neurologische Störungen in der Grob- und Feinmotorik. Geistige Behinderung, motorische Stereotypien sowie autistische Störungen und Kommunikationsschwierigkeiten sind diejenigen Symptome, die auch für ein Kind mit Autismus charakteristisch sind (AWMF, 2005, 2).

2.7 Das pädagogische Dilemma (vgl. M. Dietrich)

„Wenn man einem Kind zuschauen muss, das sich unentwegt in die eigene Hand beißt, das wie hypnotisiert einen Aschenbecher rotiert lässt, das stundenlang ein Staubkorn anstarrt oder wie einen Aschenbecher rotieren lässt, das stundenlang ein Staubkorn anstarrt oder wie ein verwundetes Tier aufschreit, sobald man sich ihm nähert, das stundenlang mit den Händen sein Gesicht beklatscht oder mit seinem eigenen Kot den Körper beschmiert- und all dies mit einem leeren Blick in den Augen, da kann man es mit der Angst zu tun bekommen. Das ist das autistische Kind. Es ignoriert einen und wehrt jede Art von menschlichem Kontakt ab. Es hört nicht zu, spricht mit niemandem und lässt sich nicht berühren.“ (Delacato, 1975, 9).

Mit diesen stigmatisierenden Worten charakterisiert Delacato das „autistische Kind“, das er zudem im Titel seiner Abhandlung als „unheimlichen Fremdling“ bezeichnet. Seine Beschreibung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Defizite des kindlichen Verhaltens hervorhebt.

Auch die Literatur, welche sich mit dem Erscheinungsbild und der Therapie von autistischen Personen befasst, baut hauptsächlich auf der Hervorhebung der mehr oder weniger häufig und stark in Erscheinung tretenden Symptome auf:

„Seine Allüren waren bizarr. Er ging auf Zehenspitzen, die Arme nach hinten verdreht und die Hände dem Körper wieder angenähert und so bewegend, dass er insgesamt an einen Vogel erinnerte, der wegflattern wollte. Er wiederholte ohne Unterlass die gleichen Sätze, meistens ein Echo von dem, was er gerade in seiner Umgebung hörte. Insgesamt war er meistens friedlich, aber die kleinste Veränderung […] führten zu fürchterlichen Wutausbrüchen“

(Lelord/ Rothenberger, 2001, 21).

Eventuelle Entwicklungsmöglichkeiten einer Person mit Autismus werden nur am Rande erwähnt: „Des Weiteren konnte […] durch unterschiedliche Behandlungsmethoden kein wirklich überzeugender Behandlungserfolg bzw. keine Heilung erzielt werden…“ (Willms, 1975, 14).

Obwohl Menschen mit autistischen Störungen sehr unterschiedliche Schwierigkeiten, Fähigkeiten und Neigungen zeigen, werden sie unter dem Störungsbild „Autismus“ zusammengefasst. Der Personenkreis der Betroffenen ist aber sehr heterogen. Daher befürworten verschiedene Fachleute eine Binnendifferenzierung des „autistischen Kontinuums“. So sieht zum Beispiel der Kinderpsychologe Christopher Gillberg Autismus und Asperger-Syndrom als verwandte Zustände an und hat sich für die Existenz eines „Autismusspektrums“ ausgesprochen: atypischer Autismus – frühkindlicher Autismus – Asperger- Syndrom. Denn seiner Ansicht nach ist der jeweilige Zustand eines Kindes nicht so sehr von der Ausprägung des Autismus abhängig, sondern eher davon, „wie schwer eine eventuell begleitende geistige Behinderung ist“ (Jørgensen, 1998, 34).

Zudem darf man nicht vergessen, dass die unterschiedlichen Definitionen und Erklärungstheorien aus der Beobachterposition heraus konstruiert worden sind, um zu versuchen das nicht verstehbare Verhalten zu erklären.

Die Bezeichnung eines Betroffenen als Autist oder autistisch führt schnell zu einer Stigmatisierung. Daher sei an dieser Stelle, angelehnt an Hartogh (1998) gemäß einer anthroposophischen Sichtweise des Menschen bemerkt, dass auch Autisten in erster Linie Personen sind. Personen, deren Leben jedoch in einer besonderen Weise geprägt sind. Daher müsste eigentlich die Bezeichnung „Menschen, die als autistisch gestört bezeichnet werden“ verwendet werden.

Was ist dadurch gewonnen?

Zum einen wird nicht mehr die gesamte Person mit dem Etikett „autistisch“ belegt und es wird zum anderen vermieden in einer ontologisierenden Weise von den „Autisten“ zu sprechen. Der Zusatz „die als autistisch gestört bezeichnet werden“ zielt auf ein in ihre Lebenswelt einschneidendes Merkmal der betroffenen Person ab, ohne aber den Blick auf andere Merkmale von vornherein zu verstellen.

Aus Gründen der formalen Verwendung und der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit, bezogen auf ZÖLLER, überwiegend die Formulierung „Menschen mit autistischen Störungen“ verwendet , da durch den Begriff Störung (im Plural verwendet) die möglichen unterschiedlichen Gewichtungen der Schwierigkeiten und Auffälligkeiten der Betroffenen innerhalb der verschiedenen einzelnen Entwicklungsbereiche am ehesten erfasst werden können. (Zöller, 1997, 52)

2.8 Diagnose

In diesem Abschnitt werden die Möglichkeiten zu der Diagnose Autismus und die Relevanz dieser Diagnose beschrieben. Dies ist wichtig, denn „bei keinem autistischen Kind treffen zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Entwicklung sämtliche bekannten Störungsmerkmale auf einmal zusammen.“ (O´Gorman, 176, 128). Eine genaue Beschreibung und Zuordnung der verschiedenen Auffälligkeiten, die ein Kind mit einer Behinderung zeigt, ist die Voraussetzung zu einer individuellen Förderung.

2.8.1 Ziel einer Diagnose

Eine Diagnostik führt zu einem besseren Verständnis der Entstehungshintergründe, der Erscheinungsformen und bildet zusammen mit der pädagogisch-psychologischen Sichtweise die Basis einer angemessenen Förderung. Eine Diagnose sollte daher nicht nur darauf abzielen, eine bestehende Störung zu benennen und einzuordnen, sondern immer die bestmögliche Therapiemethode für den Betroffenen herauszufinden. Allerdings ist die Bedeutung einer Diagnose heutzutage deutlich reduziert, da die Förderkonzepte den jeweiligen individuellen Ausprägungsgrad der Symptome der betroffenen Personen fokussieren (vgl. Dzikowski, 1996, 18).

2.8.2 Diagnostische Möglichkeiten

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie, also sich ausdrücklich der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen verschreibenden Disziplin, nimmt man heute immer mehr Abstand von einseitigen Betrachtungsweisen seelischer Störungen im Kindes- und Jugendalter und zielt vielmehr auf ein „bio-psycho-soziales Erklärungsmodell“ (vgl. Lelord/ Rothenberger, 2000, 27f).

Eingedenk dieses Modells sollte sich eine Diagnose des Autismus immer auf eine vielfältige Informationsauswahl stützen. Hierzu sollten neben verschiedenen Tests und Untersuchungen auch Elterninterviews und gegebenenfalls Berichte von Therapeuten, Betreuern und Ärzten beachtet werden.

In Deutschland gibt es zur Feststellung autistischer Störungen Merkmallisten, in denen sämtliche mögliche Eigenschaften zusammengefasst sind. Generell gilt, dass bei der Anwendung dieser Listen bei einer betreffenden Person immer mehrere Merkmale in jedem Bereich zu finden sein müssen, um diese als „autistisch“ einzustufen. Es gibt „Symptom- und Checklisten mit bis zu 82 Merkmalspunkten, die zur größeren Sicherheit der Diagnose beitragen sollen“ (Klein, 1999, 24) und verschiedene Tests, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden kann. Beispiele dafür finden sich bei B. ROULLET und U. KASTNER- KOLLER (2001).

Im Hinblick auf die Diagnostik von autistischen Störungen ist allerdings zu bedenken, dass sich manche Symptome nur schwer „in beschreibbare Kategorien pressen“ (Dzikowski, 1996, 11) lassen. Zudem kann auch die Erfahrung der jeweiligen Diagnostiker die Diagnosestellung beeinflussen. „Zweifellos besteht somit die Gefahr einer je nach Untersucher/in unterschiedlichen Diagnose“ (Dzikowski, 1996, 11). Autismus als klar zu definierendes, rein medizinisches Phänomen zu betrachten ist von daher äußerst problematisch.

2.8.3 Verschiedene Förder- und Therapiemöglichkeiten

Nach Dzikowski existieren derzeit etwa 50 unterschiedliche Therapieformen, die die speziellen Probleme und Defizite von Menschen mit autistischen Störungen zu berücksichtigen haben. (vgl. Dzikowski, 1996, 14). Die Herangehensweise der verschiedenen Therapien baut – wie auch die verschiedenen Erklärungsversuche der Symptome – auf den unterschiedlichen Erklärungsversuchen über die Ursachen der autistischen Störungen auf.

Idealerweise wird für jede betroffene Person ein Therapieplan entwickelt, der individuell die jeweiligen Defizite und Auffälligkeiten berücksichtigt.

Dzikowski präferiert z. B. einen Therapieplan, der die betroffenen Personen auf lange Sicht begleiten soll:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Schematische Darstellung eines Therapieplans

(nach S. Dzikowski, 1996)

Nach der Diagnosestellung und einer intensiven Beobachtungsphase der jeweils betroffenen Person sollte zunächst zum Abbau der Wahrnehmungsauffälligkeiten und Integrationsstörungen eine Art Basistherapie folgen, die auf einem verhaltenstherapeutischen Ansatz aufbaut. Nachdem sich die Probleme im Bereich der Wahrnehmung weitestgehend normalisiert haben, schlägt Dzikowski zur Verringerung der daraus resultierenden unterschiedlichen „Entwicklungs-, Fertigkeits-, und Kenntnisrückstände“ eine individuelle Aufbautherapie vor. Mit dem zunehmenden Alter der Betroffenen sollte diese therapeutische Förderung in eine Lebensbegleitung übergehen (vgl. Dzikowski, 1996, 19ff).

Nach Kaminski ist die Einbeziehung der Eltern besonders zu betonen, da diese zu Hause als CO-Therapeuten die Therapie fortsetzen sollten (vgl. Kaminski, 2000, 6).

2.9 Zusammenfassung

Autismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung. Autistische Kinder haben Probleme in den Bereichen Wahrnehmung, Kognition, Kommunikation und sozialem Verhalten. Sie weisen stereotype Verhaltensmuster auf und sind oft autoaggressiv. Autismus ist keine einheitliche Krankheitsentität. Autistische Merkmale kommen bei vielen Erkrankungen des Gehirns vor. Klassische Autismussyndrome sind der frühkindliche Autismus nach Kanner und der häufig im Schulalter auftretende Autismus nach Asperger. Die Diagnostik des Autismus beschränkt sich auf den Ausschluss symptomatischer Ursachen, um Begleiterkrankungen und Behinderungen aufzudecken. Medizinische Beschreibungen einer autistischen Störung sind defizitorientiert. Pädagogisch allerdings ist die defizitorientierte Beschreibung eines Kindes mit autistischen Störungen unzureichend, um einen geeigneten Förderplan zu erstellen.

3 Ist die SfGB der geeignete Förderort für Schüler mit autistischen Störungen?

Ist die Schule für Geistigbehinderte (SfGB) der geeignete Förderort für Schüler mit autistischen Störungen? Diese Frage soll in folgendem Kapitel näher betrachtet und erörtert werden.

3.1 Allgemeine Aspekte der Pädagogik im Umgang mit Schülern mit autistischen Störungen

Schon Asperger hat beschrieben, dass „pädagogische Methoden, die auf psychologischen Erklärungen basieren“ (Jørgensen, 1998, 53) bei autistischen Kindern unzweckmäßig sind. Solchen Kindern scheint es unmöglich zu sein, „sich in die Intention des Gesagten hineinzuversetzen.“ (Jørgensen, 1998, 53). Oft reagieren sie (bei vorhandener Sprachkompetenz) nur mit irrelevanten Gegenfragen. Sinnvoller ist es, eindeutige Regeln aufzustellen, die beschreiben, wie Dinge gehandhabt werden sollen. (vgl. Jørgensen, 1998, 53).

Kinder mit autistischen Störungen brauchen Menschen, die ihre individuelle „Art und Weise, Gefühle auszudrücken, verstehen können“ (Beyer/ Gammeltoft, 2002, 15). Voraussetzung dafür ist, sie sehr genau zu kennen. Häufig sind die Eltern diejenigen, die durch ihre enge Beziehung zum Kind die Reaktionen ihrer autistischen Kinder am besten interpretieren können. Um ein Kind mit autistischen Störungen verstehen zu können, sind spezifische Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich. Dabei sind die Kinder individuell zu behandeln, denn jedes Kind mit autistischen Störungen drückt seine Gefühle und Bedürfnisse in unterschiedlicher Weise aus. „Wir haben es also mit einem Kommunikationsproblem zu tun, an dem sowohl das autistische Kind als auch der Erwachsene beteiligt sind.“ (vgl. Beyer/ Gammeltoft, 2002, 15)

3.2 Zur Situation der schulischen Förderung von Personen mit autistischen Störungen

Generell gilt, dass man keine allgemeinen Aussagen über den typischen Förderort für Schüler mit autistischen Störungen treffen kann, da die Entsprechung des sonderpädagogischen Förderbedarfs dieser Schüler an keine bestimmte Schulform gebunden ist. Das Erscheinungsbild dieses Syndroms kann individuell sehr unterschiedlich sein, denn „bei keinem autistischen Kind treffen zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Entwicklung sämtliche bekannten Störungsmerkmale auf ein Mal zusammen. Die verschiedenen Problemschwerpunkte ergeben sich aus den besonderen (schwer vergleichbaren) Ausgangsbedingungen jedes einzelnen Kindes.“ (Janetzke, 1993, 51). Welches der bestmögliche Förderort eines jeden von autistischen Störungen betroffenen Schülers ist, muss individuell ermittelt und auf die unterschiedlichen Schwierigkeiten und Fähigkeiten abgestimmt werden. In Deutschland wird dieses im Verfahren der VO-SF, der Ermittlung des (individuellen) sonderpädagogischen Förderbedarfs, entschieden. Dabei wird durch eine Kind-Umfeld-Analyse die Entwicklung in den elementaren Bereichen Motorik, Sensorik, Kognition, Kommunikation, Interaktion und Emotionalität beurteilt (vgl. BHfdaK, 2003, 7f). Auf die Formalitäten dieses Verfahrens kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

Nach dem Bundesverband „Hilfe für das autistische Kind“ (BHfdaK) ist die schulische Förderung von Schülern mit Störungen als unzureichend zu bezeichnen. Bereits seit 1978 setzt der Verband sich für die Einrichtung von Sonderschulen und Sonderklassen an Regelschulen speziell für autistische Kinder ein (vgl. Bundesverband HfdaK, 1998, 8). Diese Forderungen fanden bislang allerdings bei der ständigen Kultusministerkonferenz nur wenig Resonanz, da die bisherige schulische Förderung autistischer Kinder als ausreichend angesehen werde (vgl. Cordes, 1989, 59).

3.3 Mögliche schulische Förderorte für Schüler mit autistischen Störungen

Im Kontext dieser Arbeit wird auf die verschiedenen möglichen Förderorte für Kinder mit autistischen Störungen hingewiesen, ohne näher auf diese Thematik einzugehen, da diese sehr komplex ist und es im Rahmen dieser Arbeit schwerpunktmäßig um eine exemplarische Förderung von Schülern mit autistischen Störungen an der Schule für Geistigbehinderte geht.

Die unterschiedlichen schulischen Förderorte für Schüler mit autistischen Störungen werden im Folgenden mit ihren Vor- und Nachteilen kurz beschrieben.

Wie bei allen Schülern, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf ermittelt wurde, bestehen auch für Schüler mit autistischen Störungen zwei verschiedene Möglichkeiten der Beschulung: zu einem der Besuch einer Sonderschule und zum anderen in einer Regelschule integrativ unterrichtet zu werden.

Die folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick, über mögliche Sonderschulen, in denen Schüler mit einer autistischen Störung unterrichtet werden können. Die Tabelle wurde exemplarisch nach Befragungen der Direktoren von verschiedenen Sonderschulen im Raum Dortmund durch die Verfasserin erstellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Vergleich verschiedener Schulformen im Hinblick auf die Förderung von Kindern mit autistischen Störungen

3.3.1 Beschulung und Förderung in einer Sonderschule

Der größte Teil der Kinder bei denen autistische Störungen diagnostiziert wurden, werden in Sonderschulen für Geistige, Lern-, Körper-, oder Sprachbehinderung oder in solchen für Gehörlose gefördert. Der wesentliche Vorteil einer Beschulung in einer Sonderschule ist die wesentlich kleinere Klassengröße und die bessere personelle Besetzung zugunsten einer intensiveren Förderung der einzelnen Schüler.

3.3.1.1 Schule für Körperbehinderte

Die Schule für Körperbehinderte hat sich neben der Schule für Geistigbehinderte besonders zur Förderung von Schülern mit autistischen Störungen etabliert. Die Schule für Körperbehinderte bietet in der Betreuung von Schülern mit autistischen Störungen folgende Vorteile:

- Diese Schulform unterrichtet nach den Richtlinien der allgemein bildenden Schulen, der Schulen für Geistigbehinderte und der Schulen für Lernbehinderten. So ist es möglich, die kognitiven Fähigkeiten der Schüler individuell besonders zu fördern.
- Häufig begleitende Beeinträchtigungen in Wahrnehmung, Motorik und Handlungsplanung können besonders gefördert werden.
- Die Lehrkräfte kennen sich besonders gut mit alternativen Kommunikationsmethoden aus.
- Neben dem Unterricht finden verschiedene Therapieangebote statt (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Sprachtherapie).
- Es bestehen kleine Klassen mit zusätzlichem Angebot an speziellen Fördergruppen.
- In der Schule für Körperbehinderte arbeiten mehrere Lehr- und Hilfskräfte in einer Klasse zusammen (Teamteaching).

Nachteilig ist, dass sich die Schule für Körperbehinderte immer mehr zu einer Schule für schwerstbehinderte Menschen entwickelt. Diese Tatsache erschwert die Förderung des Sozialverhaltens von Schülern mit autistischen Störungen.

3.3.1.2 Schule für Gehörlose

In dieser Schulform wird nach den Richtlinien der allgemein bildenden Schulen in zehn Klassen unterrichtet. Nach Gustke (1997, 5f) sind die Lehrpersonen dieser Schulform besonders mit dem Umgang der elektronischen Kommunikationshilfen vertraut, sodass es ihnen möglich ist, den Kommunikationsproblemen von Schülern mit autistischen Störungen gezielt zu begegnen. Allerdings wird in dieser Schulform weitestgehend nach der „klassischen Lehrmethode“ unterrichtet, die nicht der Komplexität der autistischen Störungen gerecht wird (vgl. Gustke, 1997, 6).

3.3.1.3 Schule für Erziehungshilfe und Verhaltensauffällige

In dieser Schulform wird nach den Richtlinien der Grund- und Hauptschule unterrichtet. Ein Vorteil dieser Schule ist, dass die Lehrkräfte besonders für den Umgang mit Verhaltensstörungen geschult sind. Allerdings weist die Schülerschaft dieser Schule im Allgemeinen ein stark gestörtes Sozialverhalten verbunden mit einem besonders hohen Aggressionspotenzial auf. In dieser Gesellschaft können sich die Schüler mit autistischen Störungen und ihren komplexen Einschränkungen in Bewegung, Kognition und Kommunikation nur unzureichend abgrenzen (vgl. Kaminski, 2000, 6). Daher raten sowohl Jacobs (vgl. 1984, 114) als auch Gustke (vgl. 1997, 6f) davon ab, Schüler mit autistischen Störungen in dieser Form zu beschulen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 187 Seiten

Details

Titel
Musikalische Förderung autistischer Kinder an der Schule für Geistigbehinderte
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Musikerziehung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
187
Katalognummer
V50985
ISBN (eBook)
9783638470698
Dateigröße
1380 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit enthält einen ausführlichen Theorieteil über Autismus, Musik und Musikalischer Förderung als Verbindung zwisschen Musikunterricht und Musiktherapie. Im zweiten Teil wird ausführlich die prkische Umsetzung 2er Schüler mit autistischen Störungen beschrieben.
Schlagworte
Musikalische, Förderung, Kinder, Schule, Geistigbehinderte
Arbeit zitieren
Isabelle Lindekamp (Autor:in), 2005, Musikalische Förderung autistischer Kinder an der Schule für Geistigbehinderte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50985

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Titel: Musikalische Förderung autistischer Kinder an der Schule für Geistigbehinderte



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