Die "Spur des Lichts" im Bild. Verliert digitale Fotografie ihre Authentizität?


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Wahrheits-und Authentizitätsbegriff in der Fotografie
2.1 William Henry Fox Talbot: Die Magie des Abdruckes
2.2 Roland Barthes: „Es-ist-so-gewesen“

3. Authentizität in der digitalen Fotografie

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

6. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

"Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue malen „Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten bleibende Spuren zu hinterlassen“ (vgl. Geimer, 2014 S. 15-17).

So sprach Alexander von Humboldt bereits über die ersten Daguerreotypien im 19.Jahrhundert. Die Fotografie wird also nicht durch die Hand des Referenten gestaltet, sondern durch die Spur des natürlichen Lichtes. Die analoge Fotografie stellt einen chemischen Prozess dar, bei dem das Licht, abhängig von Blende und Belichtungszeit unterschiedlich stark direkt auf den Negativ-Film trifft und dort ein Negativ-Bild entstehen lässt. Bei der digitalen Fotografie wird die „Spur des Lichts“ in digitale Informationen umgewandelt, die am Ende ein digitales Bild erzeugen. Somit kann bei der digitalen Fotografie nicht mehr von einer „Spur des Lichts“ gesprochen werden, wie Humboldt es beschrieben hat. Können wir der digitalen Fotografie also nicht mehr trauen? Müssen wir der digitalen Fotografie folglich einen anderen Authentizitätsbegriff zuschreiben als der analogen Fotografie?

Um mich dieser Frage nach dem Authentizitätsbegriff der digitalen Fotografie zu nähern stelle ich im ersten Teil dieser Ausarbeitung zwei unterschiedliche Theorien zur Authentizität der Fotografie vor. Dabei handelt es sich zum einen um die Theorie von Henry Fox Talbot und zum anderen um die Theorie von Roland Barthes. Anschließend stelle ich meine Beispielaufnahmen vor und betrachte sie unter den Gesichtspunkten der Unterschiede zwischen analoger und digitaler Fotografie von William J. Mitchell. Dabei nehme ich Bezug zu den Theorien nach der Authentizität der Fotografie nach Roland Barthes und Henry Fox Talbot.

2. Der Wahrheits-und Authentizitätsbegriff in der Fotografie

Seit dem Beginn der Fotografie, den ich in dieser Ausarbeitung für das Jahr 1835 mit der Fotografie aus dem Arbeitszimmer von Le Gras datiere, gibt es keine einheitliche Theorie über den Wahrheits- und Authentizitätsbegriff in der Fotografie. Es gab zwar viele Theorien der Fotografie, die versuchten ihr Wesen zu ergründen, jedoch waren die Herangehensweisen sehr differenziert. So schließt Kracauer 1975 die phänomenologische Beschreibung zum Kern des Gegenstandes der Fotografie noch völlig aus(Kracauer, 1975), wohingegen Roland Barthes genau dieses in seinem Buch „Die Helle Kammer“ versucht.

In den Zeiten des Piktorialismus versuchten die meisten Theoretiker das Wesen in der Fotografie in Differenz zur Malerei zu ergründen. So gab es eine rege Diskussion über die Kunsthaftigkeit der Fotografie sowie über die Unterschiede von Fotografie und Malerei (Kemp, 2011).

Wird die Fotografie unter semiotischen Gesichtspunkten betrachtet, wird der Unterschied zur Malerei laut Pierce dahingehend deutlich, dass die Malerei ein Ikon1 darstellt, ein Zeichen, das auf das abgebildete Objekt verweist, wohingegen die Fotografie als indexikalisches Zeichen angesehen wird (Vgl. Geimer 2014, S.19). Das abgebildete Objekt in der Fotografie ist mit seinem indexikalischen Zeichen, also seinem räumlichen, zeitlichen oder kausalen Zusammenhang, verbunden. Das Objekt und sein indexikalisches Zeichen „bilden ein organisches Paar“ (Geimer, 2014 S. 21). Bei der Malerei war buchstäblich die Hand am Werk bei der Darstellung eines Objektes auf einer Fläche, wohingegen die Fotografie von selbst geschieht(Geimer, 2014).

Der Fotografie wird dementsprechend folgende Last zugeschrieben: Die Abbildung der Wahrheit ohne Lenkung durch die menschliche Hand. Auf diese Anforderung an die Fotografie aus der Sichtweise von William Henry Fox Talbot und Roland Barthes gehe ich im Folgenden genauer ein.

2.1 William Henry Fox Talbot: Die Magie des Abdruckes

William Henry Fox Talbot hat als einer der zahlreichen Erfinder der Fotografie bereits im 18. Jahrhundert angeführt:

„Wenn man einer Person, die mit dem Verfahren nicht bekannt ist, sagt, daß nichts von all dem von Hand ausgeführt worden ist, muß sie glauben, daß einem der Geist aus Aladins Wunderlampe dienstbar ist. Und tatsächlich könnte man sagen, daß es etwas Derartiges ist. Es ist ein kleines Stück [...] Naturmagie.“ [sic!] (Geimer, 2014 S. 16)

So ist für Talbot die Fotografie ein Verfahren, bei dem Bilder nicht durch menschliche Hand erzeugt werden und deshalb die Fotografie als Magie oder Zauber angesehen werden kann (Vgl. Geimer, 2014 S. 17). Die Fotografie entsteht also nicht durch die Anwesenheit des Referenten, sondern lediglich durch die abgebildeten Objekte, die sich selbst in die fotografische Platte einschreiben.

Sein Buch „The Pencil of Nature“, wessen Titel allein bereits seine Theorie unterstreicht, ist eines der ersten Positionsbestimmungen in der Fotografie. Es beinhaltet 24 Fotografien, die die Eigenart und Funktionen des Mediums der Fotografie zu erklären versuchen. Die Abbildung 1 zeigt eines der im Buch veröffentlichen Fotografien, die nach Talbot „ausschließlich mit optischen und chemischen Mitteln geformt oder gezeichnet [wurden - und dies] [...] ohne Unterstützung durch irgend jemanden, der mit der Zeichenkunst vertraut wäre“ (Geimer 2014, S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Henry Fox Talbot: Artikel of Glass. 1844. Fotografie.

Die Selbstdarstellung der Objekte in der Fotografie als Magie anzusehen wiedersprich Talbot jedoch in „The Pencil of Nature“ und benutzt stattdessen den Begriff des Abdruckes. Laut Talbot zeige eine fotografische Aufnahme den Abdruck des „Schauspieles von Licht und Schatten“ (Geimer, 2014 S. 17), welcher sich auf dem Papier hinterlässt.

Talbot ist in seinen Überlegungen zum Abdruck der Fotografie einer der ersten, aber nicht der letzten Autoren, die das Wesen der Fotografie in der Herstellung selbst und nicht nur in ihrer Ästehtik oder Form sehen. Durch die Herstellung der Fotografie durch die Spur des Lichts wird die Fotografie nach Talbot als authentisch und wahr angesehen.

2.2 Roland Barthes: „Es-ist-so-gewesen“

Roland Barthes versucht in „Die helle Kammer“ das Wesen der Fotografie aus phänomenologischer Sichtweise zu ergründen. In seiner Positionsbestimmung beschreibt Barthes zuerst, dass er Fotografien unterschiedlich betrachtet. Viele Fotografien wecken große Interesse bei ihm, andere Fotografien gar keines. Er formuliert aus diesem Phänomen zwei Begriffe: Das „ studium “ und das „ punctum “ (Barthes, 1989 S. 36).

Das studium beschreibt Barthes mit dem allgemeinen Interesse an einem Foto ohne jedoch einen persönlichen Bezug zu dem Foto zu haben. Das punctum stellt diese persönliche Betroffenheit gegenüber der Fotografie dar. Eine Fotografie trifft den Betrachter wie ein Stich und löst dadurch Gefühle und Erinnerungen aus (vgl. Barthes 1989, S. 36). Das studium und das punktum können jedoch nicht konkretisiert werden, sie koexistieren und beeinflussen sich gegenseitig. Diese Wechselwirkung ist für Barthes zwar Bedeutsam für das Wesen der Fotografie, das Wesen selbst beruht jedoch auf einem anderen Phänomen.

Im Gegensatz zur Auffassung Talbots schreibt Barthes dem Referenten dahingehend eine entscheidende Rolle zu, welche besagt, dass eine Fotografie nie von ihrem Referenten gelöst gesehen werden kann: „[...] die PHOTOGRAPHIE habe ihren Referenten immer im Gefolge [...] sie sind aneinandergebunden, Glied an Glied, [...]“ (Barthes, 1989 S. 13). So zeigt eine Fotografie immer auch einen Teil des Referenten, der in dem Augenblick der Fotografie anwesend war und so das Foto entscheidend beeinflusst.

Da für den Betrachter der Hintergrund der entstandenen Fotografie nicht eindeutig ist, sondern nur für den Referenten, kann die Fotografie nicht aus semiotischer Sichtweise gedeutet werden. Unabhängig davon, was der Betrachter sieht – „es ist nicht das Photo, das man sieht.“ (Barthes 1989, S. 14). Grund dafür ist das „Haftenbleiben“ des Referenten wodurch der Betrachter in dem Foto lediglich den gesuchten Gegenstand des Referenten sieht.

Der signifikante Unterschied zur Malerei liegt für Barthes in der notwendigen Realität des abzubildenden Objektes bei der Fotografie. So kann ein Gemälde jede mögliche Landschaft zeigen, ohne dass sie zwangsläufig existieren muss. Eine Fotografie hingegen zeigt immer eine Szenerie, ein Objekt oder ähnliches, welche real ist. „[Die] PHOTOGRAPHIE [kann] nicht leugnen, daß die Sache dagewesen ist.“ [sic!] (Barthes, 1989 S. 86). Für Barthes gilt diese Aussage lediglich für das Medium der Fotografie, woraus er schlussfolgert, dass eben dies das Wesen der Fotografie ist. Der Fotografie wird also eine klare Authentizität zugesprochen, denn alles was sie abbildet zeigt: „ Es-ist-so-gewesen “(Barthes, 1989 S. 87).

[...]


1 Für Pierce steht das Ikon für ein Zeichen, dass die „Ideen der von ihm dargestellten Dinge einfach dadurch vermitteln, daß sie sie nachahmen“ [sic!] (Geimer, 2014. S. 19)

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die "Spur des Lichts" im Bild. Verliert digitale Fotografie ihre Authentizität?
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V509797
ISBN (eBook)
9783346086006
Sprache
Deutsch
Schlagworte
spur, lichts, bild, verliert, fotografie, authentizität
Arbeit zitieren
Monique Lohmann (Autor:in), 2016, Die "Spur des Lichts" im Bild. Verliert digitale Fotografie ihre Authentizität?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509797

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