Die Revolution von 1848/49 als Nationalrevolution. Die Märzrevolution und die Nationalbewegung


Hausarbeit, 2014

16 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Der Nationalismus – von den Befreiungskriegen bis zum Vorabend der Revolution

II. Die Revolution und Nationalversammlung

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Das 19. Jahrhundert ist für den deutschen Nationalismus von besonderer Bedeutung, da sich hier die grundlegenden Ideen und Ideologien ausbreiten, welche dann erst in der Revolution 1848/49 und schließlich in der Reichsgründung von 1871 münden. Dass die Märzrevolution der vorläufige Höhepunkt der Nationalbewegung ist, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Dabei sind die Vorgeschichte des Vormärzes und schließlich die Debatten in der verfassungsgebenden Paulskirchenversammlung ausschlaggebend. Als Untersuchungsgegenstand soll das damalige Verständnis, beziehungsweise auch dessen Wandel dienen. Es ist nicht zufällig, dass es gerade in dieser Zeit und zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders viele Historiker und Theoretiker gibt, die ihre Diskussionsbeiträge zur Definition des Nationsbegriffes leisten. Die Nation wurde nicht wie in Frankreich oder England, also als „westeuropäischen Typ“ (nach Schieder) durch eine innerstaatliche Revolution gebildet, sondern musste erst wiederentdeckt werden und neu zusammenwachsen.1 Der Versuch, die Reformen und Einheitsforderungen mithilfe einer Nationalversammlung durchsetzen zu können, scheiterte und wurde erst 22 Jahre später in einer Reicheinigung von oben erreicht.

Der zeitliche Rahmen dieser Hausarbeit wird die Epoche von den antinapoleonischen Befreiungskriegen bis zum Scheitern der Revolution 1849 umfassen und dabei besonders auf drei Debatten der Nationalversammlung eingehen. Wichtig sind dabei vor allem zeitgenössische Meinungen und die Diskussionen in der Paulskirche, bei welchen der Hauptschwerpunkt auf die Fragen um die nationalen Grenzen (Schleswig und Posen) und den Dualismus der großdeutschen gegen die kleindeutsche Lösung gerichtet ist. Dabei wird es meine These sein, dass die Revolution von 1848/49 einen klaren nationalistischen Charakter und dieser sich vom Vormärz bis in die Paulskirche verwandelt hatte. Dabei beziehe ich mich vor allem auf die von Schulze aufgestellte Vermutung:

Die Märzrevolution von 1848, ungeachtet ihrer sozialen und liberalen Antriebe, war in der Hauptsache eine Nationalrevolution. “.2

Darüber hinaus dehne ich dies auf den weiteren Verlauf der Revolution aus und nutzte stützend die Thesen Wollsteins, Meineckes und anderer Historiker und Autoren, sowie einzelne Nationsdefinitionen.

I. Der Nationalismus – von den Befreiungskriegen bis zum Vorabend der Revolution

Die Märzrevolution von 1848 soll in dieser Hausarbeit in seinem Charakter einer Nationalrevolution dargestellt werden. Dabei ist die Einordnung in den Rahmen des großen Wandlungsprozesses des Jahrhunderts ratsam, sodass man die Entstehung des deutschen Nationalismus nachvollziehen kann. Es gab eine Vielzahl an Ideologien und konkurrierenden Parteien des 19. Jahrhunderts, welche jedoch alle ein gemeinsames Ziel vertraten: die Idee der nationalstaatlichen Einheit. Ein wichtiger Abschnitt, für die Entwicklung dieses deutschen Nationalbewusstseins, war bereits zur Zeit der antinapoleonischen Befreiungskriege, die beiden Hauptursachen dafür fanden sich im staatlichen Partikularismus und der Fremdherrschaft. Die erlebten Erfahrungen einer geeinten Nation im gemeinsamen Kampf gegen Napoleon, in welchem zahlreiche Studenten und einfache Bürger den Freiwilligenkorps beitraten, ließen sich mit Beendigung dieses Krieges nicht sofort aus den Köpfen der Bevölkerung verbannen.3 Mit der Auflösung des Ancien Régime wurde auch das Deutsche Reich in autonome Territorialstaaten geteilt, welches dem Bewusstsein der Bevölkerung, vor allem aber dem Bildungsbürgertum widersprach. Erschwerend kamen die unzähligen Zollschranken und die Masse an unterschiedlichen Maß- und Münzsystemen hinzu. In Grundzügen entfaltete sich der Nationalismus bereits in den 1770/80er Jahren als Debatten über die deutsche Literatur, das Theater und die Pflege der deutschen Sprache. Allmählich nahmen diese immer mehr Konturen einer Bewegung an, die jedoch bisher nur von den Eliten und Intelektuellen getragen wurde.4 Dieser neuen gesellschaftlichen Schicht gehörten seit Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem Staatsbeamte, Gymnasial- und Hochschullehrer, Ärzte, Schriftsteller und andere gehobene freie Berufe an.5 So kritisierten Goethe und Schiller in ihrer Xenien Sammlung „ Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden. Wo das Gelehrte beginnt, hört das Politische auf “.6 Begleitend dazu verlief die Entwicklung einer deutschen Nationalkultur, Dialekte und Mundarten wuchsen zur Sprache der deutschen Hochkultur zusammen, es entstand eine Blüte an Zeitungen, Zeitschriften und des Verlagswesen. Bis 1830 stieg die Alphabetisierung der Gesellschaft voran, konnten 1770 etwa 15% lesen, waren es sechzig Jahre später bereits 40%. Auch die Entstehung des Nationaltheaters ist für diese Zeit des aufkeimenden Nationalismus charakteristisch, indem sich die Bildungsschicht ein reflektiertes Bewusstsein über die eigene Identität, Sprache und Kultur bildet. Die junge Nationalbewegung hatte nach Wehler bereits die klassischen Topoi vom „auserwählten Volk“, „heiligem Vaterland“, „historischer Mission“ und Todfeinden. Trotz des Voranschreitens dieser Entwicklung über die Territorialgrenzen hinaus, wagten wenige den Schritt zur deutschen Einheit. Vielmehr konnte man neben „teutsch“ auch preußisch oder bayrisch bleiben. Der unitarisch-zentralistische Einheitsstaat wurde weitestgehend als unangemessen angesehen und der jeweilige Territorialstaat nicht in Frage gestellt. Der frühe Nationalismus beschränkte sich auf den von Friedrich Meinecke nachträglich geprägten Begriff der Kulturnation7, da sich die Bevölkerung der eigenen Identität anhand von ethnischen und sprachlichen Aspekten bewusst wurde. Das Gegenteil dazu bildete die Staatsnation, welche sich in Frankreich auch ohne solche bewussten kulturellen Verbindungen entfaltet hatte. Die Deutschen verstanden sich, wie Schiller und Schlegel es nannten als „Griechen der Neuzeit“. Daraus lässt sich sehen, dass die deutsche Identität zu diesem Zeitpunkt nur sprachlich-kultureller Natur war, die zunehmende Verdichtung der Kommunikation brachte allerdings fortschreitenden Wandel mit sich. Zusammenfassend zeichnet sich die junge deutsche Nationalbewegung seit der napoleonischen Ära durch ein verändertes Nationsbild aus. Das Volk und seine Sprache galten nun als letzte legitimierende Begründung. Die Tradition ethnischer deutscher Herrschaftsverbände wurde als nationale Vergangenheit und somit zum eigenen Zweck verwendet, zum Beispiel unter heroischen Leitfiguren wie Karl den Großen, Martin Luther oder Friedrich den Großen.8 Das neue Weltbild des Nationalismus nahm, so sehen das viele bedeutende Historiker, den Platz einer Säkularreligion ein und galt als Vision für die Wiederherstellung der Nation und ihres Reiches. Bisher stand diese Idee nur in wenigen Kreisen und Eliten, darunter auch in den Burschenschaften, die sich nach dem Vorbild der Jenaer Urburschenschaft von 1815 bildeten. Sie repräsentierten die auf geistige und sittliche Reform des akademischen Lebens gerichtete Strömung in Verbindung mit neuen liberalen und nationalen Ideen.9 Die Nationalbewegung weitet sich damit auf breitere Massen des Volkes aus, so auch durch Jahns Turnverein und die Gesangsvereine, mit überwiegend gesamtdeutscher Orientierung, welche sich über die Territorialgrenzen hinweg ausdehnt. Damit erreicht der Nationalismus seinen vorläufigen Höhepunkt auf dem Wartburg Fest, ehe die junge Bewegung durch die Karlsbader Beschlüsse gedämmt wird. In dieser sogenannten Biedermeier Zeit richtet sich das Bürgertum wieder verstärkt ins Private, statt nach politischen und nationalen Bestrebungen. In diesen Jahren machte man die Erfahrung, dass die Reformanliegen und Partizipationsforderungen nicht in Zusammenarbeit mit den Regierungen gelöst werden konnten. Vielmehr betrieben diese fortgehend eine antinationale Politik im Sinne der Restauration, um ihre Autonomie gegen die gesamtdeutsche Idee nicht zu gefährden.10 Dennoch lassen sich nach Schulze Tendenzen aufzeigen, welche den kommenden Umschwung erahnen ließen.11 Die Öffentlichkeit weitete sich und die Zahl derer, die sich an der Diskussion über Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Geschichte beteiligten erhöhte sich. Auch durch die sogenannte Leserevolution, benannt durch Rolf Engelsing, trug dazu bei, denn durch sie verbreiteten sich die Parolen, Meinungen und Programme vielfacher und schneller. 1830 löste sich eine weitere Revolutionswelle aus Frankreich kommend über das gesamte Europa und veränderte die Stimmung was auch in der deutschen Nationalbewegung einen Umschwung auslöste. Sie intensivierte sich von einer Elitenideologie zu einer Massenbewegung mit den Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts der Völker und Nationen, Freiheit im liberalen, sowie Einheit im nationalen Sinn.12 Das zeigte sich auf dem Hambacher Fest 1832, in welchem die Burschenschaften sich wieder als wirksamste Propagandisten der Nationalbewegung aufzeigen. Bereits in der Bezeichnung als „Allerdeutschenfest“ kommt der einheitsstaatlich-nationalistische Charakter zum Ausdruck, der zusätzlich einen radikal-demokratischen Grundton beinhaltete. Im Zusammenhang damit untersuchte Behrndt die Lexika und Enzyklopädien der 20er und 30er Jahre und stellte fest, dass sich bereits dort Bemühungen um eine Einheit und liberale Propaganda finden lässt. Tendenziell stellten die Befreiungskriege eine Zäsur dar, sodass die Begriffe Nation und Volk seitdem in jeder Enzyklopädie aufgelistet wurden. Dabei kann grundsätzlich eine leichte Kritik an oder Unzufriedenheitsäußerung über den Partikularismus des Deutschen Bundes herausgelesen werden, die oft auch in einer Forderung nach mehr Einigkeit der Territorialstaaten mündet. Des Weiteren führen einige Lexika bereits Definitionskriterien wie Sprache und Tradition zur Unterscheidung der Nationen an.13 Es kam zu einer zunehmenden Orientierung an ausländischen Bewegungen, neben der demokratischen Führung, schlossen sich auch immer mehr mittelbürgerliche und kleinbäuerliche Schichten an. Der Nationalismus wandelt sich in dieser Zeit und es treten verstärkt politische und sozialkritische Aspekte in den Vordergrund. Hoffte man mit dem Regierungswechsel in Preußen auf einen neuen und reformwilligen König, so wurde man kurz darauf enttäuscht und die Situation spitzt sich zu und findet ihren vorläufigen Höhepunkt in der Rheinkrise. Diese beurteilen viele Historiker als den Auslöser für die gesamtdeutsche nationalistische Aufwallung, die in den folgenden zwei Jahren endgültig ihren Durchbruch in der breiten Bevölkerung finden sollte.14 Die Erregung über die französischen Ambitionen zur Wiederherstellung der Rhein-Grenze erreicht bereits große Volksmassen, was wir heute nach an Dichtung wie dem Deutschlandlied Hoffmann von Fallerslebens sehen können.15 Entscheidend ist, dass sich während dieser Zeit die zwei Hauptströmungen des Nationalismus herausbildeten, die sich auch in den Debatten der Paulskirchenversammlung wiederfinden, die nationaldemokratische und die nationalantagonistische Konzeption, bei welcher kämpferisches Behaupten der eigenen Machtinteressen im Vordergrund steht.16

II. Die Revolution und Nationalversammlung

Durch das stetige Fortschreiten der Nationalbewegung im Zusammenspiel mit den Missständen und den aufständischen Nachbarländern war eine Revolution kaum mehr aufzuhalten. Das bisherige Verständnis der Kulturnation, mit seinem gemeinsam erlebten Kulturbesitz, wurde ergänzt durch den starken politischen Wunsch nach einem gemeinsamen Staat.17 Bereits am Vorabend der Revolution 1847 fanden sich zwei oppositionelle Reformprogramme mit national orientierten Schwerpunkten und auch in der anfänglichen Protestwelle konnten die Liberalen einige Erfolge verzeichnen. Hauptsächlich sollte es nun darum gehen, die Grenzen des zu schaffenden Deutschen Reiches und eine Konstituante zu finden. Die Ideen der jungen Nationalisten waren bisher nicht vollkommen ausgereift, die Fragen nach der österreichischen Teilhabe am Nationalstaat und auch die nach dem Territorium des zu errichtenden Staates waren bisher beiseitegeschoben worden.18 Es gab einige Gebiete bei denen das historische Territorium nicht deckungsgleich mit der sprachlichen und ethnischen Nationalität verlief. Die Nationalität war nicht ohne Spannungen mit Nachbarstaaten und die Gefährdung des europäischen Gleichgewichtes realisierbar und auch das vielgepredigte Selbstbestimmungsrecht der Völker ließ sich nicht für alle Nationen gleichermaßen erfüllen. Diese Problematik sollte auch einen großen Diskussionsanstoß in der verfassunggebenden Nationalversammlung in Frankfurt geben und wird im Folgenden in den vier großen Debatten auf ihre Definition des Nationalismus untersucht. Durch die Vermischung der Einwohner in den Grenzzonen sind vor allem Dänemark und Polen beziehungsweise die Konflikte um Schleswig und Posen zu betrachten. In Bezug auf die Diskussion gab es grundsätzlich zwei Lösungsprinzipien: das Prinzip der Staatsnation, also historisch und politisch legitimiert und die nationale Selbstbestimmung.19 Im Verlaufe der Nationalversammlung sollten sich diese beiden oppositionell und voll ausgebildet gegenüberstehen. Als Ziel, so führte es Heinrich von Gagern, der als provisorischer Präsident der Nationalversammlung agierte, am 19. Mai 1848 aus, stand:

„Deutschland will Eins sein, ein Reich, regiert vom Willen des Volkes, unter der Mitwirkung aller seiner Gliederungen; diese Mitwirkung auch den Staatenregierungen zu erwirken, liegt mit in dem Beruf dieser Versammlung.“.20

II.I Schleswig-Holstein- Frage

Aufgrund der gesamteuropäischen Ausbreitung der Nationalbewegungen mussten gerade dort, wo sich die Sprach- und Staatsnation nicht deckten, Spannungen entstehen. Dies steigerte auch die Rivalität der dänischen und deutschen Nationalbewegung im Bereich der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Die Forderung der eiderdänischen Märzbewegung und ethnischen Minderheit des königlichen Lehens waren administrative Vereinheitlichung, Parlamentarisierung und Homogenisierung ins Königreich.21 Mit dem Thronwechsel 1839 spitzte sich die Situation weiter zu und im Verlauf der Revolution bildetet sich eine eigenständige Regierung in Kiel, die sich auf den Rippener Vertrag von 1460 berief, welcher die Unteilbarkeit der Herzogtümer festlegt hatte. Damit sollte die Zugehörigkeit zur deutschen Nation historisch begründet werden, statt dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Folge zu leisten. Andere Begründungen waren sprachnational und strategischer Art und Weise.22 Die deutsche Nationalbewegung wurde durch diesen Konflikt, welcher sich im Vormärz nicht lösen konnte, nach außen gelenkt und intensiviert. Mit der Einladung Schleswigs zur Frankfurter Nationalversammlung ging man auf deutscher Seite einen großen Schritt in Richtung Eingliederung und entschloss bereits im Juni die Aufnahme Schleswigs ins zukünftige Reichsterritorium. Dabei ging man nach Wollstein davon aus, dass ein Krieg vermeidbar wäre und die Manifestation der Einheit, durch die Nationalversammlung, ausreichen würde um die anderen Nationen zu überzeugen. Da jedoch die gegensätzlichen Bewegungen keine Einigung erzielen konnten und die Paulskirchenversammlung keine militärischen Mittel vorzuweisen hatte, wandte man sich an Preußens Truppe. Unter dem Druck der europäischen Großmächte beugte sich Preußen und unterschrieb, ohne vorherige Beratung mit der Versammlung, den Waffenstillstand. Die Nationalversammlung stand damit vor ihrem größten Problem, sie konnten sich nicht gegen Preußen und die Interessen auswärtiger Mächte behaupten, was einen starken Prestigeverlust bedeutete. Des Weiteren war, durch diese Diskussion, eine Verschärfung der Positionen und eine Kluft zwischen den einzelnen Lagern der Abgeordneten entstanden. Es zeigt sich vor allem in der Position Dahlmanns, dass der Waffenstillstand eine aufgezwungene Kapitulation darstellte und Deutschland sich mithilfe eines großen Völkerkrieges behaupten müsse.23 Der Nationalismus spaltete sich hier weit von den ehemaligen liberalen Zielen der Freiheit und nahm zeitweilen chauvinistische und aggressive Züge an. Noch stärker zeigt sich diese Veränderung in der folgenden Debatte um die Provinz Posen.

II.II Posen-Konflikt

Von der in den 1830er Jahren vorherrschenden Polenbegeisterung und -freundschaft war mittlerweile nicht mehr viel zu spüren, hatte das Vorparlament noch die Erklärung abgegeben, dass die Polen bei ihrer Nationsbildung unterstützt wurden, änderte sich die öffentliche Stimmung schnell. Preußen hatte sich gegen die „Vorkämpfer und Märtyrer für nationale und liberale Freiheit“24 gestellt und die Assimilation der polnischen Bevölkerung in Posen vorangetrieben. Auch wenn die deutsche Nationalbewegung vorerst ihre propolnische Haltung des Völkerfrühlings beibehielt, entwickelte sich in den kommenden Revolutionsjahren ein großes Konfliktpotenzial. Dieses zeigt sich vollends in der Debatte um die Eingliederung Posens, das zwar zu Preußen, nicht aber zum Deutschen Bund gehörte, bei welcher vor allem die Rede Wilhelm Jordans ein Beweis für den aggressiven deutschen Nationalismus ist. Außerdem findet man hier die bereits vorher erwähnten zwei ideologischen Anschauungen: nationalantagonistisch und –demokratisch vor, die anhand der beiden Reden exemplarisch erläutert werden sollen. Erstere zeigt sich durch Wilhelm Jordan, indem er sich auf die deutsche und polnische Geschichte beruft, die dadurch (mutmaßlich) begründeten Rechte und die Selbstbehauptung der deutschen über ausländische Interessen. Jordan begründet historisch, dass der nördliche Teil, sowie die Westkreise schon immer ganz oder vorwiegend deutsch waren und auch in den anderen Gebieten Posens sich mittlerweile das „Deutschtum“ ausgebreitet habe.25 Ebenso sei die Demarkation keine Teilung Polens, sondern man könnte anhand der Linie nur feststellen, wie weit sich Deutschland, sowie seine Sprache und Tradition, bereits nach Osten erstrecken würde.26 Beschlossen werden soll in der Nationalversammlung ob die eigenmächtige Teilung Posens durch Preußen erhalten bleiben soll, oder ob man, wie versprochen, Polen zu der Reorganisation eines eigenen Nationalstaates verhelfen soll. Polens Nationalbewegung stand in den Anfängen und versuchte ihren Staat mit Posen als Kernland neu aufzubauen, wogegen allerdings die, ein Drittel betragende, deutschsprachige Minderheit rebellierte. Der Interessensgegensatz wurde zugunsten der Deutschen entschieden und die Teilung Posens als einziger Ausweg angesehen. Das Argument, welches Jordan versuchte zu wiederlegen, war Polen aus eigener Sicherheit wiederherzustellen. Es könne so als Schutz gegen Russland dienen. Jordan zieht diese These allerdings ins Lächerliche, indem er aufzeigt und behauptet, dass Polen sich nach jahrhundertelanger Feindschaft nicht als zuverlässige Mauer erweisen würde, sondern sich im Ernstfall sogar mit Russland und somit gegen Deutschland verbünden würde.27 Deutschland sei für ihn stark genug und könne sich aufgrund seiner „naturhistorischen Übermacht gegen die slawischen Stämme“ behaupten.28 Sein Schlusswort, nach der bisher längsten Rede der Nationalversammlung, fasste seinen Entschluss auf wenige Worte zusammen: „ Freiheit für Alle, aber des Vaterlandes Kraft und Wohlfahrt über Alles! “.29 Das Plenum reagierte, wie in den Sitzungsprotokollen vermerkt, mit stürmischem Beifall.

[...]


1 Hroch, Miroslav: Das Europa der Nationen. Die moderne Nationsbildung im europäischen Vergleich. 2005, S. 41.

2 Schulze, Hagen: Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung. 2. Auflage,1986, S.86.

3 Spohr, Stephan: Das deutsche Denkmal und der Nationalgedanke im 19. Jahrhundert. In: studies in european culture. Band 7, Hrsg: Ludwig Tavernier, 2011, S.21.

4 Wehler, Hans-Ulrich: Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen. 4.Auflage,2011, S. 64.

5 Schulze, S. 60.

6 Hermann, Simon: Geschichte der deutschen Nation. Wesen und Wandel des Eigenverständnisses der Deutschen, 1968, S. 326.

7 Weidinger, Dorothea (Hrsg.): Nation- Nationalismus- Nationale Identität. 2002, S.15f.

8 Wehler, S.70.

9 Brandt, Peter: Das studentische Wartburgfest vom 18./19. Oktober 1817. In: Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg. Hrsg: Dieter Düding u.a., 1988, S. 89.

10 Dann, Otto: Vereinsbildung und Nationsbildung- Sieben Beiträge. Hrsg: Albert Eßer, 2003, S. 132f.

11 Schulze, S. 75.

12 Ebd., S. 77

13 Behrndt, Karsten: Die Nationskonzeptionen in deutschen und britischen Enzyklopädien und Lexika im 18. und 19. Jahrhundert. 2003, S. 158ff.

14 Dann, S. 136.

15 Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. 1993, S.311.

16 Dann, S. 137f, Vgl. auch Siemann, Wolfram: Die Deutsche Revolution von 1848/49. Moderne Geschichte Bd.5, 1997, S.146f.

17 Nipperdey, S.307.

18 Nipperdey, S 310.

19 Dann, S. 139.

20 Schenk, Hans: Die deutsche Nationalversammlung. 2002, S.1., In: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/dienstorte/rastatt/schenk_katalogbeitrag.pdf , Stand: 15.März 2014

21 Fahrmeir, Andreas: Europa zwischen Restauration, Reform und Revolution 1815-1850. 2012, S. 96.

22 Wollstein, Günter: Ein deutsches Jahrhundert 1848-1945. Hoffnung und Hybris. Aufsätze und Vorträge. 2012, S. 59f.

23 Wollstein, Jahrhundert, S. 61.

24 Nipperdey, S.310f.

25 Wende, Peter (Hrsg.): Politische Reden I .1792-1867. 1990, S. 322.

26 Ebd., Jordan, S. 323.

27 Ebd., S.324ff.

28 Ebd, S. 333.

29 Wende, S. 350.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Revolution von 1848/49 als Nationalrevolution. Die Märzrevolution und die Nationalbewegung
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Nation und Nationalismus in der deutschen Geschichte
Note
1,7
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V509603
ISBN (eBook)
9783346077691
ISBN (Buch)
9783346077707
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nation, Nationalismus, 48er, 1948/49, Revolution, Märzrevolution, Paulskirche, Paulskirchenversammlung, Paulskirchenverfassung, Nationalrevolution, Deutsche Revolution, 19. Jahrhundert
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Die Revolution von 1848/49 als Nationalrevolution. Die Märzrevolution und die Nationalbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509603

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