Mensch-Braunbär-Beziehungen in Rumänien vor dem Hintergrund der Akteurs-Netzwerk-Theorie

Handlungsempfehlungen zur Harmonisierung der europäischen Wildtierpolitik


Hausarbeit, 2017

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Mensch-Braunbär-Konflikte in Rumänien

2. Die Akteurs-Netzwerk-Theorie

3. Mensch-Braunbär Beziehung in Rumänien
3.1 Geschichtliche Aspekte
3.2 Rechtlicher Status des Braunbären
3.3 Die wichtigsten menschlichen Akteure
3.3.1 Bauern und Schäfer
3.3.2 Jäger und Jagdverbände
3.3.3 Tierschutzaktivisten und NGOs
3.3.4 Politische Akteure
3.3.5 Die Zivilgesellschaft
3.4 Die Perzeption des Bären
3.4.1 Der Bär als mythisches Symboltier im rumänischen Volksglauben
3.4.2 Der Bär als Wildtier
3.4.3 Der Bär als touristische Attraktion

4. Erklärung der Populationsentwicklung durch den Einfluss der beteiligten Akteure

5. Angleichung europäischer Wildtierpolitiken als Handlungsempfehlung

6. Literaturverzeichnis

1. Men sch-Braunbär-Konfli kte in Rumänien

Am 16. Oktober 2014 wurde der rumänische Bauer Lörincz Oprea auf seinem Feld in Petri- ceni in der Provinz Transsylvanien von einem Bären angegriffen. Während er dabei war, seinen kaputten Elektrozaun zu reparieren, vernahm er ein Brüllen. Als er sich daraufhin umdrehte, sprang ein Bär auf ihn zu und biss ihm ins Bein. Solche Vorfälle ereignen sich auf diese oder ähnliche Weise immer wieder in dem südosteuropäischen Land (vgl. OZSVÁTH 2014). Lörincz Oprea überlebte diesen Angriff aufgrund seiner Gegenwehr - es kommt aller- dings auch zu Bärenangriffen die tödlich enden. So tötete ein tollwütiger Bär, der in der zent- ralrumänischen Stadt Braşov auf Nahrungssuche war, zwei Personen und verletzte acht wei- tere Personen schwer (vgl. MAPDR & MMGA: 63). Angriffe von Bären auf Menschen gesche- hen allerdings nur unter bestimmten Umständen: Wenn Schäfer ihre Herden verteidigen wol- len, Muttertiere ihre Jungen beschützen, ein Bär verwundet ist, oder wenn sie von Menschen überrascht werden (vgl. ebd.: 63). Der aktuelle Diskurs über den Braunbären in Rumänien wird durch diese Angriffe, sowie die Angriffe von Bären auf Nutztiere geprägt, wie auch der Bericht von DALE-HARRIS (2016) über das neue Gesetz des absoluten Jagdverbots auf Bären in Rumänien zeigt. Dort wird beschrieben wie verschiedene Akteure auf den Erlass dieses Gesetzes reagiert haben1.

In der Arbeit soll vor dem Hintergrund dieser Angriffe und der aktuellen Gesetzesentschei- dung untersucht werden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Bären und somit auch dessen Populationsentwicklung in Rumänien haben. Hierbei sollen der aktu- elle Diskurs über den Bären, dessen rechtlicher Status, seine Perzeption durch die rumänische Gesellschaft, sowie die wichtigsten handelnden Akteure untersucht werden. Als theoretischer Rahmen wird die Akteurs-Netzwerk-Theorie gewählt, die die Arbeit im zweiten Kapitel er- läutert. Der Grund für diese Wahl war, dass der Diskurs um den Braunbären in Rumänien von vielen unterschiedlichen Akteuren und Akteurs-Netzwerken mit konträren Interessen geführt wird, wie die Arbeit im Folgenden zeigen soll.

1 Die Gefährdung von Menschen und Nutztieren durch Bärenangriffe wurde als Legitimation für den Abschuss dieser Tiere verwendet. Die verschiedenen Argumentationsweisen der Akteure sind oft emotionsgeladen. Be- sonders Bauern und Schäfer sehen sich ob der neuen Gesetzesentscheidung hintergangen, da sie sich mit der Gefahr alleingelassen fühlen und für sie die Jagd das wichtigste Mittel zum Selbstschutz war (vgl. DALE-HARRIS 2016).

Relevant ist dieses Thema besonders deshalb, weil sich die Problematik auf viele aktuelle Mensch-Wildtier-Konflikte übertragen lässt. So ähnelt die in Rumänien geführte Diskussion sehr stark der, die um die Wiederansiedelung des Wolfes in Deutschland geführt wird. Seit sich immer mehr Tiere in Ostdeutschland, aber auch vereinzelt in Bayern niederlassen, neh- men bei uns die Diskussionen um dieses Tier immer weiter zu (vgl. SEBALD 2017). Die Ar- beit soll also neben der Beantwortung der Fragestellung, auch die Vergleichbarkeit von Mensch-Wildtier-Konflikten in unterschiedlichen Regionen aufzeigen und daraus Hand- lungsempfehlungen ableiten.

2. Die Akteurs-N etzw er k -Theorie

Bei der Akteurs-Netzwerk-Theorie handelt es sich um eine in den 1980er Jahren entwickelte Wissenschaftstheorie. Konzipiert wurde sie von Pariser Wirtschaftssoziologen, hauptsäch- lich zu nennen sind hier Michel CALLON (1986) und Bruno LATOUR (1987) (vgl. JÖNS 2003a: 101). Seit Mitte der 1990er Jahre finden sich akteurs-netzwerk-theoretische Ideen zuneh- mend in verschiedenen geographischen Forschungsfeldern. Wegen der Rezeption der Ak- teurs-Netzwerk-Theorie hat sich das Verständnis von Mensch, Kultur und Natur in der Geo- graphie verändert. Dies wird durch die Diskussionen um dieses Verständnis von Noel CAS- TREE (1995), Sarah WHATMORE (1999) und Wolfgang ZIERHOFER (1999) deutlich (vgl. JÖNS 2003b: 109).

Die wichtigste theoretische Neuerung der Akteurs-Netzwerk-Theorie, die starke Auswirkun- gen auf den zeitgenössischen Wissenschaftsdiskurs hat, ist die Annahme, dass sogenannte Nicht-Menschen („nonhumans“) als Akteure verstanden werden sollen. Diese Nicht-Men- schen decken ein sehr breites Feld ab. So können Nicht-Menschen beispielsweise Transport- mittel, naturräumliche Gegebenheiten oder auch Tiere sein (vgl. SAYES 2014: 135f). Die Tiere (in dieser Seminararbeit der rumänische Braunbär) als Akteur im Zusammenspiel mit ande- ren (menschlichen) Akteuren und die Wechselwirkungen dieses Zusammenspiels soll der zentrale Forschungsgegenstand dieser Arbeit sein.

Kernaussage der Theorie ist, dass sich die Gesellschaft aus Netzwerken zusammensetzt. Die Netzwerkbildungsprozesse, die zu diesen Netzwerken führen, beziehen allerdings auch die oben beschriebenen Nicht-Menschen mit ein. Die Dichotomie zwischen handelndem Subjekt und dem passiven Objekt wird also aufgelöst (vgl. JÖNS 2003a: 105f). Die Akteurs-Netz- werk-Theorie richtet ihre Aufmerksamkeit auf die zuvor kaum beachtete Bedeutung dieser Nicht-Menschen für die Festigung sozialer Beziehungen (vgl. JÖNS 2003b: 110). Im Rahmen dieses Forschungsthemas sind die rumänischen Braunbären der wichtigste nicht-menschliche Akteure. Handelnde Gruppen, wie z.B. Jäger oder Bauern setzen sich aus individuellen Akt- euren zu einem Netzwerk zusammen, das spezifische Interessen vertritt und somit selbst zum Akteur wird. Um die eigenen Ziele zu vertreten und sich folglich auch durchzusetzen, soll die Beziehung zwischen den einzelnen Elementen (Menschen und Nicht-Menschen) so ab- gestimmt werden, dass ein funktionierendes Beziehungsgeflecht entsteht (vgl. ebd.: 112).

In dieser Arbeit sollen also die Akteure untersucht werden, die einen Einfluss auf die Bezie- hung zwischen dem Menschen und dem Braunbären in Rumänien haben und wie sich das Verhalten dieser auf die Gesamtpopulation auswirkt. Außerdem soll festgestellt werden, wel- che Rolle der Bär als Akteur bei den Netzwerkbildungsprozessen einnimmt und wie sich der Diskurs über ihn auf die Beständigkeit von verschiedenen sozialen Netzwerken auswirkt.

3. Mensch -B ra unbär Bezi ehungen in Rumänien

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Theorie soll nun untersucht werden, wie sich die Beziehung von Menschen und Braunbären in Rumänien interpretieren lässt und welche Fol- gen sich daraus für deren Populationsentwicklung ableiten lassen. Dazu werden zunächst geschichtliche Aspekte und der rechtliche Status des untersuchten Wildtieres beleuchtet. Da- nach geht die Arbeit auf die wichtigsten menschlichen Akteure die am Diskurs um den Bären beteiligt sind, sowie auf seine Perzeption durch diese Akteure ein.

3.1 Geschichtliche Aspekte

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts - noch bevor auch in Rumänien die infrastrukturelle Er- schließung abgelegener Landesteile, der Tourismus und eine industrielle Holzwirtschaft ein- setzten - war der Lebensraum der Bären wesentlich ausgedehnter als heute. Zu dieser Zeit war 70 % des rumänischen Territoriums von Wald bedeckt (vgl. KALABÉR et al.1994: 174).

Dennoch war die Gesamtzahl der Tiere mit circa 1000 im Jahr 1940 deutlich geringer als in der heutigen Zeit (vgl. KALB 2007: 196) mit rund 6000 Individuen (vgl. ROELLIG et al. 2014: 45). Die Gesamtzahl erreichte laut KALB (2007: 196) 1988 mit circa 8000 Vertretern dieser Spezies ihr Maximum. Während der Zeit der kommunistischen Diktatur unter Ceausescu (1970-1989) nahm die Zahl der Bären rapide zu, da er die einzige Person im Land war, der es erlaubt war sie zu jagen (vgl. KALABÉR et al. 1994: 174). Wie KALB (2007: 196) be- schreibt, ist der Bestandsrückgang nach der Diktatur bewusst herbeigeführt worden. Dies geschah durch die Vergabe von Jagdlizenzen. Auch wenn der Bär bereits ein geschütztes Tier in Rumänien war, war es lange Zeit (z.B. aus Gründen des Herdenschutzes) erlaubt, ihn mit entsprechenden Lizenzen zu jagen (vgl. MERTENS & PROMBERGER 2001: 175). Erst mit einer Gesetzesänderung Ende 2016 wurde die Jagd auf Braunbären komplett verboten. Dies ge- schah allerdings nachdem 2016 550 Jagdlizenzen für dieses Tier vergeben wurden – die höchste Zahl seit Rumäniens Beitritt zur europäischen Union (vgl. DALE-HARRIS 2016).

Das Siedlungsgebiet des rumänischen Braunbären ist besonders im letzten Jahrhundert stark geschrumpft. Heute konzentrieren sich die circa 6000 Exemplare auf den Bereich Siebenbür- gen und dort besonders auf den bergigen Karpatenbogen mit seinen großen Wäldern. Sie treten allerdings vereinzelt auch auf tieferliegenden Gras- und Weideflächen auf (vgl. ROEL- LIG et al. 2014: 44f). Aufgrund der Nutzung dieser Gebiete als Weideflächen für Nutztiere ist dies einer der Kontaktbereiche, in denen es zu Konflikten zwischen Wild- und Nutztieren, aber auch Wildtieren und Menschen kommen kann (vgl. MERTENS & PROMBERGER 2001: 173).

3.2 Rechtlicher Status des Braunbären

Im Jahr 2016 wurde das sogenannte „Trophy Hunting“ - die selektive Jagd auf bestimmte Tiere zur Sammlung von Jagdtrophäen - auf Bären, Wölfe, Luchse und Wildkatzen in Ru- mänien verboten. Diese Regierungsentscheidung kam sehr überraschend, besonders weil die Jagd, beziehungsweise die Vergabe von Jagdlizenzen zu einem lukrativen Geschäft für die Jagdverbände und die rumänische Regierung geworden war. Seit Rumäniens Beitritt zur eu- ropäischen Union hatte die Zahl der geschossenen Großraubtiere allerdings in einem so star- ken Maße zugenommen, dass letztendlich die oben genannte Entscheidung gefällt worden ist (vgl. DALE-HARRIS 2016).

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Details

Titel
Mensch-Braunbär-Beziehungen in Rumänien vor dem Hintergrund der Akteurs-Netzwerk-Theorie
Untertitel
Handlungsempfehlungen zur Harmonisierung der europäischen Wildtierpolitik
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V509401
ISBN (eBook)
9783346071736
ISBN (Buch)
9783346071743
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mensch-braunbär-beziehungen, rumänien, hintergrund, akteurs-netzwerk-theorie, handlungsempfehlungen, harmonisierung, wildtierpolitik
Arbeit zitieren
Felix Loos (Autor:in), 2017, Mensch-Braunbär-Beziehungen in Rumänien vor dem Hintergrund der Akteurs-Netzwerk-Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509401

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