Ein Transformationsprozess. Tanz als mimetische Darstellung von Literatur in Gedichtform


Hausarbeit, 2019

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Einführung

Von der Lyrik zur Bewegung
1. Sprache, Literatur und Tanz
2. Prozess und Methoden einer Transformation
3. Transformation eines Gedichtes – ein Schaffensprozess auf theoretischer Basis

Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einführung

„Die Diskrepanz zwischen sinnlicher Wahrnehmung und begrifflicher Verarbeitung zieht sich wie ein roter Faden durch die ästhetische Diskussion der Jahrhunderte.“ (Brandstätter 2008, S. 107)

Bereits seit langer Zeit (s.o.) füllt die Debatte den Raum, ob Sinnlichkeit und Wissenschaft sich vereinen lassen. Mit diesem Thema wird sich diese Hausarbeit auseinander setzen, auf einen konkreten Fall der oben genannten ästhetischen Diskussion bezogen: Unter der sinnlichen Wahrnehmung wird die darstellende Form des Tanzes verstanden, die begriffliche Verarbeitung steht – in diesem Fall – für eine Gedichtanalyse, einen kognitiven Zugang zum Verständnis und damit einhergehend zur Analyse von Literatur bzw. Lyrik.

Dazu werden zunächst die zwei Darstellungsformen Tanz/Bewegung und Sprache in gesprochener und Schriftform einander gegenübergestellt. Anschließend wird näher auf den Begriff „Transformationsprozess“ eingegangen. Im weiteren Verlauf sollen auf theoretischer Basis die Zugänge und Prozesse der Transformation aufgezeigt und erläutert werden. Im letzten Teil werden Ideen für eine bewegungs-ästhetische Umsetzung des Gedichts „Frühling“ von Ilse Kleberger in Form eines Tanzes mit dem Ziel vorgestellt, den Inhalt auf diese Weise wiederzugeben.

Motivation für diese Arbeit bietet eine Studie mit dem Titel „Ich habe die Wörter so vertanzt, wie sie sich angefühlt haben“ (Freytag/Pohlmeier 2017), in welcher Studenten ein gänzlich unbekanntes Gedicht vorgelegt worden ist, welches sie ohne Worte, nur mit Bewegungsformen, inhaltlich wiedergeben sollten. Daraus ist die Leitfrage dieser Hausarbeit entstanden:

Funktioniert Tanz als Ikon eines Gedichtes ohne Musik und vorherige schriftliche Analyse?

Ikon steht in diesem Fall für „Abbild“. Um das Feld einzugrenzen, wird sich diese Arbeit auf ein konkretes Gedicht beziehen, welches in eine tänzerische Darstellung transformiert werden soll. Dies geschieht auf rein theoretischer Basis anhand entsprechender Literatur. Dabei werden keine Studien, Feldversuche o.Ä. durchgeführt, sondern lediglich mit ausgewählter Literatur eine theoretische Überlegung entworfen.

Abschließend folgt ein Fazit, welches die Vor- und Nachteile einer Transformation dieser Art abwägt. Dabei wird berücksichtigt, dass diese Arbeit das Thema rein theoretisch betrachtet; als Praxiserfahrung liegt die bereits genannte Studie zum Vergleich vor. Nach Möglichkeit soll die Frage beantwortet werden, ob Tanz als Ikon von Schrift fungieren kann.

Von der Lyrik zur Bewegung

1. Sprache, Literatur und Tanz

Sprache ist das „zentrale Kommunikationsmedium“ (Brandstätter 2008, S. 151) der Menschen. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen gesprochener Sprache, einem auditiven, und der geschriebenen Sprache, einem in Form von Zeichen auftretenden visuellen Phänomen (vgl. ebd., S. 152). Sprache ist ein Medium, das im Gegensatz zu einer Bewegung in Schriftform Zeit und Raum überdauern kann und somit von solchen unabhängig existiert (vgl. ebd., S. 155). Während der Nutzung von Sprache hat der Körper nur die Funktion des Mittels zum Zweck inne (vgl. Freytag/Pohlmeier, S. 8), „der Körper übernimmt die darstellenden, auf Eindeutigkeit orientierten Zeichenfunktionen der Verbalsprache“ (Brandstätter 2008, S. 180).

Tanz hingegen verfügt über deutlich mehr Einwirkungsmethoden, nämlich auditive, visuelle, kinästhetische und taktile Impulse (vgl. Freytag/Pohlmeier, S. 5). Unter dem Begriff Kinästhesie wird die Bewegungsempfindung verstanden, die sich auf die Verhältnisse zwischen Raum, Zeit und Spannung bezieht; die Bewegungen werden dabei zu Zeichnungen im Raum (vgl. ebd., S. 6). Der Körper fungiert hier also nicht länger nur zweckmäßig, sondern ist selbst das Medium der Gestaltung (vgl. ebd., S. 8); ein Bild, auf welchem die zu vermittelnden Gefühle und Emotionen dargestellt werden. Hier muss das darstellende Medium vom Kommunikationsmedium abgegrenzt werden, denn Körpersprache in Form von nonverbaler Kommunikation entspricht keiner Bewegungsästhetik (vgl. Brandstätter 2008, S. 146). Als Rezipient1 ist es infolgedessen wichtig, den Ausdruck der sich bewegenden Person empathisch zu erfassen, indem er sich auf den „mimetischen Nachvollzug körperlicher Prozesse“ (ebd., S. 180) einlässt. Häufig wird in einem solchen Fall der Ausdruck für wichtiger als der Inhalt erachtet (vgl. ebd., S. 181f.). Der Tanz findet immer in einem „Operationsraum“ (Totzke et al. 2012, S. 65) statt, welcher die Position zwischen dem Text (hier wäre dieser das Gedicht) und dem Körper bzw. der Bewegung (dem Tanz) darstellt. Ein anderes Wort mit ähnlicher Bedeutung ist der „Choros“ (ebd., S. 62), der Raum der Bewegung.

Barthel beschreibt Tanz als „Prozess zwischen Innen- und Außenwelt, in dem eine Aussage […] transportiert und individuelle Bewegungsumsetzungen gestaltet werden“ (Barthel 2017, S. 75). Den Begriff Choreographie versteht sie dieser Definition folgend als Schreibprozess mit dem Körper (vgl. ebd., S. 31). Diese eigenen Bewegungsumsetzungen verbinden die Faktoren Zeit und Raum miteinander (vgl. Brandstätter 2008, S. 148) und erhalten je nach Kontextbezug mehr oder weniger (sinnliche) Qualitäten (vgl. ebd., S. 149).

Was Tanz und Sprache grundlegend miteinander verknüpft, ist das Bindeglied „Musik“ (ebd., S. 160).2

2. Prozess und Methoden einer Transformation

Bei der folgenden Beschreibung eines Transformationsprozesses wird sich auf die Umwandlung eines Textes in Bewegung konzentriert.

„Essentiell ist das Vorhandensein zweier getrennter Bereiche, die miteinander in Verbindung gebracht werden.“ (Brandstätter 2013, S. 87) Die zwei getrennten Bereiche sind hier zum einen zu verstehen als die Sprache bzw. Literatur und zum anderen als der Tanz. Im hier vorliegenden Fall ist die Transformation sogar „transmedial“ (ebd., S. 90), da im Wandel von der Schriftsprache zur Bewegungsästhetik bewusst Mediengrenzen überschritten werden. Ein solcher Prozess führt infolgedessen zur Entstehung neuer Ideen (vgl. Brandstätter 2008, S. 65), Botschaften werden in ein anderes Medium übersetzt, um auch dort verstanden und weitergegeben werden zu können (vgl. ebd., S. 184) und bisher voneinander getrennte Denksysteme finden Anschluss aneinander (vgl. ebd., S. 66).

Das Hauptziel einer Transformation ist nicht „eine bestimmte Erkenntnis oder Einsicht“ (Haas 2013, S. 44), sondern die tatsächliche, persönliche und intensive Auseinandersetzung mit dem Text selbst. Bei der Umwandlung verschmilzt das lyrische Ich – sofern vorhanden – mit dem Rezipienten dadurch, dass der Text am eigenen Leib nachempfunden wird (vgl. Freytag/Pohlmeier 2017, S. 266). Diese Art der „Kunsterziehungsbewegung“ (Haas 2013, S. 33) ist bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. Dabei sollen das Ziel und die Struktur der Texte sowie die Intention des Autors durch die eigene Reproduktion desselben aufgetan werden (vgl. ebd., S. 43); der Körper fungiert dabei als „Ausdrucksmedium“ (Brandstätter 2013, S. 89). Ein weiterer Aspekt der Transformation sind die Symptome einer ästhetischen Erkenntnis, die durch die Sinneswahrnehmung des eigenen Körpers und durch die damit verbundene Arbeit im Gehirn entstehen (vgl. ebd., S. 70). Der Leib wird anders wahrgenommen, da er die Zeichenfunktion erfüllt, während er gleichzeitig immer noch der Körper selbst ist – dieses Phänomen lässt sich bezeichnen als „exzentrische Positionalität“ (Brandstätter 2008, S. 150). Das Interesse der darstellenden Person wird immer wieder auf den eigenen Körper und die Materialität dessen gelenkt (vgl. Brandstätter 2013, S. 80). Diese veränderte Wahrnehmung hat die zentrale Intention (vgl. ebd.), sich mit dem ästhetischen Lernen und – damit einhergehend – mit einer transmedialen Transformation auseinanderzusetzen, sofern das anzustrebende Medium einen Anteil Ästhetik innehat. Das Wahrnehmen, das Gestalten und das Verstehen werden als die Ebenen eines ästhetischen Lernprozesses beschrieben, woraus sich drei Bereiche des Lernens ergeben: „Lernen aus der Leiberfahrung, Lernen am Kunstwerk und Lernen am Gestaltungsprozess“ (Freytag/Pohlmeier, S. 5). Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei besonders auf dem Gestaltungsprozess.

Im Transformationsprozess begegnen sich zwei unterschiedliche Aspekte, die gegenteiliger nicht sein könnten: Es ist einerseits die Rede von „intensive[r] Körperlichkeit und […] intensive[r] Emotionalität“ (Brandstätter 2008, S. 175), andererseits können auch rationale Entscheidungen getroffen werden, bevor die Bewegung an der Reihe ist: „Was wird transformiert? Welche Aspekte werden ausgewählt? Welche werden vernachlässigt?“ (Brandstätter 2013, S. 140) Die Improvisation einer gefühlsgeleiteten tänzerischen Umsetzung steht hier also einer genau überlegten Choreographie gegenüber; zu beachten ist jedoch immer, was im Mittelpunkt stehen soll: Bei einer Improvisation beispielsweise die „Prozesshaftigkeit“ (Barthel 2017, S. 48) und der Fluss der Bewegungen, oder einfacher – das dynamische Ausprobieren. Dies nennt sich „Übertragungsdynamik“ (Totzke et al. 2012, S. 67).

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, sich einem Text insoweit zu nähern, als dass der Rezipient in der Lage ist, ihn zu interpretieren oder in Bewegungen umzusetzen. Beispielsweise kann eine Annäherung durch Emotionalität stattfinden, indem die Konzentration auf dem Klang der Worte, ihrer Melodie und den damit verbundenen Assoziationen liegt – z.B. anstelle des Grübelns über ein Versmaß (vgl. Freytag/Pohlmeier 2017, S. 266). Eine Studentin aus der Studie (siehe Einführung) beschreibt ihren Ansatz folgendermaßen: „Ich habe mir überlegt [!] wie ich das Gedicht mit seinem Inhalt auch ohne es vorzulesen jemandem zeigen könnte.“3 (ebd.) Auch möglich ist eine Mindmap – im Fall der Studie ohne Interpretationen der Gedichte, aber auch mit Interpretationen durchführbar (vgl. ebd., S. 272).

In dieser Hausarbeit wird die Transformation eine Mischung der vorgestellten Methoden sein; da es sich um theoretische Überlegungen handelt, müssen die Entscheidungen, welche Bewegungen wann auftauchen sollen oder Sinn ergeben, vorab getroffen werden.

Für einen Transformationsprozess gibt es keine festen Regeln, da diese sich immer am individuellen Ziel orientieren, jedoch Gestaltungsparameter wie den Raum, die Zeit und die Dynamik einer tänzerischen Darstellung (vgl. ebd., S. 270), und ergänzend Formen, Linien, die Qualität und Geschwindigkeit der Bewegungen (vgl. ebd., S. 269). Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, da ästhetische Objekte bzw. Bewegungen immer subjektiv und damit vielfältig interpretiert werden (vgl. ebd., S. 265). Der Körper hat nun eine Zeichenfunktion inne, mithilfe derer er in der Lage ist, inhaltliche Aspekte zu veranschaulichen (vgl. Brandstätter 2013, S. 81). Bei den Umwandlungen sind keine Wort-für-Wort-Übersetzungen, sondern vielmehr eine Übertragung der Sinnhaftigkeit gewünscht; nicht jedes kleinste Detail muss gezeigt werden, sondern das Ganze soll am Ende erkennbar sein (vgl. Brandstätter 2008, S. 185). Brandstätter fügt dem noch hinzu, dass eine transmediale Transformation immer beinhaltet, dass Botschaften verloren gehen oder gewonnen werden, eine Eins-zu Eins-Übertragung ist ihrer Meinung nach gar nicht möglich (vgl. ebd., S. 185).

Karl Hörmann nennt eine Reihe von Tanzbeschreibungsmerkmalen, von denen einige hier kurz wiedergegeben werden sollen: Körper- und Bewegungsformen, Spannungsstellen, Schritte, Formen (gerade, lateral – also seitlich), Ausrichtungen, Positionen, Bewegungs- und Blickrichtungen, Gewicht, Energie, Tempo und der Fluss des Ganzen. (Hörmann 2000, S. 147) Diese nutzt er, um einen Tanz beispielsweise zu Papier zu bringen, ihn aufzuschlüsseln, wiederkehrende Merkmale aufzudecken und mit einem anderen Medium gleichzusetzen. Auch nach spezifischen, charakterisierenden Bewegungen darf geschaut werden: Natürlich bleibt die Darstellung subjektiv, dennoch gibt es Bewegungsmuster, Kopf- und Körperhaltungen, die bezeichnend für bestimmte Eigenschaften wirken. Wie bewegt sich beispielsweise ein Dienstmädchen gegenüber einer Hofdame oder einem Handwerker? Der Unterschied wird sicher schon im Gang erkennbar sein: Den Blick hält das Dienstmädchen vielleicht stets gesenkt, während die Hofdame das Kinn angehoben trägt. (vgl. Widmer 2004, S. 36–40) Das Beispiel ist natürlich sehr spezifisch, dennoch gibt es viele Gedichte, in welchen Personifizierungen deutlich werden; ein Schlüsselbegriff für eine inhaltsgetreue Darstellung lautet daher: Beziehungen – Beziehungen innerhalb des Gedichtes: Personen zu Pflanzen, Personen zu Personen, Rezipient zu den Akteuren, Gefühle des Rezipienten beim Lesen. Gelingt es, diese darzustellen, so wirkt das Gesamtbild authentisch – und damit ist die Emotionalität wieder relevant, denn es entsteht eine „multiple und komplexe Bezugnahme“ (Brandstätter 2013, S. 72) zur vorliegenden Literatur.

3. Transformation eines Gedichtes – ein Schaffensprozess auf theoretischer Basis

Der folgende Teil der Hausarbeit ist ein eigenständiger Versuch, ein Gedicht in schriftlich gefasster Form in eine tänzerische Darstellung zu transformieren. Das Gedicht wird kurz vorgestellt und anschließend die Ideen zur Umsetzung damit verknüpft. Es besteht kein Anspruch an einen lückenlosen, fließenden Tanz; es geht lediglich um eine körperliche Darstellung mit bewegungs-ästhetischem Hintergrund, die es möglich machen soll, das Gedicht wiederzuerkennen.

Zunächst wird das ausgewählte Gedicht „Frühling“ von Ilse Kleberger (entnommen aus: (Haas 2013, S. 82) in Versform in einer Tabelle notiert. Dabei existiert für jede Zeile eine eigene in der Tabelle. Auf der linken Seite befindet sich nun das Gedicht, auf der rechten Seite ist Platz für Ideen einer Umsetzung in Bewegungen – pro Zeile, oder wenn gewünscht, eine zusammenfassende Bewegung für mehrere Zeilen, je nach Kontext (s. S. 7).

[...]


1 Das Wort „Rezipient“ erscheint hier im Singular Maskulinum. Gemeint sind dabei in allen folgenden Wiederholungen immer beide Geschlechter.

2 Im folgenden Verlauf der Arbeit wird der Aspekt der Musik inhaltlich nicht mit aufgegriffen oder berücksichtigt.

3 „[!]“ steht hier für einen Rechtschreibfehler im Zitat, der der korrekten Zitation wegen mit übernommen wird.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Ein Transformationsprozess. Tanz als mimetische Darstellung von Literatur in Gedichtform
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Literarische Textanalyse und Textualität
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
13
Katalognummer
V509351
ISBN (eBook)
9783346071699
ISBN (Buch)
9783346071705
Sprache
Deutsch
Schlagworte
transformationsprozess, tanz, darstellung, literatur, gedichtform
Arbeit zitieren
Belana Kulik (Autor:in), 2019, Ein Transformationsprozess. Tanz als mimetische Darstellung von Literatur in Gedichtform, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509351

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