Welche Inszenierungsstrategien verwendet die Alternative für Deutschland (AfD) in ihren Facebook-Posts über Geflüchtete und Migrant*innen?

Eine qualitative Inhaltsanalyse


Forschungsarbeit, 2019

45 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Rassismus ohne Rassen
2.2 Rechtspopulismus im Web 2.0
2.3 Zentrale Topoi und Kommunikationsstrategien

3. Methodisches Vorgehen
3.1 Begründung der Methodenwahl
3.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz
3.3 Gütekriterien

4. Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse
4.1 Vorstellung des Materials
4.2 Bestimmung des Ausgangsmaterials
4.2.1 Festlegung des Materials
4.2.2 Formale Charakteristika
4.3 Fragestellung der Analyse
4.4 Festlegung der Einheiten und Kategorien
4.5 Durchführung

5. Ergebnisse
5.1 Kulturelle Abwertung
5.2. Abstand zwischen Selbst- und Fremdgruppe erzeugen
5.3 Negativbeispiele aus Fremdgruppe hervorheben
5.4 Gefährdung der inneren Sicherheit und des Gemeinwohls
5.5 Täter-Opfer-Umkehr
5.6 Bedrohungsszenario einer Massenmigration
5.7 Migration baut auf Lügen auf
5.8 Negative ökonomische Auswirkungen
5.9 Inszenierung als Sprachrohr der Mehrheit
5.10 Elitenschelte
5.11 Überprüfung der Gütekriterien

6. Diskussion

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Dem diffusen Phänomen ‚Rassismus‘, welches selten direkt thematisiert oder reflektiert wird, stehen aktuell konkretere Formen des Rechtsradikalismus und Nationalismus in Deutschland gegenüber (vgl. Foroutan/ Geulen/ Illmer/ Vogel/ Wernsing 2018, 10). Während die Rassismusforschung insbesondere in den Kultur- und Sozialwissenschaften bereits zahlreiche theoretische Überlegungen vorzuweisen hat, wie den Rassismus ohne Rassen (vgl. Balibar 1990, Hall 1989), mangelt es an aktuellen empirischen Untersuchungen dergleichen.

Fremdenfeindliche und rechtsextreme Parteien weisen eine hohe Social-Media-Affinität auf und nutzen die zahlreichen technischen Möglichkeiten sowie inhaltlichen Freiheiten des Internets taktisch aus (vgl. Tanner 2018, 42). So hat auch die Alternative für Deutschland (AfD) einen sehr aktiven Facebook -Account, auf dem täglich mehrere Texte, Bilder oder Videos gepostet werden (vgl. AfD Facebook 2019). Ihre Reichweite ist mit rund 485.000 Abonnenten1 höher als die jeder anderen politischen Partei Deutschlands, wenn man davon ausgeht, dass hinter den Zahlen tatsächlich echte Personen stehen.2 Auf einer Plattform wie Facebook agieren sie zudem ohne klaren rechtsextremen Rahmen im medialen Mainstream und erreichen damit einfacher breite Zielgruppen wie Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. Schmitt/ Ernst/ Frischlich/ Rieger 2017). Dies macht eine nähere Betrachtung ihrer inhaltlichen Argumentationsstrategien notwendig.

Die AfD 'recycelt' rassistische Diskurse mit neuen Schlagworten, in deren Zentrum vor allem die sogenannte 'Flüchtlingskrise' steht (vgl. Tanner 2018, 40). Mit Migration verbundene Ängste werden durch verschiedene Mittel wie einer Anti-Islam-Rhetorik, konstruierter Selbst- und Fremdgruppen oder einer Täter-Opfer-Umkehr (vgl. Shooman 2018) geschürt und zu Bedrohungsszenarien verdichtet (vgl. Tanner 2018, 42).

Vorliegende Arbeit soll diese aus der Forschungsliteratur genannten Strategien konkret an Posts der AfD auf ihrer Facebook -Seite empirisch aufzeigen. Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) werden zehn Posts analysiert. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde folgendes Forschungsdesign gewählt:

Abbildung 1: Forschungsdesign

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Forschungsdesign impliziert auch den Aufbau der Arbeit: Zur Beantwortung der Forschungsfrage miissen zunachst theoretische Konzepte und der aktuelle Forschungsstand geklart werden. Der Methodikteil beinhaltet neben einer Begriindung der Methodenwahl, auch eine theoretische Auseinandersetzung mit dieser. Darauf aufbauend kann die qualitative Inhaltsanalyse durchgefiihrt werden. Zuletzt folgt die Vorstellung der Ergebnisse, welche im Kontext der Fragestellung interpretiert sowie diskutiert werden.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Rassismus ohne Rassen

In unserem heutigen Diskurs tritt das Wort 'Rasse' explizit durch seine zeitgeschichtlich begriindete Tabuisierung kaum noch auf. Bei rechten Parteien wie der AID bleibt das dahinterstehende Konzept jedoch durch Rhetorik und Denkweisen in ,semantischen Varianten des Rassenbegriffs" (Geulen 2018, 31) weiterhin bestehen. Dieser heute weit verbreitete Ansatz der Rassismusforschung griindet auf den Sozialwissenschaftlem Etienne Balibar (1990) und Stuart Hall (1989).

Der neue Rassismus habe sich ,urn den Komplex der Immigration herum ausgebildet" (Balibar 1990, 28) und ersetzt das Narrativ der biologischen Vererbung von ,Rasse' durch die ,Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen" (ebd.). Die vermeintlich natiirliche Determiniertheit des Rassenbegriffs gibt eigentlich politischen, kulturellen und sozialen Unterscheidungen eine pseudonatürliche Grundlage und Legitimation (vgl. Geulen 2018, 23).

Rassismus definiert Balibar als eine Denkweise: „Verstehen wir darunter nicht bloß eine Art, Worte an Dinge, sondern tiefergehend, Worte an Bilder zu binden, um daraus Konzepte zu machen“ (ebd. 1999, 183). Mit diesem Ansatz lässt sich auch die spezifisch semantische Ladung erklären, die Migration durch rechte und konservative Parteien, aber auch durch die Medien erhalten hat. Sie umfasst das Bild einer ‚Flüchtlingswelle‘, des ‚Überflutetwerdens‘ oder eines ‚Fremdkörpers‘ in unserer Gesellschaft (vgl. Tanner 2018, 40). Jegliche Grenzverwischung wird dabei als schädlich und verschiedene Lebensweisen als unvereinbar dargestellt. Diese Art Rassismus bezeichnet Balibar als differentialistisch (1990, 28).

Hall betont in seiner Definition von Rassismus das System binärer Gegensätze, in dem wir denken und sieht ihn als einen Versuch der Zurückweisung des Anderen bzw. der angsterregenden Bedrohung durch das Andere, von dem wir uns möglicherweise gar nicht so unterscheiden. Der Diskurs ist zudem bestimmt von einer „Angst vor kultureller Umweltverschmutzung“ (Hall 1989, 185).

Foroutan sieht als Hauptmerkmal des Rassismus der postmigrantischen Gesellschaft eine Pluralitätsabwehr, die sich gegen alles richtet, was den Wunsch nach Homogenität bedroht. Dieser Anti-Pluralismus beinhaltet die Ablehnung Europas, der Eliten sowie den antimuslimischen Rassismus – oder kurz: Heterogenität und die damit verbundenen Ambivalenzen. Dahinter stehe eine Sehnsucht nach Reinheit in verschiedenen Formen: die Reinheit des Geschlechts, der Kultur, der Nation (vgl. Foroutan 2018, 170).

2.2 Rechtspopulismus im Web 2.0

Das Internet ist ein vielfach genutzter Raum für extremistische Ideologien und menschenfeindliche Botschaften. Rechtsextreme und islamistische Angebote sind im deutschsprachigen Netz besonders häufig (Schmitt/ Ernst/ Frischlich/ Rieger 2017).

Die Internetaffinität rechtpopulistischer 3 Parteien prägt sich zunehmend auch auf Soziale Netzwerke aus. Mit ihren subtilen Kommunikationsstrategien wird der extremistische Inhalt dabei häufig verschleiert, um ein breiteres Publikum zu erreichen (vgl. Lanzke 2016, 625). Das Vorgehen im öffentlichen virtuellen Raum findet besonders seit dem Anstieg der Asylsuchenden in Deutschland hohe Anschlussfähigkeit, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht 2015 feststellte. Die Entstehung einer „Anti-Asyl- Agitation“ (Bundesamt für Verfassungsschutz 2015, 40) sei von einer „schwindenden Abgrenzung zum Rechtsextremismus und einer Akzeptanz von Gewalt und Militanz in Teilen der Bevölkerung geprägt“ (ebd.).

2.3 Zentrale Topoi und Kommunikationsstrategien

Ein zentrales Merkmal der flüchtlingspolitischen Debatte besteht nach Bozay darin, die Rechte von geflüchteten Menschen zu delegitimieren. Durch negative Zuschreibungen und politische Instrumentalisierung bieten sie eine Projektionsfläche für diskriminierende Diskurse. Die Eigengruppe besitzt hingegen durch ihr ‚natürliches‘ Vorrecht ein hohes Maß an Legitimität, das ihren Mitgliedern eine sichere Existenz garantiert (vgl. Bozay 2019, 43f.) Infolgedessen ist für die Inszenierung von rechtsextremen Botschaften die Konstruktion des ‚Fremden‘ von großer Bedeutung. Dies ist eng gekoppelt mit der Zuschreibung von Stereotypen und Vorurteilen. Die unterschiedlichsten Personengruppen wie ‚Flüchtlinge‘, ‚Arbeitslose‘, ‚Kriminelle‘ oder ‚Behinderte‘ können je nach Kontext als Fremde konstruiert werden (vgl. Reuter/ Warrach 2015, 175). Als „Prototyp des Fremden“ (ebd., 176) konzentriert sich die Forschung vor allem auf Migrant*innen. Die rassistischen Ausschlüsse aus der Nation beruhen dabei auf einem genealogischen Schema, bei dem es um die symbolische Vererbung von Identität geht (vgl. Bojadžijev 2015, 282). Sowohl politisch als auch sozial stehen den eingewanderten Menschen demnach nicht die gleichen Rechte der Gemeinschaft zu wie Bildung oder Zugang zu Wohnungen und Infrastruktur (vgl. ebd., 283). Diese Annahmen setzen sich im Flüchtlingsdiskurs fort.

Bei rechtsextremistischer und islamistischer Online-Propaganda kommt die Unterscheidung zwischen einem 'uns' und 'denen' besonders häufig vor. Die 'böse' Fremdgruppe wird als Ursache aller Missstände verantwortlich gemacht und erhält viele Formen von Schuldzuweisungen (vgl. Frischlich 2018, 151). Die ‚gute‘ Eigengruppe steht dem komplementär gegenüber. Sie wird als vermeintlich homogen imaginiert und steht oftmals in der Opferrolle (vgl. Shooman 2018, 178).

Um einen möglichst großen Abstand zwischen der konstruierten Selbst- und Fremdgruppe zu erzeugen, werden in rechten Narrativen verschiedene Strategien genutzt. Eine gängige Methode ist es, Negativbeispiele aus der Fremdgruppe als repräsentativ für die gesamte Gruppe hervorzuheben. Dies bezweckt die Abwertung des Anderen und gleichzeitige Aufwertung des Eigenen (vgl. ebd., 179). Häufig kommt es dabei zu Pauschalisierungen in Form von aggregierten Meinungsaussagen4, deren Widerlegung durch die Verallgemeinerung schwierig sind (vgl. Graber und Lindemann 2018, 62).

Ein zentraler Topos ist der des gewalttätigen ‚Flüchtlings‘ (vgl. Shooman 2018, 180f.). Zuschreibungen wie eine spezielle Neigung zu Kriminalität und Gewalt reflektieren klassische rassistische Stereotype (vgl. ebd., 181). Gewalttätigkeit wird als kulturelle Eigenschaft determiniert. Die allgemeine kulturelle Abwertung ist eng verknüpft mit einer Anti-Islam-Rhetorik. Die Argumentationsmuster von Organisationen wie der AfD sind „symptomatisch für einen gesellschaftlich virulenten Rassismus, der Muslim*innen als 'unintegrierbare' Minderheit konstruiert und sie als Andere im Inneren Europas exkludiert“ (ebd., 176). Sie werden als kulturell minderwertige Gruppe dargestellt, während die eigene bzw. westliche Kultur überhöht wird (vgl. ebd.,181).

Eine weitere Strategie ist die Täter-Opfer-Umkehr, bei der eine „Viktimisierung der Mehrheitsgesellschaft betrieben [wird], die die realen Machtverhältnisse leugnet“ (ebd., 183). Sie fordern damit alte Ungleichheitsrelationen und ethnische Statushierarchien heraus (vgl. Freiheit und Sutterlüty 2015). Hervorgerufen wurden die Konflikte nach Foroutan mit der Entstehung gleicher Aufstiegschancen eines zuvor benachteiligten Bevölkerungsanteils (Migrant*innen) und den damit verbundenen Abstiegsängsten (vgl. 2018, 166). Das Selbstbild der von einer Minderheit bedrohten Mehrheit ist ein wiederkehrendes Motiv (vgl. ebd., 185).

Als letztes wichtiges Merkmal ist die eigene Inszenierung „als Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit“ (Shooman 2018, 185) zu nennen. Mit dieser selbstauferlegten Funktion stellen sie ihr Agieren im Netz als Aufstand gegen eine vermeintliche Fremdbestimmung und Überfremdung dar (vgl. Tanner 2018, 42). Ihren moralischen Alleinvertretungsanspruch ziehen sie aus einem ‚Volkswillen‘, der von der führenden Politik sowie staatlichen und kulturellen Institutionen missachtet wird. Problematisch für eine Demokratie ist daran vor allem, dass sie diesen Volkswillen bzw. das Volk selbst als eindeutig, singulär und unverhandelbar verstehen (vgl. Zywietz und Sachs-Hombach 2018, 4).

3. Methodisches Vorgehen

3.1 Begründung der Methodenwahl

Die Theorie des Rassismus ohne Rassen und zuvor beschriebene Kommunikationsstrategien bilden die Grundlage für nun folgende empirische Untersuchung. Mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) werden zehn Posts der AfD Facebook - Seite analysiert. Dabei soll beobachtet werden, welche der theoretisch erfassten Inszenierungsstrategien von der AfD genutzt werden und ob noch weitere Topoi bzw. Strategien auffallen.

Es wurde keine quantitative Methode gewählt, da weniger von Bedeutung ist das „Datenmaterial in atomisierender Weise möglichst präzise in Zahlen umzuwandeln“ (Kuckartz 2014, 73) und die verbalen Daten vernachlässigt werden würdem. Da hier vielmehr die inhaltlichen und sprachlichen Informationen von Bedeutung sind, welche die Texte der Posts selbst hergeben, bietet die qualitative Inhaltsanalyse einen fruchtbaren Ansatz. Sie rückt den Text und dessen Verstehen ins Zentrum des Interesses: „Auch nach der Zuordnung zu Kategorien bleibt der Text selbst, d. h. der Wortlaut der inhaltlichen Aussagen, relevant und spielt auch in der Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse eine wichtige Rolle“ (ebd.).

Die von der Hermeneutik inspirierte Reflexion über das Material im Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. ebd., 33f.; 39) bietet sich für die Analyse der Posts an, da sie hilfreich für die Interpretation und Bedeutungsgewinnung von Texten ist und besonders im Hinblick auf die Theorie des Rassismus ohne Rassen angewendet werden kann.

3.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz

Die qualitative Inhaltsanalyse im deutschsprachigen Raum wurde vor allem von Philipp Mayring seit 1980 geprägt und hat sich als Methode zur Datenauswertung in der empirischen Sozialforschung vermehrt etabliert (vgl. Mayring 2015, 7). In der Praxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken zur Durchführung einer qualitativen Inhaltsanalyse. Allein Mayring unterscheidet acht verschiedene qualitativ-inhaltsanalytische Techniken (vgl. Kuckartz 2014, 72). Kuckartz unterscheidet dagegen nur drei grundlegende Methoden qualitativer Inhaltsanalysen: die inhaltlich strukturierende, die evaluative und die typenbildende Inhaltsanalyse. Gemeinsam ist den drei Verfahren ihre kategorienbasierte Auswertung, die Intention der Zusammenfassung sowie die Reduktion von Komplexität und ihre Bezogenheit auf verbale Daten (vgl. ebd., 76).

Folgend wird mit der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse gearbeitet, da das zu analy sierende Datenmaterial aus einer höheren Zahl an Facebook-Posts mit jeweils groBen Textsequenzen besteht. Eine inhaltlich reduktive und komprimierende Auswertung (vgl. ebd., 77) ist daher sinnvoll, um aus dem verbalen Korpus Themen herausfiltem und zu Hauptkategorien zusammenfassen zu können.

Abbildung 2: Ablaufschema einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014,78)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Ablaufschema nach Kuckartz (Abbildung 2) basiert auf sieben Schriften, in deren Zentrum die Forschungsfrage steht. Die Abfolge verlauft zwar prinzipiell sequentiell, erlaubt j edoch auch zirkulare über die Forschungsfrage vermittelte Prozesse, die keiner strikten Linearitat folgen (vgl. ebd, 50). Zunachst werden in einer initiierenden Textarbeit wichtige Textstellen herausgearbeitet, um inhaltliche Schwerpunkte zu ermitteln und so thematische Hauptkategorien aufzustellen. In einem ersten Codierprozess wird nun das gesamte Datenmaterial durchgearbeitet und den Kategorien zugeteilt. Nach einer Zusammenstellung aller Textstellen mit der gleichen Hauptkategorie werden weitere Subkategorien gebildet und in einem zweiten Codierprozess das Kategoriensystem mit dem Datenmaterial differenzierter überarbeitet. Zuletzt wird zur Auswertung und Ergebnisdarstellung eine kategorienbasierte Auswertung entlang der Hauptkategorien genutzt (vgl. ebd., S. 94).

3.3 Gütekriterien

Gütekriterien sind in der qualitativen Forschung ein umstrittener Diskussionsgegenstand u.a. aufgrund der Uneinheitlichkeit paradigmatischer Bezüge. Da sich die etablierten Gütekriterien der quantitativen Forschung nicht ohne Weiteres übertragen lassen, müssen die Kriterien modifiziert und für die jeweilige Forschung angepasst werden (vgl. Kuckartz 2014; Mayring 2015).

Kuckartz stellt die nach Miles und Huberman neu aufgestellten Kriterien den klassischen Gütekriterien in einer Tabelle gegenüber (vgl. Abbildung 3 im Anhang). Er überträgt zudem die Begriffe der internen und externen Validität auf die qualitative Inhaltsanalyse und unterscheidet zwischen der internen und externen Studiengüte. Primär entscheidend ist hier die interne Studiengüte, also Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit (vgl. 166). Diese ist auch Voraussetzung für die externe Studiengüte. Eine Übertragbarkeit für weitere Studien wäre in Anbetracht der bisher mangelnden Forschungsdesigns zur Analyse von Social Media Inhalten wünschenswert.

4. Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse

4.1 Vorstellung des Materials

Die hier durchgeführte Inhaltsanalyse basiert auf Material, welches von der Facebook -Seite der Alternativen für Deutschland stammt. Die 2013 gegründete Partei ist auf den Sozialen Netzwerken Facebook, Instagram, Twitter und YouTube vertreten und nutzt die Plattformen gezielt für eine große Reichweite (vgl. AfD Facebook 2019). Sie hat sich in kurzer Zeit in Deutschland etabliert und konnte vor allem mit dem steigenden Zuzug von Geflüchteten an Wähler*innen gewinnen. Ihr politischer Fokus auf die negativen Konsequenzen von Migration und der Flüchtlingskrise spiegelt sich auch in ihren Inhalten auf den Sozialen Netzwerken wieder. Zur Analyse wurde diese Partei ausgesucht, da sie großen Raum in den aktuellen politischen und medialen Debatten einnimmt. Sie sitzt im deutschen Bundestag und erreicht in Medien und auf Internet-Plattformen hohe Aufmerksamkeit für ihre rechtspopulistischen Inhalte.

Besonders auf Facebook bietet die AfD täglich mehrere Beiträge. Die Posts bestehen in der Regel aus drei Komponenten. Es handelt sich zunächst um einen Fotobeitrag, welcher aus einem symbolischen Bild mit einer Schlagzeile besteht. Darüber bzw. daneben (je nach Ansicht) beginnt der Beitrag mit einer schlagzeileniibnlichen Oberschrift, die den Inhalt des Posts beschreibt und Aufinerksamkeit beim Rezipient•in erregen soll. Darauf folgt ein sehr Ianger Textteil (aus ca. 200 bis 350 Wortern), welcher den Sachverhalt ausfiihrlich beschreibt und mit Verlinkungen endet, die a1s Quellen :fungieren sollen (vgl. Abb. 4, AID 2019).

Abblldung 4:Faeebook-Pott der AID vom 02.01.2019

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2 Bestimmung des Ausgangsmateria.ls

Die folgende Analyse bezieht sich auf zehn Posts die zwischen dem 02.01.2019 und dem 11.01.2019 auf Facehook veroffentlicht wurden. Es wird nur der Textabsatz der Posts paraphrasiert und kodiert. Die Fotos werden nicht einbezogen, da durch die Bilder keine zusitzlichen lnformationen gegeben werdewelche fiir die Forschungsfrage relevant sind, sondern lediglich der Inhalt des Posts visualisiert wird. Nicht zuletzt wfirde eine zusatzliche Bildanalyse den Rahmen dieser Arbeit iiberschreiten.

4.2.1 Festlegung des Materials

Für die Zusammenstellung der Beitrâge wurde ein beliebiger Zeitraum bestimmt. Zehn Posts wurden als ausreichende Anzahl fur die Analyse bewertet, da die einzelnen Beitrâge aus sehr langen Textpassagen bestehen und so genügend Material zur Kodierung zur Verfiigung steht. Erstes Auswahlkriterium ist ein inhaltlicher Bezug auf die Themen Migration und/oder die so genannte Flüchtlingskrise, welche in einer Mehrzahl der Posts auftreten. Zweites Kïiterium ist ein Post-Aufbau nach oben beschriebenem Schema - Videos oder reine Bild- Beitrâge wurden nicht berucksichtigt

4.2.2 Formale Charakteristika

Für die Datenerhebung wurden die ausgewählten Posts in einer ‚Sammlung‘ auf Facebook gespeichert und mit Screenshots zwischen dem 10.01. und 13.01.2019 festgehalten (siehe Anhang). Die Screenshots wurden ausgedruckt, um wichtige Textstellen zu markieren und Anmerkungen zu schreiben. Für die Paraphrasierung und Erstellung der ersten Kategorientabelle wurde Microsoft Excel verwendet, da hier noch viel Datenmaterial verarbeitet werden musste. Die Excel Tabelle ist chronologisch nach den einzelnen Posts sortiert. Die ausdifferenzierte, komprimierte Kategorientabelle mit Haupt- und Subkategorien wurde im formal übersichtlicheren Numbers von Apple festgehalten (vgl. Anhang). Sie sortiert sich nach den einzelnen Hauptkategorien.

4.3 Fragestellung der Analyse

Ausgangspunkt und ständiger Referenzrahmen für die Analyse bildet nach Kuckartz Ablaufmodell die Forschungsfrage. Im Kontext der Hauptfragestellung (Welche Inszenierungsstrategien verwendet die Alternative für Deutschland in ihren Facebook -Posts über Geflüchtete und Migrant*innen?) werden zum einen Begrifflichkeiten und symbolische Bilder gesucht, die den ehemaligen Rassenbegriff ersetzen (vgl. Kapitel 2.1). Zum anderen sollen konkrete, wie in Kapitel 2.3 aufgeführte, Inszenierungsstrategien erkannt werden.

4.4 Festlegung der Einheiten und Kategorien

Die Auswahleinheit ist in dieser Inhaltsanalyse die Facebook-Seite der AfD (vgl. Kuckartz, 46). Die Analyseeinheiten bilden die zehn festgelegten Posts (vgl. ebd., 47). Die Festlegung der Codiereinheiten folgt den Codierregeln von Kuckartz (vgl. Abb. 5 im Anhang). Kuckartz unterscheidet zwischen sechs Arten von Kategorien (vgl. hierzu, 43f.) Hier werden sowohl im ersten als auch im ausdifferenzierten Kategoriensystem formale Kategorien verwendet, nämlich Datum und Titel des Posts (z.B. 02.01.2019 ‚Wunschziel Deutschland‘). Sie dienen der Übersichtlichkeit. Im weiteren Prozess entwickelten sich sowohl inhaltliche als auch analytische Kategorien, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird.

4.5 Durchführung

Nach einer ersten Sichtung des gesamten Materials wurden in einem zweiten genaueren Lesevorgang inhaltstragende Textstellen identifiziert, die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind. In einer Excel -Tabelle wurden diese Textstellen dann chronologisch sortiert nach den einzelnen Posts eingetragen. Die Tabelle beinhaltet das Publikationsdatum, Titel, Originaltextstelle, Paraphrasierung und eine erste Reduktion (vgl. Bsp. in Tabelle 1 und Anhang).

[...]


1 Stand vom 19.07.19. Die Zahl der Abonnenten hat eine steigende Tendenz. Am 06.02.2019 waren es noch rund 462.000 Abonnenten (vgl. AfD Facebook 2019).

2 Tools wie Social Bots sind ein beliebtes Mittel rechtspopulistischer Propaganda zur Generierung einer vermeintlichen Mehrheitsmeinung (vgl. hierzu Zywietz, B. und Sachs-Hombach, K. (Hrsg. ): Fake News, Hashtags und Social Bots. Neue Methoden populistischer Propaganda, , Wiesbaden: Springer 2018).

3 Zur Unterscheidung zwischen rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien (vgl. Abb. 6 im Abbildungsverzeichnis). Die AfD ließe sich demnach eher dem Rechtspopulismus zuordnen mit Merkmalen wie Anti-Pluralismus, kulturalistischer Rassismus oder Elitenschelte.

4 Unter aggregierten Meinungsaussagen verstehen Lindemann und Graber Meinungssaussagen, die die Empfindungen mehrerer Menschen zusammenfassen und pauschalisieren. Besonders häufig treten sie im Internet auf und eigenen sich gut für Propaganda, da die Pauschalisierung von Aussagen deren Widerlegung erschwert. Um Sätze wie ‚Die meisten Personen finden, dass…‘ zu widerlegen, müssten repräsentative Umfragen erstellt werden (2018, 62).

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Welche Inszenierungsstrategien verwendet die Alternative für Deutschland (AfD) in ihren Facebook-Posts über Geflüchtete und Migrant*innen?
Untertitel
Eine qualitative Inhaltsanalyse
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
45
Katalognummer
V509251
ISBN (eBook)
9783346070890
Sprache
Deutsch
Schlagworte
welche, inszenierungsstrategien, alternative, deutschland, facebook-posts, geflüchtete, migrant*innen, eine, inhaltsanalyse
Arbeit zitieren
Alexandra Vavelidou (Autor:in), 2019, Welche Inszenierungsstrategien verwendet die Alternative für Deutschland (AfD) in ihren Facebook-Posts über Geflüchtete und Migrant*innen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509251

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