Häufigkeit und Verwendungsweise von Bildungssprache in Kinderfernsehsendungen


Bachelorarbeit, 2019

95 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmung und Themenabgrenzung
2.1 Die Alltagssprache in Abgrenzung zur Bildungssprache
2.2 Die Fachsprache(n) in Abgrenzung zur Bildungssprache
2.3 Konkretisierung bildungssprachlicher Merkmale

3 Beschreibung des Forschungsprojekts
3.1 Auswahl der Kinderfernsehsendungen
3.2 Darstellung und Begründung ausgewählter Methoden
3.2.1 Datenaufbereitung
3.2.2 Datenanalyse
3.3 Auswahl der Bewertungskriterien
3.3.1 Bestimmung bildungssprachlicher Mittel
3.3.2 Bestimmung der Diskursfunktionen

4 Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
4.1 Ergebnisse der quantitativen Frequenzanalyse
4.2 Ergebnisse der qualitativen Kontextanalyse
4.2.1 Ergebnisse des Fernsehmagazins
4.2.2 Ergebnisse der Animationsserie
4.2.3 Ergebnisse der Spielshow
4.2.4 Ergebnisse der Serie

5 Zusammenfassende Erkenntnisse

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
Verwendete Transkriptionsregeln
Transkripte
Die Sendung mit der Maus
Wickie und die starken Männer
Eins, zwei oder drei
Jessie
Ergebnisse der qualitativen Analyse

1 Einleitung

Die deutsche Sprache beruht auf einer Vielzahl von sprachlichen Varietäten, die gruppen-, situations-, regions-, institutions-, alters- oder genderspezifisch sein können und sich durch unterschiedliche Merkmale auszeichnen, welche zusätzlich einer laufenden Veränderung unterliegen (vgl. Löffler 2016, 79f.). Ein wesentlicher Unterschied besteht dabei zwischen der allgemeinen Alltagssprache und der im Unterricht vermittelten oder vielmehr geforderten Bildungssprache als funktionale Varietät (vgl. Heller/Morek 2012, 74), die als ein sprachliches Register deklariert wird (vgl. ebd., 71; vgl. Feilke 2012, 6; vgl. Gogolin/Lange 2011, 107) und für sämtliche Lebensbereiche von großer Relevanz zu sein scheint. Grund dafür ist der zunehmende Einfluss der sogenannten Fachsprachen, die in jedem Bereich zusätzliche Kenntnisse erfordern, um sie verstehen und nachvollziehen zu können (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 14). Durchgeführte Studien bringen außerdem zum Ausdruck, dass der Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen bereits in der Grundschulzeit eine entscheidende Rolle für den Bildungsweg spielt (vgl. Heller/Morek 2012, 69; vgl. Hövelbrinks 2013, 83), indem ein konkreter Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen nachgewiesen wurde (vgl. Heller/Morek 2012, 67). Sie dienen damit einerseits als „eine sprachliche Basisqualifikation für das Lernen“ (Feilke 2012, 4), stellen andererseits aber auch eine Voraussetzung für das gesellschaftliche Leben dar (vgl. ebd.; vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 18). Trotz der offensichtlich hohen Relevanz ziele die schulische Bildung jedoch nicht darauf ab, die Bildungssprache als solche adäquat zu thematisieren und zu vermitteln, sondern setze diese voraus, ohne dabei eine Transparenz der entsprechenden Anforderungen zu schaffen (vgl. Feilke 2012, 4; vgl. Gogolin/Lange 2011, 111).

Aus diesem Grund soll es in dieser Arbeit zunächst um eine Annäherung an eine mögliche Definition anhand bisheriger und im Allgemeinen empirisch fundierter Konzepte für die Bildungssprache gehen, denn hierbei handelt es sich um kein eindeutig festlegbares Konstrukt (vgl. Gogolin 2009, 263), sodass dementsprechend auch unterschiedliche Herangehensweisen und Begrifflichkeiten für das Phänomen der Bildungssprache vorzufinden sind. Im Nachfolgenden wurde daher zunächst die Darstellung von Bildungssprache durch die Gegenüberstellung und damit in Abgrenzung zu den Varietäten der Alltagssprache sowie der Fachsprache(n) gewählt, um anhand dessen die konkreten Merkmale von Bildungssprache herausstellen zu können.

Im weiteren Verlauf soll der zentralen Fragestellung nachgegangen werden, ob und inwieweit bildungssprachliche Aspekte in beliebten Kinderfernsehsendungen anzutreffen sind, indem exemplarische Vertreter verschiedener Genres näher beleuchtet werden. Ziel ist dabei, anhand einer quantitativen sowie einer qualitativen Analyse die Häufigkeit und die Verwendungsweise von bildungssprachlichen Mittel in Kinderfernsehsendungen in Abhängigkeit des spezifischen Themenkontextes zu erfassen.

Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass das Fernsehen als Freizeitbeschäftigung unabhängig des Alters und der Schichtzugehörigkeit einen hohen Stellenwert im alltäglichen Leben der Kinder einnimmt. So bietet beispielsweise die KinderMedienStudie (KMS) aus dem Jahre 2019 umfassende Einblicke in den Medienkonsum und der Alltagsrealität der 7,31 Millionen vier- bis 13-jährigen Kinder in Deutschland (vgl. KMS 2019, 3). Daraus geht beispielsweise hervor, dass etwa 30% der befragten Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren fast jeden Tag und sogar 53% der befragten Kinder mehrmals pro Woche Fernsehsendungen schauen (vgl. ebd, 57). Ähnliche Ergebnisse liefert auch die KindheitInternetMedien-Studie (KIM-Studie) aus dem Jahre 2018, die verdeutlicht, dass das Fernsehen die häufigste Freizeitbeschäftigung der Kinder im Alter von 5 bis 16 Jahren darstellt, denn etwa drei Viertel aller Befragten sehen fast jeden Tag fern (vgl. Mpfs 2018, 39).

Aufgrund dieser weiten verbreiteten und beliebten Form der Freizeitbeschäftigung besteht das Interesse nun darin, herauszufinden, ob und inwieweit die Kinder insbesondere im Grundschulalter auch außerhalb der Schule und zwar konkret während des Fernsehens mit bildungssprachlichen Mitteln konfrontiert werden, wodurch (sprachliche) Einflüsse charakterisiert und besser eingeschätzt werden können. Die Relevanz wird insbesondere vor dem Hintergrund aktueller internationaler Studien deutlich, die offenlegen, „[…] dass die sprachliche Gestaltung des Lebens außerhalb der Schule in hohem Maße mitverantwortlich für die Leistungsdifferenz [ist]“ (Gogolin 2009, 266), insbesondere der (sprachliche) Einfluss der familiären Umgebung. Die Bildungssprache stellt dabei eine grundlegende Komponente dar, die jedoch im schulischen Kontext vorausgesetzt aber nicht explizit gelehrt wird.

2 Begriffsbestimmung und Themenabgrenzung

Die (deutsche) Sprache stellt in vielerlei Hinsicht eine grundlegende Komponente jedes Unterrichts in der Schule dar (vgl. Gogolin 2009, 264). Zum einen gilt sie als Schlüsselqualifikation, die in all ihren linguistischen Bereichen innerhalb der Schulzeit gelernt und ausgebaut werden soll, sodass die Sprache zunächst als Gegenstand des Unterrichts wahrzunehmen ist (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 11). Andererseits tritt Sprache auch als Medium des Unterrichts in Erscheinung, denn sie bietet die Grundlage für die Vermittlung und die Kommunikation zwischen den LehrerInnen und den SchülerInnen in nahezu allen Fächern (vgl. ebd.). Außerdem ist die Sprache sehr vielseitig, das sich in Form von verschiedenen Varietäten äußert und eine Thematisierung erforderlich macht (vgl. ebd.). So stellen die SchülerInnen fest, dass sich die Alltagssprache außerhalb der Schule in vielerlei Hinsicht von der in der Schule erwarteten Sprache unterscheidet und so auch andere Handlungsräume unterschiedliche sprachliche Aspekte erforderlich machen (vgl. ebd.). Allerdings fehlt es wie bereits erwähnt an der nötigen Transparenz zur Konkretisierung dieser bildungssprachlichen Anforderungen.

Aus linguistischer Sicht lassen sich beispielsweise unterschiedliche Zugänge der Bildungssprache vorfinden, die von Heller und Morek konkret herausgestellt werden. Sie zeichnet sich zum einen durch eine kommunikative Funktion aus, indem sie formale Mittel und Strukturen sprachlichen Handelns in Form eines Registers bereithält und daher das Medium von Wissenstransfer darstellt (vgl. Heller/Morek 2012, 70f.). Demnach „[…] wird angenommen, dass der Gebrauch registerspezifischer sprachlicher Formen funktional ist für die Art der jeweiligen sozialen Aktivität“ (ebd. 71). Die Funktion der Bildungssprache dient daher „der Vermittlung kognitiv anspruchsvoller Informationen“ (ebd.). Auf der epistemischen Ebene dient die Bildungssprache als Werkzeug des Denkens, denn sie ermöglicht nicht nur die adäquate Versprachlichung komplexer Sachverhalte, sondern ist grundlegend für die komplexen kognitiven Operationen, die damit in Verbindung stehen (vgl. ebd., 75). Zudem wird sie auch als Eintritts- und Visitenkarte aus sozialsymbolischer Sicht gewertet, die einen höheren Standard in der Gesellschaft ermöglicht, gleichzeitig jedoch auch für die bereits beschriebene (Chancen-)Ungleichheit sorgt (vgl. ebd., 77f.).

Diese Merkmale erscheinen auf den ersten Blick einleuchtend und für die Bildungssprache charakterisierend zu sein, doch „[d]ie Sprache der Schule ist eine besondere, elaborierte Sprache, für die sich verschiedene Begriffe etabliert haben (z.B. Bildungssprache, schulische Fachsprache, Schulsprache oder konzeptionelle Schriftlichkeit), die nicht immer dasselbe bezeichnen und auf unterschiedliche Diskurse Bezug nehmen.“ (Beese/Benholz 2013, 38), weshalb eine terminologische Einordnung nicht eindeutig vollzogen, aber dennoch eingegrenzt werden kann.

So taucht der Begriff der Bildungssprache häufig im Zusammenhang mit der schulischen Bildungsinstitution auf, beschränkt sich jedoch nicht allein darauf (vgl. Gogolin 2009, 270). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der sogenannten Schulsprache um eine einzig für und durch die Bildungsinstitution konzipierte Sprachform, die für das Lehren und Lernen dienlich ist und entsprechende Spracherwartungen miteinschließt (vgl. Feilke 2012, 5). Bei der Schulsprache handelt es sich demnach um „[…] primäre didaktische Instrumente der Förderung allgemeinerer bildungssprachlicher Potentiale“ (Feilke 2013, 120). Im Unterschied dazu zeichnet sich die Bildungssprache durch „sehr viel allgemeinere Sprachhandlungsformen und grammatische Formen [aus], die zwar nicht eigens für das Lernen gemacht sind, aber epistemisch genutzt werden“ (Feilke 2012, 5).

Um eine begriffliche Annäherung gewährleisten zu können, ist es sinnvoll, die Bildungssprache zusätzlich auch im Kontext der Alltagssprache und der vielseitigen Fachsprachen einzuordnen.

2.1 Die Alltagssprache in Abgrenzung zur Bildungssprache

Die Alltagssprache nimmt einen hohen Stellenwert im gesellschaftlichen Miteinander ein, denn sie dient zum Austausch und zur Pflege persönlicher Beziehungen sowie zur Organisation des Alltags (vgl. Schnack 2017, 6; vgl. Gogolin/Lange 2011, 110) und stellt eine außerschulisch erworbene Sprachkompetenz dar (vgl. Hövelbrinks 2013, 75).

Aus diesem Grund wird die Alltags- oder auch die damit gleichzusetzenden Umgebungssprache zunehmend in Relation zu den bildungssprachlichen Kompetenzen gesetzt und auf diese Weise kontrastiert (vgl. Kniffka/Roelcke 2016; vgl. Gogolin/Lange 2011, 110; vgl. Ortner 2009, 2231; vgl. Habermas 1977, 39f.). Die Alltagssprache zeichnet sich vorrangig durch deiktische Platzhalter anstatt konkreter (Fach-)Begriffe aus, da sich die Gesprächspartner oder –gruppen im Allgemeinen auf eine gemeinsame Situation beziehen und Gesten zur Unterstützung einsetzen können (vgl. Hövelbrinks 2017, 186; vgl. Gogolin/Lange 2011, 112). Zudem handelt es sich hierbei um eine eher dialogische Gestaltung, „[…] die Merkmale informeller mündlicher Kommunikation aufweist“ (Gogolin 2009, 270). Es lassen sich im Allgemeinen auch unspezifische Verben, wie beispielsweise sein oder machen, vorfinden (vgl. Gogolin/Lange 2011, 113). Außerdem zeichnet sich die Alltagssprache durch eine verdichtete Verwendung gliedernder Wörter aus, die „als Rahmung für weniger inhaltstragende Lexeme“ (Gogolin 2009, 269) dienen und als grammatische Dichte bezeichnet werden (vgl. ebd.).

Die Bildungssprache ist im Gegensatz dazu eher monologisch gestaltet und durch eine formelle und schriftförmige Kommunikation gekennzeichnet (vgl. ebd.). Sie hat den Anspruch, „komplexe Sachverhalte in allgemeiner Form personenunabhängig darzustellen“ (Schnack 2017, 6), ohne dass die Gesprächspartner oder –gruppen einen gemeinsamen Erlebniskontext aufweisen müssen (vgl. Gogolin/Lange 2011, 112). Bildungssprachliche Äußerungen zeichnen sich aus diesem Grund durch eine Präzision aus, die beispielsweise durch den Gebrauch kohärenter Formulierungen (vgl. ebd.) und präziser Verben (vgl. ebd., 113) erreicht werden kann. Außerdem handelt es sich bei der Bildungssprache um „Wissen, dass über das Alltagswissen hinausgeht – sowohl was die Herkunft des Wissens betrifft als auch im Hinblick auf die Breite und Tiefe der Verarbeitung“ (Ortner 2009, 2227). Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine sprachliche Informationsverdichtung handelt, die als lexikalische Dichte bezeichnet wird (vgl. Gogolin 2009, 269). Ortner ordnet zum einen die Alltags- bzw. Umgangssprache als Vermittler zwischen den vielseitigen Dialekten und der Hoch - bzw. Standardsprache ein, die als überregional normierte Sprache mitsamt der Lexik und der grammatischen Regeln gilt (vgl. Löffler 2016, 91). Daher liegt sie auch der Bildungssprache zugrunde, wobei sich diese durch fachspezifische Merkmale und fächerübergreifende Strategien von der Standardsprache unterscheidet. Zum anderen sieht er den Erwerb der Bildungssprache als Kompetenzerweiterung der Alltagssprache an (vgl. Ortner 2009, 2229).

Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die von Cummins im Jahre 1979 geprägten Begriffe der basic interpersonal communicative skills (BICS), die der Standardsprache zuzuordnen sind, und der cognitive academic language proficiency (CALP), die eine Voraussetzung für Bildungssprache darstellen sollen, hinzuziehen (vgl. Roelcke 2017, 164; vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 51ff.; vgl. Hövelbrinks 2013, 75; vgl. Gogolin/Lange 2011, 110). Diese Begriffe beziehen sich dabei nicht auf Varietäten oder sprachliche Register, sondern vielmehr auf sprachliche Kompetenzen und Fähigkeiten, die vorrangig vor dem Hintergrund des Zweitspracherwerbs von SchülerInnen mit Migrationshintergrund in den Blick gerieten (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 51; vgl. Heller/Morek 2012, 75). Die BICS stellen hierbei alltagssprachliche und der gesprochenen Sprache zuzuordnende Fertigkeiten dar, die sich insbesondere durch „[…] einen hochfrequenten Wortschatz und frequente sprachliche Routinen in Standardsituationen, geläufige grammatische und textuelle Muster [auszeichnen]“ (Kniffka/Roelcke, 52). Unter den Fertigkeiten der CALP fällt hingegen „[…] die einzelsprachunabhängige, eng an die Schriftsprache geknüpfte Fähigkeit, abstrakte und kontextentbundene Sprachmittel […] in und für Situationen des Lernens zu verwenden, und zwar vor allem, um sich (komplexe) Inhalte kognitiv und kommunikativ zu eigen zu machen.“ (Heller/Morek 2012, 75). Dieses Konzept zeigt zwar Ansätze einer möglichen Bildungssprache, doch fehlt der entscheidende Bestandteil der einzelsprachabhängigen Aspekte, die in der Bildungssprache durchaus enthalten sind (vgl. ebd.). Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, „[…] dass sich Lernende mit dem Erwerb der Bildungssprache […] zugleich fachliche und überfachliche Konzepte und Verfahrensweisen aneignen […]“ (ebd.), die ihnen zur Bewältigung und angemessenen Auseinandersetzung eines fachlichen Sachverhalts dienen und damit Bestandteile der CALP darstellen. Folglich ergibt sich daraus ein enger Zusammenhang zwischen kognitiven Entwicklungen und sprachlichen Lernens (vgl. ebd.).

Demnach zeigt sich auch in vielen Studien, dass der Erwerb der CALP, also der bildungssprachlichen Voraussetzungen, deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Erwerb der BICS, da letztere durch die Sprachsozialisation eher beiläufig erlernt werden. Außerdem wurde festgestellt, dass bildungssprachliche Defizite eine Bildungsbenachteiligung zur Folge haben (vgl. Kniffka/Roelcke, 54f.), wodurch der Stellenwert und die Relevanz dieser Kompetenzen deutlich wird.

Wie bisher bereits angedeutet wurde, spielt auch die Mündlichkeit und die Schriftlichkeit als unterscheidendes Merkmal zwischen der Alltags- und der Bildungssprache eine entscheidende Rolle (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 44; vgl. Hövelbrinks 2013, 76; vgl. Dehn 2011, 137f.; vgl. Feilke 2012, 6). Der Ursprung lässt sich bei Koch und Oesterreicher finden, die die konzeptionelle Mündlichkeit und die konzeptionelle Schriftlichkeit 1985 als Begriffe einführten (vgl. Koch/Oesterreicher 1985). Während sich die konzeptionelle Mündlichkeit unter anderem durch den bereits erwähnten hochfrequenten Wortschatz und durch die Verwendung von situationsbezogenen Informationen auszeichnet (vgl. Hövelbrinks 2013, 76) und damit eher der Alltagssprache zuzuordnen ist, verweist die konzeptionelle Schriftlichkeit durch die für die Schriftsprache typischen Strukturen auf die Bildungssprache, wie es zum Beispiel die „Situationsentbundenheit, ein höheres Maß an Informationsdichte und Verweisstrukturen, elaborierte Register und differenziertere, merkmalsreichere Lexik“ (Kniffka/Roelcke 2016, 44) darstellen. Indem die Kommunikation weitestgehend vom Kontext losgelöst erfolgt, wird von den GesprächsteilnehmerInnen auch kognitiv eine höhere Leistung abverlangt, um dem Gespräch folgen zu können (Feilke 2012, 6). Demnach spielt insbesondere der Situationsbegriff eine entscheidende Rolle für das Bestimmen von Nähe und Distanz (vgl. Schwitalla 2012, 21; vgl. Koch/Oesterreicher 1985, 19f.). In der gesprochenen Sprache der konzeptionellen Mündlichkeit handelt es sich um Gesprächspartner mit einer offenen und sich im Laufe des Gesprächs verändernden Rollenverteilung, welche Koch und Oesterreicher als Dialogizität beschreiben (vgl. Koch/Oesterreicher 1985, 19). Dadurch wird hierbei eine Sprache der Nähe unterstellt, die sich zusätzlich durch bestimmte Versprachlichungsstrategien äußert, wie zum Beispiel einer Prozesshaftigkeit, einer geringeren Informationsdichte, Komplexität, Elaboriertheit und Planung (vgl. ebd., 19ff.). Demgegenüber steht die konzeptionelle Schriftlichkeit als eine Sprache der Distanz, die sich durch eine festere Rollenverteilung auszeichnet und ebenfalls einige spezifische Merkmale aufweist, die konträr zu den der Sprache der Nähe stehen. Hierbei handelt es sich nun vielmehr um eine Verdinglichung und um eine Endgültigkeit, die eine deutlich höhere Informationsdichte, Kompaktheit, Komplexität und Elaboriertheit aufweist (vgl. ebd.). Es handelt sich hierbei um die weitverbreitete Annahme einer „[…] (Aus-)Sprache der Gebildeten, die in einen Gegensatz zur Mundart gestellt wird“ (Gogolin/Lange 2011, 107). Dennoch lässt sich anhand dieses Konzeptes die Bildungssprache nicht ohne Weiteres mit der konzeptionellen Schriftlichkeit und damit mit der Sprache der Distanz gleichsetzen, denn wie bei allen sprachlichen Handlungen ist auch hierbei die Medialität entscheidend. Obwohl allgemein vorausgesetzt wird, dass sich die Bildungssprache sowohl medial mündlich als auch medial schriftlich an der konzeptionellen Schriftlichkeit orientiere (vgl. Kniffka/Roelcke2016, 44; vgl. Gogolin/Lange 2010, 111), ist jedoch einzuwenden, dass auch in bildungssprachlichen Kontexten Merkmale der gesprochenen Sprache und damit der konzeptionellen Mündlichkeit vorzufinden sind, die von der Medialität aus vorherrschen (vgl. Heller/Morek 2012, 90; vgl. Fornol 2017, 286).

Abschließend lässt sich sagen, dass für die Alltagssprache weniger kognitive und elaborierte Kompetenzen vorausgesetzt werden als für die Bildungssprache, die als eine komplexe Erweiterung der Alltagssprache angesehen wird. Bei dieser Unterscheidung wird auch vermehrt auf die Theorie der f unctional grammar von Halliday (1994) zurückgegriffen, die besagt, dass die Unterschiede sprachlicher Äußerungen aufgrund ihrer kontextgebundenen Funktion zustande kommen (vgl. Gogolin/Lange 2011, 110), sodass bei beiden Sprachregister von sogenannten Funktiolekten (vgl. Löffler 2016, 79) gesprochen werden kann, die sich qualitativ voneinander unterscheiden.

2.2 Die Fachsprache(n) in Abgrenzung zur Bildungssprache

Der Begriff der Fachsprache taucht in vielen verschiedenen Kontexten und Lebensbereichen auf, weshalb es sich nicht nur auf eine sprachliche Form beschränken lässt, sondern vielmehr verschiedene Ausprägungen aufweist, die im Allgemeinen „[…] zur effizienten und präzisen Kommunikation unter Fachleuten dient“ (Gogolin/Lange 2011, 112). Es lässt sich allerdings auch eine zunehmende Tendenz der Übernahme von fachsprachlichen Aspekten in der Standard- und auch in der Alltagssprache feststellen (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 14), die zum Teil für Kritik hinsichtlich der Unverständlichkeit insbesondere in fachsprachlichen Schriften, Fachtexten und Dokumenten sorgt (vgl. Gogolin 2009, 268; vgl. Roelcke 2017, 165), da die erforderlichen Kenntnisse fehlen. Dabei lassen sich einige Kernbereiche ausmachen, aus denen besonders häufig lexikalische Begriffe in den alltäglichen Wortschatz aufgenommen werden. Zum einen stellt die Wissenschaft einen solchen Bereich dar, indem beispielsweise bestimmte Medikamente oder Krankheiten aus der Fachsprache der Humanmedizin übernommen werden. Auch die Technik birgt Begrifflichkeiten für Fortschritte, Neuerungen und Entwicklungen, die in der alltäglichen Sprache Nennung finden. Ein Beispiel hierfür stellen die Neuen Medien dar, die vor allem die allgemeine Lexik beeinflussen, zum Beispiel durch den Gebrauch von E-Mail, Hypertext oder Internet. Auch der Einfluss verschiedener Institutionen lässt sich wiederfinden. Das Bankwesen bringt dabei lexikalische Begriffe ein wie Hedgefonds oder Kontokorrentkredit, während aus dem Bereich des Rechtswesens Begriffe wie Jugendschutz oder Strafmaß entnehmbar sind (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 14).

Nicht nur die Übernahme von einzelnen lexikalischen Begriffen ist bei den fachsprachlichen Einflüssen zu vernehmen, sondern deutlich sichtbar auch die Merkmale der spezifischen Fachtexten, die neben der jeweiligen fachspezifischen Lexik ebenfalls durch einen besonderen Gebrauch der Grammatik und der Syntax sowie einem spezifischen Textaufbau hinsichtlich ihrer Funktion gekennzeichnet sind. Texte beschränken sich hierbei jedoch nicht nur auf das Medium der Schriftlichkeit, sondern nehmen ebenso Bezug auf gesprochene Fachsprachen. Entscheidend ist jedoch, dass jede Fachsprache unabhängig von ihrer Medialität der bereits erläuterten konzeptionellen Schriftlichkeit zuzuordnen ist (vgl. Ortner 2009, 2229; vgl. Habermas 1977, 39). Beispiele für solche Fachtexte stellen in der Wissenschaft die Beipackzettel von Medikamenten oder die Gespräche zwischen ÄrztInnen und PatientInnen dar, in der Technik zum Beispiel die technische Beschreibung eines Kraftfahrzeuges und im Bereich der Institutionen beispielsweise der Bescheid über den Einkommensteuerjahresausgleich (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 14f.). Diese Beispiele verdeutlichen, dass auch die Alltagssprache in vielen Lebensbereichen Bezug auf die einzelnen fachgebundenen Sprachen nimmt, sodass durchaus „von einer wachsenden Verwissenschaftlichung, Technisierung und Institutionalisierung in der Alltagssprache“ (ebd., S. 15) zu sprechen ist. Auch das spätere Ausüben eines Berufes erfordert fachsprachliche Kompetenzen, auf die durch das Erlernen bildungssprachlicher Kompetenzen vorbereitet werden soll (vgl. ebd.).

Charakteristisch für sämtliche Fachsprachen sind fachspezifische Substantive und insbesondere Komposita. „Die weit entwickelte lexikalische Ausdifferenzierung ist [dabei] eine Folge der zunehmenden Spezialisierung der sprachlichen Mittel, die die eindeutige Verständigung über fachliche Gegenstände [zwar] erleichtert“ (Grießhaber 2013, 58), für Außenstehende ohne fachliche Kenntnisse jedoch unverständlich erscheint. Aus diesem Grund ist das Vermitteln allein der fachspezifischen Begrifflichkeiten wenig zielführend, „[…] da fachliches Wissen die Basis fachlichen [und kommunikativen] Handelns bildet“ (ebd., 59). Die Bildungssprache erhebt demnach nicht allein den Anspruch, vielseitige Kenntnisse über Begriffe verschiedener Fachbereiche zu vermitteln, sondern sich vielmehr mithilfe von geeigneten Mitteln und Kenntnisse mit fremdem (Fach-)Wortschatz und fremden Textkonstruktionen auseinandersetzen zu können. Sie weist zwar einen fachspezifischen Anteil insbesondere in der Lexik auf und führt damit zu einer Überschneidung der Varietät der Fachsprache (vgl. Gogolin/Lange 2011, 112), doch die Bildungssprache zeichnet sich ebenso durch die fachübergreifenden Merkmale aus (vgl. Gogolin 2009, 270), die das bereits geschilderte Zurechtfinden in den einzelnen Fachsprachen ermöglichen.

Auch innerhalb der schulischen Bildungsinstitution wird bereits deutlich, dass es fachspezifische Sprachhandlungen zu geben scheint, die sich in mancher Hinsicht grundlegend voneinander unterscheiden. So gelten in den geisteswissenschaftlichen Fächern andere sprachliche Anforderungen und methodische Herangehensweisen als in den naturwissenschaftlichen Bereichen (vgl. Hövelbrinks 2013, 75). Dieser Sachverhalt macht daher ebenfalls deutlich, welche Relevanz nicht nur das Vermitteln von fachspezifischen, sondern auch von fächerübergreifenden Komponenten für den schulischen und auch für den gesellschaftlichen Alltag hat, aus denen sich die Bildungssprache zusammensetzt.

2.3 Konkretisierung bildungssprachlicher Merkmale

Aus den bisherigen Schilderungen lässt sich zusammenfassen, dass die Bildungssprache als Vermittlungsglied zwischen der Alltagssprache und den Fachsprachen fungiert (vgl. Habermas 1977, 38; vgl. Gogolin 2009, 269; vgl. Ortner 2009, 2232). Die Bildungssprache stellt im Gegensatz zu den übrigen allerdings auch eine normative Varietät dar, wenn sie im Kontext schulischer Bildung gesehen wird (vgl. Feilke 2012, 6; vgl. Gogolin/Lange 2011, 111; vgl. Gogolin 2009, 268f.). Sie wird nicht nur in Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien gebraucht, sondern findet auch im Unterrichtsgeschehen und insbesondere in Prüfungen Verwendung, die das Beherrschen und das Gebrauchen der Bildungssprache voraussetzen (vgl. Gogolin 2009, 268f.) wenngleich ein explizites Vermitteln der Bildungssprache ausbleibt. Der Lehrplan für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen verweist insbesondere auf die Funktion bildungssprachlicher Aspekte, wenngleich es nicht als solche benannt wird:

Ziel ist es, die alltagskommunikativen und die fachsprachlichen Kompetenzen so zu erweitern und zu festigen, dass das differenzierte Verstehen und Darstellen von Sachverhalten erweitert wird und sprachlich bedingte Lernhemmnisse abgebaut werden (MSW 2008, 14).

Doch auch hierbei werden weder konkrete Herangehensweisen aufgeführt, die zu einer solchen Erweiterung herangezogen werden sollen, noch erfolgt eine Schilderung von geeigneten Fördermaßnahmen.

Um das Sprachregister der Bildungssprache annähernd erfassen zu könne, empfiehlt es sich, die typischen Merkmal vor dem Hintergrund der drei grundlegenden Kategorien der lexikalischen, der morphosyntaktischen und der textlichen Ebene zu betrachten und auf diese Weise nicht nur eine Systematisierung vorzunehmen, sondern auch eine Abgrenzung zu den übrigen Sprachregistern zu ermöglichen (vgl. Gogolin/Lange 2011, 112; vgl. Gogolin 2009, 269). In den vorherigen Kapiteln erfolgt vereinzelt die Unterscheidung zwischen der Alltagssprache bzw. der Fachsprachen und der Bildungssprache durch eine Gegenüberstellung, welche nun konkretisiert und mit Fokus auf die Bildungssprache näher beleuchtet werden soll.

Die lexikalisch-semantische Ebene der Bildungssprache zeichnet sich dabei insbesondere durch einen ausdifferenzierten und vielseitigen Wortschatz aus. Außerdem kommen Strategien zum Einsatz, die für eine Präzision und Verdichtung von Informationen sorgen (vgl. Gogolin 2009, 269), wie es etwa bei der Nominalisierung der Fall ist. Die morphosyntaktischen Eigenschaften der Bildungssprache beziehen sich insbesondere auf den „[…] Gebrauch elaborierter Formen des Ausdrucks von Zeit und räumlicher Lage sowie [den] Einsatz deklarativer oder argumentativer Formen des Prädikats […]“ (Gogolin 2009, 269). Zudem wird mithilfe sprachlicher Mittel konsequent zwischen eigener Einstellung und wiedergegebenem Standpunkt unterschieden und vor Augen geführt (vgl. ebd.). Auf der syntaktischen Ebene lassen sich außerdem vermehrt koordinierende und subordinierende Konstruktionen sowie der Gebrauch von Konnektoren ausmachen, die eine Kohäsion gewährleisten (vgl. ebd.). Auch der Gebrauch des Konjunktivs und des Passivs stellt ein Merkmal des bildungssprachlichen Registers dar (vgl. Gogolin/Lange 2011, 113), weil es eine Distanz zwischen dem Sprachverwender und dem gesprochenen bzw. geschriebenen Inhalt schafft. Die textuelle Ebene der Bildungssprache umfasst eine eher monologische Gestaltung, die eine hohe Kohärenz und die Einhaltung eines Modus aufweist, beispielsweise einer Narration oder einer Argumentation (vgl. Gogolin 2009, 269). Zusammenfassend lässt sich als zentrales Merkmal die sprachliche Explizitheit „im Sinne detaillierter, kontextentbunden verständlicher Textentfaltung und begrifflicher Präzision“ (Heller/Morek 2012, 68) anführen, wozu die aufgelisteten Merkmale der verschiedenen Ebenen beitragen.

Allerdings reichen die grammatischen und lexikalischen Merkmale nicht aus, um die Bildungssprache in ihrer Ganzheit zu erfassen. Auch Hövelbrinks bringt zum Ausdruck, dass die vorgeschlagenen „Inventare an bildungssprachlichen Mitteln […] zwar relativ gut zu beobachten sind, die Komplexität sprachlichen Handelns im Unterricht jedoch nicht ausreichend erfassen“ (Hövelbrinks 2017, 185). Erweitert müsse es durch die sogenannten Diskursfunktionen (vgl. Vollmer/Thürmann 2010, 116f.; vgl. Hövelbrinks 2017, 187), welche sich als „integrative Einheit von Inhalten, Denken und Sprechen“ (Vollmer/Thürmann 2010, 116) zusammenfassen lassen. Diese lassen sich insbesondere im schulischen Kontext auf bekannte Operatoren beziehen, wie etwa das Beschreiben, das Vergleichen, das Erklären oder das Analysieren (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 45; vgl. Hövelbrinks 2013, 77; vgl. Ahrenholz 2013, 87; vgl. Feilke 2012, 5; vgl. Gogolin/Lange 2011, 113), wodurch verdeutlicht werden kann, dass es sich hierbei um fächerübergreifende Kompetenzen der Bildungssprache handelt, die zunächst unabhängig vom fachlichen Inhalt verstanden und beherrscht werden müssen (vgl. Gogolin/Lange 2011, 113). Bildungssprachliche Kenntnisse ermöglichen demnach auch die Verwendung von komplexen kognitiven Operationen, wie beispielsweise die Abstraktion, die Verallgemeinerung oder die Kausalität (vgl. Heller/Morek 2012, 75). Um sich von dem rein funktionalen Gebrauch einer registerspezifischen Sprachform innerhalb konkreter Sprachhandlungen zu distanzieren und die Gesamtheit bildungssprachlicher Kompetenzen stärker in den Vordergrund zu rücken, wählen Heller und Morek statt des Begriffs der Bildungssprache den der bildungssprachlichen Praktiken, „[…] die der institutionellen Situiertheit und medialen Spezifik sprachlichen Handelns in Bildungszusammenhängen Rechnung zu tragen versucht.“ (Heller/Morek 2012, 69). Diesen Aspekt beinhaltet auch die der eigenen Forschung zugrundegelegten Arbeitsdefinition von Hövelbrinks, auf die sich auch diese Arbeit stützen wird:

Bildungssprachliche Kompetenz umfasst die Fähigkeit zur rezeptiven und produktiven Anwendung (zumeist schriftsprachlicher) morphosyntaktischer und lexikalischer Elemente für die Realisierung (zumeist kontextentbundener) fachlich angemessener Diskursfunktionen. (Hövelbrinks 2014, 110)

Zusammenfassend lässt sich die Bildungssprache als „[…] ein Medium [beschreiben], durch das Bestandteile der Wissenschaftssprache [bzw. der Fachsprache] von der Umgebungssprache assimiliert werden.“ (Habermas 1977, 40). Dabei reicht es jedoch keineswegs aus, die fachsprachenbezogenen Begrifflichkeiten zu kennen und zu verstehen. Vielmehr liegt das Hauptaugenmerk auf der Vermittlung „spezifischer sprachlicher Fähigkeiten“ (Gogolin/Lange 2011, 110) sowie eines „spezifische[n] Verständnis[ses] der Funktion von Sprache“ (ebd., 108). Die Aneignung des bildungssprachlichen Registers in der schulischen Bildung soll demnach als Orientierungswissen dienen, um sich in fachsprachlichen Kontexten zurechtfinden zu können (vgl. Habermas 1977, 40).

3 Beschreibung des Forschungsprojekts

Im Nachfolgenden werden exemplarische Kinderfernsehsendungen hinzugezogen und unter ausgewählten Gesichtspunkten bildungssprachlicher Mittel untersucht, um feststellen zu können, ob und in welchem Maße die SchülerInnen insbesondere im Grundschulalter bildungssprachlichen Einflüssen durch das Fernsehen, welches sie regelmäßig als Freizeitbeschäftigung nutzen, ausgesetzt sind. Diese Fragestellung ist besonderes unter der Berücksichtigung der höchst heterogenen Gesellschaftskonstellationen und den wachsenden schulischen Ansprüchen bezüglich der deutschen (Bildungs-)Sprachkenntnisse nicht unerheblich, da es den Kindern bildungsferner Familien sowie den ZweitsprachenlernerInnen eine Möglichkeit des (bildungs-)sprachlichen Einflusses gewährleisten könnte. Denn nicht nur der produktive sondern auch der rezeptive Umgang mit bildungssprachlichen Mitteln und Strukturen kann zu einer Aneignung bildungssprachlichen Handelns führen und als Medium der Wissensdarstellung und –vermittlung nutzbar gemacht werden (vgl. Heller/Morek 2012, 76). Da die Fernsehlandschaft insbesondere für Kinder eine breite Vielfalt an Fernsehsendungen bereithält, gilt es, eine möglichst vielseitige Auswahl der zu untersuchenden Kinderfernsehsendungen zu treffen.

3.1 Auswahl der Kinderfernsehsendungen

Die Relevanz der Differenzierung von Programminhalten äußert sich nicht nur in der heterogenen Zusammensetzung der beliebten Fernsehsendungen, die zahlreiche Studien belegen, sondern „[e]s kann davon ausgegangen werden, dass der verbale Anteil der unterschiedlichen Sendungen und das Niveau der darin vermittelten Sprache stark variieren“ (Schiffer 2003, 19), weshalb es für die Auswahl des Datenkorpus von großer Bedeutung ist, möglichst verschiedene Arten von Sendungen in Betracht zu ziehen. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Formen von Kinderfernsehsendungen ausmachen, indem entweder der Informations- oder der Unterhaltungsaspekt vordergründig in Erscheinung tritt (vgl. ebd.), wobei letzteres deutlich häufiger im Kinderfernsehprogramm vertreten ist.

Die konkrete Auswahl der einzelnen Kinderfernsehsendungen unterliegt drei wichtigen Kriterien, die vor dem Hintergrund der GrundschülerInnen als Zielgruppe hinzugezogen werden und in Anlehnung an die Kriterien der Programmberatung FLIMMO (vgl. VPfE a), die sich an die Eltern richtet, erstellt wurden. Zum einen ist es erforderlich, dass es sich um speziell für Kinder konzipierte Sendungen mit einer hohen Reichweite handelt, da sie demnach besonders viele Kinder erreichen. Aus diesem Grund findet von Beginn an eine Beschränkung auf die drei erfolgreichsten für Kinder ausgelegten Fernsehsender Super RTL, KiKa und neuerdings auch Disney Channel (vgl. Feierabend/Scolari 2019, 161; vgl. Mpfs 2018, 39) statt. Allerdings wird sich im Folgenden zeigen, dass die Mehrheit der Sendungen dem Sender KiKa entnommen ist. Dies hängt nicht nur mit der Beliebtheit des Senders und der einzelnen Sendungen zusammen, sondern auch mit der Tatsache, dass es sich größtenteils um ursprünglich deutschsprachige Sendungen handelt und diese nicht aus einer anderen Sprache übersetzt wurden. Außerdem werden aktuell ausgestrahlte Fernsehsendungen im Zeitraum von Juni bis August 2019 in Betracht gezogen. Ferner wird auch der Wochentag und der Zeitpunkt der Ausstrahlung einzelner Sendungen vor dem Hintergrund entsprechender Studien in den Blick genommen, um sicherzustellen, dass möglichst viele Kinder auch Zugang zu der jeweiligen Folge einer Fernsehsendung haben. Zudem lässt die Ausstrahlung einer Sendung zu einem bestimmten Tageszeitpunkt Rückschlüsse auf die überdauernde Beliebtheit bei Kindern zu. Daraus ergibt sich auch der zweite relevante Punkt bezüglich der Auswahl, der darin besteht, die Fernsehsendungen auf ihre Regelmäßigkeit der Ausstrahlung zu überprüfen, da anzunehmen ist, dass sich die entsprechenden (bildungs-)sprachlichen Einflüsse nur durch einen längeren Zeitraum als relevant herausstellen könnten. Der dritte Aspekt, auf dem die Auswahl der Kinderfernsehsendungen beruht, verweist auf verschiedene Genres. Da sich die Fernsehlandschaft durch eine äußerst heterogene Zusammensetzung von Genres auszeichnet, ist es wichtig, möglichst viele Bereiche abzudecken, um so einen flächendeckenden Vergleich anstreben zu können, ohne eine gezielte Verallgemeinerbarkeit unterstellen zu wollen, denn bei dieser Forschungsarbeit geht es vielmehr darum, sich einen Überblick über die (bildungs-)sprachliche Qualität der ausgewählten Kinderfernsehsendungen zu verschaffen. Eine Orientierung bezüglich der Genres erfolgt anhand einer durchgeführten Studie von BML und ZDF zum Thema Medienkonvergenz, die ebenfalls eine Kategorisierung der verschiedenen Sendungen vornimmt. Die Kinderfernsehsendungen lassen sich dabei in Serien und Soaps, in Zeichentrick- und Animationsserien, in Magazinen sowie in Spielshows unterteilen (vgl. Wagner 2002, 22).

Auf dieser Grundlage wird zunächst eine Folge des bereits seit Jahrzehnten bestehenden Formats Die Sendung mit der Maus in Betracht gezogen. Aufgrund ihrer Langlebigkeit unterstellt man ihr ohnehin eine große Beliebtheit und damit eine eindrucksvolle Reichweite bei Kindern, zumal nun auch für die Kleinkinder ein ähnliches Format in Form Die Sendung mit dem Elefanten anzutreffen ist. Auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Ausstrahlung zeigt sich, dass besonders viele Kinder erreicht werden. So wird in der Studie Was Kinder sehen aus dem Jahre 2019 aufgeführt, dass die Fernsehnutzung der Kinder sonntags vormittags nach wie vor zwei Hochpunkte aufweist, „hinter denen sich die beiden Ausstrahlungen von Die Sendung mit der Maus in Das Erste um 9.30 Uhr und im KiKa um 11.30 Uhr verbergen“ (Feierabend/Scolari 2019, 159). Da sich der Ausstrahlungszeitraum bis heute nicht verändert hat, lässt sich durchaus sagen, dass es sich hierbei um eine erfolgreiche Sendung handelt, die sich sowohl im Fernsehprogramm als auch bei seinen ZuschauerInnen etabliert hat. Das besondere an dieser Sendung ist die herstellende Verbindung zwischen wissenschaftlich-informativen Inhalten und unterhaltsamen Szenen, die zwar einer Thematik entsprechen, sich jedoch in der Art der (sprachlichen) Darstellung grundlegend unterscheiden. Daher ist diese Sendung dem Genre des Magazins zuzuordnen (vgl. Wagner 2002, 22).

Auch die Kinderfernsehserie Wickie und die starken Männer, die dem Genre der Animationsserie angehört, weist einen langjährigen Erfolg auf, der sich durch entsprechend aktuellen Statistiken bestätigen lässt. Die Studie Was Kinder sehen 2018 führt beispielsweise die Hitliste der zehn erfolgreichsten Fernsehsendungen bei Kindern im Alter von drei bis 13 Jahren im Jahr 2017 auf, wobei Wickie und die starken Männer mit sechs Folgen vertreten und sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen beliebt ist (vgl. Feierabend/Scolari 2018, 174). Die aktuelle Studie Was Kinder sehen 2019 zeigt zwar im Vergleich einen Rückgang der Sendung, die dennoch auch hier auf zwei von zehn Plätzen Nennung findet. 2017 lief die Sendung im KiKa jeden Tag um 19.10 Uhr, sodass es im täglichen Kernbereich der meisten Fernsehnutzung der Kinder lag (vgl. ebd., 167; vgl. Feierabend/Scolari 2019, 160). Zurzeit werden jeden Freitag ab 11.30 Uhr die Wiederholungen von fünf Folgen präsentiert, wodurch bei der aktuellen Reichweite mit einer Abnahme zu rechnen ist. Dennoch gelten der jahrelange Erfolg und der unaufhörliche Einzug der Fernsehserie in das Fernsehprogramm als Indikatoren für eine überdauernde Beliebtheit bei den Kindern.

Die Fernsehsendung Jessie stellt einen Vertreter des Genres der Serien und Soaps dar und ist besonders bei den älteren Grundschulkindern aufgrund des hohen Unterhaltungswertes beliebt (vgl. VPfE b). Obwohl sie erst seit 2011 besteht, erhält sie regelmäßigen Einzug in den Kernbereich der meisten Fernsehnutzung um 19.30 Uhr im Disney Channnel und wurde zusätzlich im Jahre 2015 um die Serie Camp Kikiwaka erweitert, in der das Leben einiger Charaktere fortgeführt wird. Außerdem handelt es sich hierbei um eine US-amerikanische Fernsehserie, die demnach ins Deutsche übersetzt wurde und damit eine Ausnahme in dieser Auswahl darstellt.

Um die Kategorie der Spielshows abdecken zu können, wird eine Folge der seit 1977 bestehende Show Eins, zwei oder drei hinzugezogen und analysiert. Auch hierbei handelt es sich um eine seit Jahrzehnten bestehende Fernsehsendung, die sich einer großen Beliebtheit erfreut. Sie liegt zwar nicht in der Kernzeit, erreicht am späten Sonntagnachmittag dennoch viele Kinder. Außerdem wird sie neben dem Sender KiKa auf drei weiteren Fernsehsendern ausgestrahlt. Diese Show zeichnet sich durch variierende Bestandteile eines Quiz, einer Informations- und einer Unterhaltungssendung aus.

Hierbei lässt sich die der Forschungsarbeit zugrundeliegende Hypothese aufstellen, dass die Sendungen, in denen auch der Informationsaspekt vorkommt, einen deutlich höheren bildungssprachlichen Anteil aufweisen als solche, die vorrangig der Unterhaltung dienen. Auf die konkret ausgewählten Kinderfernsehsendungen übertragen bedeutet dies, dass im Magazin Die Sendung mit der Maus und in der Spielshow Eins, zwei oder drei deutlich mehr bildungssprachliche Praktiken vorzufinden sind, als es in den Serien Wickie und die starken Männer sowie Jessie der Fall ist.

3.2 Darstellung und Begründung ausgewählter Methoden

Um die sprachlichen Anteile in den Kinderfernsehsendungen adäquat nutzen, ein Maß an bildungssprachlichen Mitteln innerhalb einer Sendung bestimmen und auf diese Weise mit den übrigen Sendungen vergleichbar machen sowie den Gebrauch dieser bildungssprachlichen Mittel im thematischen Kontext beurteilen zu können, bedarf es geeigneter Methoden und Instrumente, die im Folgenden begründet dargestellt werden.

3.2.1 Datenaufbereitung

Die Datenaufbereitung ausgewählter Folgen bestimmter Fernsehsendungen erfolgt durch das Verfahren der Transkription, die eine schriftliche Fixierung gesprochener Sprache ermöglicht und auf diese Weise eine Analyse möglich macht (vgl. Hövelbrinks 2014, 135). Hierfür werden Transkriptionsregeln in Anlehnung eines unveröffentlichten Manuskripts der Lehrenden des Studienganges Grundschule der Universität Duisburg-Essen angewandt (vgl. Anhang, 41), da hiermit zum einen bereits persönliche Erfahrungen gemacht wurden und zum anderen eine vereinfachtere Form der Verschriftlichung gesprochener Sprache genutzt wird, als es bei konventionellen Transkriptionsregeln der Fall ist. Dafür werden die Sprechakte in sogenannte Turns eingeteilt, die jeweils durch eine neue Zeile markiert werden und den jeweiligen Gesprächsanteil einer Person bis zum darauffolgenden Sprecherwechsel wiedergeben (vgl. Hövelbrinks 2014, 137). Da es bei dieser Forschung weniger um die Merkmale gesprochener Sprache geht, sondern vielmehr um die inhaltliche Verwendung von bildungssprachlichen Mitteln, bedarf es keiner detaillierten Auffassung dieser Merkmale. Auch die Handlungen, die innerhalb der Sendungen vollzogen werden, werden selektiert in eckigen Klammern wiedergegeben, wenn die sprachlichen Umstände, beispielsweise durch deiktische Ausdrücke, dies erforderlich machen oder die kontextuellen Rahmenbedingungen für eine sprachliche Äußerung durch non- oder paraverbale Aspekte relevant sind. Außerdem erfolgen sequenzartige Auslassungen von einzelnen Ausschnitten innerhalb der Kinderfernsehsendungen, wenn beispielsweise eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, wie es beispielsweise in Die Sendung mit der Maus zu Beginn oder bei dem Titellied von Jessie der Fall ist, da in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die deutsche Bildungssprache Bezug genommen wird. Auch Ausschnitte, die sich auf eine ausschließlich visuelle und damit nonverbale Wiedergabe beschränken, wie es die Sequenz zu Shaun das Schaf darstellt, werden ausgeblendet. Bei der Verschriftlichung der gesprochenen Sprache wird die deutsche Standardorthographie (vgl. Dudenredaktion 2017) berücksichtigt und die Charakteristika der Mündlichkeit wie die Auslautverhärtungen (Honig – Honich) oder das Zusammenziehen des Verbs und des Platzhalters es (ist es – ist’s) weitestgehend außer Betracht gelassen, da sie der konzeptionellen Mündlichkeit geschuldet sind und keine Relevanz im Hinblick auf die Verwendung bildungssprachlicher Mittel aufweisen. Umgangssprachliche, onomatopoetische und interjektionelle Ausdrücke werden jedoch bei der Transkription und bei der anschließenden Zählung berücksichtigt.

3.2.2 Datenanalyse

Die Analyse der erhobenen Daten erfolgt auf zwei verschiedenen Ebenen, die in Anlehnung an Hövelbrinks Studie zur bildungssprachlichen Kompetenz von einsprachig und mehrsprachig aufwachsenden Kindern (vgl. Hövelbrinks 2014) und Fornols Forschung hinsichtlich der Verwendung bildungssprachlicher Mittel in Schülertexten (vgl. Fornol 2017) entwickelt wurden.

Der erste Teil besteht aus einer quantitativen Datenerhebung, in der die konkrete Anzahl der in der Kinderfernsehsendung vorkommenden bildungssprachlichen Elemente in Relation zu der Gesamtanzahl der gesprochenen Worte gesetzt wird. Auf diese Weise erfolgt eine deduktive Analyse der sprachlichen Oberfläche, mit der vorrangig die Verwendung bzw. das Vorkommen morphosytaktischer und lexikalischer Bestandteile der Bildungssprache vom Kontext losgelöst untersucht wird (vgl. Hövelbrinks 2017, 189). Der relative Wert stellt auf diese Weise ein Maß für die tendenzielle Häufigkeit des Vorkommens von bildungssprachlichen Mitteln in der jeweiligen Sendung dar und ermöglicht zudem einen grundlegenden Vergleich zu den übrigen ausgewählten Kinderfernsehsendungen. Hierfür findet sich je Turn eine Zusammenfassung der darin vorkommenden bildungssprachlichen Mittel, die als Orientierung für den weiteren Verlauf dienen.

Aus Kapitel 2.3 geht jedoch bereits hervor, dass diese Ebene nicht ausreicht, um die Bildungssprache im vollen Umfang zu erfassen. Aus diesem Grund soll in einem zweiten Teil eine induktive Analyse (vgl. ebd.) erfolgen, die eine qualitative Einordnung der verwendeten Bildungssprache ermöglicht. Diese erfolgt durch die Untersuchung und die Bewertung der herausgestellten bildungssprachlichen Mittel vor dem thematischen Hintergrund der Fernsehsendung und insbesondere im Hinblick auf die konkrete Kontexteinbettung sprachlicher Handlungen. Diese Analyse hat dabei nicht den Anspruch, alle untersuchten Sendungen im vollen Umfang auf die Qualität der Verwendung der zuvor erfassten bildungssprachlichen Mittel zu überprüfen, sondern lediglich exemplarische Einblicke in einer Gegenüberstellung der Quantität und der Qualität von bildungssprachlichen Praktiken zu gewährleisten. Hierbei fließen Faktoren wie die fachliche Korrektheit, die Angemessenheit von Formulierungen im situativen Kontext sowie die Ausdruckswahl im semantischen Kontext mit ein (vgl. Fornol 2017, 289). Auch die Diskursfunktionen finden an dieser Stelle Berücksichtigung und ermöglichen auf diese Weise das Aufzeigen der fächerübergreifenden bildungssprachlichen Kompetenzen hinsichtlich sprachlicher Handlungen.

3.3 Auswahl der Bewertungskriterien

Die beschriebenen Formen der Analyse setzen zunächst eine Festlegung von Bewertungskriterien voraus, um ein objektives Bestimmen von bildungssprachlichen Mitteln innerhalb der Turns gewährleisten zu können. Dafür werden die bereits unter Kapitel 2.3 genannten Merkmale von bildungssprachlichen Praktiken im Folgenden durch die Anlehnung an bereits bestehende Kategorisierungen von bildungssprachlichen Mitteln sowie Diskursfunktionen konkretisiert und ausdifferenziert. Grundlegend hierfür ist das von Hövelbrinks erstellte Kategoriensystem zur Bildungssprache (vgl. Hövelbrinks 2014, 375-389).

3.3.1 Bestimmung bildungssprachlicher Mittel

Für die Bestimmung einzelner bildungssprachlicher Mittel bedarf es einer konkreten Charakterisierung dieser. Diese lassen sich in die beiden bereits in groben Zügen geschilderten Kategorien der Lexik und der Morphosyntax unterteilen, die im Folgenden näher bestimmt werden.

Auf der lexikalischen Ebene erhalten Komposita, die eine nominale Zusammensetzung mehrerer Wörter darstellen (vgl. Imo 2016, 7; vgl. Kessel/Reimann 2017, 117f.), eine bildungssprachliche Bedeutung, wozu auch Neologismen zu zählen sind (vgl. Hövelbrinks 2014, 381; vgl. Gogolin/Lange 2011, 114; vgl. Fornol 2017, 286). Lediglich Komposita, die durchweg anderssprachige Bestandteile aufweisen, werden dabei nicht berücksichtigt. Außerdem gelten die wortartverändernden Nominalisierungen (vgl. Imo 2016, 7) als relevante Elemente der Bildungssprache (vgl. Hövelbrinks 2014, 381; vgl. Fornol 2017, 286; vgl. Heller/Morek 2012, 73). Dazu zählen nicht nur Konversionen, die „ohne äußere (morphologische) Kennzeichen“ (vgl. Kessel/Reimann 2017, 129) als Nomen genutzt werden, sondern auch Derivationen, bei denen Verben und Adjektive durch Suffixe in Nomen umgewandelt werden (vgl. Imo 2016, 7). Auch Fachbegriffe sowie fachbezogene Begriffe stellen einen Teil der Bildungssprache dar (vgl. Gogolin/Lange 2011, 114; vgl. Fornol 2017, 286) und werden berücksichtigt. Da dies jedoch ein breites und schwer für den Einzelfall zu definierendes Feld darstellt, werden alle dem Fachgebiet der entsprechenden Thematik zuzuordnenden Begriffe als solche aufgefasst, wenngleich es sich um fest etablierte Bestandteile der Alltagssprache handelt, wie es etwa bei dem Begriff Honig der Fall ist. Stellt ein solcher Fach- oder fachbezogener Begriff jedoch ein Kompositum dar, wie es sich bei der Erdbeere zeigt, so werden sie in der letzteren Kategorie erfasst und nur einfach gezählt. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass jedes bildungssprachliche Vorkommen ungeachtet von Mehrfachnennungen und Wiederholungen in der Zählung eingeschlossen wird. Desweiteren werden Präfixverben (vgl. Imo 2016, 56) als Vertreter der komplexen Verben erfasst, die auch Reflexivpronomen beinhalten können (vgl. ebd., 61) und ebenfalls als charakteristisch für die Bildungssprache erachtet werden (vgl. Gogolin, Lange 2011, 114; vgl. Hövelbrinks 2014, 379). Die Kategorie der Präfixverben, die oftmals dahingehend definiert werden, dass sich die Präfixe nicht vom jeweiligen Verb trennen lassen (vgl. Imo 2016, 56), werden hierbei jedoch um die sogenannten Partikelverben erweitert, dessen Präfixe vom Verb getrennt werden können (vgl. ebd.). Im Kontext der bildungssprachlichen Mittel wird daher oftmals von trennbaren und nicht-trennbaren Präfixverben gesprochen (vgl. Hövelbrinks 2014, 379; vgl. Gogolin/Lange 2011, 114). Bei der Zählung gilt es, zu beachten, dass auch die trennbaren Verben, deren Präfixe am Ende des Satzes stehen, in jedem Fall nur einfach gezählt werden, da sie eine Einheit darstellen. Die Verwendung von Funktionsverbgefügen, also von bestimmten Konstellationen, die aus einem Verb und entweder einer Nominal- oder einer Präpositionalphrase bestehen und in Verbindung eine andere Bedeutung haben (vgl. Imo 2016, 56f.), stellt ebenfalls eine Besonderheit der Bildungssprache dar (vgl. Gogolin/Lange 2011, 114; vgl. Fornol 2017, 287) und erfährt daher auch hier eine Berücksichtigung.

Die morphosyntaktische Ebene zeichnet sich durch „explizite Markierungen der Kohäsion“ (Gogolin/Lange 2011, 114; vgl. Fornol 2017, 287) aus, die für die konzeptionelle Schriftlichkeit charakteristisch sind (vgl. Kapitel 2.3). Entscheidend sind hierbei die Konnektoren, die eine Textkohäsion erzeugen (vgl. Kessel/Reimann 2017, 264) und für die Zählung in Betracht gezogen werden. Sollte kein Konnektor verwendet werden, sondern vielmehr eine veränderte Satzstellung als Markierung für die Verknüpfung von Teilsätzen dienen (vgl. Hövelbrinks 2014, 378), so wird diese ebenfalls einfach gezählt. Hinzu kommen komplexe Satzstrukturen, die ebenfalls als Merkmal der Bildungssprache angesehen werden (vgl. ebd. 377; vgl. Heller/Morek 2012, 73). Die grundlegende Form ist der parataktische Satzbau, der mindestens zwei gleichartige Sätze beinhaltet (vgl. Kessel/Reimann 2017, 7). Die Hypotaxe stellt eine hierarchische Verschachtelung mindestens eines Hauptsatzes und eines Nebensatzes dar (vgl. ebd.) und zählt ebenso wie die Parataxe als bildungssprachliches Mittel (vgl. Hövelbrinks 2014, 378). Da das Erfassen von konkreten zusammenhängenden Sätzen in der gesprochenen Sprache nicht immer eindeutig möglich ist, findet bei diesem Sachverhalt eine Konzentration auf koordinierende und auf subordinierende Konjunktionen statt (vgl. Imo 2016, 23f.), die als Indikator für komplexe Satzstrukturen gesehen werden können. Da diese auch als Konnektoren in Erscheinung treten können, ist es insbesondere für die anschließende qualitative Analyse von Nöten, eine Einordnung durch den Einbezug des jeweiligen Kontextes vorzunehmen. Zu den komplexen Satzstrukturen zählen desweiteren auch Infinitivergänzungen (vgl. Imo 2016, 215f.) sowie Partizipialkonstruktionen (vgl. ebd., 31f.), die statt eines Nebensatzes auftauchen können. Auch die Relativ - oder Fragepronomen als einleitende Faktoren von Nebensätzen (vgl. ebd., 214) markieren komplexe Sätze und sind daher für die Zählung relevant. Der Fall einer doppelten Prädikation setzt laut Hövelbrinks eine Planung voraus und gilt aus diesem Grund als ein für die konzeptionelle Schriftlichkeit typisches Merkmal (vgl. Hövelbrinks 2014, 378), welches ebenfalls der Bildungssprache zuzuordnen ist und dadurch in die Zählung einbezogen wird. Der Konjunktiv I und II (vgl. Imo 2016, 42) gilt als Modus der Bildungssprache, weshalb auch hierbei eine Zählung der jeweiligen Konjunktivform stattfindet. Auch das Passiv wird als eine typische Form der Bildungssprache aufgefasst und als solche bei der Anzahlerfassung berücksichtigt. Darunter fallen nicht nur das Vorgangspassiv und das Zustandspassiv (vgl. ebd., 44), sondern auch Ersatzformen mit man. Sogenannte Appositionen, die Einschübe von einzelnen Nominalphrasen darstellen (vgl. ebd. 123), werden ebenfalls hinzugezählt, allerdings unter der Bedingung, dass sie den Planungsaspekt beinhalten und nicht nachträglich angeführt werden (vgl. Hövelbrinks 2014, 380). Daran schließen auch die Attribute an, die keine zwingende grammatikalische Erfordernis aufweisen, sondern der näheren Umschreibung dienen, wie es beispielsweise bei den Adjektivattributen (vgl. Imo 2016, 78) der Fall ist. Darunter fallen allerdings nur Adjektive vor Nomen, die flektiert sind oder Partizipien, die als Adjektive dienen (vgl. Hövelbrinks 2014, 380). Auch Genitivattribute stellen ein bildungssprachliches Merkmal dar, die in einer Nominalphrase die Zugehörigkeit ausdrücken (vgl. ebd.). Ein wichtiges bildungssprachliches Merkmal stellen auch die Präpositionen dar, die jedoch nur als Satzglieder in Form von Präpositionalphrasen als bildungssprachlich bedeutsam gelten (vgl. ebd. 381).

[...]

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Häufigkeit und Verwendungsweise von Bildungssprache in Kinderfernsehsendungen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Germanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
95
Katalognummer
V508886
ISBN (eBook)
9783346076052
ISBN (Buch)
9783346076069
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hinweis: Die Transkriptionsregeln sind an ein unveröffentlichtes Manuskript angelehnt.
Schlagworte
Bildungssprache, Kinderfernsehsendungen, Sprachqualität, Diskursfunktionen, Alltagssprache, Fachsprachen
Arbeit zitieren
Lidija Filipovic (Autor:in), 2019, Häufigkeit und Verwendungsweise von Bildungssprache in Kinderfernsehsendungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508886

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