Wie wird der Nationalsozialismus in Filmen dargestellt?

Eine Analyse von "Schindlers Liste" und "Die Grauzone"


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Einleitung

Die Erinnerung an den Nationalsozialismus, welcher Ende des 19. Jahrhunderts entstand, Hitlers Theorie der Rassenhygiene und das Streben nach der Auf­rechterhaltung der Reinheit der Rasse soll auch in der heutigen Gegenwart noch präsent gehalten werden. Über sechs Millionen Juden kostete diese NS-Ideolo- gie das Leben, ganze Bevölkerungsgruppen wurden systematisch verfolgt und vernichtet. Da es aber mit den Jahren immer weniger Zeitzeugen gibt, braucht es andere Mittel um diese Erinnerung aufrecht zu erhalten um vor Wiederho­lungen zu schützen. ,,Das Medium Film hat sich als sehr wirkmächtig erwiesen, was die Vermittlung, die Deutung und letztlich Gestaltung von Geschichte be- trifft.”[1] Es wird nicht nur ein großes Publikum erreicht, Geschichten werden als wahr empfunden und die eigene Erinnerung wird beeinflusst. Durch das Kino wird eine Form der Dramaturgie hergestellt und aus „History wird story’’.[2] [3] Je­doch stellt sich an dieser Stelle nun die Frage ob der Holocaust, welcher mit ei­ner schrecklichen Grausamkeit verbunden wird, nicht der Gefahr unterläuft ,verharmlost’ zu werden. Ein Regisseur welcher diese Meinung ver­tritt spricht von einer Einzigartigkeit des Holocausts, welcher sich mit einer Grenze umgibt, ,,die nicht überschritten werden darf, weil ein bestimmtes, abso­lutes Maß an Gräuel nicht übertragbar ist.’’3 Die Fiktionalisierung ist eine Über­tretung dieser Grenze. Es wird von einer ,,Undarstellbarkeit dieses Ereignisses ausgegangen, an der jeder Versuch, den Holocaust als „innere Erfahrung’’ und in seiner Bedeutung als „kulturellen Bruch’’ vorzustellen und zu verstehen, un­angemessen ist und scheitern muss.’’[4]

Jedoch bleibt trotzdem die Forderung bestehen das Geschehen über dieses his­torische Ereignis präsent zu halten und genau diese Schwierigkeiten der Dar- stellbarkeit des Holocausts verweisen auf Grenzen des Darstellbaren. Die vorlie­gende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Darstellung des Nationalsozia­lismus in Filmen anhand der Beispiele „Schindlers Liste’’ von Steven Spielberg und Tim Blake Nelsons ,,die Grauzone'', welche beide eine Gegensätzliche Dar­stellung des Holocaust darbieten. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zunächst untersuche ich die verschiedenen visuellen Zugänge zur Ikonografie des Grau­ens in Schindler's Liste anhand einzelner Sequenzen. Als nächstes gehe ich auf die verschiedenen Darstellungen des Holocaust in dem Film ,,die Grauzone” ein. Abschließend werde ich beide Filme anhand von einzelnen Szenen und Mo­tiven vergleichen, um in meinem Fazit auf die Frage einzugehen, ob es denn eine richtige oder falsche Darstellung des Holocaust gibt.

2. Steven Spielbergs „Schindler’s Liste’’

Nationalsozialistische Filme ziehen oft publizistische Kontroversen nach sich. Auch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste’’, erschienen 1993, war ein Medi­enereignis, das eine Debatte auslöste, die sich um die Darstellungen des Holo­caust bezog.5 Zeugen dieser Massenvernichtung, ,,die wenig Überlebenden, die noch das Grauen bezeugen können’’, nehmen aufgrund des hohen Alters immer mehr ab und ,,nur Bilder [sind] imstande (...), ihre Erinnerungen wenigstens in Bruchstücken einer fernsehsüchtigen Nachwelt zu überliefern.’’[5] [6] Steven Spiel­berg folgt bei seinem Film „Schindler’s Liste’’ „beinahe vollständig einer Ästhe­tik von Nachbildungen (...) und [verdichtet] Bildzitate zu stereotypen Formen der Holocausterzählung.’’[7] Der Verweis auf historische Vorbilder gelingt Spiel­berg unter anderem durch die Verwendung von Nachbildungen des Holocaust.[8] Des Weitern bezieht er sich auch auf „filmische Hypotexte, auf die sich Schind­ler’s List als Hypertext bezieht.’’[9] Schindlers Liste wird einem neuen Genre des Films zugeordnet, dem ,,Holocaust-Film’’[10], zusammengefügt aus ,,intertextuel- len Anspielungen und Verweisen auf kinematografische Genres’’[11]. Er entstand aus historischem Bildmaterial, das überliefert wurde und im Film auf die Novel­le von Thomas Keneally ausgerichtet wird, diese basiert auf Erinnerungen der Schindler Juden, die den Holocaust überlebt haben.[12] Inhaltlich erzählt Schind­lers Liste die wahre Geschichte von Oscar Schindler, einem Deutschen NSDAP- Mitglied mit viel Einfluss, der circa 1.200 jüdische Zwangsarbeiter vor der De­portation rettete und sie für seine Emaillewaren-Fabrik anwarb. Anfangs geht es Schindler rein um den Profit, da die Juden billige Arbeitskräfte sind. Jedoch än­dert sich dies, nachdem er selbst Zeuge der Räumung des Krakauer Ghettos wird. Mithilfe seines Buchhalters Itzhak Stern, kommt die Liste zustande in der alle jüdischen Arbeiter aufgelistet sind, die für ihn arbeiten dürfen und somit nicht in ein Konzentrationslager deportiert werden können und demzufolge überleben. Am Ende des Films muss Oscar Schindler selbst fliehen. Er verab­schiedet sich von seinen Arbeitern, von denen er einen Ring als Abschiedsge­schenk bekam, mit der Aufschrift ,,Wer nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“. Nach dem Abschied ziehen die überlebenden Zwangsarbeiter ins ,gelobte Land’ nach Israel.«

2.1 Ikonen des Holocaust in „Schindlers Liste’’

Der Holocaust ist der rote Faden und das zentrale Thema in Schindlers Liste und ,,in semiotischer und dramaturgischer Zuspitzung verwendet Schindlers Liste zahlreiche Ikonen des Holocaust und flicht sie geschickt in die Spielhand­lung ein.’’« Eine dieser Ikonen des Holocaust, die Gaskammer, wird in einer wichtigen Szene in Steven Spielbergs Film gezeigt, in der es zu einer irrtümli­chen Deportation von jüdischen Arbeiterinnen von Schindler, in das Konzen­trationslager Auschwitz kommt. Obwohl sie vehement protestieren, dass sie nicht hierher gehören, da Schindlerjuden sind, werden sie in einen Duschraum getrieben. Dort werden ihnen die Haare abgeschnitten und sie müssen sich aus­ziehen. Sowohl die Arbeiterinnen als auch die Zuschauer müssen davon ausge­hen, dass es nun zur Vergasung kommt.« Als sich die Metalltüre schließt, erlebt der Zuschauer eine Schlüssellochperspektive oder auch einen „Schlüsselloch­blick auf das kommende Sterben’’[13] [14] [15] [16], durch ein Guckloch, das sich in der Türe befindet. Als es dunkel wird, hört man Schreie und Wimmern der Frauen. Nah­aufnahmen vom Inneren der Gaskammer sowie von den angsterfüllten Gesich­tern der Arbeiterinnen steigern noch einmal die Spannung erheblich. Als das Licht wieder angeht, fließt aus den Duschvorrichtungen kein Zyklon-B, sondern Wasser.[17] Dies stellt den Höhepunkt dieser Szene dar und die Frauen sind über­glücklich, „strecken ihre Arme nach oben und empfangen die erlösenden Trop­fen wie einen Segen.’’[18]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Screenshot 1: Schindlers Liste, Duschraum Szene (02:36:56).

Auch wenn man sich als Zuschauer darauf einstellt, den schonungslosen Ein­blick in das Sterben in einer Gaskammer zu erleben, respektiert Steven Spiel­berg diese Grenze ,,die das Schreckliche, das wir noch begreifen können, vom unvorstellbaren Grauen trennt’’.[19] Aus der Furcht, der Angst und auch dem Mit­leid, das der Zuschauer empfindet[20], wird eine „reinigende Katharsis’’[21]. Diese ,Duschraum-Szene’ führt zu einer starken Emotionalisierung bei den Zu­schauern, der man sich auch in anderen Szenen von „Schindler’s Liste’’ schwer entziehen kann.[22] Manuel Köppen untersuchte die Darstellung der Grausamkeit in seiner Studie „Bilder des Holocaust’’. Er „spricht von ,einer terminologischen Verschiebung des Betroffenheits-Diskurses’’[23]. Durch den Einblick in die ver­meintliche Gaskammer und einen wirkungsvollen Ausdruck der Schmerzerfah­rung bei den Arbeiterinnen wird Authentizität erreicht.[24] Dadurch wird den Zu­schauem ,,das Gefühl vermittelt, die Bilder zu sehen, die das Archiv- Material verweigert.’’[25]

Der „souveräne Einsatz aller filmkünstlerische[r] Mittel (...) [und der damit verbundenen] Mechanik der Emotionserzeugung”[26], macht es schwer sich dieser zu entziehen, vor allem bei Szenen, die Angst und Gewalt verkörpern. Bevor die Schindlerjuden in die vermeintliche Gaskammer gedrängt werden, zeigt der Film ,,die etablierten Signifikanten der Vernichtungslager, wie Baracken, Wach­türme, das Lagertor von Ausschwitz, ein[en] rauchende[n] Schornstein, aber auch Asche, die an einem schönen Tag in Flocken vom Himmel regnet.’’[27]

3. Tim Blake Nelson ,,die Grauzone’’

Der Film ,,die Grauzone’’ von Tim Blake Nelson, erzählt von zwei Handlungs­ebenen, zum einen von dem i2.-ten inhaftierten Sonderkommando, das einen heimlichen Aufstand im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau plant. In der benachbarten Munitionsfabrik „Union” sind Frauen zur Zwangsarbeit einge­teilt, denen es gelingt Schießpulver dem Sonderkommando zu liefern. Einige von ihnen werden jedoch erwischt und durch Folterung von den nationalsozia­listischen Aufsehern gezwungen, zu erzählen für wen das Schießpulver bestimmt war.

Die zweite Handlungsebene handelt von einem Mädchen, das die Gaskammer überlebt hat und vom Sonderkommando gefunden wird. Sie bringen das Mäd­chen zu dem ungarisch-jüdischen Arzt Miklos Nyiszli, der in engem Kontakt zu dem Oberscharführer Muhsfeldt steht, der gerüchteweise von der Rebellion er­fahren hat. Als der Oberscharführer das Mädchen entdeckt, erzählt der ungari­sche Arzt ihm von dem Aufstand, um sie zu beschützen.[28],,Beide Handlungs­ebenen werden durch zwei ungeheuerliche Ereignisse verbunden, zwei unglaub­liche Ausnahmen.’’[29] Auf der einen Seite das Überleben des Mädchens, auf der anderen Seite ein weiteres Ausnahmeereignis, der Aufstand des Sonderkom­mandos.

[...]


[1] Schultz, Sonja M. (2012, S. 12).

[2] Ebd. S. 12.

[3] Wermke, Michael (1996).

[4] Paech, Joachim. (2003, S. 13).

[5] Vgl. Schultz, Sonja M. (2012, S. 242).

[6] Kilb, Andreas (1994).

[7] Ebbrecht, Tobias. (2011, S. 184).

[8] vgl. Ebd. S.185

[9] Ebd. S.185.

[10] vgl. Ebd.

[11] Ebd.

[12] vgl. Ebd.

[13] Vgl. Schindlers Liste (D 1993).

[14] Schultz, Sonja M. (2012, S. 240).

[15] vgl. Ebd. S.238.

[16] Schultz, Sonja M. (2012, S. 239).

[17] vgl. Schultz, Sonja M. (2012, S. 239).

[18] Ebd.

[19] Kilb, Andreas (1994).

[20] vgl. Schultz, Sonja M. (2012, S. 239).

[21] Ebd.

[22] vgl. Ebd. S.238.

[23] Ebd. S.239.

[24] vgl. Ebd.

[25] Ebd. S. 239.

[26] Ebd.

[27] Schultz, Sonja M. (2012, S. 240).

[28] vgl. Die Grauzone (Us 2001).

[29] Erbrecht, Tobias. (2011, S. 220).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wie wird der Nationalsozialismus in Filmen dargestellt?
Untertitel
Eine Analyse von "Schindlers Liste" und "Die Grauzone"
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V508882
ISBN (eBook)
9783346083029
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nationalsozialismus, filmen, eine, analyse, schindlers, liste, grauzone
Arbeit zitieren
Nicole Kramer (Autor:in), 2018, Wie wird der Nationalsozialismus in Filmen dargestellt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508882

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