Relativsatzkonstruktionen und deren Markierung im Chinesischen. Eine diachrone Perspektive


Hausarbeit, 2018

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Problematik einer vergleichenden Analyse der deutschen und chinesischen Syntax

3. Eine kurze Übersicht über die Sprachentwicklung im Chinesischen
3.1 Eine kurze Übersicht über den Forschungsstand im Bereich der Relativkonstruktionen im Chinesischen
3.2 Bildung der Relativkonstruktionen im klassischen Chinesisch
3.3 Bildung der Relativkonstruktionen im mittelalterlichen Chinesisch
3.4 Bildung der Relativkonstruktionen im prämodernen Chinesisch
3.5 Bildung der Relativkonstruktionen im modernen Standardchinesisch

4. Gegenüberstellung der Relativkonstruktionen im Chinesischen und Deutschen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Abkürzungen und Symbole

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit befasse ich mich mit der chinesischen Sprachentwicklung von Relativsätzen. Ich stelle die verschiedenen Markierungen in den Relativsatzkonstruktionen vom klassischen Chinesisch bis zum heutigen modernen Standardchinesisch vor und versuche festzustellen, welche Konstruktionen über den Zeitraum konstant geblieben sind, welche sich verändert haben, wie und wann welche Konstruktionen verschwanden oder ersetzt wurden und welche neuen RK entstanden sind. Ich gehe im Vorfeld kurz auf die Möglichkeiten und die damit verbundene Problematik einer vergleichenden Analyse der chinesischen und deutschen Syntax ein, die man bei einer solchen Untersuchung nicht außer Acht lassen sollte. Das moderne Standardchinesisch gehört zu den SVO-Sprachen, welche normalerweise postnominale Relativsätze haben und Chinesisch somit zu einer Ausnahme gehört, da linguistische Untersuchungen ergeben haben, dass die Relativsätze eine pränominale Stellung gegenüber seinem Nukleus haben. Allein diese Tatsache bietet ein riesiges Feld für die Sprachforschung der chinesischen Syntax. Ebenfalls beschreibe ich kurz die Sprachentwicklung Chinas und gebe eine kleine Übersicht über die verschiedenen Dynastien in der von mir vorgestellten Zeitspanne. Vor dem eigentlichen Hauptaspekt der Arbeit, gebe ich einen kleinen Überblick über den Forschungsstand im Bereich der Relativkonstruktionen im Chinesischen und stelle schon einmal die verschiedenen Markierungen der RK vor. Im folgendem gehe ich näher auf die Markierungen im Relativsatz ein und füge Beispiele an, um den Sachverhalt verständlicher zu machen. Behandelt werden die Zeitepochen klassisches Chinesisch, mittelalterliches Chinesisch, prämodernes Chinesisch und das moderne Standardchinesisch. Abschließend stelle ich die Relativkonstruktionen aus dem Chinesischen und dem Deutschen gegenüber und versuche Unterschiede und Ähnlichkeiten herauszuarbeiten, bevor ich zu meiner Schlussbetrachtung komme.

2. Die Problematik einer vergleichenden Analyse der chinesischen und deutschen Syntax

Der Vergleich als Forschungsmethode in der Sprachwissenschaft ist auch als „komparative Linguistik“ zu verstehen. Hierbei wird ein historischer Vergleich erstellt, der die Entwicklung, Herkunft und den Verwandtschaftsgrad von Sprachen diachron untersucht. Eine andere Art der Untersuchung ist die synchrone Ebene, auf der ein sprachliches Phänomen oder ein Sprachsystem zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht und mit einem anderen verglichen wird. Hierbei werden sowohl verwandte, als auch nicht miteinander verwandte Sprachen verglichen. Ein Teil der „komparativen Linguistik“ ist die „kontrastive Linguistik“, die sich in der Sprachwissenschaft eher mit dem synchronen Aspekt befasst. Hauptsächlich wird sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Sprachsystem zweier oder mehrerer Sprachen beschäftigt. Beim Chinesischen und Deutschen handelt es sich um nicht verwandte Sprachen. Das Deutsche gehört der indoeuropäischen Sprachfamilie an und das Chinesische gehört zur sino-tibetischen Sprachfamilie. Dennoch gibt es einige Übereinstimmungen und die Sprachen können trotz ihres typologischen Unterschiedes miteinander verglichen werden. Das Deutsche sowie das Chinesische gehören zu den natürlichen Sprachen und bestehen grammatikalisch aus Morphemen, Wörtern, Wortgruppen und Sätzen. Neben den eher zu betrachtenden oberflächlichen Ähnlichkeiten kommen eine ganze Menge Abweichungen innerhalb der Sprachsysteme. Ein Problem, welches sich in der Analyse der Gegenüberstellung der beiden Sprachen aufzeigt ist, dass verschiedene sprachliche Kategorien in nur einer der beiden Sprachen Verwendung finden, wie z.B. Artikel und Verbmodi im Deutschen und „Komplemente“ und Zähleinheitswörter im Chinesischen (Shue 2005:9ff). Weitere Problematik besteht darin, dass es Sprachforschern schwerfällt, die Grammatiksysteme der beiden Sprachen auf gleicher Ebene gegenüberzustellen. Es besteht zwar, wie bereits erwähnt, ein formal ähnlicher Grammatikaufbau, jedoch stehen die beiden Sprachen nicht in symmetrischen und analogen Verhältnissen zueinander. Das bedeutet, dass unter gleichem Termini unterschiedliche Sprachkomponenten verstanden werden können. Hinzu kommt, dass es in der Forschung verschiedener Teilgebiete des modernen Hochchinesisch bisher keine einheitlichen Ergebnisse gegeben hat (Shue 2005:10).

3. Eine kurze Übersicht über die Sprachentwicklung im Chinesischen

- Shang- und Yin-Dynastie (16.-11. Jh. V. Chr.): Eine der wohl ältesten, original überlieferten Schrifterzeugnisse aus dem Chinesischen. Diese Inschriften werden als Jiâgüwén bezeichnet, bei der, kunstvoll Schildkrötenpanzer und Knochen beschriftet wurden.

Die Schrift wurde in der rituellen und sakralen Sphäre entwickelt. Bald jedoch wurde sie zum unverzichtbaren Instrument der Verwaltung und Herrschaftslegitimation. (Wang 2003:2)

- Frühlings- und Herbstperiode (770-476 v. Chr.) und Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.): In der westlichen Literatur wird die Sprache in den Schriftstücken zu dieser Zeit als Güwén übersetzt, welche als klassisches oder Antikchinesisch bezeichnet wird.
- Tang-Zeit (618-907) und Song-Zeit (960-1179): Zu dieser Zeit wurden viele buddhistische Werke aus dem buddhistischen Sanskrit in die besser verständliche Umgangssprache übersetzt. Grund hierfür war, den Buddhismus unter den Völkern zu verbreiten. Gerade diese Schriftstücke sind besonders wichtig, auf Ebene der Sprachforschung, da man an ihnen die zeitgenössischen Sprachzustände und Veränderungen beobachten kann.
- Yuan-Dynastie (1279-1368) und Qing-Dynastie (1644-1911): Bereits zu dieser Zeit sind Ansätze des modernen Chinesisch zu erkennen. Immer häufiger wurden nördliche Dialekte verwendet. Aus lexikalischer Sicht jedoch, war der damalige Sprachgebrauch mit dem heutigen sehr verschieden.
- Republik China (ab 1912): Ab dem Jahre 1919 wurde die chinesische Sprache stark durch die europäische Grammatik beeinflusst. Die Standardschriftsprache der Öffentlichkeit und die gesprochene Sprache zu dieser Zeit wird Bâihuà genannt. Weitere Bezeichnungen sind Xiàndài Hànyü (die Sprache der Han-Chinesen) für das moderne Chinesisch und Pütönghuä für das Standardchinesisch. Wörtlich ist pütöng mit „allgemein“ und huà mit „Sprache“ zu übersetzten. Auf lexikalischer, syntaktischer und phonologischer Ebene basiert das Standardchinesisch vor allem auf dem nördlichen Dialekt. Das grammatische Komplement zur gesprochenen Sprache heißt Bâihuàwén, und lässt sich in der modernen Literatur finden. Pütönghuä gilt seit dem Jahre 1955 als das moderne Standardchinesisch in der Volksrepublik China (Wang 2003:2ff).

3.1. Eine kurze Übersicht über den Forschungsstand im Bereich der Relativkonstruktionen im Chinesischen

Im Bereich des klassischen Chinesisch und des modernen Standardchinesisch gibt es viele Arbeiten von Sprachforschern und Sinologen über den chinesischen Relativsatz. Im mittelalterlichen und prämodernen Chinesisch befassen sich Wissenschaftler vor allem mit dem Übergang folgender Markierungen.

- klassisches Chinesisch: suo /zhï/zhë
- prämodernes Chinesisch: di
- modernes Standardchinesisch: de

Anzumerken ist, dass bisher keine Arbeiten über die gesamte Entwicklung des Relativsatzes im Chinesischen, in deutscher Sprache vorliegen. In chinesischer Sprache gibt es haufenweise Untersuchungen zu diesem Thema. Die Problematik hierbei ist jedoch, dass chinesische Linguisten den Relativsatz in der Standardgrammatik unter dem Kapitel Attribution behandeln und ihn als Subjekt - Prädikat-Konstruktion oder als Verbalphrase, die eine modifizierende Funktion in der Attribution ausüben, betrachten. Es gibt in der chinesischen Fachliteratur keinen bestimmten Begriff, der als Relativsatz zu übersetzen ist (Wang 2003:42ff).

Sprachwissenschaftler sind zu der Erkenntnis gekommen, dass SOV - Sprachen pränominale Relativsätze und SVO - Sprachen postnominale Relativsätze haben, mit Ausnahme des chinesischen RS. Wang (2003:55) benutzt in ihrer Dissertation eine Tabelle von Matthew S. Dryer, der anhand dieser die Beziehung der Stellung von Verb und Objekt und der Stellung von Nomen und Relativsätzen in verschiedenen Sprachen darstellt. Anhand dieser Tabelle zeigt sich, dass es sich bei Relativsätzen die hinter seinem Bezugsnomen stehen meistens um VO - Sprachen handelt. Aufgrund dieser Erkenntnis, wurde schon in früheren Zeiten der Sprachforschung darüber diskutiert ob Chinesisch zu den SVO - Sprachen gehört. In den 70er Jahren gab es Behauptungen darüber, dass das Chinesische sich zu einer SOV - Sprache wandelt. Grund hierfür sind eine Menge aufgezeigte morphosyntaktische Veränderungen, die vorwiegend in SOV - Sprachen zu finden sind (Wang 2003:56).

3.2. Bildung der Relativkonstruktionen im klassischen Chinesisch (770 v. Chr. - 24. n. Chr.)

Im klassischen Chinesisch kann der Relativsatz nicht als eigenständiger Satz beschrieben werden. Er steht vor dem Nomen, welches er modifiziert und ist in der Nominalphrase eingebettet. Folgende Markierungen treten beim Relativsatz als Voranstellung in Bezug auf das Bezugsnomen auf: zhï, suo und zhë.

Voranstellung ohne Markierung: (1) Bixià zhú [zöu] shou, shè [Ш] niäo. (Anrede zum Kaiser) jagen laufen Vierbeiner schießen fliegen Vogel (Sie), der Kaiser, jagen die Vierbeiner, die laufen, und schießen die Vögel, die fliegen. (Wang 2003:134, (Shi Ji: Pingjinhou Zhufu Liezhuan))

Struktur des Satzes: [bixià zhú [[ ei zöu]strs shoui]Np]s (Wang 2003:134)

Laut Wang (2003:134ff) handelt es sich bei diesem Beispiel um 2 Hauptsätze. Zum einen bixià zhú shou, zum anderen bixià shè niäo. zöu (laufen) und fei (fliegen) stehen als Verben vor dem Objekt. Diese Art von Schreibweise ähnelt dem Relativpartizip aus dem Deutschen, wie zum Beispiel fliegende Vögel und laufende Vierbeiner. Da das Verb immer in einer finiten Form auftaucht, gibt es im Chinesischen kein Partizip. Als vorangestellte Elemente können ein einziges Verb oder auch ein abhängiger Satz dienen. [e] wird hier als freie Variable im Relativsatz beschrieben, welche mit dem Kopfnomen shou korreferiert. Um die Verknüpfung der beiden Sätze festzulegen ist die Wortstellung der Relativkonstruktion im Matrixsatz wichtig.

Voranstellung mit der Attributmarkierung zhi:

zhi dient als nachgestellter Subordinator, welcher andere Attribute in der Nominalphrase markieren kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es gab keine Nebenfrau, die mit Seide bekleidet war, und kein Pferd, das Getreide fraß. (Wang 2003:136, (Zou Zhuan: Xiang 5))

Struktur des Satzes: [wú [[[ ei yi bó]S' zhi]RS qièi ]np ]s

In diesem Beispiel befinden sich drei Nomina: yi, bó und qiè und ein Verb: wú. Wang (2003:136) wiederlegt die Theorie, dass es sich in diesem Satz um eine possessive Relation zwischen zwei koordinierten Nomina yi und bó und dem Nomen qiè, vor dem das zhi steht handeln könnte. Ihrer Meinung nach ist es nur möglich, yi als verbalisiertes Nomen zu verstehen, welches mit bó eine Verbalphrase bildet. zhi markiert die Nebensatzgrenze und die Stelle der Einbettung.

[...]

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Details

Titel
Relativsatzkonstruktionen und deren Markierung im Chinesischen. Eine diachrone Perspektive
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Autor
Jahr
2018
Seiten
21
Katalognummer
V508627
ISBN (eBook)
9783346081216
ISBN (Buch)
9783346081223
Sprache
Deutsch
Schlagworte
relativsatzkonstruktionen, markierung, chinesischen, eine, perspektive
Arbeit zitieren
Bettina Dobor (Autor:in), 2018, Relativsatzkonstruktionen und deren Markierung im Chinesischen. Eine diachrone Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508627

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