Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Dienstvertrag von Fremdgeschäftsführern


Masterarbeit, 2019

90 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Ausgangsfall
I. Fall betreffend eines Tätigkeitsverbots
II. Fall betreffend einer Kundenschutzklausel

C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote
I. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf den Geschäftsführer
1. Ablehnende Meinung
2. Zustimmende Meinung
3. Stellungnahme
II. Die Verweisung auf die §§ 74 ff. HGB

D. 2-Stufen-PrüfungdesBGH
I. AGB-Recht
II. Stufe 1: Berechtigtes Interesse der Gesellschaft
1. Sachen- / Mandantenschutz
b) VolllicherGeltungsbereich
a) KundständigesTätigkeitsverbot
aa) Ablehnende Meinung
bb) Zustimmende Meinung
cc) Stellungnahme
c) KonzernweiteErstreckung
d) Vorbereitungshandlungen
2. Vertragsgestaltung
3. Räumlicher Geltungsbereich
4. Zeitlicher Geltungsbereich
III. Stufe 2: Unbillige Fortkommenserschwerung des Geschäftsführers
1. Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls
2. Karenzentschädigung
a) Höhe der Karenzentschädigung
b) Anrechnung anderweitigen Erwerbs
3. Vertragsgestaltung
IV. Rechtsfolgen eines zu weitgehenden Verbots und Lösungsmöglichkeiten
1. Ablehnung einer geltungserhaltenden Reduktion
2. Zustimmung einer geltungserhaltenden Reduktion
3. Stellungnahme
a) 1. Lösung: salvatorische Klausel
b) 2. Lösung: Blue Pencil Test
c) 3. Lösung: Vorvertrag
V. Verstoß durch den Geschäftsführer
1. Vertragsstrafe
2. Eintrittsrecht
VI. Verzicht und Lossagung durch die Gesellschaft

E. Kunden-/ Mandantenschutzklausel
I. Berechtigtes Interesse der Gesellschaft
II. Unbillige Fortkommenserschwerung des Geschäftsführers
III. Klauselgestaltung

F. Freistellung mit langer Kündigungsfrist
I. DauerderFreistellung
1. Befristetes Vertragsverhältnis
2. Unbefristetes Vertragsverhältnis
II. Freistellung mit anschließendem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot
III. Klauselgestaltung
1. Klauselgestaltung bei einem unbefristeten Anstellungsvertrag
2. Klauselgestaltung bei einem befristeten Anstellungsvertrag

G. Fazit und Lösungsansätze zur Erreichung der langfristigen Know- how-Sicherung
I. Lösungsansatz für den Ausgangsfall
II. Lösungsansatz für die Abwandlung

Anhang 1: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Anhang 1.1: Auszug aus dem Anstellungsvertrag

Anhang 1.2: Vorvertrag

Anhang 1.3: Marktverhältnis

Anhang 1.4: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Anhang 2: Kundenschutzklausel

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

A. Einleitung

Neben der schon bereits existierenden Konkurrenz durch Wettbewerber wäre es für ein Unternehmen eine zusätzliche Belastung, wenn Arbeitnehmer und Organmitglieder1 wie die Geschäftsführer einer GmbH, beim Ausscheiden aus dem Unternehmen, die Konkurrenz verstärken oder selbst zum Konkur­renten werden. Insbesondere die Personengruppe der Geschäftsführer stel­len dabei eine besonders große Gefahr für die Unternehmen dar. Die Ge­schäftsführer haben im Vergleich zu Arbeitnehmer Intimkenntnisse, welche sie im Laufe ihrer Tätigkeit gesammelt haben. Durch das Nutzen dieser Kenntnisse kann ein ausgeschiedener Geschäftsführer dem Unternehmen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Unternehmen haben daher das Bedürfnis, sich gegen diese Gefahr zu schützen und vereinbaren aus diesem Grund mit ihren Geschäftsführern nachvertragliche Wettbewerbsver­bote. Laut der Kienbaum Vergütungsstudie wurden mit 35 % der Geschäfts­führer Wettbewerbsverbote nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft vereinbart.2 Die Gestaltung von Verbotsklauseln sind für Unternehmen je­doch nicht unproblematisch, da gesetzliche Regelungen, wie die §§ 74 ff. HGB hierzu fehlen und die Rechtsprechung der OLG und des BGH bezüglich der Reichweite eines Wettbewerbsverbots nicht immer einheitlich sind.3 Aus diesem Grund sind die Unternehmen in der Regel verpflichtet, nachvertragli­chen Wettbewerbsverbote individuell auf ihre Geschäftsführer anzupassen, da ansonsten die Gefahr der Unwirksamkeit des ganzen Verbots droht. Eine der wesentlichen Probleme stellt der Beurteilungszeitpunkt eines Wettbe­werbsverbots dar. Da die Beurteilung des Verbots zum Zeitpunkt erfolgt, in der ein Geschäftsführer aus der Gesellschaft ausscheidet, kann ein nachver­tragliches Wettbewerbsverbot, welches parallel mit dem Anstellungsvertrag vereinbart wurde, im Laufe der Zeit durch die veränderten Interessen der Gesellschaft, unwirksam werden. Erschwert wird der Umstand dadurch, dass eine geltungserhaltende Reduktion sehr umstritten ist.4 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik, wie ein Unterneh­men sein Know-how vor dem ausgeschiedenen Fremdgeschäftsführer best­möglich schützen kann. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird die Prob­lematik derfehlenden analogen Anwendung der Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB auf Organmitglieder thematisiert. Hierfür wird sowohl die ablehnende Ansicht einer analogen Anwendung als auch die zustimmende Ansicht ge­genübergestellt und eine Stellungnahme zu dieser Thematik formuliert.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Reichweite eines nachvertraglichen Wett­bewerbsverbots mit einem GmbH-Fremdgeschäftsführers anhand der 2- Stufen-Prüfung unter Berücksichtigung des § 138 BGB in Verbindung mit Art. 12 GG näher dargestellt. Zudem wird insbesondere das Risiko der nachträg­lichen Unwirksamkeit eines Verbots näher dargestellt und hierzu verschiede­ne Möglichkeiten aufgezeigt, die ein solches Risiko minimieren.5 Als eine Al­ternative zum Schutz des Unternehmens-Know-hows durch ein nachvertrag­liches Wettbewerbsverbot wird der Konkurrenzschutz während der Freistel­lung eines Geschäftsführers dargestellt und mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verglichen. In dem darauffolgenden Lösungsvorschlag wird nochmals auf beide Varianten eingegangen und eine mögliche Kombi­nation dieserthematisiert.

Zur Veranschaulichung, wie ein Unternehmen sein Know-how schützen kann, wurde ein Ausgangsfall für einen umfangreichen Konkurrenzschutz mit einer Abwandlung für den Kundenschutz formuliert. Auf diese zwei Beispiels­fälle werden Lösungsvorschläge mittels der Erkenntnisse aus dem Hauptteil gegeben. Die jeweiligen Klauseln / Verträge zu beiden Fällen sind im Anhang beigefügt.

В. Ausgangsfall

I. Fall betreffend eines Tätigkeitsverbots

Die XY-GmbH mit Sitz in Bielefeld ist Europas führender Getriebehersteller für PKW und beschäftigt insgesamt über 2700 Mitarbeitende. Die wichtigsten Kunden des Unternehmens sind Automobilhersteller in Deutschland, Frank­reich und Italien, in denen die Gesellschaft auch über Produktionsstätten ver­fügt. Die Forschung und Entwicklung der Getriebe für die ausländischen Kunden erfolgt in Deutschland. Der Getriebe-Markt ist hart umkämpft, insbe­sondere die F-AG und die V-SE, welche die größten Konkurrenten der XY- GmbH sind, haben in den letzten Jahren enorm an Marktanteil gewonnen. Neben diesen zwei Konkurrenten existieren auch vier weitere Unternehmen, von denen jedoch keine allzu große wirtschaftliche Bedrohung für die XY- GmbH ausgeht. Die F-AG und die V-SE haben für das kommende Jahr an­gekündigt, neue Produkte auf den Markt zu bringen, weshalb davon auszu­gehen ist, dass die Marktführerschaft der XY-GmbH verloren geht.

Aus diesem Grund möchte die Gesellschafter-Geschäftsführerin Frau A den Herrn Dr. Z als Fremdgeschäftsführer bestellen. Dieser war zuvor in der For­schung und Entwicklung der Tochtergesellschaft S-GmbH, welche Getriebe für LKW herstellt und dessen Kunden die führenden Nutzfahrzeughersteller in Deutschland und Schweden sind, tätig. Herr Dr. Z soll aufgrund seiner um­fassenden Kenntnisse die Prozesse in diesem Bereich als Geschäftsführer der XY-GmbH verantworten. Durch die Arbeit von Herrn Dr. Z versprechen sich die Gesellschafter-Geschäftsführer langfristig die Marktführerschaft wie­der zu erlangen.6

C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote

Endet das Dienstverhältnis mit einem Geschäftsführer so ist dieser nach sei­nem Ausscheiden grundsätzlich berechtigt in ein Konkurrenzverhältnis mit der Gesellschaft zu treten. Dies resultiert daraus, dass die Treuepflicht des Geschäftsführers, auf dessen Grundlage das ihm obliegende Wettbewerbs­verbot basiert, nach der Beendigung der Organstellung sowie des hierfür ab­geschlossenen Anstellungsvertrags nicht mehr fortwirkt.7 Eine Ausnahme gilt jedoch für den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einer Gesell­schaft. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegt ein Geschäftsführer einem zeitlich unbeschränkten Verbot, die Betriebs- und Geschäftsgeheim­nisse unbefugt zu offenbaren.8 Zudem ist am 26.04.2019 das GeschGehG in Kraft getreten, welches das materielle sowie formelle Recht nach der EU- Richtlinie umsetzt.9 Ein allgemeines Konkurrenzverbot des ausscheidenden Geschäftsführers kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden.10 Auch die Geschäftschancenlehre bewirkt kein Konkurrenzverbot des ehemaligen Or­ganmitglieds. Durch die Geschäftschancenlehre ist der Geschäftsführer je­doch lediglich verpflichtet, keine Geschäftschancen mitzunehmen, die er für die Gesellschaft hätte nutzen können. So ist es dem ausgeschiedenen Ge­schäftsführer untersagt, Geschäfte die er für die Gesellschaft hätte abschlie­ßen können, nach dem Ausscheiden auf seine eigene Rechnung abzu­schließen.11 12 Der Geschäftsführer einer GmbH unterliegt nur dann einem um­fangreichen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, wenn dieses zuvor mit ihm im Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde.11 Eine spezielle gesetzliche Vorschrift die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit GmbH-Geschäftsführern regelt ist nicht vorhanden, wodurch eine ausdrückli- cheVereinbarung zwischen den Parteien unentbehrlich ist.13

I. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf den Geschäftsführer

Anders als bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsver­bots mit einem Arbeitnehmer, gestaltet sich die Vereinbarung eines solchen Verbots mit einem Organmitglied, wie dem Geschäftsführer, für ein Unter­nehmen erheblich schwieriger.14 Die Frage, ob bei nachvertraglichen Wett­bewerbsverboten mit Geschäftsführern die §§ 74 ff. HGB anwendbar sind, ist sehr umstritten.15

1. AblehnendeMeinung

Der BGH lehnt die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Organmitglie­der in seiner ständigen Rechtsprechung ab.16 In seiner Grundsatzentschei­dung vom 26.03.1984 hat der BGH zunächst angemerkt, dass die §§ 74 ff. HGB das Ergebnis einer Interessensabwägung des Arbeitgebers und den des ausscheidenden Arbeitnehmers ist. Das berechtigte Interesse des Ar­beitgebers ist der Schutz vor Nachteilen, die durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer entstehen können, da dieser während des Arbeitsverhältnisses Kenntnis über die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers erlangt hat. Das berechtigte Interesse eines Arbeitnehmers ist dagegen die freie Ausnutzung seiner Arbeitskraft nach der Beendigung des Arbeitsver­hältnisses. Das Gericht führte weiter fort, dass die GmbH-Geschäftsführer mit den Gesellschaften im Geschäftsverkehr in weit stärkeren Maßen gleich­gesetzt werden als die Handlungsgehilfen und dass die Leistungen sowie die Tätigkeiten des Unternehmens im Wesentlichen ihnen zugeschrieben wer­den. Dabei ist es irrelevant, dass ein Geschäftsführer zu der Gesellschaft in einem Anstellungsverhältnis steht und dieser wie ein Arbeitnehmer dazu ver­pflichtet ist, seine Arbeitskraft hauptberuflich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Verglichen mit einem Arbeitnehmer repräsentiere der Geschäfts­führer das Unternehmen weitaus mehr und die geschäftlichen Beziehungen konzentrieren sich aufseine Person. Aus diesem Grund würde eine Konkur­renztätigkeit des ausgeschiedenen Geschäftsführers für die Gesellschaft ei­ne wesentlich größere Gefahr begründen, als dass es bei einem ausschei­denden Arbeitnehmer der Fall wäre. Einem Geschäftsführer gelinge es nach seinem Ausscheiden wesentlich einfacher sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen, dessen Geschäftspartner zu umwerben und Bezugsquellen der Gesellschaft auszunutzen. Das Gericht räumte zwar ein, dass die Fremdgeschäftsführer wie leitende Angestellte von der Gesellschaft wirtschaftlich abhängig sein können, dies begründe jedoch nicht, dass die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB auf eine Vereinbarung mit einem Fremdge­schäftsführer gelten und die Interessen der Gesellschaft ihm gegenüber zu­rückzutreten haben. Aus diesen Gründen sind die §§ 74 ff. HGB bei einem Wettbewerbsverbot zwischen einer GmbH und dessen ausscheidenden Ge­schäftsführer nicht anzuwenden.17 Ein weiteres Argument für die Nicht­Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auf den Geschäftsführer ist, dass diese Schutzvorschriften auf den Arbeitnehmer zugeschnitten sind und somit bei Geschäftsführerdienstverträge nicht gelten.18 Nach der ständigen Rechtspre­chung des BGH ist der Geschäftsführer einer GmbH jedoch nicht als Arbeit­nehmer einzustufen.19 Der GmbH-Geschäftsführer stehe zu der Gesellschaft in keinem Arbeitsverhältnis, sondern vielmehr in einem einfachen freien Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 611 ff. BGB.20 Außerdem ist bei der Frage der Arbeitnehmereigenschaft eines GmbH-Geschäftsführers zu beachten, dass dieser eine Organstellung innehat, somit an der Willensbil­dung der GmbH teilnimmt und diese gesetzlich vertritt.21 Der Geschäftsführer unterliege keinem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht der Gesellschaft, die für eine Beurteilung als Arbeitnehmer von enormer Wichtigkeit sei. Anders als ein Arbeitnehmer, hat der Geschäftsführer in der Regel ein größeres Maß an persönlicher Freiheit die Art und Weise der erforderlichen Arbeiten zu be­stimmen und seine Arbeitszeit selbst einzuteilen. Deshalb ist nach der An­sicht des BGH der Arbeitnehmerstatus mit der Organstellung des Geschäfts­führers nicht vereinbar.22 Anders als der BGH lehnt das BAG23 und der EuGH24 eine Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers nicht im vornhinein ab. Da jedoch gern. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Organmitglieder nicht als Arbeitnehmer gelten, sind für Rechtsstreitigkeiten aus ihrem Anstellungs­verhältnis nicht die Arbeitsgerichte zuständig,25 wodurch in der Praxis die Rechtsprechung des BGH und somit dessen Ansicht zur Arbeitnehmereigen­schaft eines Geschäftsführers maßgeblich ist.26 Auch wenn der EuGH wie das BAG eine Arbeitnehmereigenschaft des (Fremd-) sowie Minderheitsge­sellschaftergeschäftsführer unter gewissen Voraussetzungen bejaht hat,27 hat das Gericht in der Balkaya-Entscheidung fortgeführt, dass der europarechtli­che Arbeitnehmerbegriff immer dann heranzuziehen ist, wenn es um die Um­setzung einer EU-Richtlinie gehe.28 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Vorschriften, die nicht auf Europarecht beruhen, die nationalen Arbeit­nehmerdefinitionen heranzuziehen sind.29 Da die §§ 74 ff. HGB vor mehr als 100 Jahre in Kraft getreten sind,30 basieren diese naturgemäß nicht auf einer Richtlinie der EU, womit die nationale Definition des Arbeitnehmers zu be­rücksichtigen ist. Der BGH hat in einem anderen Urteil die Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und dessen Geschäftsführer wiederholt verneint, jedoch seien diese auch nicht generell unanwendbar. So könne man gerade die gesetzlichen Regelungen der §§ 74 ff. HGB anwenden, welche die besonderen Interessen der Gesellschaft wah­ren.31

2. Zustimmende Meinung

Die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Fremd-Geschäftsführer wird insbesondere in der Literatur überwiegend befürwortet.32 Neben der wirt­schaftlichen Unterlegenheit, die vom BGH insbesondere für Fremd- Geschäftsführer bejaht wurde,33 ist unter anderem Gravenhorst der Ansicht, dass ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft auch sozial abhängig sein kann. Diese „intellektuelle Unterlegenheit“ des Geschäftsführers be­gründet Gravenhorst damit, dass dieser beim Abschluss eines Geschäftsfüh­reranstellungsvertrages, welcher meist zeitlich befristet ist und in dem ein nachvertraglicher Wettbewerbsverbot in der Regel auch vereinbart wird, nicht reflektieren wird, wie sich seine berufliche Zukunft entwickeln wird. Der an­gehende Geschäftsführer würde einem in der Ferne liegenden nachvertragli­chen Wettbewerbsverbot zustimmen, da das Ende des Dienstverhältnisses noch nicht in Sicht sei. Dagegen würde der künftige Geschäftsführer bei­spielsweise ein viel zu niedrig angesetztes Anfangsgehalt nicht ohne weite­res akzeptieren. Die Gesellschaft hingegen hat langfristige Pläne, wenn es sich dazu entscheidet ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit diesem zu vereinbaren.34 Bauer und Diller sind der Ansicht, dass das Argument der größeren Gefahr, die von einem ausgeschiedenen Geschäftsführer ausgehe und deshalb eine entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB ausscheidet, nicht überzeugt. Die Nicht-Anwendbarkeit der Vorschriften würde nur dann Sinn machen, wenn §§ 74 ff. HGB einem nachvertraglichen Wettbewerbs­verbot sehr enge Grenzen für die Reichweite und die Dauer setzen würden, wodurch die Gesellschaft sich nicht ausreichend schützen könnte.35 Dies sei jedoch nicht der Fall, da der BGH in seinem Urteil vom 26.03.1984 die inhalt­liche Grenze von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Organmitglie­der genau dort zieht, wo sie bei Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmer nach § 74a Abs. 1 HGB verlaufen.36 Daher wirke sich die Rechtsprechung des BGH nur soweit aus, als das der Sozialschutz eines Geschäftsführers hinter dem Zurückbleiben kann, was die §§ 74 ff. HGB für Arbeitnehmer verlangen. Jedoch habe der Sozialschutz eines Geschäftsführers nichts mit den Ge­heimhaltungsinteressen der Gesellschaft zu tun.37 Wertheimer ist derAnsicht, dass der BGH Kriterien ansetzen sollte, die das erhöhte Konkurrenzschutz­bedürfnis der Unternehmen betreffen sollte, wobei er auf das berechtigte ge­schäftliche Interesse in § 74a Abs. 1 S. 1 HGB verweist. Der BGH habe da­gegen den erhöhten Wettbewerbsschutz der Gesellschaft durch einen Abbau des Sozialschutzes der Geschäftsführer versucht zu kompensieren, in dem eine Karenzentschädigung für die Dauer des Verbots nicht allgemein erfor­derlich sei. Da der GmbH-Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden wie der Arbeitnehmer oftmals auf eine neue Beschäftigung angewiesen sei, muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur unter den engen Voraussetzun­gen, die in den §§ 74 ff. HGB eine verfassungsmäßig wirksame Ausgestal­tung erfahren haben, zulässig sein. Der BGH jedoch spalte das System der §§ 74 ff. HGB auf, in dem eine Analogie nur dann in Betracht kommt, wenn die betreffende Norm den Zweck verfolgt, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren. Dadurch werde das Gefüge der §§ 74 ff. HGB unvertretbar auseinandergerissen. Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit des GmbH-Fremdgeschäftsführers, dürfe auf eine Ka­renzentschädigung gern. § 74 Abs. 2 HGB nicht verzichtet werden.38 Nach Gaul ist der Grad der Gefährdung für die Wettbewerbssituation des Unter­nehmens kein Rechtfertigungsgrund dafür, dem ausgeschiedenen Ge­schäftsführer die Zahlung einer Karenzentschädigung im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB zu verweigern. Der Sinn und Zweck einer solchen Entschädi­gung ist es, dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer, der durch eine Wettbe­werbsklausel in seiner beruflichen Entwicklung eingeschränkt wird, einen wirtschaftlichen Ausgleich zu gewähren. Dem Arbeitnehmer wird aufgrund des Verbots eine geringere Chance gegeben, seine Kenntnisse wirtschaftlich nutzbringend einzusetzen und dadurch Entgelteinbußen hinnehmen muss. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer unterscheide sich dabei nicht von ei­nem Arbeitnehmer. Beide Gruppen müssen während eines Wettbewerbsver­botes die Möglichkeit besitzen, sich beruflich frei entfalten zu können und somit die wirtschaftlichen Chancen einer optimalen Nutzung der Arbeits­marktlage für sich zu verwerten, oder zumindest einen wirtschaftlichen Aus­gleich für die Einschränkungen erhalten. Daran ändere auch nicht der in der Rechtsprechung des BGH herauskristallisierte Gesichtspunkt, dass gerade von einem ausgeschiedenen Geschäftsführer und seiner Intimkenntnisse der Gesellschaft eine größere Gefahr drohe. Gaul wendet ein, dass in fast jedem Betrieb Forscher, Entwickler und Spezialisten tätig sind, die bei ihrem Aus­scheiden für Unternehmen eine gleiche potentielle Wettbewerbsgefährdung darstellen, wie ein ausscheidender Geschäftsführer, für die jedoch die Vor­schriften der §§ 74 ff. HGB gelten. Demnach ist die Begründung, dass der Geschäftsführer einer GmbH Intimkenntnisse besitzt, keine Rechtfertigung dafür, eine Karenzentschädigung ausfallen lassen zu können. Demnach ge­biete es schon Art. 3 GG dem Geschäftsführer eine Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB, als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedanken zukommen zu lassen, da die Interessenlage eines ausgeschiedenen Organmitglieds sich nicht von einem ausgeschiedenen Angestellten bezüglich eines nachvertrag­lichen Wettbewerbsverbots unterscheidet.39 Gaul bezieht sich dabei auf einen Beschluss des BVerfG vom 30.05.1990 zur Verfassungsmäßigkeit ungleicher Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte. Das Gericht führte aus, dass eine ungleiche Behandlung verschiedener Personengruppen nur dann mit Art. 3 GG vereinbar ist, wenn die Unterschiede von einer solchen Art und Gewicht sind, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.40 Ei­ne solche Art und Gewichtung, die eine unterschiedliche Behandlung von Geschäftsführer und Arbeitnehmer rechtfertigen könnte, ist in Bezug auf eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel nach der Ansicht von Gaul nicht exis­tent. Insbesondere nicht bei Fremd-Geschäftsführern und Minderheitsgesell­schaftergeschäftsführer.41

[...]


1 ln der folgenden Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen beiderlei Geschlechts.

2 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 5; Management-Blog: Arme oder eiche GmbH- Chefs - die Branche entscheidet. Wiwo.exklusiv, https://blog.wiwo.de/management/2011/09/25/arme-oder-reiche-gmbh-chefs-je-nach- branche/ - zuletzt aufgerufen am 04.07.2019.

3 BGH, NJW 1984, 2366 (2366 ff.); OLG Hamm, GmbHR 1988, 344 (344 ff.); OLG Düssel­ dorf, GmbHR 1999, 120 (120 ff.); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 164 (164 ff.); OLG Hamm Urt. v. 14.7.2014 -8U 131/12, BeckRS 2016, 13633, Rdnr. 2a ff.; OLG Mün­chen, NZA-RR 2019, 82 (82 ff.).

4 S. Punkt D. IV.

5 S. Punkt D. IV. a) ff.

6 Fall betreffend einer Kundenschutzklausel Herr Dr. Z soll aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse die Prozesse im Bereich des Vertriebs als Fremdgeschäftsführer verantworten. Der Ge­schäftsführer hat keinen Zugriff zu den restlichen Geschäftsbereichen der XY-GmbH.

7 Jaeger/Steinbrück in: MüKo zum GmbHG, § 35, Rdnr. 367.

8 BGH, NJW 1984, 2366 (2367).

9 Genaueres zum GeschGehG s. Punkt II. 1b cc).

10 Schaal in: Rowedder Schmidt-Leithoff- GmbHG, § 85, Rdnr. 42.

11 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1031.

12 Thüsing in: v. Westphalen/Thüsing, VertrR/AGB-Klauselwerke, Geschäftsführerverträge, Rdnr. 205.

13 Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbe­ werbsverboten mit GmbH-Geschäftsführern, S. 6.

14 Moll, MünchenerAnwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rdnr. 70.

15 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1034.

16 BGH, NJW 1984, 2366 (2366 f.); BGH, NJW 1992, 1891 (1892); BGH, NJW2002, 1875 (1876); BGH, DStR 2008, 1842 (1843).

17 BGH, NJW 1984, 2366 (2366 f.).

18 Thüsing in: v. Westphalen/Thüsing, VertrR/AGB-Klauselwerke, Geschäftsführerverträge, Rdnr. 206.

19 BGH, NJW 1953, 1465; BGH, NJW 1984, 2366; BGH, NZA2002, 1040 (1041).

20 BGH, NJW 1984, 2366.

21 BGH, NZA2002, 1040 (1041).

22 BGH, NJW 1953, 1465 (1465).

23 BAG, NZA 1999, 987 (987 ff.).

24 EuGH, NJW 2011,2343 - Danosa; EuGH NJW2015, 2481 - Baikaya.

25 Müller-Glöge in: Germelmann/Matthes/Prütting - ArbGG, § 5 Rdnr. 25.

26 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1033.

27 EuGH, NJW 2011,2343 - Danosa; EuGH NJW 2015, 2481 - Baikaya.

28 EuGH, NJW 2015, 2481 (2482) - Baikaya.

29 Jutzi,AuA 6/18, 348 (350).

30 von Hoyningen-Huene in: MüKo zum HGB, § 74, Rdnr. 1.

31 BGH, NJW 1992, 1892 (1892 f.).

32 Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbe­ werbsverboten mit GmbH Geschäftsführern, S. 66 ff.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1038; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnis­sen, S. 139; Gaul, GmbHR 1991, 144 (147).

33 BGH, NJW 1984, 2366.

34 Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbe­ werbsverboten mit GmbH Geschäftsführern, S. 66 ff.

35 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1038.

36 BGH, NJW 1984, 2366 (2367).

37 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 1038.

38 Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 138 ff.

39 Gaul, GmbHR 1991, 144 (147).

40 BVerfG, NJW 1990, 2246.

41 Gaul, GmbHR 1991, 144 (147).

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Dienstvertrag von Fremdgeschäftsführern
Hochschule
Fachhochschule Bielefeld
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
90
Katalognummer
V508544
ISBN (eBook)
9783346067470
ISBN (Buch)
9783346067487
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Masterarbeit, Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbverbot, nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Know-how-Schutz, Geschäftsführer, GmbH, Vertragsgestaltung
Arbeit zitieren
Seyhan Özdes (Autor:in), 2019, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Dienstvertrag von Fremdgeschäftsführern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508544

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