Charakteristik und Management radikaler Innovationen (Bsp. Milchfleisch als radikale Innovation in der Lebensmittelindustrie)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

36 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und begriffliche Abgrenzung Innovationsarten

3. Rahmenbedingungen für radikale Innovationen
3.1 Interne Faktoren
3.2 Externe Faktoren

4. Der Prozess einer radikalen Innovation
4.1 Phase 1: Initiative / Forschung
4.2 Phase 2: Geschäftsaufbau / Vorentwicklung
4.3 Phase 3: Breite Markterschließung / Serienentwicklung

5. Die radikale Innovation „Milchfleisch“
5.1 Strömungen in der Lebensmittelindustrie
5.2 Das Unternehmen Campina
5.2 Das Produkt Valess

6. Ausblick und Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Lebensmittelmarkt nimmt in der Bundesrepublik Deutschland eine zentrale Stellung ein. Zum einen aufgrund der elementaren Bedeutung seiner Konsumgüter für den einzelnen Verbraucher, zum anderen als ein großer Markt, der sich im Wandel befindet und insgesamt derzeit etwa 150.000 registrierte Einzelstücke subsumiert.[1]

Um diese große Vielfalt an Produkten zu erweitern und den immer wieder aufs Neue entstehenden Verbraucherbedürfnissen gerecht zu werden, ist der Faktor Innovation von großer Bedeutung. Er treibt den „Konsummotor“ an und steht für die „kreative Erneuerung in Wirtschaft und Verwaltung“.[2]

Die vorliegende Ausarbeitung, die im Rahmen einer Veranstaltung zum Innovationsmanagement in der Lebensmittelindustrie entstanden ist, widmet sich dem breiten Feld der Innovationen. Dabei wurde der thematische Fokus auf die „radikalen Innovationen“ gelegt, da dieses Segment durch seine hohe Ausprägung innovativer Aktion besondere Aufmerksamkeit verdient.

Zunächst soll einleitend der Begriff der Innovation definiert und der Terminus „radikale Innovation“ erklärt werden. Darauf erfolgt die Präsentation einiger Ergebnisse empirischer Befunde zum Auftreten und zur Verbreitung von radikalen Innovationen. Nachdem im Anschluss das breite Feld der Innovationen anhand der Einteilung in Produkt-, Prozess- und Sozial- und Organisationsinnovationen aufgeschlüsselt worden ist, wendet sich die vorliegende Arbeit den Rahmenbedingungen radikaler Innovationen zu. Dieser Teil behandelt die wesentlichen internen und externen Bedingungen unter denen Innovationen entstehen, von der Motivation der Initiatoren, bis zur Kooperation einzelner unternehmensinterner Abteilungen.

Im Anschluss wird dann der Prozess, welcher eine radikale Innovation hervorbringen soll, etwas genauer betrachtet. Anhand eines Drei-Phasen-Modells werden die zum Prozess gehörenden einzelnen Handlungsschritte und Möglichkeiten des Unternehmens aufgezeigt und erläutert.

Das letzte Drittel dieser Ausarbeitung befasst sich, nachdem bereits in den vorangegangenen Punkten eine theoretische Grundlage geschaffen wurde, mit einem Beispiel für eine radikale Innovation aus der Praxis. Es handelt sich dabei um das Produkt „Valess“ (Milchfleisch) des Unternehmens Campina.

Dazu wird zunächst ein kurzes Profil des Unternehmens mit den wichtigsten Fakten, Geschäftsfeldern und Zahlen vorangestellt, um dann im folgenden Abschnitt das Produkt „Valess“ selbst darzustellen und den unternehmenseigenen Entwicklungsprozess der radikalen Innovation Milchfleisch zu beleuchten.

Abschließend wird diese Ausarbeitung durch ein Fazit und einen Ausblick in die Zukunft abgerundet.

2. Definition und begriffliche Abgrenzung

Bevor in den folgenden Ausführungen näher auf die radikale Innovation eingegangen werden soll, muss zunächst der Begriff der Innovation abgegrenzt werden. Eine Vielzahl von Definitionen findet sich in der Literatur, von denen an dieser Stelle nur eine besonders prägnante genannt werden soll:

„Unter dem Begriff der Innovation wird die Entstehung einer neuen Idee, deren Umsetzung in ein Produkt oder Verfahren, Realisierung und Einführung verstanden.“[3]

Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Innovation keinesfalls mit der Invention gleichzusetzen ist, da sich die Invention auf „den Prozess der Wissensgenerierung und die erstmalige technische Realisierung einer neuen Problemlösung“[4] bezieht und somit lediglich eine Vorstufe der Innovation darstellt.

Im breiten Feld der Produktinnovationen in der Lebensmittelindustrie und in den zu diesem Thema erschienenen Publikationen wird oftmals von „radikalen Innovationen“ oder „echten Innovationen“ gesprochen. Schon diese unterschiedliche Benennung gibt Grund zu der Annahme, dass das Feld der „radikalen Innovationen“ viele Fragen offen lässt. So stößt die Beantwortung der Frage, was eine „radikale Innovation“ kennzeichne, auf Schwierigkeiten. Diese Abgrenzung und damit eine Definition soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.

Der Kieler Professor Dr. Jürgen Hauschildt definiert in seinem 1993 erschienenen Standardwerk „Innovationsmanagement“ eine Unterscheidung in vier Arten von Innovationen. Bei seinen Ausführungen verweist er auf die Zweck-Mittel-Beziehung der Neuerscheinungen und unterscheidet in „Mittelinduzierte Innovation“, „Zweckinduzierte Innovation“, “Radikale Innovation“ und „Inkrementale Innovation“. Damit liefert er folgende Definition für eine „Radikale Innovation“:

„In diesem Typ sind die Zwecke neu gesetzt und zugleich werden neue Mittel zur Erfüllung dieser Zwecke angeboten.“[5]

Versucht man nun, anhand dieses Schemas die getätigten Innovationen aufzuteilen, steht man vor erneuten Schwierigkeiten, da die Neuheit eines Mittels und eines Zwecks nicht konkret festzumachen sind. Ist beispielsweise ein Produkt wie Sprühsahne eine radikale Innovation, weil die Nutzung des Produktes Sahne durch sie maßgeblich verändert wurde? Stellen gentechnisch manipulierte Produkte eine radikale Veränderung des Speiseplans dar? Oder sind derartige Lebensmittel in ihrem Zweck nur marginal gewandelt?

Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen sind einige wenige Ergebnisse anzutreffen. So haben beispielsweise Hans Knoblich et al. in der Veröffentlichung ihrer 1996 erschienenen empirischen Untersuchung Folgendes herausgefunden: „Echte Innovationen im Sinne von Weltneuheiten [sind] erwartungsgemäß die große Ausnahme“[6]. Von den von ihnen untersuchten 1685 Neuheiten in den Jahren 1993 und 1994 seien 41 in diese Kategorie einzuordnen. Dies entspricht einer Größe von 2,4 Prozent. Bei der Mehrzahl der Innovationen handele es sich um Produktlinienergänzungen (27,3 Prozent), Weiterentwicklungen/Verbesserungen bestehender Produkte (23,4 Prozent) sowie Repositionierungen (21,5 Prozent). Die restlichen Innovationen teilen sich auf in neue Produktlinien (14 Prozent) und Kostenreduzierungen (12 Prozent).[7] Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die befragten 57 Unternehmen selbstverständlich keinen repräsentativen Querschnitt bilden.

Auch Klaus Menrad kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Er verweist auf eine Studie im Auftrag von A. C. Nielsen, die 3,7 Prozent der neuen Produkte, die von 1996 bis 1997 auf dem deutschen Markt eingeführt wurden, mit dem Prädikat „innovativ“ belegt. Bei weiteren 80 Prozent handele es sich lediglich um „me-too products“, auf diese Nachahmungsprodukte wird weiter unten näher eingegangen. Darüber hinaus nennt Menrad mit dem spanischen und dem US-amerikanischen Markt zwei weitere Märkte auf die diese Zahlen zutreffen.[8]

Für den US-amerikanischen Markt haben John M. Connor et al. die Menge der Neueinführungen aufgeschlüsselt. Zwar gelten die ermittelten Daten für den Beginn der 1980er Jahre, aber dennoch geben sie zumindest tendenziell eine Vorstellung von den Arten neuer Produkte. Sie geben an, dass es sich im Foodbereich bei 77,4 Prozent der Einführungen lediglich um Line- oder Brand-Extensions, also Produktlinien- bzw. Markenlinienerweiterungen, handelt. Die restlichen 22,6 Prozent entfallen auf neue Marken. Der Großteil der Veränderungen entfällt auf die „Formulation“, also die Ergänzung von neuen Inhaltsstoffen. Des Weiteren haben sie die Kategorien, in den Innovationen stattfanden, aufgesplittet. Das Ergebnis zeigt, dass die meisten Neuheiten, bezogen auf das Jahr 1992, im Bereich Süßigkeiten/Snacks zu finden sind.[9]

Die aktuellste Zahl zur Anzahl radikaler Innovationen findet sich in einem Artikel der Lebensmittelzeitung. Hier werden 4 Prozent der Einführungen 2002/2003 als „echte Novitäten“ eingestuft. Wobei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen sei, dass im folgenden Jahr mehr als 70 Prozent dieser Innovationen nicht mehr angeboten wurden.[10]

Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass die Zahl der radikalen Innovationen, gemessen an der Summe der Innovationen, im niedrigen, einstelligen Bereich gesehen wird. Gründe für diese niedrige Quote an radikalen Neuheiten sollen weiter unten beleuchtet werden. Zunächst soll eine andere Möglichkeit der Differenzierung von Innovationen im Vordergrund stehen.

Innovationsarten

Innovationen lassen sich grundsätzlich in drei verschiedene Arten unterteilen:[11]

Produktinnovation

Prozessinnovation

Sozial- und Organisationsinnovation

Produkte sind der häufigste Innovationsgegenstand im Unternehmen. Sie bestimmen durch Befriedigung von Kundenbedürfnissen maßgeblich über die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.[12]

Bei der Produktinnovation geht es um die Entwicklung und Vermarktung vollkommen neuer Erfindungen und Ideen. Sie sind für das Unternehmen neu und in der Regel auch für den Markt.

Da ein neu auf den Markt gebrachtes Produkt häufig mit dem gesamten Unternehmen in Verbindung gebracht wird und sich daher auch positiv auf das Unternehmensergebnis auswirken kann, ist diese Innovationsform die bedeutsamste.[13] Sie erlaubt die Anpassung an veränderte Kundenwünsche und die Erschließung neuer Märkte.

Demgegenüber können nicht nur Produkte innovativ erneuert werden, sondern auch die Prozesse, die zur Erstellung von Leistungen bzw. Produkten erforderlich sind.

Ein Prozess ist die zielgerichtete Erstellung einer Leistung durch eine Folge von logisch zusammenhängenden Aktivitäten. Es kann sich dabei sowohl um technologische Prozesse als auch um informative Prozesse handeln. Technologische Prozesse stehen in Bezug zur Produktionstechnologie (Produktionsanlagen und -stätten), während informative Prozesse eher die Arbeitsmethoden und die Art der Informationsvermittlung umfassen. Innerhalb dieser Prozesse, die als inhaltlich abgeschlossene Vorgänge bezeichnet werden können, entsteht durch die Kombination der Einsatzgüter ein Wertzuwachs, der das Prozessergebnis darstellt.[14]

Prozessinnovation dient der Verbesserung von Unternehmensabläufen, beispielsweise durch die Einführung einer völlig neuen Produktionstechnologie, und führt zu Kostensenkungen, Produktivitätserhöhungen und der Verbesserung der Produktqualität.[15]

Die dritte Innovationsart „Sozial- und Organisationsinnovation“ stellt eine Ergänzung zur Produkt- und Prozessinnovation dar. Inhaltlich bezieht sich diese auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen und Atmosphäre, unter denen die Innovation abläuft. Dies kann z.B. in der Weiterentwicklung der Unternehmensphilosophie oder der organisatorischen Gestaltung der Arbeitsprozesse in einem Unternehmen bestehen.[16]

Soziale Ziele, wie beispielsweise die Arbeitszufriedenheit, die eng mit der Unternehmenskultur verbunden sind, sollen dabei im Vordergrund stehen und erreicht werden.

Mitarbeiter, die sich mit einem hoch innovativen Projekt mit komplexen Fragestellungen und neuartigen Ansätzen zur Problemlösung befassen, müssen die Bereitschaft haben, untereinander intensiv zu interagieren.[17] Dies lässt sich nur durch eine vitale Innovationskultur im Unternehmen erreichen. „Dabei kommt es auf kreative Beiträge und eine maximale Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Aufgabe an.“[18]

Sozial- und Organisationsinnovation bedeutet also, Innovation zur Unternehmensleitlinie zu erheben und die Organisation und das soziale Verhalten der Mitarbeiter darauf auszurichten. Verbesserte und innovativere Arbeitsprozesse sollen die Folge sein.

Mitarbeitern wird demnach mehr Verantwortung übertragen, um das Engagement bei der Arbeit zu fördern und die Mitarbeiter dazu zu animieren, die eigenen Ideen einzubringen. Sie sollen genügend Freiraum haben, um auch radikal neue Problemlösungen testen zu können. Im Gegenzug muss allerdings die Bereitschaft vorhanden sein, das Risiko eines Fehlschlags auf sich zu nehmen. Diese Art von Risikobereitschaft wird durch hohe Fehlertoleranz gefördert.[19]

Innovation betrifft also auch Arbeitsprozesse ebenso wie das Handeln der Unternehmensführung und darf nicht ausschließlich auf das Endprodukt bezogen werden. Trotzdem ist die Produktinnovation nach wie vor die griffigste Innovationsart, da diese als einzige wirklich vom Konsumenten wahrgenommen wird. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher im Schwerpunkt auf die Produktinnovation.

[...]


[1] vgl. Bosshammer, Ulla: Geschwindigkeitsrausch. In: Lebensmittelzeitung spezial 2/2004. Innovationen. Kreative Konzepte für Märkte von morgen. S. 36

[2] Düthmann, Christiane. S. 14 ff

[3] Verbeck, Alexander: Kooperative Innovation. Effizienzsteigerung durch Teammanagement. Zürich 2001.

S. 11

[4] Hügelsberger, Holger: Innovationsmanagement in österreichischen Konsumgüterunternehmen. Wien 2003.

S.10

[5] ebd. S. 9

[6] Knoblich, Hans/Scharf, Andreas/ Schubert, Bernd: Forschungsbericht. Organisation von Produktinnovationsprozessen in der Nahrungs- und Genußmittelbranche. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Göttingen 1996. S. 14

[7] vgl. ebd. S. 14

[8] vgl. Menrad, Klaus: Innovations in the food industry in Germany. Freising 2004. S. 867. ( In:??????)

[9] vgl. Connor, John M./ Schiek, William A.: Food Processing. An Industrial Powerhouse in Transition. Kanada 1997. S. 388

[10] vgl. Bosshammer, Ulla. S. 36

[11] vgl. Bergmann, Gustav: Kompakttraining Innovation. Ludwigshafen/Kiel 2000. S. 25-30

[12] vgl. Pleschak, Franz / Sabisch, Helmut: Innovationsmanagement. Stuttgart 1996. S. 14 f.

[13] vgl. Wilkens, Malte W.: Die Innovationsspirale. Das Erfolgssystem für gezielte Produktplanung und –vermarktung, Landsberg / Lech 2001. S. 22

[14] vgl. Vahs, Dietmar: Einführung in die Organisationstheorie und –praxis. Stuttgart 2003. S. 207

[15] vgl. Bergmann 2000. S. 29 f.

[16] vgl. ebd. S. 30

[17] vgl. Innovationskompass 2001: Radikale Innovationen erfolgreich managen. Düsseldorf 2001. S. 34

[18] ebd. S. 43

[19] vgl. ebd. S. 43

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Charakteristik und Management radikaler Innovationen (Bsp. Milchfleisch als radikale Innovation in der Lebensmittelindustrie)
Hochschule
Universität Lüneburg  (MUT - Marketing und Technologiemanagement)
Veranstaltung
Innovationsmanagement in der Lebensmittelindustrie
Note
2,0
Autoren
Jahr
2005
Seiten
36
Katalognummer
V50821
ISBN (eBook)
9783638469494
Dateigröße
703 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit führt ein aktuelles Beispiel für eine radikale Lebensmittelinnovation aus Holland an: Valess (Milchfleisch).
Schlagworte
Charakteristik, Management, Innovationen, Milchfleisch, Innovation, Lebensmittelindustrie), Innovationsmanagement, Lebensmittelindustrie
Arbeit zitieren
Jan Schüttler (Autor:in)Oliver Clausen (Autor:in), 2005, Charakteristik und Management radikaler Innovationen (Bsp. Milchfleisch als radikale Innovation in der Lebensmittelindustrie), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50821

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