Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland - eine kritische Beurteilung


Seminararbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Einleitung: Ursachen und Folgen einer niedrigen Geburtenrate

B) Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland: Eine kritische Beurteilung
1.) Opportunitätskostenansatz zur Erklärung des Geburtenverhaltens
2.) Fertilität und finanzielle Transfers
2.1.) Kindergeld
2.2.) Erziehungsgeld
2.3.) Elterngeld/ Bezahlte Elternzeit
3.) Fertilität und steuerliche Vergünstigungen
3.1.) Kinderfreibetrag
3.2.) Betreuungsfreibetrag
3.3.) Ausbildungsfreibetrag
3.4.) Ehegattensplitting
4.) Fertilität und Verbesserung der Rahmenbedingungen
4.1.) Chancengleichheit von Mann und Frau
4.2.) Gesellschaftliche Anerkennung der Familienleistung
4.3.) Verbesserung der Kinderbetreuung
4.4.) Verkürzung der Ausbildungszeiten
4.5.) Familienbewusste Personalpolitik
5.) Vergleich von monetären Förderungen von Familien und Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien

C) Schluss: Aufgaben einer nachhaltigen Familienpolitik mit dem Ziel einer aktiven Bevölkerungsentwicklung

A) Einleitung

Die demographische Entwicklung in Deutschland stellt die Politik vor schwierige Herausforderungen. Die deutsche Bevölkerung wird immer älter, der Altersquotient, der als Relation der 65-Jährigen und Älteren zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren definiert wird, steigt schneller als in fast allen anderen Ländern dieser Welt an. Bereits im Jahr 2035 werden wir vermutlich die älteste Bevölkerung auf der Erde sein[1]. Ein Grund für diese Entwicklung liegt in der steigenden Lebenserwartung der Deutschen. Allerdings weicht diese nicht gravierend von der Lebenserwartung anderer Völker ab[2]. Der wohl ausschlaggebendere Grund für die Überalterung der deutschen Gesellschaft liegt in der sinkenden Geburtenziffer. Die Geburtenrate in Deutschland liegt aktuell bei etwa 1,29 Kindern pro Frau. Diese Zahl ist somit nicht nur weit entfernt von der magischen Geburtenziffer von 2,1 Kindern pro Frau, die nötig wäre um eine stabile Bevölkerungsentwicklung zu garantieren sondern liegt auch noch weit hinter den Geburtenraten in anderen europäischen Ländern. Deutschland bildet somit mit den mitteleuropäischen Ländern das Schlusslicht in Westeuropa[3].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vergleich der Fertilitätsraten ausgewählter Länder[4]

Die Folgen dieser Entwicklung sind schon seit langer Zeit absehbar und trotzdem kam es bis heute noch nicht zu wirklich tief greifenden Maßnahmen, die diesem Problem entgegenwirken. Besonders betroffen von dieser demographischen Entwicklung ist die in Deutschland vorhandene umlagefinanzierte Renten-versicherung. Immer weniger junge Menschen müssen mit ihren Beiträgen die Renten für eine immer größere Anzahl alter Menschen finanzieren. Das Jahr 2035 gilt als das Jahr, in dem die demographische Krise nach heutigem Kenntnisstand kulminieren wird[5]. Doch auch noch andere Folgen zieht die demographische Entwicklung mit sich. Eine alternde Bevölkerung ist nicht so leistungsfähig wie eine junge Gesellschaft. Die geistige und wirtschaftliche Dynamik Deutschlands wird unter der Entwicklung leiden. Durch die schwindende Innovationsfreudigkeit werden wir auch im internationalen Wettbewerb Verluste in Kauf nehmen müssen[6].

Diese Arbeit setzt den Fokus auf die sinkende Geburtenrate. Bestehende Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate und solche, die momentan in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollen hier unter ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten betrachtet werden.

B) Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland: Eine kritische Beurteilung

1.) Opportunitätskostenansatz zur Erklärung des Geburtenverhaltens

In der ökonomischen Theorie wird das Fertilitätsverhalten und die damit zugrunde liegende Geburtenrate als Ergebnis eines ökonomischen Kalküls rationaler Individuen betrachtet[7]. Individuen stellen somit bei Ihrer Entscheidung für oder gegen Kinder eine Kosten- Nutzen- Analyse auf.

Der Nutzen liegt hier im psychologischen und soziologischen Bereich. Kinder stellen für ihre Eltern heute Konsumgüter dar[8]. Die Eltern ziehen ihren Nutzen aus der Freude mit den Kindern. Zu Zeiten der Mehrgenerationenfamilie galten Kinder noch als Investitionsgut. Kinder kamen für die Versorgung der Eltern im Ruhestand auf. Aus diesem Grund war es zu jener Zeit auch noch attraktiv viele Kinder in die Welt zu setzen, damit die Alterszeit gesichert ist. Das Investitionsmotiv von Kindern hat seine Bedeutung durch die Einführung der Rentenversicherung jedoch verloren.

Die Kosten für Kinder gliedern sich in direkte Kosten und indirekte Kosten. Zu den direkten Kosten zählen Ausgaben für Kleidung, Nahrung, Wohnraum, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf. Diese steigen mit zunehmender Kinderzahl an.

Die indirekten Kosten, stellen Opportunitätskosten in Form von z.B. Einkommensverlust oder auch Humankapitalverlust mindestens eines Elternteils während der individuellen Erziehungs- und Betreuungszeit zu Hause dar. Diese Kosten sind in der Regel für das erste Kind bei weitem höher als für das zweite und die darauf folgenden Kinder. Grund dafür ist, dass das Einkommen vor der Geburt des ersten Kindes meist höher ist als das Einkommen vor der Geburt des zweiten Kindes. Nach dem ersten Kind wird, wenn überhaupt, meist nur eine Teilzeit- Erwerbstätigkeit durch die Mutter ausgeübt, welche mit einem geringeren Einkommen ausgestattet ist als eine Vollzeit- Erwerbstätigkeit vor dem ersten Kind.

Entscheidend für das Geburtenverhalten ist das Verhältnis von Nutzen eines Kindes zu den Kosten eines Kindes. Problematisch ist dabei die monetäre Bewertung des Nutzens. Klar ist allerdings: Je niedriger die Kosten, desto wahrscheinlicher ist eine Entscheidung für Kinder.

Die Höhe der Opportunitätskosten spielt die große Rolle bei der Entscheidung für oder gegen ein erstes Kind. Die direkten Kosten beeinflussen hingegen eher die Entscheidung wieviele Kinder man sich noch wünscht, wenn man bereits mindestens ein Kind hat. Folgt man den Ausführungen von Prof. Dr. Bert Rürup, so ist die Kinderlosigkeit in Deutschland das zentrale Problem und somit ist die Senkung der Opportunitätskosten das vorrangige Ziel um die Geburtenrate zu steigern[9].

Auffällig ist die Kinderlosigkeit bei Frauen mit hohem Bildungsgrad. Bei den 35-bis 39-jährigen Frauen mit Hochschulabschluss oder Promotion, leben 44,3% ohne Kinder im Haushalt. Bei Frauen mit Hauptschulabschluss hingegen liegt der Anteil der Kinderlosen etwa bei der Hälfte, bei 23%[10]. Grund dafür sind die hohen Opportunitätskosten der Akademikerinnen bei Aufgabe Ihres Berufes für die Zeit der Kinderbetreuung.

Der Einfluss der Erwerbstätigkeit auf das Geburtenverhalten ist sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Sicht nicht eindeutig[11]. Er ergibt sich durch zwei entgegengesetzte Wirkungsströme:

Zum einen durch den Einkommenseffekt, bei welchem eine Einkommenserhöhung zu einem Ansteigen der Geburtenrate führt. Einkommen ermöglicht in diesem Fall sich Kinder zu „leisten“. Zum anderen durch den Substitutionseffekt, bei welchem eine Einkommenserhöhung zu einer sinkenden Geburtenrate führt. Eine Erwerbstätigkeit hat zur Folge, dass eine Zeit- und Ressourcenbeanspruchung stattfindet, die nicht gleichzeitig für Kindererziehung und –betreuung verwendet werden kann. Das Arbeitsangebot von Müttern und die Kindererziehung stellen für die Mutter vollständige Substitute dar.

Entscheidend für die Entwicklung der Geburtenrate ist nun welcher der beiden Effekte überwiegt. Ist der Substitutionseffekt größer als der Einkommenseffekt wird die Geburtenrate sinken, ist er kleiner, wird die Geburtenrate steigen. Das Ziel von Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate vor diesem Hintergrund muss es nun sein, den negativ auf die Fertilität wirkenden Substitutionseffekt zu entschärfen.

Kritik an der alleinigen Orientierung an der Senkung der Opportunitätskosten[12] und an der Kosten-Nutzen-Analyse[13] äußert Prof. Dr. Hans Bertram. Seiner Meinung nach beeinflusst nicht dieses rationale Kalkül, sondern die Vorstellungen, die mit der eigenen antizipierten Berufsrolle zusammenhängen, die Einstellung zu Kindern. Bertram folgt in seinem Gutachten eng den Forschungen von Catherine Hakim von der London School of Economics, die in den Frauen keine homogene Gruppe mit einheitlichen Präferenzen und politischen Interessen sieht. Hakim teilt in ihrer „Präferenztheorie“[14] die Frauen in drei unterschiedliche Typen ein. Zum einen die berufsorientierten Frauen, die empfänglich für Gleichstellungspolitik und alle Maßnahmen, die ihre berufliche Orientierung und Entfaltungsmöglichkeiten unterstützen, sind. Dann typisiert sie auch noch die familien- und haushaltsorientierten Frauen. Diese entscheiden sich stärker für ein privates, familiäres Leben abseits der Öffentlichkeit und Beruf. Diese Frauen werden von Arbeitsmarktpolitiken nicht tangiert und sind offen für Familien- und Sozialpolitiken die das Aufziehen ihrer Kinder finanziell unterstützt und auch die öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit unterstreicht. Den dritten Typ von Frauen bezeichnet Hakim als adaptive Frauen. Diese Frauen versuchen sowohl Beruf als auch Familie in Einklang zu bringen und sind deswegen sehr empfänglich für alle Maßnahmen der Zeit- und Infrastrukturpolitik, die sie dabei unterstützen die beiden unterschiedlichen Lebensbereiche optimal miteinander zu kombinieren. Diese Gruppe stellt vermutlich den größten Anteil der Frauen dar.

Aufgabe der Familienpolitik ist es nun laut Hakim diese unterschiedlichen Präferenzen und Lebensstile bei Maßnahmen zu berücksichtigen. Geschieht dies nicht, tangieren die Maßnahmen auch immer nur einen Teil der Frauen. Bertram fordert aus diesem Grund einen optimalen Mix aus Zeitoptionen, Infrastrukturangeboten und Geldtransfers um den unterschiedlichen Lebens-entwürfen gerecht zu werden und die Geburtenrate zu steigern.

Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate kann man grob einteilen in finanzielle Transfers, bei denen Geld direkt an die Empfänger ausgezahlt wird und steuerliche Vergünstigungen durch Freibeträge für Eltern. Außer diesen beiden Gruppen gibt es noch eine Vielzahl von Maßnahmen, die den beiden obigen Gruppen nicht zugeordnet werden können und die ich in dieser Arbeit als „Rahmenbedingungen“ bezeichnen werde.

[...]


[1] Vgl. SINN (2003, S. 20).

[2] Vgl. SINN (2003, S. 21).

[3] Vgl. RÜRUP (2005, S. 10).

[4] Entnommen aus SINN (2003, S.22)

[5] Vgl. SINN (2003, S. 24).

[6] Vgl. SINN (2003, S. 25).

[7] Vgl. RÜRUP (2003, S. 19).

[8] Vgl. BECKER (1993, S. 188ff.).

[9] Vgl. RÜRUP (2003, S. 52).

[10] Vgl. RÜRUP (2003, S.13).

[11] Vgl. RÜRUP (2003, S. 21)

[12] Vgl. BERTRAM (2005, S.13 ff.).

[13] Vgl. BERTRAM (2005, S.15 ff.).

[14] Vgl. HAKIM (2000).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland - eine kritische Beurteilung
Hochschule
Universität Regensburg
Veranstaltung
Seminar Soziale Sicherung durch Markt und Staat
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V50815
ISBN (eBook)
9783638469456
ISBN (Buch)
9783638598194
Dateigröße
4283 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maßnahmen, Erhöhung, Geburtenrate, Deutschland, Beurteilung, Seminar, Soziale, Sicherung, Markt, Staat
Arbeit zitieren
Judith Kornprobst (Autor:in), 2005, Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland - eine kritische Beurteilung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50815

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