Koine Eirene? Voraussetzungen und Nachhaltigkeit der Friedensbemühungen von 387/86 v. Chr.

Der Königsfrieden und die Rolle Spartas als Friedenshüter


Hausarbeit, 2019

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Friedensdefinitionen mit Blick auf die Antike

3. Der Weg zum Königsfrieden
3.1 Allgemeine Friedenssehnsucht
3.2 Die Friedensverhandlungen von 392/91 v. Chr

4. Der Königsfrieden von 387/86 v. Chr
4.1 Zustandekommen und Inhalt
4.2 Nachhaltigkeit und zeitgenössische Rezeption

5. Ausblick

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Krieg und Frieden sind Zustände, welche durch die früheste Geschichte des Men- schen bis in die Gegenwart hinein zentrale und zeitlose Themen sind. Unendlich viele Zeugnisse belegen und kommentieren Kriege, Konflikte, Leid und persönli- che Schicksale. Frieden hingegen stellt nicht erst heute ein erstrebenswertes Ideal dar. Schon in der klassischen Zeit der griechischen Geschichte (500-336 v. Chr.) scheint diese Hypothese plausibel zu sein, obwohl sich zahlreiche gewalt- volle Konflikte durch diese Epoche ziehen:

In der Tat waren die griechischen Staaten im 4. Jh. fast permanent in Kriege untereinander verstrickt, ohne daß eine stabilere Mächtekons- tellation herbeigeführt worden wäre, bis dann 338 Philipp von Makedo- nien die Hegemonie über Hellas erlangte.1

Tatsächlich stabile Friedensperioden waren offenbar eher selten der Fall. Ein wichtiger Meilenstein für die Befriedung war der sog. Königsfrieden von 386/87 v. Chr., welcher vom persischen Großkönig Artaxerxes veranlasst und diktiert wurde. Er war panhellenischer Natur und grenzt sich dadurch von anderen Frie- densbemühungen der Vorzeit durchaus ab: „Der Grundgedanke mag wohlbe- kannt und simpel scheinen, darf aber – da erstmalig in der Geschichte – durchaus als ‚weltbewegendes‘ Ereignis betrachtet werden […].“2 Doch was waren die Vo- raussetzungen dafür, dass solch eine Art des Friedens überhaupt möglich ge- worden war? Wie nachhaltig kann der koine eirene gewesen sein, folgten ihm doch weiterhin Phasen von Kriegen? Und abgesehen von der Frage der Stabilität dieses Friedensvertrages; wie wurde dieser zeitgenössisch betrachtet?

Um auf diese komplexen Sachverhalte möglichst plausibel antworten zu können, ist zwangsläufig ein Blick auf die antiken Friedensvorstellungen und deren Defi- nition notwendig. Nachfolgend wird zunächst die Zeit zwischen dem Ende des Peloponnesischen Krieges 404 v. Chr. bis zu den ersten Friedensverhandlungen im Kontext des Korinthischen Krieges untersucht. Hierbei soll herausgestellt wer- den, dass angesichts des andauernden und auslaugenden Krieges eine allge- meine Friedenssehnsucht entstand, welche neben allen weiteren komplexen Sachverhalten, die ein Krieg und Verhandlungen der verfeindeten Kriegsparteien mit sich bringen, sicherlich eine große Rolle gespielt haben dürfte. Nachfolgend wird der Königsfrieden von 387/86 v. Chr. inhaltlich betrachtet, um im Anschluss daran auf die zeitgenössische Rezeption und die Rolle Spartas als Friedenshüter zu blicken.

Fundamental für diese Arbeit ist Xenophons Hellenika, in welcher sowohl der his- torische Kontext vor dem Königsfrieden, die Niederschrift des Friedensvertrages als auch die nachfolgendenden Geschehnisse mit Blick auf die Rolle Spartas nie- dergeschrieben wurden. Xenophons Werke als Schriftsteller werden äußerst kontrovers diskutiert, beispielsweise musste er sich „schon häufig harte Kritik las- sen, […] besonders seine unzureichende Behandlung der griechisch-persischen Beziehungen“3 wurden beklagt. Hellenika stellt die Zeit des Peloponnesischen Krieges bis zur Schlacht von Mantineia 362 v. Chr. dar. Im Zentrum von Hellenika stehen meist Einzelpersonen wie Agesilaos, ferner zeigt er moralisierende Ten- denzen.4 Trotz aller Kritikpunkte bildet sein Werk die wichtigste Quelle dieser Ar- beit. Als nicht-spartanische Perspektive dient der Panegyrikos des attischen Red- ner Isokrates von 380 v. Chr., in dem Isokrates sowohl Sparta als auch Persien massiv für den Friedensschluss und dessen Umsetzung kritisiert. Isokrates wurde in den Kanon der zehn attischen Redner aufgenommen und zeichnet sich durch einen sehr klaren Stil aus. Was seine Wirkung politischer Aussagen auf Zeitgenossen angeht, scheinen seine Reden eher geringe Wirkung gehabt zu haben.5 Außerdem findet Andokides‘ Friedensrede Eingang in diese Arbeit. Auch er wurde in den Kanon der zehn attischen Redner aufgenommen. Er wurde durch die Empfehlung einer Annahme der spartanischen Friedensbedingungen wegen Amtsmissbrauch von Athen ins Exil geschickt.6 Die Quellenarbeit dieser Arbeit stellt deshalb eine offene Flanke dar, da es sich ausschließlich um Übersetzun- gen handelt, was immer zu einem gewissen Verlust an Originalität führt.

Der Forschungsstand ist in Bezug auf den Königsfrieden qualitativ und quantitativ hochwertig. Peter Funke hat 1980 in Homónoia und Arché die Entwicklung Athens bis 386 v. Chr. untersucht, Karl-Wilhelm Welwei mit besonderem Blick auf die spartanische Rolle (2004) und Ralf Urban (1991) zeichnen sich durch umfas- sende Arbeiten zum Königsfrieden und seinen Nachwirkungen aus. Des Weite- ren hat Katrin Schmidt mit der Monografie Friede durch Vertrag eine gute inhalt- liche Analyse mit Blick auf die antike Rechtsgeschichte geschaffen (2000). Grundlegend für diese Arbeit ist außerdem Martin Jehnes Veröffentlichung Koine Eirene (1994), in der er sich dezidiert mit den Befriedungs- und Stabilisierungs- bemühungen in der griechischen Poliswelt des 4. Jahrhundert v. Chr. auseinan- dersetzt. Größter Kritikpunkt ist hier sicherlich insgesamt, dass es momentan keine Neuerscheinungen zu der Thematik gibt.

2. Friedensdefinitionen mit Blick auf die Antike

Die Formung einer klaren Definition des vertraglich fixierten Friedens von 387/86 v. Chr. gestaltet sich als komplexe Herausforderung, da auch die Bezeichnungen der Art des Friedens in seiner Rezeption variieren:

[…] die anfängliche Betrachtung des Antalkidasfriedens [fällt] ungleich vielschichtiger aus, wird dieser zuweilen als der Schritt vom ersten Friedensvertrag in der Geschichte zum ersten ‚multilateral common peace treaty‘ bezeichnet.7

Schmidt entschied sich dazu, den Friedenspakt nach einem seiner wichtigsten Protagonisten zu benennen, jedoch wird in der Forschung eher die Bezeichnung Königsfrieden genutzt. Als Vertreter seien hier Peter Funke, Karl-Wilhelm Wel- wei, Herman Bengtson und Martin Jehne erwähnt. In dieser Arbeit wird neben der Bezeichnung als Königsfrieden auf den Begriff Allgemeiner Friede (κοινὴ εἰρήνη) zurückgegriffen, der einer näheren Erläuterung bedarf.

Während Königsfrieden schnell erklärt scheint, da die Friedensbedingungen vom persischen König Artaxerxes oktroyierte waren und die Relevanz des Königs her- ausgestellt wird, ist die begriffliche Komplexität eines Allgemeinen Friedens aus- geprägter.8 Das Allgemeine bescheinigt die Differenz zu einem Zwei-Parteien- Frieden, umfasst also auf geographischer Ebene mehr Parteien oder Staaten, welchen eine friedliche Koexistenz zugesichert wird. Des Weiteren

ist der Kern friedlicher Beziehungen zweifellos, daß Frieden herrscht, Frieden zunächst einmal ganz allgemein verstanden als die Abwesen- heit von Krieg, d.h. von Konfliktaustrag zwischen Staaten mit Waffen- gewalt.9

Im Kontext der griechischen Staatenwelt in der klassischen Zeit von 500-336 v. Chr. zielt Koine Eirene nicht darauf ab, dass die Staaten von jeglicher Art von Krieg verschont blieben. Martin Jehne verweist in diesem Zusammenhang da- rauf, dass es in der Ägäiswelt wohl nie gleichzeitig überall Frieden gegeben habe, weshalb Friedensperioden, die größere Regionen umfassten, als durchaus be- deutsame Befriedungserfolge anzusehen seien,10 denn schließlich, so eine sei- ner Thesen, „hat es in den zwischenstaatlichen Beziehungen des 4. Jahrhunderts ein ungewöhnliches Defizit an Frieden und Stabilität gegeben.“11

Im Allgemeinen war der Königsfrieden als Stabilitäts- und Befriedungsbemühung kein Einzelfall. Der Nikiasfrieden von 421 v. Chr. belegt durchaus Ambitionen in diese Richtung, doch blieb die erwünschte Stabilität aus, da eine tatsächliche Friedensbereitschaft offensichtlich nicht zu erkennen ist.12 Auch 404 v. Chr. wur- den im Zuge des Ionischen Krieges zwischen Athen und Sparta Friedensbedin- gungen ausgehandelt. In der Folge installierte das siegreiche Sparta ein 30-köpfi- ges Tyrannenregime in Athen, welchem erbitterter Widerstand entgegentrat und letztlich destabilisierend wirkte.13

Ohne die These zu vertreten, dass der Königsfrieden nachhaltigere Entwicklun- gen nach sich zog, unterscheidet er sich von seinen Grundzügen dennoch von den erwähnten Befriedungsbemühungen, da sich nach vielen Kriegen eine ge- wisse Friedenssehnsucht erahnen lässt.

3. Der Weg zum Königsfrieden

Martin Jehne stellt seinen Untersuchungen in Koine Eirene drei Thesen voraus, welche auch das Fundament dieser Arbeit bilden. Erstens habe es in den zwi- schenstaatlichen Beziehungen des 4. Jahrhunderts ein ungewöhnliches Defizit an Frieden und Stabilität gegeben, welches, so die zweite These, auch als Man- gel empfunden wurde. Deshalb waren Frieden und Stabilität auch erstrebens- werte Ziele, wenn sie auch nicht zwangsläufig die höchsten Werte darstellen mussten. Daraus resultiert die dritte These, welche aufbauend auf den ersten beiden davon ausgeht, dass die gefühlte Verschlechterung der Verhältnisse einer tatsächlichen Verschlechterung entsprach.14 Durch die in den beiden folgenden Unterkapiteln stattfindenden Erläuterungen der Voraussetzungen und Gescheh- nisse ab 403 v. Chr. bis zum Koine Eirene sollen diese Thesen untermauert wer- den.

3.1 Allgemeine Friedenssehnsucht

Xenophon beschreibt die Lage der Athener unmittelbar vor dem Zustandekom- men des Königsfriedens wie folgt:

Da die Athener sahen, welch große Zahl an Schiffen die Feinde hatten, und fürchteten, dass sie, wie früher schon einmal, völlig besiegt wer- den könnten, nachdem der Großkönig [wieder] Verbündeter der Spar- taner geworden war, […] sehnten sie sich aus diesen Gründen sehr nach Frieden.15

Die Sehnsucht nach Frieden scheint jedoch nicht nur für Athen, sondern auch für Sparta erstrebenswert gewesen zu sein. Kriegsverdrossenheit und organisatori- sche Probleme, welche die Sicherung von zu vielen Staaten wie Theben, Orchomenos und Argos mit sich brachte, werden in diesem Zusammenhang als Grund dafür genannt.16

Der Blick nach Persien ist hinsichtlich des historischen Kontextes obligatorisch, da die Perser die entscheidende Kraft hinter dem Königsfrieden waren: „Die Ent- scheidung über das Schicksal von Griechenland [lag] längst nicht mehr diesseits, sondern jenseits der Ägäis, beim persischen Großkönig […].“17 Grundlage waren 412/11 v. Chr. abgeschlossene Verträge zwischen Sparta und Persien, wodurch Sparta zwar den Sieg über Athen erringen, dadurch aber auch den Anspruch des persischen Großkönigs auf die Herrschaft in Kleinasien anerkennen musste. 400 v. Chr. ließ Artaxerxes die Unterwerfung aller ionischen Poleis einfordern, welche seinen Bruder Kyros, der gegen ihn intrigierte, bei der Schlacht von Kunaxa un- terstützt hatten. Sparta half den betroffenen Poleis, weshalb ein Krieg gegen Per- sien folgte.18 Die entstandene Allianz erwies sich allerdings als brüchig, weshalb „der Krieg unter einem unglücklichen Stern zu stehen [schien].“19

[...]


1 Jehne, Martin: Koine Eirene. Untersuchungen zu den Befriedungs- und Stabilisierungsbemü- hungen in der griechischen Poliswelt des 4. Jahrhunderts v. Chr (HERMES Einzelschriften, Bd. 63). Stuttgart 1994, p. 7.

2 Schmidt, Katrin: Friede durch Vertrag. Der Friedensvertrag von Kadesch von 1270 v. Chr., der Friede des Antalkidas von 386 v. Chr. und der Friedensvertrag zwischen Byzanz und Persien von 562 n. Chr. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 2 Rechtswissenschaft, Bd. 3437). Frankfurt am Main u.a. 2002, p. 58.

3 Zahrnt, Michael: Xenophon, Isokrates und die Koine Eirene. In: Hermes 143, Stuttgart 2000, p. 295.

4 Vgl. Schütrumpf, Eckart: s.v. Xenophon, DNP XII (2002) 633 f.

5 Vgl. Weißenberger, Michael: s.v. Isokrates, DNP V (1999) 424.

6 Vgl. Furley, William D.: s.v. Andokides, DNP I (1996) 683.

7 Schmidt, Katrin: Friede durch Vertrag, p. 57.

8 Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit (500-336 v. Chr.). In: Gehrke, Hans-Joachim/Schneider, Helmut: Geschichte der Antike. Ein Studienbuch (Bd. 1). Berlin5 2019, p. 176.

9 Jehne, Martin: Koine Eirene, p. 8.

10 Ebd., p. 9.

11 Ebd., p7.

12 Vgl. Welwei, Karl-Wilhelm: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. Stuttgart 2004, p. 235 f.

13 Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit (500-336 v. Chr.), p. 173 f.

14 Vgl. zu diesem Abschnitt: Jehne, Martin: Koine Eirene, p. 8-13.

15 Xen. Hell. 5,1,29.

16 Vgl. ebd.

17 Bengtson, Hermann: Griechische Geschichte, 241.

18 Vgl. zu diesem Abschnitt: Welwei, Karl-Wilhelm: Sparta, 277.

19 Ebd., 279.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Koine Eirene? Voraussetzungen und Nachhaltigkeit der Friedensbemühungen von 387/86 v. Chr.
Untertitel
Der Königsfrieden und die Rolle Spartas als Friedenshüter
Hochschule
Universität Münster  (Seminar für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Sparta. Aufstieg und Niedergang.
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
20
Katalognummer
V507981
ISBN (eBook)
9783346070951
ISBN (Buch)
9783346070968
Sprache
Deutsch
Schlagworte
koine, eirene, voraussetzungen, nachhaltigkeit, friedensbemühungen, königsfrieden, rolle, spartas, friedenshüter
Arbeit zitieren
Leonard Conradi (Autor:in), 2019, Koine Eirene? Voraussetzungen und Nachhaltigkeit der Friedensbemühungen von 387/86 v. Chr., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507981

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