Partner und Partnerinnen von Personen mit Multipler Sklerose. Bedürfnisse pflegender Angehöriger im häuslichen Setting


Bachelorarbeit, 2013

73 Seiten, Note: 1.5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung
1.2. Problemstellung
1.3. Relevanz für die Pflegepraxis
1.4. Abgrenzungen
1.5. Ziel der Arbeit
1.6. Fragestellung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Multiple Sklerose
2.1.1. Pathogenese
2.1.2. Symptome
2.1.3. Verlauf
2.2. Ambulante Pflege
2.3. Pflegende Angehörige
2.4. Ehe, Partnerschaft und MS
2.5. Bedürfnisse
2.6. Bedürfnispyramide nach Maslow

3. Methodik
3.1. Literaturrecherche
3.2. Literaturbearbeitung
3.3. Ein- und Ausschlusskriterien

4. Resultate
4.1. Gliederung der Resultate
4.1.1. Anerkennung und Wertschätzung
4.1.2. Bedürfnis nach Informationen
4.1.3. Unterstützung und Entlastung
4.1.4. Physische Bedürfnisse
4.1.5. Zukunftsplanung
4.1.6. Selbstverwirklichung
4.1.7. Stabile Partnerschaft

5. Diskussion
5.1. Qualität der Literatur
5.2. Kritische Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
5.3. Rückbezug auf die Bedürfnispyramide nach Maslow
5.4. Theorie-Praxis-Transfer

6. Schlussfolgerung

7. Ausblick

Danksagung

Literaturverzeichnis

A. Suchstrategie

B. Evidenzlevel

C. Häusliche-Pflege-Skala

D. Literaturanalyse

Abstract

Hintergrund: Die Partner und Partnerinnen von an Multiple Sklerose erkrankten Personen spielen in der Betreuung eine wichtige Rolle. Es ist bekannt, dass die Pflege eines geliebten Menschen sehr belastend sein kann. Obwohl pflegende Angehörige vermehrt in die Betreuung einbezogen werden, werden ihre Bedürfnisse oftmals in den Schatten gestellt.

Ziel: Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedürfnisse von pflegenden Partnern und Partnerinnen von Personen mit MS zu erfassen und relevante Aspekte für die ambulante Pflege hervorzuheben.

Methode: Die Fragestellung wurde mittels einer systematischen Literaturrecherche in pflegespezifischen Datenbanken bearbeitet. Durch die kritische Auseinandersetzung mit der verwendeten Literatur konnten verschiedene Bedürfnisse ermittelt werden.

Resultate: Anhand der acht verwendeten Hauptstudien wurden sieben Bedürfniskategorien identifiziert. Es zeigte sich, dass hauptsächlich psychologische und soziale Bedürfnisse von Bedeutung sind.

Schlussfolgerungen: Bedürfnisse von Angehörigen unterscheiden sich von Bedürfnissen von Partnern und Partnerinnen. Es zeichnete sich ab, dass ein Unterstützungsbedarf besteht. Bedürfnisse sollten in einem ausführlichen Assessmentgespräch individuell erfasst und evaluiert werden.

Keywords: „Multiple Sclerosis“, „MS“, „caregiver“, „spouse“, „significant others“, „family“, „relatives“, „partner“, „couple“, „relationship“, „partnership“, „needs“, „requirements“, „support“, „assistance“, „help“ (200 Wörter)

1. Einleitung

In der Schweiz leben 700’000 chronisch kranke Menschen (Bachl, 2009). Rund 10'000 davon sind an Multipler Sklerose erkrankt, das entspricht ungefähr jedem 700. Einwohner (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011). Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems (Compston & Coles, 2002). Die Diagnose wird durchschnittlich mit 29,2 Jahren gestellt (WHO, 2008). Die Krankheit betrifft dadurch junge Erwachsene in einem sehr aktiven Alter, in dem Karriere- und Familienplanung im Vordergrund stehen. Kalb (2004, S. 4) beschreibt die MS als „einen ungebetenen Gast, der eines Tages vollbeladen vor der Tür steht und das Haus nie wieder verlässt.“ Der Pflegebedarf der unheilbar erkrankten Personen nimmt mit den Jahren stetig zu. Dies führt oft dazu, dass junge Partner, Partnerinnen und andere Familienmitglieder die pflegerische Aufgabe übernehmen (Miller, 2004).

1.2. Problemstellung

Durch die demografische und epidemiologische Entwicklung der Bevölkerung wird der Anteil an alten und chronisch kranken Personen in Zukunft drastisch ansteigen. Das Gesundheitsobservatorium Schweiz (Obsan) prognostizierte 2009, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 13 Prozent mehr Personal im Gesundheitswesen benötigt wird. Es zeigt sich, dass hauptsächlich die Nachfrage nach ambulanter Pflege steigen wird. Obsan rechnet mit bis zu 20 Prozent mehr Spitex-Klienten/-Klientinnen (Ruedin, Wiver, Roth & Widmer, 2009).

Die Gesellschaft ist also mehr denn je auf pflegende Angehörige angewiesen, weil das Gesundheitssystem die steigende Nachfrage nicht decken kann. In schätzungsweise fünf Prozent der Schweizer Haushalte lebt mindestens eine pflege- bedürftige, erwachsene Person (Schön-Bühlmann, 2005). Die Unterstützung von Personen mit MS gestaltet sich als langfristig und besonders komplex. Laut Bigler, Egger, Spirig, Kessler-Berther & Glaus Hartmann (2008) beruht dies auf dem individuellen Krankheitsverlauf und den sich verändernden Bedürfnissen der Betroffenen. Die lebenslange Pflege kann bei den Angehörigen zu psychischen und physischen Stress führen (Miller, 2004). Als häufige gesundheitliche Probleme werden Angst, Müdigkeit und Depressionen beschrieben. Hinzu kommen meist soziale und finanzielle Probleme (Forbes, While & Mathes, 2006). Pflegende Angehörige führen trotz ihrer Bedeutung auch heute noch ein Schattendasein. Das Thema Angehörigenpflege wird in der Gesellschaft und auch von den Angehörigen selbst weitgehend tabuisiert. Im Zentrum steht der Klient bzw. die Klientin. Den Bedürfnissen der pflegenden Person wird häufig nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt (Bachl, 2009). Viele pflegende Partner und Partnerinnen von MS-Betroffenen berichten über fehlendes Verständnis und mangelnde Empathie der Pflegefachkräfte für ihre individuellen Bedürfnisse (Cheung & Hocking, 2002).

1.3. Relevanz für die Pflegepraxis

Bereits heute zeigt sich, dass pflegende Angehörige eine entscheidende Ressource für das Gesundheitswesen darstellen. Da sie unverzichtbare Arbeit leisten, sind Strategien gefragt, um ihre Lebensqualität zu fördern. Es bedarf Anreize, damit die freiwillige Pflege auch in Zukunft gesichert ist.

Der International Council of Nurses (ICN) bezeichnet die Familie als zentralen Fokus der Pflege. Das Einbeziehen der Familienmitglieder ist insbesondere bei chronischen Krankheiten von Bedeutung. Es ist wichtig, dass die Pflegefachkraft den komplexen Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Familie und der Gesundheit der individuellen Familienmitglieder versteht (ICN, 2002).

Die Bedarfserhebung bietet dem Fachpersonal eine Grundlage, um mit den Angehörigen Strategien zu entwickeln und das Coping zu fördern (Cheung & Hocking, 2002).

1.4. Abgrenzungen

Die Bachelorarbeit befasst sich hauptsächlich mit der Situation von pflegenden Partnern und Partnerinnen von Personen mit MS, da diese sich in ihrer Rolle und Funktion deutlich von den anderen Familienmitgliedern abheben. Partnerinnen und Partner haben andere und zusätzliche Bedürfnisse als beispielsweise Kinder, Geschwister und Eltern (Corry & While, 2008).

1.5. Ziel der Arbeit

Die Betreuung der Angehörigen ist noch nicht zufriedenstellend, obwohl sie eine unverzichtbare Ressource einerseits für das Wohl der Erkrankten und andererseits für das Gesundheitswesen darstellen. Ziel der Arbeit ist es, die meist genannten Bedürfnisse pflegender Partner und Partnerinnen von Personen mit MS anhand bestehender Literatur aufzuzeigen. Die dadurch gewonnen Erkenntnisse können seitens der ambulanten Pflege genutzt werden, um Partner und Partnerinnen in ihrer schwierigen Situation optimal zu unterstützen.

Aus der Zielsetzung entwickelt sich folgende Fragestellung:

1.6. Fragestellung

Welche Bedürfnisse von Personen, die ihren Partner oder ihre Partnerin im häuslichen Setting pflegen, kennt die Literatur?

2. Theoretische Grundlagen

Im folgenden Kapitel werden zum besseren Verständnis das Krankheitsbild und Definitionen genauer erläutert.

2.1. Multiple Sklerose

Multiple Sklerose- auch als Enzephalomyelitis disseminata bekannt- ist eine bis anhin unheilbare, chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011). Heutzutage sind etwa 2.5 Millionen Menschen weltweit betroffen (Compston & Coles, 2002). Die Prävalenz der Erkrankung ist je nach geografischer Lage unterschiedlich. Sie variiert zwischen 0.3

Betroffenen in Afrika und 80 Betroffenen pro 100’000 Einwohnern in Europa. Die Forscher und Forscherinnen vermuten, dass genetische und ökologische Faktoren die Diskrepanz zwischen den Kontinenten beeinflussen (WHO, 2008).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prävalenz der MS (WHO, 2008)

Die Multiple Sklerose tritt meist im jungen Erwachsenenalter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erstmals auf (Sadovnick & Ebers,1993). Die Diagnose betrifft somit Menschen in einer besonders aktiven Zeitspanne, in der Berufsleben und Familiengründung einen wichtigen Stellenwert haben (WHO, 2008).

Frauen erkranken zweimal so häufig an Multipler Sklerose wie Männer (Compston & Coles, 2002).

2.1.1. Pathogenese

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind trotz intensiver Forschung bis heute noch unbekannt (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011). Forscher und Forscherinnen vermuten, dass Menschen mit genetischer Veranlagung auf bestimmte Umweltfaktoren (beispielsweise Viren, Bakterien) reagieren und dadurch einen anormalen Immunabwehrvorgang entwickeln (Playford, 2012).

Fakt ist, dass die Krankheit als Folge von zwei Prozessen entsteht:

Das körpereigene Immunsystem greift irrtümlicherweise körpereigene Strukturen an und baut diese ab. T-Zellen, die normalerweise für die Abwehr zuständig sind, durchdringen aus noch ungeklärten Gründen die Blut-Hirn-Schranke und treten in das Gehirngewebe und Rückenmark ein. Es entstehen lokale Entzündungsherde und die Myelinschicht, die Isolierschicht der Nervenfasern, wird beschädigt. Durch die Demyelinisierung und Schädigung von Nervenfasern- und zellen wird die Signalleitung der Nerven gestört und teilweise unterbrochen, was unterschiedliche Symptomen auslösen kann (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011).

2.1.2. Symptome

Die Symptome sind abhängig von der Lage und dem Ausmass der Beschädigungen im Zentralnervensystem. Dadurch erlebt jede/r Betroffene andere Ausprägungen der Krankheit, dessen Verlauf auch in Dauer und Schweregrad variieren kann (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011).

In Tabelle 1 sind zur besseren Übersicht die häufigsten Symptome nach Hauser & Goodin (2005) ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Häufigste Symptome der Multiplen Sklerose nach Hauser & Goodin (2005)

Als weitere häufige Symptome beschreiben Hauser & Goodin (2005) Schwindel und Faszialisparesen. Hitzeintoleranz bedingt durch eine erhöhte Körperkerntemperatur kann das Auftreten von Symptomen begünstigen. Oftmals verstärken sich die Symptome bei einer fieberhaften Erkrankung massiv.

2.1.3. Verlauf

Multiple Sklerose ist trotz bedeutenden Fortschritten in der Behandlung nach wie vor nicht heilbar. Erkrankte Personen haben jedoch keine niedrigere Lebenserwartung als Nicht-Betroffene (Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, 2011).

Die möglichen Verlaufsformen von MS sind sehr vielseitig. Laut Compston & Coles (2002) hat die Erkrankung bei einem Viertel der Betroffenen einen sehr milden Verlauf ohne jeglichen Einfluss auf die Aktivitäten des täglichen Lebens, wohingegen rund 15 Prozent mit schwersten Behinderungen in kürzester Zeit rechnen müssen. Um die verschiedenen Ausprägungen besser unterscheiden zu können, wurden vier verschiedene Krankheitsverläufe der Multiplen Sklerose definiert (Lublin & Goldsmith Dickinson, 2009):

- RRMS: Rezidivierend-remittierend (auch schubförmig-remittierend): Die RRMS zeichnet sich aus durch das Auftreten eindeutiger Krankheitsschübe mit vollständiger oder unvollständiger Remission. In den Zeiträumen zwischen den Schüben bleibt der Patient/ die Patientin stabil.
- PPMS: Primär chronisch progredient: Der Primär chronisch progrediente Verlauf wird durch eine kontinuierliche Verschlechterung charakterisiert. Der/ die Betroffene erlebt keine eindeutigen Schübe.
- SPMS: Sekundär chronisch progredient: Die Erkrankung verläuft zuerst rezidivierend-remittierend, verschlechtert sich dann aber kontinuierlich. Die Betroffenen erhalten aufgrund des anfänglichen klinischen Bilds meist die Diagnose RRMS, bis sich dann eine kontinuierliche Verschlechterung einstellt.
- PRMS: Progressiv-remittierend (auch progredient-schubförmig): Dieser Verlauf zeichnet sich durch eine von Beginn an progressive Verschlechterung aus. Es treten eindeutige Schübe mit oder ohne vollständige Remission auf. Auch in den schubfreien Zeiten verschlechtert sich der Gesundheitszustand stetig.

*Schub= eine mindestens 24 Stunden andauernde Verschlimmerung des Gesundheitszustands. Ein Schub kennzeichnet das Auftreten von neuen Symptomen oder das Wiederkehren alter Symptome, meist einhergehend mit einer teilweisen oder vollständigen Remission (Lublin & Goldsmith Dickinson, 2009).

2.2. Ambulante Pflege

Duden (2007) übersetzt den Begriff ambulant mit „nicht an eine Krankenhausaufnahme gebunden“. Die ambulante Pflege ermöglicht im Gegensatz zum stationären Aufenthalt Pflege und Beratung von Fachpersonal im häuslichen Umfeld. Sie unterstützt Pflegebedürftige und Angehörige zu Hause und bietet Grund- und Behandlungspflege an. Diese Dienstleistung wird in der Schweiz von der Spitex (= spi tal ex tern) angeboten. Die Spitexleistungen machen einen wesentlichen Teil des gesamtschweizerischen Gesundheits- und Sozialwesens aus. Im Jahr 2010 betreute die Spitex knapp 3,3 Prozent der Bevölkerung (BFS, 2011).

2.3. Pflegende Angehörige

Es gibt in der Wissenschaft keine allgemeingültige Definition für den Begriff „Pflegende Angehörige“. Oftmals wird aber das Synonym „Laienpflege“ verwendet (Lanzicher, 2007). Darunter versteht man laut dem deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) die Betreuung von Pflegebedürftigen ohne berufliche Qualifikation. Die Laienpflege umfasst unentgeltliche Familien-, Nachbarschafts- und Verwandtschaftspflege (DBfK, 2009). In der Schweiz wird auch häufig der Begriff „unbezahlte Pflegeleistungen“ verwendet (Schön-Bühlman, 2005). Die Pflegearbeit ist abhängig von den Einschränkungen und Behinderungen der gepflegten Person, umfasst jedoch alle Aufgaben von Betreuung bis hin zu Hilfeleistungen bei Körperpflege und Ausscheidungen (Lanzicher, 2007).

2.4. Ehe, Partnerschaft und MS

In der Literatur lassen sich keine verlässlichen Angaben finden, wie häufig die Pflege von Menschen mit MS von ihren Partnern und Partnerinnen übernommen wird. Es besteht aber eindeutig eine hohe Pflegebereitschaft zwischen Eheleuten (Mattern, 2001). Als die drei häufigsten Gründe für die Übernahme der Pflege werden die Beziehung („we always support each other“), Akzeptanz („I accept the unchangeable“) und Pflicht genannt („It is my role to lessen the burden“) (Pakenham, 2007). Laut Buchanan, Radin, Chakravorty & Tyry (2008) investiert beinahe die Hälfte der Betreuer und Betreuerinnen mehr als 20 Stunden pro Woche in die Pflege der Person mit MS. Eine chronische Erkrankung in der Familie gilt als Risikofaktor für die Angehörigen, der mit steigender Krankheitsausprägung zunimmt (Mattern, 2001). Als häufigste gesundheitliche Probleme pflegender Angehöriger beschreiben Forbes et al. (2006) Angst, Müdigkeit und Depressionen. Sexual- und Beziehungsprobleme wurden ebenfalls als ernsthaft bezeichnet. Gemäss Holland, Schneider, Rapp & Kalb (2011) fühlen sich viele pflegende Partner und Partnerinnen überlastet und erschöpft. Sie wünschen sich weniger soziale Isolation und mehr Unterstützung durch die ambulante Pflege.

Ehebeziehungen mit einer chronisch kranken Person gelten als besonders problematisch und gefährdet. Dies ergibt sich laut Mattern (2001) hauptsächlich aus der krankheitsbedingten Belastung. Der Gesundheitszustand der erkrankten Person beeinflusst die Pflegetätigkeiten, die Belastung und die Gesundheit der pflegenden Person wesentlich (Forbes et al., 2006). Ein progressiver Verlauf der MS mit akut auftauchenden Symptomen hat einen negativen Einfluss auf die Paarbeziehung (Starks, Morris, Yorkston, Gray & Johnson, 2009).

Zukunftspläne werden als unnötiger Stressfaktor bezeichnet, weshalb viele Paare gegenwartsbezogen leben (Boland, Levack, Hudson & Bell, 2011).

Die Ausübung der Pflegetätigkeit kann aber auch mit einem Gewinn für die Partnerschaft einhergehen. In Beziehungen zwischen Personen mit MS und ihren Partnern bzw. Partnerinnen findet im Vergleich zu anderen Paaren eine häufigere und vertrautere Kommunikation statt. Zudem werden eine starke emotionale Bindung und Offenheit als stabilisierende Elemente für die Beziehung genannt. Viele stellen sich auf die Einschränkungen durch die Erkrankung ein und passen sich an. Mehr als die Hälfte der pflegenden Partner und Partnerinnen können sich auch eine glückliche Liebesbeziehung ohne Sexualität vorstellen (Mattern, 2001). Laut Boland et al. (2011) beeinflusst die Beziehung des Paares die Behandlung durch das Gesundheitsfachpersonals wesentlich.

2.5. Bedürfnisse

Der Begriff Bedürfnis wird als Verlangen oder Wunsch einen Mangel zu beheben definiert. Ein Bedürfnis drückt aus, was ein Individuum zur seiner Erhaltung und Entfaltung braucht (Häcker & Stapf, 2004).

2.6. Bedürfnispyramide nach Maslow

Die meisten pflegerischen Bedürfnismodelle sind auf der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow aufgebaut (Schewior-Popp, Sitzmann & Ullrich, 2009).

Die Theorie liegt der Annahme zugrunde, dass jeder Mensch Bedürfnisse der tieferen Ebenen zuerst befriedigen muss, bevor er die nächste Ebene erreichen kann. Anhand dieser Erkenntnis ordnete Maslow die Bedürfnisse hierarchisch an.

Auf der untersten Ebene befinden sich die physiologischen Bedürfnisse (Zimbarrdo & Gerrig, 2004). Sie beinhaltet Bedürfnisse, die der Körper selbst reguliert, wie beispielsweise Hunger, Durst und Atmung. Die nächste Stufe bilden Sicherheitsbedürfnisse, die je nach Person und Umgebung sehr unterschiedlich sein können. Danach folgen die Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse und Bedürfnisse nach sozialer Einbindung und Wertschätzung (Poston, 2009). Erreicht ein Individuum die Spitze der Pyramide, so wurden alle vorhergehenden Bedürfnisse befriedigt. Diese Personen streben nach Selbstverwirklichung, der vollen Entfaltung ihres gesamten Potentials (Zimbarrdo & Gerrig, 2004).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Bedürfnispyramide (George & George, 2003)

3. Methodik

Im Kapitel Methodik wird das genaue Vorgehen zur Beantwortung der Fragestellung erläutert.

3.1. Literaturrecherche

Die Fragestellung wurde anhand einer kritischen Literaturrecherche bearbeitet, welche im Zeitraum von September 2012 bis Januar 2013 stattfand. Dabei wurden die pflegerelevanten Datenbanken Medline/Pubmed, CINAHL, Cochrane Library und PsycInfo in die Suche miteinbezogen. Um die Fragestellung zu beantworten, wurden Keywords formuliert. Daraus ergaben sich die folgenden Begriffe, welche in Tabelle 2 ersichtlich sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Übersicht Keywords

Die dargestellten Keywords wurden mit den Boolsch’en Operatoren AND und OR kombiniert. Um die Suche möglichst ausführlich abzudecken, wurden Trunkierungen verwendet. Als besonders erfolgreich stellte sich die Suche in der Medline-Database heraus. Die Recherche in den anderen Datenbanken offenbarte viele Überschneidungen von bereits gefunden Studien.

Die ausführliche Dokumentation der Literaturrecherche und der Ergebnisse ist in tabellarischer Form im Anhang zu finden.

Bei einer genaueren Betrachtung der Literaturverzeichnisse der relevanten Studien ergaben sich weitere interessante Artikel, die ebenfalls die Kriterien erfüllten und somit miteinbezogen wurden. Zusätzlich wurde das Schneeballsystem verwendet, wobei anhand ausgewählter Studien „related articles“ ausfindig gemacht werden konnten.

3.2. Literaturbearbeitung

Die gefundene Literatur wurde anhand Titel, Abstract und Diskussion geprüft, ob sie mit der Forschungsfrage korreliert.

Dadurch wurden 16 Studien als geeignet erachtet und später ausführlich bearbeitet. Sechs der 16 Studien erfüllten bei genauerer Überprüfung die Einschlusskriterien nicht oder stimmten nicht mit der Forschungsfrage überein. Zwei weitere wurden aus anderen Gründen ausgeschlossen, welche im nächsten Kapitel erläutert werden. Dies führte schliesslich zu einer Auswahl von acht Artikeln zur Beantwortung der Forschungsfrage. Im nächsten Schritt wurden die Resultate zusammengefasst. Die Ergebnisse wurden dann anhand der Studienbeurteilungs-Matrix von Naef (2008) aus dem Modul Pflegeforschung analysiert. Um die Evidenz der Studien beurteilen zu können, wurden die Evidenzlevel von Stetler et al. (1998, in LoBiondo et al., 2005) verwendet. Die Beurteilungsmatrizen und die Stufen der Evidenz sind im Anhang zu finden.

3.3. Ein- und Ausschlusskriterien

Die Literatursuche wurde auf die Sprachen Deutsch und Englisch limitiert. Dabei konzentrierte sich die Recherche ausschliesslich auf Studien, in denen das Krankheitsbild Multiple Sklerose einbezogen wurde. Bedingung war, dass die Betroffenen hauptsächlich im häuslichen Setting gepflegt werden.

Eingegrenzt wurde die Suche auf die Jahre 1993 bis 2013, um einen Überblick über die Situation der Angehörigen der vergangen zwanzig Jahre zu haben. Die Probanden und Probandinnen sollten mindestens das 18. Lebensjahr erreicht haben und eine feste Beziehung führen. Miteinbezogen wurden auch Studien, welche die Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen thematisieren, unter der Bedingung, dass es sich bei mindestens 80 Prozent der Angehörigen um Partner und Partnerinnen handelt. Ausgeschlossen wurden nach genauerer Prüfung folgende Studien, welche die Einschlusskriterien erfüllt hätten:

Akkus Y. (2010): Multiple Sclerosis patient caregivers: the relationship between their psychological needs and burden levels.

Die Studie wurde mit 49 Probanden und Probandinnen in der Türkei durchgeführt. Akkus (2010) betont die mangelhafte Gesundheitsversorgung und das fehlende Wissen über MS in seinem Land. In der Türkei führt die Diagnose der Ehefrau meist zur Scheidung, da sie durch die Erkrankung ihre Pflichten innerhalb der Familie nicht mehr erfüllen kann. Aus den genannten gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Gründen kann die Studie nicht mit der Situation in der Schweiz verglichen werden und wurde zur Beantwortung der Forschungsfrage ausgeschlossen.

Holland N. J, Schneider D. M., Rapp R. & Kalb R.C. (2011): Meeting the Needs of People with Primary Progressive Multiple Sclerosis, Their Families, and the Health-Care Community.

Die PPMS-Verlaufsform betrifft nur zwischen 10-15 Prozent der Patienten und Patientinnen. Sie zeichnet sich durch einen besonders progressiven Krankheitsverlauf und ausgeprägte Symptome aus, der sich deutlich von den anderen Verlaufsformen abhebt. (Holland et al., 2011). Zudem widmet die Studie den Bedürfnissen von Angehörigen nur einen kleineren Abschnitt. Die genannten Gründe führten zu einem Ausschluss der Studie.

4. Resultate

In Tabelle 3 erfolgt eine übersichtliche Darstellung der verwendeten Hauptstudien:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Zusammenfassung der Hauptstudien

[...]

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Partner und Partnerinnen von Personen mit Multipler Sklerose. Bedürfnisse pflegender Angehöriger im häuslichen Setting
Hochschule
ZHAW - Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften
Note
1.5
Autor
Jahr
2013
Seiten
73
Katalognummer
V507422
ISBN (eBook)
9783346061362
ISBN (Buch)
9783346061379
Sprache
Deutsch
Schlagworte
partner, partnerinnen, personen, multipler, sklerose, bedürfnisse, angehöriger, setting, MS, Multiple Sklerose
Arbeit zitieren
Melanie Frei (Autor:in), 2013, Partner und Partnerinnen von Personen mit Multipler Sklerose. Bedürfnisse pflegender Angehöriger im häuslichen Setting, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507422

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