Die Auswirkungen des rapiden Anstiegs von Kapital in ETFs auf deutsche Unternehmen

Stabilisator oder Heuschrecke?


Diplomarbeit, 2018

86 Seiten, Note: 2,3

Magnus Roth (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Ansatz und Forschungsperspektive
2.1 Annäherung an die Forschungslücke
2.2 Die Theorie des Finanzmarktkapitalismus
2.3 Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Patient Capital und Shareholder Value
2.4 Exit, Voice and Loyalty in Bezug auf Corporate Governance

3. Untersuchungsdesign

4. Exchange Traded Products und Fonds im Überblick
4.1 Historischer Überblick der ETFs
4.2 Ideologie der ETFs
4.3 Technischer Aufbau
4.4 Aktive Fonds im Gegensatz zu ETFs

5. Marktumfeld & Branchenbetrachtung
5.1 ETF Konzentration
5.2 Beteiligungen an deutschen Unternehmen
5.3 Die Akteure BlackRock Inc. und The Vanguard Group

6. Einfluss der ETFs auf die Corporate Governance in Deutschland
6.1 Corporate Governance in Deutschland
6.2 Der Inhalt des Deutschen Corporate Governance Kodex
6.3 Vanguard und BlackRock: Corporate Governance Erwartungen im Vergleich
6.4 Stimmverhalten der ETF-Kapitalanlagegesellschaften
6.5 Die Rolle der Stimmrechtsberater
6.6 Fink, Bogle und die Nutzung der Öffentlichkeit

7. Weitere Forschungsfragen

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis
9.2 Beteiligungen der Kapitalanlagegesellschaften in Deutschland (in%)
9.2 Gesellschaften von BlackRock Inc

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: interne/externe Stakeholder

Abbildung 2: Theorieaufbau Exit, Voice and Loyalty

Abbildung 3: Theoretische Einbettung

Abbildung 4: Funktionsweise von Investmentfonds (HDI 2018)

Abbildung 5: Akteursebenen in Bezug auf Stimmrechstausübung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Volumen / Anzahl ETFs im Vergleich bezogen auf Regionen

Tabelle 2: TOP 10 ETF-Anbieter Europa 2016

1. Einleitung

Es reichen drei Buchstaben um die komplette Finanzwelt vollständig zu verändern: ETP, ausgeschrieben Exchange-Traded-Products oder auch im speziellen die passiven Fonds, bzw. Indexfonds, genannt. ETPs bilden die Dachkategorie für ETFs, ETNs und ETCs. In der vorliegenden Arbeit wird sich auf ETFs konzentriert, denn diese vereinen einen Großteil des Kapitals aus dem Boom der ETPs. Diese passiv gehandelten Produkte bilden Indices nach, davon zumeist Aktienindices, als einer der bekanntesten in den USA gilt der S&P 500, welcher die 500 größten Unternehmen der USA abbildet. Das vergleichbare Äquivalent in Deutschland ist der DAX, der von der Deutschen Börse AG aufgelegt wird und die dreißig größten Werte umfasst. Diese Indices werden abgebildet im klassischen Verfahren bei Exchange-Traded-Fonds (ETFs), eine Unterkategorie der ETPs durch einen Nachkauf der im Indices gehaltenen Aktien in der gleichen Gewichtung wie im Index. Folglich wird der ganze Indice in einem Produkt gehandelt und zwar durch den ETF.1

Erstmals aufgelegt in den 70er Jahren, ist seit der Finanzkrise von 2009 ein regelrechter Boom ausgebrochen, seitdem herrschen zweistellige Wachstumszahlen. Unterdessen erreicht das Volumen des Geldes, welches in ETPs angelegt ist Ende 2017 weltweit 4500 Billionen US Dollar. Dies übersteigt inzwischen global das Volumina aller Private-Equity-Fonds und Hedgefonds zusammen. Dies ist nicht auf den amerikanischen Markt beschränkt, sondern hat insgesamt vielschichtige Folgen auf börsennotierten Unternehmen gesamt. Denn mit dem Boom der ETFs geht die Bindung von Kapital bei den Fondsgesellschaften der ETFs einher sowie in der Folge ein Halten der Fondgesellschaften von Aktien dieser bei einer Vielzahl von Unternehmen.

Die Folgen des Booms der ETP-Branche sind zum heutigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, da es keine bisher vergleichbare Entwicklung in der Finanzbranche gab. Im speziellen sind insbesondere ETFs der Wachstumstreiber dieser bisher unabsehbaren Entwicklung.

Die Fondsgesellschaften der ETFs gehören mittlerweile zu den größten Einzelaktionären in einer Vielzahl von Unternehmen (vgl. Handelsblatt 2016). Des Weiteren ist eine oligopolische Struktur vorliegend, da ca. 70% der gesamten ETF-Branche im Besitz von drei Unternehmen ist. Diese sind BlackRock Inc, der größte Vermögensverwalter der Welt, The Vanguard Group und State Street Global Advisors (SSGA).

Davis (2008) fasste unter dem Begriff „New Finance Capitalism“ die Entwicklung der Aktionärsstruktur von Privatanleger zu Fondsgesellschaften zusammen. Heute besitzen Fonds 30% aller börsennotierten Unternehmen der USA wohingegen im Jahr 1990 diese Quote noch bei 8% der börsennotierten Unternehmen stand.

Eingebettet ist diese Entwicklung in eine zunehmende Finanzialisierung der Lebenswelten, wobei ETFs als private, kostengünstige Alternative zur Rentenvorsorge empfohlen werden. Sie sollen damit als eine diversifizierte, risikoarme Anlage an den Kapitalmärkten dienen.

Dieser treuhänderische Besitz der Aktien durch die Gesellschaften der ETFs kommt es zu Auswirkungen auf das Corporate Governance der Unternehmen. Die Interaktion beider steht hier im Vordergrund, denn im Gegensatz zu aktiven Fonds haben ETFs nicht die Möglichkeit ihr Kapital abzuziehen. Es handelt sich folglich um eine andere Art von Kapital als herkömmliche aktive Investmentfonds haben. In der Literatur gelten aktive Fonds2 als kurzfristig orientiert (vgl. Windolf 2005 & G. F. Davis 2008).

Aus diesen Sachlage heraus stelle ich folgende Hypothesen für die vorliegende Arbeit auf:

Die ETFs sind im Gegensatz zu aktiven Fonds langfristig orientiert und sind für die Unternehmen Patient Capital.

Damit einher gehen eine Vielzahl von Fragen, die der näheren Erläuterung bedürfen:

- Agieren ETFs kurz oder langfristig?
- Wirken ETFs auf Unternehmen als stabilisierender Akteur?
- Handelt es sich beim ETF Boom um eine neue Stufe des Finanzmarktkapitalismus?
- Wie verhält sich der Deutsche Corporate Governance Kodex in Bezug auf die Kapitalanlagegesellschaften?

Zunächst werden die eben aufgestellten Fragen und Hypothesen innerhalb des aktuellen Forschungsstands des Finanzmarktkapitalismus bzw. des New Finance Capitalism betrachtet. Dieser analysiert insbesondere die Konzentrationsverschiebung des Kapitals von Privatanlegern zu Fonds. Darin stellt sich die Frage, ob der aktuelle Boom der ETFs die nächste Phase dieser Entwicklung ist oder nicht. A posteriori kommen die Auswirkungen dieser Veränderung der Kapitalstruktur zu Veränderungen der Arbeitsweise der Unternehmen. Denn diese Fonds sind zumeist angloamerikanisch und haben folglich ein anderes Corporate Governance Verständnis. Um diesen ersten Schritt der Veränderung der Kapitalstruktur zu betrachten, wird ein empirisches Beispiel aus Deutschland herangezogen. Dabei werden neben dem DAX und MDAX Unternehmen auch eine Zufallsauswahl nicht in Indice notierter Unternehmen betrachtet und ermittelt inwiefern die ETF Gesellschaften Anteile dort besitzen. Dies führt neben der Einordnung des ETF Booms insgesamt zu einer Einschätzung der Auswirkungen auf einzelne Unternehmen.

Teil des Corporate Governance ist u.a. die Ausgestaltung von dem Vorstand und dem Aufsichtsrat. Des Weiteren gehört hierzu wer welche Art der Kommunikation und Vertretungsberechtigung gegenüber den Aktionären bearbeitet. Dabei gibt es unterschiedliche Kulturen im Umgang wie die unterschiedliche Board-Struktur: z.B. das deutsche dualistische im Gegensatz zum angloamerikanischen monistischen. Um die Verhaltensweisen der Fondsgesellschaften in Bezug auf die Unternehmen besser analysieren zu können, wird das Konzept Exit, Voice and Loyalty von Albert O. Hirschman herangezogen. Welcher mit den drei genannten Optionen, Abwanderung, Widerspruch oder Loyalität alle möglichen Reaktionsmöglichkeiten auf Leistungsabfall von Unternehmen aufzeigt. Neben einer logischen Argumentation bzgl. der drei Handlungsoptionen sollen empirische Beispiele und Daten in diesem Zusammenhang betrachtet werden. Des Weiteren wurde ein Experteninterview mit einem Vertreter des Deutschen Aktieninstituts durchgeführt, der als Vertreter aller am Kapitalmarkt aktiven Akteure dient, unterstützend zur Klärung der Forschungsfragen.

Begonnen wird mit der theoretischen Einordnung des rapiden Anstiegs von ETFs in die Forschungsliteratur zum Finanzmarktkapitalismus. Darin gilt das Werk von Davis (2008) des New Finance Capitalism als zentrale Grundlage. Im Zusammenhang steht das Konzept des Shareholder Value, welches eng mit der Theorie des Finanzmarktkapitalismus steht. Darüber hinaus wird das Gegenteil Patient Capital3 betrachtet, um einzuordnen, ob dies auf ETFs kompatibel ist.

Abgeschlossen wird der theoretische Teil mit einer Betrachtung des bereits angesprochenen Konzeptes von Hirschman (1970) Exit, Voice and Loyalty.

Im empirischen Teil der Arbeit wird sich zunächst technisch an die ETFs angenähert, da es unterschiedliche Ausgestaltungen derer gibt, welches eine direkte Folge auf die Corporate Governance hat. In diesem Rahmen soll die Entwicklung der ETFs der letzten Jahre betrachtet werden um deren Bedeutung im Finanzmarkt sowie im Gesamten einzuschätzen. Im Weiteren werden die bereits angesprochenen Betrachtungen der Kapitalstruktur der DAX, MDAX und der Zufallsauswahl näher betrachtet, um einen de facto Status 2018 zu erhalten. Daraus werden dann die rechtlichen Rahmenbedingungen der Corporate Governance ermittelt und um daraus die Auswirkungen der Beteiligungen der Fondsgesellschaften auf die Unternehmen zu erschließen. Abschließend sollen noch weitere Anknüpfungspunkte der Forschung zu ETFs angesprochen werden, da aufgrund der Aktualität noch einige Forschungslücken existieren.

Letztlich soll der Deutsche Corporate Governance Kodex in Relation zu den Proxy Guidelines der ETF-Kapitalanlagegesellschaften gestellt werden.

Begonnen wird im folgenden Kapitel mit dem theoretischen Ansatz dieser Arbeit und einer Annäherung an die Forschungslücke.

2. Theoretischer Ansatz und Forschungsperspektive

Im nachfolgenden Kapitel werden die in der Einleitung aufgegriffenen Fragen in einem wissenschaftlich, analytischen Ansatz herausgearbeitet. Dafür wird zunächst die bisherige Literatur zu ETFs betrachtet um anschließend die vorliegende Arbeit in einen weiteren Kontext der Internationalen Politischen Ökonomie einzubetten.

2.1 Annäherung an die Forschungslücke

Aufgrund des recht jungen Booms der ETF-Branche, welcher im dritten Kapitel ausführlicher analysiert wird, existiert bisher eine geringe Diskussion über die Folgen in der Wissenschaftsliteratur.

In der Wirtschaftsliteratur, der Presse, z.-B. im US-amerikanischen The Economist und im deutschen Handelsblatt (vgl. Narat 2017) sowie diverser Magazine, wird das Thema die Folgen des ETF-Booms aufgegriffen. Insbesondere The Economist behandelt dies in periodischen Abständen, so gibt es Warnungen in Bezug auf das Liquiditätsrisiko und Kontrahentenrisiko (vgl. The Economist, 2011; Ramaswamy, 2011) oder die Folgen der geringen Kosten auf die gesamte Fondsbranche (vgl. The Economist 2017). Weitere Themen sind die Folge der Marktkontrolle bei ETFs von drei Unternehmen (vgl. The Economist 2013) sowie Warnungen zu fehlendem Wettbewerb (vgl. The Economist 2017).

Im wissenschaftlichen Diskurs ist das CORPNET research group (vgl. CORPNET 2018) der Universität Amsterdam herauszustellen. Diese betrachten Netzwerke und Unternehmenskontrolle in einem netzwerktheoretischen Hintergrund. Dazu nutzen diese Big Data, um durch einen quantitativen Ansatz etwaige Verbindungen zu analysieren. Zu den Auswertern der Ergebnisse gehören Fichtner (2017) und Hogan (2016). Darüber hinaus ist im politikwissenschaftlichen Bereich Benjamin Braun (2016) zu nennen, welcher die kollektiven Folgen der Fondsbranche herausstellt. Die vorliegende Arbeit soll insbesondere an die Erkenntnisse von Fichtner und Braun andocken und verortet sich folglich im Bereich der IPÖ.

Begonnen wird nachfolgend mit dem Finanzmarktkapitalismus als theoretischer Rahmen für die Umgebung der ETFs und ihrer Kapitalanlagegesellschaften.

2.2 Die Theorie des Finanzmarktkapitalismus

New Finance Capitalism oder im deutschsprachigen Raum unter Finanzmarktkapitalismus4 bekannt, ist eine spezifische Konfiguration des Kapitalismus. Mit Kapitalismus wird eine Gesellschafts- sowie Wirtschaftsordnung begriffen, welche im Allgemeinen ein geringerer Einfluss des Staates auf die Wirtschaft inklusive hohem Schutz des Privateigentums sowie weitgehend Freiheit der Unternehmer bezeichnet (vgl. Schneider und Tojka-Seid 2018).

Deutschmann (2008) spricht von einem Typus, welcher mit Finanzialisierung5 identisch ist. Jedoch wird hier der Finanzmarktkapitalismus aufgrund des spezifischen Schwerpunktes auf die Fondsbranche näher eingegangen. Der Finanzmarktkapitalismus spricht von einem Wandel der Finanzbranche, der in seiner Ausprägung historisch einmalig ist. Als eine Folge der Abschaffung der festen Wechselkurse sowie weitgehender internationaler Kapitalverkehrskontrollen wurde eine Entfesselung der Finanzmärkte zum dominanten Wirtschaftszweig prognostiziert (vgl. Deutschmann 2008: 153). Hierbei ist das dominante Finanzierungsinstrument der Unternehmen die Aktie, anstatt des Kredits.6 Die Ökonomie ist nicht von dem Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen geprägt, sondern von der Institutionalisierung der globalen Finanzmärkte. Zu dieser Institutionalisierung gehört auch die Vernetzung der Finanzmärkte, welches durch schnellen und einfachen Kapitalverkehr gekennzeichnet ist. Zentrale Akteure im Finanzmarktkapitalismus werden Fonds genannt, hierbei insbesondere Pensions- und Investmentfonds (vgl. Windolf 2005: 23).7 Diese gehören neben den Versicherungen zu den Institutionellen Investoren. Dabei handelt es sich um Finanzintermediäre, die das gesammelte Kapital der Kunden verwalten und in dessen Auftrag anlegen. In einer weiteren Definition zählen auch Private Equity Fonds, Hedgefonds, Dachfonds und Staatsfonds dazu (Bundeszentrale für politische Bildung 2016).

Heute sind Fonds mit 30% die größten Anteilseigner der US-Unternehmen, im Jahr 1990 lag dieser Wert noch bei 8%. Dabei sind viele Investmentfonds mit kleinen Beteiligungen in hunderten Positionen vertreten:

„Small number of investment funds find themselves with substantial ownership positions in hundreds of corporations simultaneously “(G. F. Davis 2008: 11).

Es kam somit zu einem Wandel von direkter Unternehmenspartizipation zu einem über Fonds basierten indirekten Eigentum. Dabei wird das Stimmrecht folglich der Fondsgesellschaft übertragen und nur noch eine Partizipation an der Entwicklung der Gewinne/Marktwerte vollzogen. Eine implizierte Folge hiervon ist der Wandel von direkter Partizipation zu einer indirekten Partizipation an den Unternehmen.

Die Macht bzw. Kontrolle der Unternehmen wird wie Davis ausführt konzentriert um Finanzinstitutionen:

„Networks of corporate control centered around financial institutions are hardly new “ (G. F. Davis 2008: 11).

Einhergehend mit dem Wandel des Verhaltens von Privatanleger von direkter zu indirekter Teilhabe an den Kapitalmärkten kam es zu einem Wachstum der Institutionellen Investoren insgesamt (vgl. G. F. Davis 2008). Darunter fallen insbesondere Versicherungen, Pensionsfonds wie von Feuerwehren in den USA sowie Stiftungen, wie die der Universitäten Harvard.

In Deutschland wird die Literatur um den Finanzmarktkapitalismus von Paul Windolf geprägt. Historisch betrachtet wurden die Finanzmärkte in Deutschland bis in die 90er Jahre von den großen Universalbanken kontrolliert. Dies war Teil des in Deutschland verbreiteten komparatistischen Systems. Die Banken haben dabei in den Unternehmen eine Kotrollfunktion in den Aufsichtsräten ausgeübt und wahrgenommen. Dieses System der Deutschland AG löst sich seit Mitte der 90er schrittweise auf. In der Folge haben sich die Universalbanken aus den Industrieunternehmen zurückgezogen und sich währenddessen auch zunehmend spezialisiert (vgl. Windolf 2005: 9). Dies gipfelte im Jahr 2001 als die größte deutsche Universalbank, die Deutsche Bank AG bekanntgab, dass sie zukünftig nicht mehr die Funktion eines Aufsichtsratsvorsitzenden in deutschen Unternehmen übernehmen werde (vgl. Beyer 2002: 11). Dies führte in der Folge zu einer Reduzierung der Anteile deutscher Universalbanken an den börsennotierten Unternehmen und zu einem Machtvakuum innerhalb der Aufsichtsräte (vgl. Windolf 2005: 11).

ETFs wurden im Rahmen des von Windolf beschriebenen Finanzmarktkapitalismus nicht näher erwähnt, da sich der Boom der ETFs erst in den Folgejahren entwickelte. Die Analysen sind im Wesentlichen auf klassische Investments- und Pensionsfonds konzentriert (vgl. Windolf 2005).

Wie bereits erwähnt kommt es zu einer unterschiedlichen Ausprägung der Finanzialisierung der Wirtschaft. Generell wird differenziert zwischen einem rheinischen Kapitalismus, in dem die Finanzierung der Unternehmen über Hausbanken und Unternehmen funktioniert und einem Angloamerikanischen Kapitalismus, welcher sich über die Börse bzw. Kapitalmärkte finanziert (vgl. Kühl 2005: 120). Dies zeigt sich an dem Besitz von Unternehmensanteilen bei Fondsbesitzer, welcher im Jahr 2000 in den USA sowie Großbritannien bei 30-40%, wohingegen in Deutschland, Japan und Kanada eine Quote von 20% herrschte (P. E. Davis 2002).

Im Rahmen um die Diskussion zum Finanzmarktkapitalismus ist die Frage nach der Ausrichtung des Kapitals im Zeithorizont elementar. Hierbei ist zentral wie die Ausrichtung des Kapitals ist, ist dieses langfristig oder kurzfristig ausgerichtet? Laut Davis (2008) ist eine Folge des Finanzmarktkapitalismus der damit einhergehende rapide Anstieg von Fonds sowie eine kurzfristige Orientierung des Anlagekapitals. Es kommt folglich zu einer Bindung bei weniger Akteure und gleichzeitig eine Konzentration bei professionellen Anlegern, welche je nach Ausrichtung ihres Fonds die Aktien halten. Fonds haben wiederum eine erhöhte Mobilität des Kapitals und sind dabei kurzfristig ausgerichtet.

Eine implizierte Frage im Rahmen der Vergrößerung der Beteiligungen von Fonds ist, welche Art der Macht damit einhergeht. Diese kann in relative als auch in absolute Macht begriffen werden. Die eine Option ist das Verkaufen der Aktien an einen anderen Investor, der sogenannte „Wall Street Walk“. Folglich erledigt man sich den Problemen mit dem Management und „läuft“ zum nächsten Unternehmen. Die andere Option ist der Ausbau der Beteiligung oder der Kooperation mit anderen Aktionären, um dann in der Folge eine Entlassung des Opponierenden Vorstandes zu erwirken (vgl. Hogan 2016: 7). Neben diesen negativen Auswirkungen auf den Aktienkurs, der im Falle einer Abwanderung sinkt und den damit verbundenen Folgen wie niedrigere Marktkapitalisierung, negative Wahrnehmung, Rauswurf aus Indices etc. hat, gibt es noch absolute Formen der Macht in diesen Bezug. Die einfachste und direkte Form ist die Ausübung des Stimmrechts auf Jahreshauptversammlungen. Dort kann gegenüber den Vorschlägen des Vorstandes Zustimmung oder Ablehnung ausgeübt werden (vgl. Hogan 2016: 7). Des Weiteren können auch Vorschläge von Aktionäre gegen den Vorstand eingebracht werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eigene Vertreter für den Aufsichtsrat vorzuschlagen und diese auf der Hauptversammlung mit entsprechenden Mehrheiten zu wählen (vgl. AktG § 101). Der Einfluss steht jedoch im direkten Zusammenhang mit der Höhe der Aktien, die gehalten werden, und wie die Kooperationsfähigkeit mit anderen Akteuren aussieht.

Zusammenfassend umfasst der New Finance Capitalism eine Veränderung der Finanzwelt, welches sich im Wesentlichen dahin verändert, dass Fonds zentralere sowie wichtigere Akteure werden und diese durch die direkte Aktieninhaberschaft erlangt werden. Dabei stehen sich mit den Konzepten Shareholder Value und Patient Capital zwei konträre Verständnisse von Anlageformen gegenüber.

Nachdem die Auswirkungen des New Finance Capitalism erläutert wurde, wird sich im nachfolgenden Kapitel darauf fokussiert, welche Implikationen damit verbunden sind.

2.3 Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Patient Capital und Shareholder Value

Im folgenden Kapitel sollen die beiden Konzepte Shareholder Value sowie Patient Capital vorgestellt und näher betrachtet werden. Sie gelten als eine Ausprägung der Corporate Governance. Die Corporate Governance gilt dabei als Überbau für die darunterliegenden Konzepte des Shareholder Value und Patient Capital.

Mit Corporate Governance wird der „rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“ (vgl. Werder 2018) bezeichnet. Mit der Corporate Governance werden vor allem Fragen der Einbindung auf das Umfeld des Unternehmens erfasst. Dabei werden Führungsorgane von Unternehmen wie Aufsichtsrat und Vorstand sowie die Mitbestimmung von Arbeitnehmer und Aktionäre auf das Unternehmen analysiert. Unternehmen werden hierbei als Netzwerke betrachtet, welche eine Vielzahl von unvollständigen Verträge haben. Diese Netzwerke haben als zentrale Akteure sogenannte Stakeholder, diese sind Personen oder Gruppen, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf des Unternehmens haben, sie umfassen neben den internen Mitarbeitern, Manager und Eigentümer auch externe wie Kunden, Lieferanten, Gläubiger und Aktionäre (vgl. Thommen 2018). Die Unvollständigkeit der Verträge ist darauf bezogen, dass bei Transaktionen in der Zukunft nicht alle Entwicklungen vorhersehbar sind und dessen Auswirkungen nicht im Detail fair und richtig geregelt werden können (vgl. Werder 2018). Dabei wird ein Corporate Governance festgelegt, um „Regelungslücken offenstehende Opportunismus Optionen vom Management (mehr oder weniger) konsequent im Interesse der Anteilseigner ausgenutzt werden soll“ (vgl. Werder 2018). Probleme hierbei sind vor allem Interessenkonflikte der einzelnen Stakeholder sowie Informationsasymmetrien zwischen den Akteuren. Zur Corporate Governance gehört die übergeordnete Zielsetzung wie Shareholder- oder Stakeholder Orientierung, Ausprägung der Leitungsorgane, wie monistische oder dualistische Strukturen. Ein weiterer Aspekt ist u. a. die Rolle der Banken oder auch die Aktionärsstruktur, welche die Anteilskonzentration bzw. Streubesitz beinhaltet (vgl. Werder 2018). Abschließend werden auch Aspekte wie soziale, ethische und nachhaltige Verantwortung der Unternehmen in der Corporate Governance festgelegt.

Im Zusammenhang mit dem Corporate Governance System werden die Begriffe des Patient Capital und des Shareholder Value diskutiert. Hierbei ist das Shareholder Value ein Konzept welches diametral zu Patient Capital liegt. Shareholder Value fokussiert sich auf den besten Nutzen des Unternehmens für den Aktionär, damit dieser das Maximum erhält. Patient Capital ist eher eine Art des Aktionärs, der unterstützend und langfristig auf das Unternehmen wirken kann, dabei liegt eine generationsübergreifende Nachhaltigkeit im Fokus. Mit generationsübergreifende Nachhaltigkeit ist eine Robustheit der Unternehmen gemeint, sich auf neue Entwicklungen einzustellen und damit langfristigen Gewinn zu generieren.

Als Opponent zum Patient Capital kann das Konzept des Shareholder-Value betrachtet werden.

Das Shareholder-Value Konzept wird als eine Unternehmensstrategie verstanden, die bei börsennotierten Unternehmen den Unternehmenswert im Hinblick auf den Marktwert steigern soll. Alternativ wird es als Marktwert des Eigenkapitals betitelt. Dabei ist nicht der Gewinn des Unternehmens die Maßgröße, sondern der Marktwert, welcher im Interesse des Aktionärs steht. Darunter werden Maßnahmen gefasst wie Abspaltungen von Sparten, aufgrund von Unrentabilität oder das eine eigenständige Börsennotierung einen höheren Marktwert sowie größere Flexibilität erwartet wird. Weitere Maßnahmen sind Aktienrückkaufprogramme, um den Wert einzelner Aktien zu erhöhen und damit eine Steigerung des Gewinnes und Dividende pro Aktie zu erreichen (vgl. Breuer 2018). Dabei werden auch zukünftige Investitionen in der Sinnhaftigkeit bewertet, anhand potenzieller Kursgewinne und Dividende (vgl. Camphausen 2007: 173).

Abbildung 1: interne/externe Stakeholder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus einer kritischen Perspektive betrachtet stehen die Unternehmen, folglich die Realökonomie hierbei unter dem Diktat des Shareholder-Value (vgl. Windolf, 2005: 33). Das bedeutet, dass alle Handlungsmaximen der Steigerung des Marktwertes unterliegen.

Ein empirisches Beispiel bietet hierbei der Technologiekonzern Siemens AG, welcher 2016 bis-2018 ein Aktienrückkaufprogramm durchführte (vgl. Siemens Aktiengesellschaft 2018) und parallel u. a. die Windskraftanlagensparte Siemens Wind Power mit dem spanischen Windkraftanlagenhersteller Gamesa zusammenlegte (vgl. Siemens Aktiengesellschaft 2018) sowie die Gesundheitsbranche mit Siemens Healthineers AG im März 2018 an die Börse brachte (vgl. DPA 2018).

Demgegenüber werden Konzepte der langfristigen Orientierung diskutiert und dabei das Patient Capital.

Mit dem Begriff Patient Capital, der keine allgemeingültige Definition besitzt, wird eine langfristige Bindung von Kapital verstanden (vgl. Garrat und Hamilton 2016). Im deutschen Sprachgebrauch wird dieses auch als „geduldiges Kapital“ definiert (vgl. Windolf 2005: 24). Darunter wird vorgeschrieben, dass die Aktionäre nicht wegen kurzfristigen Renditeaussichten ihre Aktien verkaufen, sondern diese halten und dabei stützend für das Unternehmen wirken. Die Unterstützung liegt hierbei zum einen in der geringeren Volatilität der Aktien, im Falle von schlechten Nachrichten, und zum anderen der geringere Druck aufs Management, kurzfristig Erfolge zu generieren, wenn eine kurzfristige negative Periode zu überbrücken ist. Patient Capital wird vor allem mit Familienstiftungen, Nicht-finanzielle Unternehmen mit größeren Beteiligungen sowie Banken mit Blockeigentum assoziiert (vgl. Deeg, Hardie und Maxfield 2016: 617). Wie bereits im Rahmen des Finanzmarktkapitalismus vorgestellt, nahmen bis in die 90er Jahre diese Rolle u.a. die deutschen Universalbanken wie die Deutsche Bank AG innerhalb der Aktionärsstruktur war. Diese sind aufgrund ihrer altruistischer und langfristigen Orientierung an einem Erfolg über Generationen interessiert. Dies zeigt sich insbesondere bei Familienstiftungen, da es sich hierbei um generationsübergreifende Akteure handelt.

Aufgrund dessen sind kurzfristige Einmaleffekte oder der Anreiz zur Durchführung von Bilanzfälschungen gering (vgl. Dutta und Knafo 2016). Die Diskussion um Patient Capital wurde nach der Finanzkrise verstärkt geführt, da diese vor allem auf dem kurzfristigen Denken der Manager zurückgeführt wurde.

Als quantitativer Indikator für Patient Capital wird die Umschlaghäufigkeit von Aktien an den Aktienmärkten betrachtet, daraus wird in der Folge die Haltedauer der Aktien berechnet. Diese lag in New York an der Börse im Jahre 1960 bei 8,3 Jahren Haltedauer, wohingegen diese 1987 bei 1,4 Jahren lag (vgl. Windolf 2005: 24). Parallel zu dieser Entwicklung kam es zu einer Zunahme von Kapital in spekulativer Aktien-, Währungs-, und Termingeschäften (vgl. G. R. Krippner 2011).

Beispiel für Patient Capital bei DAX-Konzernen sind die Familienstiftung Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, welche 23,03% der Aktien von ThyssenKrupp AG hält (vgl. Wirtschaftswoche 2014). Ein weiteres Beispiel ist die Industriefamilie Quandt, welche 46,8% der Aktien der Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft (BMW AG) hält (vgl. Karius 2016).

Nachdem die Grundlagen des Corporate Governance betrachtet worden sind und dabei die Konzepte des Shareholder-Value und Patient Capital gegenübergestellt wurden, werden im theoriebasierten abschließenden Teil das Konzept von Exit, Voice and Loyalty von Albert O. Hirschman (1970) betrachtet. Dieses dient insbesondere als Analyserahmen, um die Implikationen des ETF Booms analysieren zu können.

2.4 Exit, Voice and Loyalty in Bezug auf Corporate Governance

Wie bereits zuvor beschrieben wird hier die Theorie von Albert O. Hirschman betrachtet. Der vollständige Titel lautet „Exit, Voice and Loyalty. Responses to Decline Firms, Organizations and States“ (deutsche Übersetzung: „Abwanderung und Widerspruch: Reaktionen auf Leistungsabfall bei Unternehmen, Organisationen und Staaten“ (Hirschman 1970).

Die Frage, die hinter dem Werk von Hirschman (1970) steht, ist wie die Kunden, Bürger und Mitglieder reagieren, wenn es zu einem Leistungsabfall oder gar einer Krise der Organisation kommt. Dies lässt sich auch auf nahezu jede Art der sozialen Organisation der Gesellschaft übertragen, wie Parteien, Staaten und Unternehmen. Die auf den Leistungsabfall erfolgten Reaktionsmöglichkeiten behandelt Hirschman in seiner Exit and Voice-Theorie. Zu betonen ist hierbei, dass es Hirschman nicht um die Gründe des Leistungsabfalls geht, sondern um die Reaktionen die darauf erfolgen.

Die Grundannahmen sind leicht zusammengefasst, werden aber in ihrer Spezifikation komplexer. Generisch betrachtet Hirschman die Organisationen, Staaten und Unternehmen aus einer pessimistischen Sichtweise, da diese einem permanenten und zufälligen „Abstiegs- und Verfallsprozess“ unterliegen (vgl. Hirschman 1970: 12).

Die Antwort auf diesen Prozess des Leistungsabfalls sind zwei gegensätzliche, aber nicht ausschließende Reaktionsmöglichkeiten. Zum einen die Möglichkeit des Exits, bzw. Abwanderung und zum anderen die der Voice, bzw. Widerspruches.

Abbildung 2: Theorieaufbau Exit, Voice and Loyalty

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Falle des Exits, ergo Abwanderung oder Abbruch, kommt es zur Einstellung des Verhältnisses beider Akteure. Im gegensätzlichen Fall der Voice kommt es zu Beschwerden oder zum Protest. Abhängig davon welches der beiden Optionen gewählt wird ist die Loyalität bestimmend. Die Loyalität bemisst den Grad der Treue gegenüber den anderen Akteuren und in der Folge die Chance zum beseitigen des Leistungsabfalls, der zuvor über Voice kommuniziert wird. Loyal bedeutet folglich, das ein gewisses Maß an Leistungsabfall toleriert wird, obwohl die Akteure gehen könnten. Sie bietet die Basis für Kritik und Widerspruch (vgl. Knoll 2017: 187-190).

Besonders effizient arbeiten Unternehmen, welche oft mit Kunden im Kontakt stehen aufgrund des Widerspruches und weil hier zugleich die Gefahr der Abwanderung zur Konkurrenz besteht. Durch diesen erhöhten Anpassungsdruck bzw. Reaktionsdruck auf den Widerspruch kommt es zu effizienten Anpassungen damit in der Folge keine Abwanderung geschieht. Der genaue Grund der Abwanderung bleibt oftmals unbemerkt und stillschweigend. Dies kann nur nachträglich erfasst werden, beispielsweise über Marktforschung: Um effektiv den Leistungsabfall zu beheben wird Widerspruch benötigt (vgl. Knoll 2017: 187). Wie Hirschman am Beispiel der Familie, Kirche und Nation erläutert ist die Loyalität in diesen Fällen sehr ausgeprägt, weshalb es zum Widerspruch kommt und dies vermutlich der Grund ist für die hohe Überlebensfähigkeit dieser Organisationen (vgl. Hirschman 1970: 75-83). Hierbei wird dieser Zeit gegeben, um den Leistungsabfall zu beheben. Loyalität kann auch erhöht werden, indem die Akteure die Eintritts- und Austrittskosten erhöhen, da ein Widerspruch weniger aufwendig wäre, als eine Abwanderung (vgl. Knoll 2017: 188). Dabei wirken auch Kosten- und Zeitfaktoren die gegeneinander abgewogen werden müssen. So ist Protest zu organisieren zeit- und kostenaufwändig, der im Falle der Möglichkeit einer Abwanderung ohne große Eintritts- und Austrittskosten favorisiert wird (vgl. John und Dowding 2016).

In einer Kombination des bereits genannten Finanzmarktkapitalismus mit dem Exit und Voice Konzept wird vom Exit-Kapitalismus gesprochen. Dieser spricht von einer Finanzierung, Kauf etc. von Unternehmen nur unter der Bedingung eines profitablen Verkaufs bzw. profitablen Börsengangs gegenüber den Altaktionären (vgl. Kühl 2005: 142). Hierbei ist die Voice sekundär und es wird lediglich der Exit gewählt in Kombination mit erhofften Gewinnen. Dies lässt sich insbesondere auf Private Equity Unternehmen anwenden. Hier liegt die Anwendung dieser Theorie diametral zu dem genannten Fokus des Exits, da ETFs nicht selbst über Ihre Anlage entscheiden, wie es im vierten Kapitel noch näher betrachten werden.

Der Vorteil der Theorie liegt vor allem in seiner interdisziplinären Anwendungsmöglichkeit. Hierbei werden die disziplinären Grenzen zwischen Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie übertreten. In seiner Theorie vermischt Hirschman folglich den „ökonomischen Wettbewerbsmechanismus und den politischen Widerspruchsmechanismus“ (vgl. Knoll 2017: 185). Mit diesen beiden Reaktionsmöglichkeiten lassen sich Organisationen und die Art der Korrektur des Leistungsabfalles exzellent analysieren. Insbesondere im Zusammenhang von Migration erhält Hirschmans Theorie große Beliebtheit (vgl. Hoffmann 2008).

Nachdem der theoretische Rahmen gelegt wurde mit einer Einführung des Finanzmarktkapitalismus, den Konzepten des Patient Capital und Shareholder Value sowie der Theorie der Exit and Voice wird daraus im nachfolgenden ein Untersuchungsdesign für die vorliegende Arbeit entwickelt.

3. Untersuchungsdesign

Eine sozialwissenschaftliche Arbeit, die nicht auf rein theoretischen Rahmen basiert ist immer „ein Dialog zwischen Theorie und Daten“ (Gschwend und Schimmelfennig 2007). Der theoretische Rahmen und damit der Forschungsdiskurs sowie die Forschungslücke wurden im vorherigen Kapitel vorgestellt und verortet. Im nachfolgenden soll geklärt werden wie dieser theoretische Rahmen konzeptualisiert und im weiteren Verlauf analysiert wird. Bestandteil dessen ist eine Auswahl der empirischen Daten und dessen Korrelation zur Beantwortung der Fragen und Hypothesen.

Theoretische Grundlagen wurden bereits vorgestellt und sind in Abbildung 2 aufgezeigt. Die Theorie des Finanzmarktkapitalismus dient als Rahmen in dem die Konzepte des Corporate Governance und der Exit und Voice Theorie eingebettet sind. Daraus abgeleitet muss die Entwicklung der ETFs in den Finanzmarktkapitalismus eingeordnet werden. Die vorliegende Arbeit ist eine auf qualitativ wie quantitative Methode basierende Analyse. Ein qualitatives Element bietet das Interview mit Dr. Leven vom Deutschen Aktieninstitut. Das Deutsche Aktieninstitut versteht sich als Vertreter aller kapitalmarktorientierter Unternehmen, welches von Kanzleien, Börsen, Banken und Unternehmen umfasst wird. Dieses sind auch Mitglieder des DAI, aufgrund dessen Struktur als Verein. Dabei agiert das DAI auch als Lobbyorganisation und unterhält dafür Büros bzw. Vertretungen in Berlin und Brüssel. Des Weiteren führt das DAI die Geschäftsstelle der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex.

Abbildung 3: Theoretische Einbettung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kritisch ist beispielsweise zu sehen, dass Jens Weidmann, Bundesbankpräsident, zugleich auch Mitglied des Vorstands und Präsidiums des DAI ist. Dabei liegt ein Interessenkonflikt vor aufgrund seiner Funktion als Bundesbankpräsident, in dem er die Allgemeinheit repräsentieren soll und sein Engagement beim DAI, in dem er als Vertreter einem privaten Verein kapitalmarktorientierter privater Akteure dient (vgl. LobbyControl 2018).

Neben diesen qualitativen Daten werden auch quantitative Daten erhoben. Diese dienen vor allem um die Auswirkungen aus der von Hirschman Theorie abgeleiteten Optionen des Stimmverhaltens von ETFs auch einzuordnen in einer absoluten Größe innerhalb des Finanzsektors sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Gesellschaften. Es dient u. a. dazu es mit vergleichbaren Segmenten wie Hedgefonds und Investmentfonds einzuordnen. Als weiteres werden die Anteile der Kapitalanlagegesellschaften am deutschen Kapitalmarkt betrachtet um deren Einfluss einzuordnen. Dafür werden die drei deutschen Indices DAX, MDAX, SDAX sowie eine Auswahl von 30 Werten, welche nicht in einem Indice repräsentiert sind betrachtet, um eine Vergleichsgruppe zu den genannten Indices und die Auswirkungen zu betrachten. Ausgewertet wurden die Beteiligungen zum Stichtag 30.04.20188. Diese Betrachtung dient dazu, um einzuordnen wie groß der mögliche Einfluss von ETFs bereits ist und einzuordnen wie wichtig es ist für Unternehmen in einem Indice vertreten zu sein. Folglich kommt es neben einer absoluten Einordnung der ETFs im gesamtwirtschaftlichen Verhältnis auch zu einer relativen Einordnung.

Um eine Aussage bezüglich der zeitlichen Ausrichtung des Kapitals zu treffen, werden insbesondere Aussagen und Daten zum Stimmverhalten von den beiden größten Vertretern am ETF Markt analysiert. In diesem Rahmen wird abschließend einen Vergleich zum Deutschen Corporate Governance Kodex vorgenommen um etwaige Differenzen von der Norm zu betrachten.

Diese gesamtheitlichen Betrachtungen dienen dazu eine relative Betrachtung des ETF-Booms durchzuführen und in der Folge ihre absoluten Auswirkungen auf Unternehmen zu sehen.

Begonnen wird im empirischen Teil der Arbeit damit die Ursprünge und technische Umsetzung von ETPs zu betrachten sowie im Gegensatz dazu aktive Fonds.

4. Exchange Traded Products und Fonds im Überblick

ETP bildet hierbei einen Sammelbegriff für drei verschiedene Arten von Wertpapieren, den Exchange-Traded Fonds (ETF, den Exchange-Traded Commodity (ETC) sowie Exchange-Traded Note (ETN). ETPs sind im Gegensatz zu klassischen Fonds an der Börse gehandelten Investmentfonds. Folglich werden die Anteile nicht über eine Investmentgesellschaft gehandelt, sondern über die Börse als Sekundärmarkt.

Zunächst folgt eine kleine Erläuterung der ETFs und damit einhergehend eine Abgrenzung zu anderen Wertpapieren. Bei ETCs bildet der Inhalt des Fonds Investitionen in der Anlageklasse der Rohstoffe, folglich auf Edelmetalle (bspw. Gold, Silber), Energieträger (bspw. Heizöl, Erdgas), Industriemetalle (bspw. Nickel, Kupfer, Zink) sowie Agrargüter (bspw. Kakao, Weizen, Mais, Schweine) ab. Rechtlich betrachtet handelt es sich hierbei um Zertifikate ohne Laufzeitbegrenzung, welche mit einem physischen Wert (Commodity) besichert ist. Ziel ist es die Preisentwicklung der Rohstoffe oder Rohstoffgruppen möglichst nahe nachzubilden.

Bei ETNs handelt es sich um Schuldverschreibungen einer Bank und nicht um Fonds. Es bietet sich die Möglichkeit durch ETNs in Rohstoffen, Währungen, Strategie- & Volatilitätsindices oder auch Kohlendioxidemissionen zu investieren. Dabei sind in rechtlicher Hinsicht ETNs nicht UCITS/OGAW konform (vgl. Rose 2011). In der UCITS/OGAW-Richtlinie9, der EWG aus dem Jahr 1985, handelt es sich um eine Rechtsgrundlage, welche die Anforderungen an Fonds und ihre Verwaltungsgesellschaften reguliert. Einen Schwerpunkt hierbei bildet die Regelung der zulässigen Vermögensgegenstände. Des Weiteren beinhaltet diese die Verpflichtung gewisse Pflichtinformationen für Anleger bereitzustellen, wie vereinfachte Prospekte etc. Ziel dieser ist eine Integration des europäischen Fondsmarktes in Form von grenzüberschreitenden Vertrieb (vgl. Muller 2013).

Zusammenfassend werden ETPs in der vorliegenden Arbeit definiert als „an der Börse gehandelte Indexfonds für unterschiedlicher Basiswerte10 wie Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder andere Anlagen“ (vgl. Krautbauer 2015: 45). Des Weiteren ist festzuhalten, dass im allgemeinen Sprachgebrauch noch weitere Synonyme für ETFs existieren. Diese werden auch „Börsennotierte Indexfonds“, „Fondsaktien“, „Indexaktien“, „Index-Tracker“ oder auch „Passiv verwaltete Fonds“ genannt. (vgl. Lamprecht 2010: 6).

Nach der allgemeinen Einführung in ETPs und dessen rechtlicher Rahmen wird sich folgend auf ETFs konzentriert. Begonnen wird mit den historischen Ursprüngen und Entwicklung der ETFs.

4.1 Historischer Überblick der ETFs

Der Beginn der ETFs wird in der Literatur unterschiedlich angegeben, je nach technischer Definition. Die ersten passiven Investmentstrategien gehen bis aufs Jahr 1900 zurück. Der französische Mathematiker Louis Bachelier hat damals die Bewegungen von Aktienkursen analysiert und dabei nachgewiesen, dass die Chance den Markt zu übertreffen bei 50% liegt. Dies führte jedoch nicht zu einer Umsetzung der Idee in ein Anlageprodukt, sondern erst 1933 kam es zu dem Index Cowles Comission Index, welcher alle damals an der Wall Street gehandelten Aktien darstellte und 1960 unbenannt wurde in den S&P 500 (vgl. Krautbauer 2015: 45).

Gemeinhin wird der erste ETF auf die frühen 1990er in Kanada zurückgeführt, drei Jahre später in den USA, mit dem ersten „SPDR“ ETF. Die zeitliche Differenz ist begründet durch den Zulassungsprozess, welcher von der SEC erst noch entwickelt werden musste. Der zuvor angesprochene ETF „SPDR“, ausgeschrieben „Standard & Poor’s 500 Depositary Receipt“, auch „Spider“ genannt, wird vielmals als erster ETF definiert (vgl. Deville 2008).

Demgegenüber wird auch der erste ETF, der auch nicht als solcher betitelt wurde, bereits auf das Jahr 1971 in den USA zurückgeführt. Hierbei wurde von Wells Fargo der Samsonite Pension Fund für institutionelle Anleger entwickelt und basierte auf den New York Stock Exchange Composite Index (vgl. Krautbauer 2015: 46).

Für Privatanleger gab es ab dem Jahr 1975 den Vanguard 500. Der basierte ebenfalls auf dem US-amerikanischen Index S&P 500 und wurde von der Investmentgesellschaft Vanguard aufgelegt. Der S&P 500, der von dem Unternehmen Standard & Poor’s zusammengestellt wird, gehört zu den bekanntesten Indices weltweit und wird nach der Marktkapitalisierung der US-börsennotierten Unternehmen zusammengestellt. Vanguard zählt heute zu den größten ETF-Emittenten in den USA, im weiteren Verlauf wird zusätzlich auf Vanguard und dessen starke Marktposition eingegangen. Anfangs wurden ETFs als Negativ betrachtet, da es unamerikanisch war in Indices zu investieren und folglich versucht wurde, dem Wettbewerb zu entgehen (vgl. Bogle 2006).

Immensen Zuspruch erhielten ETFs durch die Zulassung eines ETFs auf den Nasdaq-100 Index im März 1999. Bereits im Folgejahr war dieser bereits für 4% des Handelsumsatzes am Nasdaq verantwortlich. Infolgedessen kam es 2000 bereits zu einer Verdoppelung zum Vorjahr in Bezug auf das von ETF verwaltete Vermögen (vgl. Deville 2008: 4-6). Dieser anfangs relativ normale Anstieg setzte sich weiter fort und hat insbesondere im Rahmen der Finanzkrise einen Schub erlebt wie es in einem späteren Kapitel genauer betrachtet wird.

In Europa kam es im Vergleich zu Kanada und den USA zu einer späteren Etablierung von ETFs an den Kapitalmärkten. Der erste ETF ähnelte Fonds in Deutschland war der vom Bankhaus Oppenheim aufgelegte Oppenheim DAX-Werte Fonds als passiver Publikumsfonds. Im Jahre 1998 emittierte eine Commerzbank Tochtergesellschaft in Luxemburg den CB German Index Fund, welcher den Commerzbank-Index abbildete. Dies war die erste passive Anlagemöglichkeit (vgl. Krautbauer 2015: 46-48). In Deutschland wurden die ersten beiden ETFs im April 2000 an der Deutschen Börse in Frankfurt etabliert. Zeitgleich wurde am London Stock Exchange die gleichen ETFs zugelassen. Referenzindice für diese waren der EURO STOXX 50 und STOXX Europe 50. In den Folgejahren zogen weitere Börsen nach, im Oktober die Stockholm Stock Exchange sowie im Januar 2001 die Euronext. Im Jahr 2005 hatten elf Börsen mehr als 160 ETFs zugelassen, bei einer zeitgleichen Wachstumsrate von 60% auf 45 Billionen €. Primär waren 2005 die beiden Börsen London Stock Exchange sowie die Deutsche Börse für 70% des ETF-Handels in Europa zuständig. Diese beiden Handelsplätze sind dabei die Zentren für den Umsatz und Zulassung von ETFs in Europa (vgl. Deville 2008: 6-8). Zum 1. Mai 2018 ist die Anzahl der im XTF Segment, dem Segment der Deutschen Börse für ETFs, beinhalteten ETFs auf 1250 angestiegen (vgl. Deutsche Börse AG 2018).

Nachdem kurz die recht junge Historie der ETFs betrachtet wurde, wird nachfolgend die „Idee“ hinter ETFs betrachtet. Dies kann als wesentlicher Bestandteil des Erfolges betrachtet werden, denn nur durch einen glaubwürdigen Renditeanspruch eines Finanzproduktes kann dieses immens Kapital binden.

4.2 Ideologie der ETFs

Die Idee der ETFs ist zugleich spektakulär wie einfach. Von vielen ETF Befürwortern wird dafür gerne der Ausspruch:„If you can’t beat the market, join it “ genutzt. Durch Investition in ETFs soll folglich eine Investition in den „Markt“ getätigt werden. Was genau unter Markt begriffen wird ist jedoch unterschiedlich interpretiert und wird u. a. auch durch regionale Verzerrungen geprägt. Im Falle von ETFs ist der Markt zumeist Indices wie der Deutsche Aktienindex DAX. Anhand des DAX werde ich nun die Funktionsweise von Indices beschreiben. Der DAX bildet seit 1988 die 30 wichtigsten deutschen Aktienwerte ab. Die Kriterien um hier aufgenommen zu werden sind einfach und transparent. Grundlegende Bedingung ist eine Notierung im Prime Standard11 der Deutschen Börse AG, einen Streubesitz von 10% sowie den rechtlichen Sitz in Deutschland12. Hierzu kommen noch Kriterien, wie eine Marktkapitalisierung unter den größten 35 Konzernen, Börsenumsatz unter den Top 45 Konzernen. Entschieden über die Aufnahme wird in diesem Fall von einer Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wertpapierbörsen, der Frankfurter Wertpapierbörse sowie der Börsen-Zeitung. Die 30 aufgenommenen Werte werden jedoch nicht zu einem 30-istel gewichtet, sondern abhängig von der Streubesitz-Marktkapitalisierung. Folglich kommt es zu einer unterschiedlichen Auswirkung im Falle von Kursanstiegen je nach Gewichtung. Im April 2018 waren SAP SE mit 9,18%, gefolgt von Siemens Aktiengesellschaft 9,03% und Allianz SE 8,35% die am stärksten der Gewichtung beizutragenden Unternehmen. Am geringsten sind Beiersdorf AG mit 0,86%, gefolgt von Merck KGaA 1,03% und RWE AG 1,04% gewichtet (vgl. Boerse.de 2018).

Daraus lässt sich ableiten das Kursauswirkungen von SAP den neunfachen stärkeren Effekt auf die Entwicklung des DAX besitzen als Merck. Dieser Effekt wird in Kapitel 4.3. zum technischen Aufbau erneut relevant.

Für die Unternehmen ist eine Notierung im DAX aus vielerlei Gründen interessant. Primär erhalten DAX Konzerne mehr Aufmerksamkeit von Medien wie institutionellen Anlegern und sie stehen stellvertretend für die gesamte deutsche Wirtschaft. Mit Daimler, Volkswagen und BMW befinden sich drei Autokonzerne im DAX, Unternehmen im Bereich Software sind jedoch nur durch SAP SE vertreten. Neben dem DAX als deutscher Indices existiert auch noch der MDAX für mittlere Unternehmen sowie der SDAX für kleine Unternehmen und der TecDAX für Unternehmen im Technologiebereich.

Indices wie der DAX sind in jedem westlichen Staat vertreten, diese unterscheiden sich jedoch in der Anzahl der zusammenstellenden Unternehmen sowie der Kriterien zur Aufnahme. Ein weiterer Unterschied zu anderen Indices ist, dass im Falle des DAX ein öffentliches Konsortium über die Zusammensetzung entscheidet. In den meisten Fällen wie den genannten S&P500, Stoxx50 etc. wird dieser von Privaten Unternehmen erstellt. Die Madrider Börse entscheidet bspw. über die Zusammenstellung des IBEX 35, der im Gegensatz zum DAX 35 statt 30 Werte beinhaltet. Auf europäischer Ebene ist der Züricher Indexemittent STOXX Limited bekannt, der den EURO STOXX 50 herausbringt. Weitere sind die britische FTSE Group, die u. a. Indices für Großbritannien (FTSE 100 Index) aber auch griechische wie Athex20 und den Malaysischen KLCI vertreibt. Für Indices, die insbesondere im internationalen globalen Bereich agieren ist die Firma MSCI Inc. Marktführer. Bekanntester Indice ist der MSCI World, der 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern widerspiegelt oder der MSCI Emerging Marktes, welcher seinen Fokus auf Schwellenländer13 wie China, Indien u. a. setzt. Das Geschäftsmodell dieser Unternehmen basiert auf Lizenzkosten auf denen von Ihnen erstellten Indices. Lizenznehmer sind andere Unternehmen, wie ETF-Kapitalanlagegesellschaften, die diese nutzen um einen ETF auf den MSCI World aufzulegen. Hierbei entfallen jährliche Nutzungsgebühren auf MSCI Inc. Indices haben die Funktion eine Benchmark zu setzen, dies bedeutet einen Vergleichsmaßstab zu bieten, der zu weiterführenden Analysen als Bezugswert angenommen wird. Dieser Bezugswert beinhaltet jedoch auch nur Unternehmen, die an der Börse notiert sind und den jeweiligen Kennzahlen für die Indices entsprechen. Beispielsweise ist die Robert Bosch GmbH aus Stuttgart trotz ihres Umsatzes von fast 80 Mrd. € nicht börsennotiert. Vergleichsweise ist in anderen Staaten aufgrund einer etwaigen Unterentwicklung der Kapitalmärkte im Vergleich zu den angelsächsischen Staaten ebenfalls kritisch zu betrachten, was der „Markt“ bedeutet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der „Markt“ als vieles betrachtet werden kann. Der Markt in Deutschland ist repräsentiert14 durch den DAX oder global durch den MSCI. Dies entspricht der allgemeinen Definition des Marktes, als die die „gesamte Marktrendite aller aktiver und passiver Anlagen“ (vgl. Krautbauer 2015: 26).

Dies bedeutet aber nicht, dass man den Markt nicht schlagen kann, sondern dass eine Outperformance einzelner durch eine Underperformance anderer ausgeglichen wird. Hiermit ist gemeint, dass mit dem „Markt“ lediglich der Durchschnitt gemeint ist und es folglich zu einer Ausgleichung erfolgreicher mit weniger erfolgreicher Unternehmen an den Kapitalmärkten kommt.

Die zweite relevante Aussage des Zitates steht jetzt im Fokus: „If you can‘t beat the market, join it“. Cant beat, folglich nicht schlagen, heißt in diesem Kontext, dass man keine höhere Rendite erwirtschaftet als der Markt selbst. Rendite wird im Normalfall durch Dividenden und Kursgewinne realisiert. Anlagestrategien sind vielfältig und von der Anzahl der Möglichkeiten nahezu unübersichtlich, von zyklische Strategien, Markttechnik15, Value Investing16, Börsenpsychologie17, investieren in Einzelaktien oder in mehreren Aktien, Strategien für Anleihen oder Rohstoffe bis hin zu Währungen. Messen in Bezug auf die Rendite wird sich jede Anlagestrategie an einer Benchmark, die im Regelfall ein Indice ist. Diese können lokale Benchmarks wie der DAX sein oder globale wie der MSCI World. Bei aktiv gemanagten Fonds wird ein Topf aus Einzelaktien von der Fondsgesellschaft ausgewählt. Dies hat zur Folge, dass durch die Bündelung des Geldes in einem Fonds und die Möglichkeit eine Vielzahl von Aktien zu investieren, eine Risikostreuung durchgeführt wird. Denn ein Totalverlust im Falle einer Fehleinschätzung einer Einzelaktie ist durch die Streuung in Fonds mit mehreren Dutzend sorgfältig ausgewählter Assets geringer in der Auswirkung als in einem Privatdepot mit wenigen Aktien. Bei einer Untersuchung der SPIVA Europe Scorecard verfehlten in einem Zeitraum von 10 Jahren 98% der Aktienfonds Welt, 79% der Aktienfonds Deutschland, 97% der Aktienfonds Emerging Markets sowie 99% der Aktienfonds USA ihre jeweiligen Benchmarks (vgl. Innes und Cabrer 2018). Begründet ist die Verfehlung unter anderem aufgrund der hohen Unterschiede in der Gebührenstruktur. Klassische Fonds haben eine jährliche

[...]


1 Geschlechtsneutrale Sprachverwendung: In dieser Arbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit auf die parallele Nennung von Personen männlichen und weiblichen Geschlechts („Eigentümer und Eigentümerinnen “) verzichtet, wenn nicht gezielt auf ein Geschlecht Bezug genommen werden soll. Mit „Eigentümer“ werden sowohl Männer als auch Frauen bezeichnet.

2 Als Aktive Fonds werden Fonds mit aktiven Management bezeichnet. Folglich bezieht sich das aktiv auf die Art des Managements.

3 Patient Capital wird im deutschen als „geduldiges Kapital“ übersetzt. Im Weiteren wird Patient Capital genutzt als feststehender Terminus mit Referenz auf die vorliegende Forschung hierzu.

4 New Finance Capitalism und Finanzmarkt-Kapitalismus wird im weiteren Verlauf synonym verwendet.

5 Des Weiteren setzt Deutschmann (2008, S.153) „Casino-Kapitalismus“, „Exit-Kapitalismus“, „institutioneller Kapitalismus“ sowie „Shareholder-Kapitalismus“ als Typus unter dem Finanzmarkt-Kapitalismus als Idealtyp gleich.

6 Dies ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Größter Kreditgeber sind bisher weiterhin die Kreditinstitute, doch haben diese in Relation Marktanteile an eine Finanzierung über Aktien verloren. In einer Studie des IW konnte 2016 festgestellt werden, dass Banken weiterhin in Deutschland die primären Eigenkapitalfinanzierer ist. (Bendel, Demary und Voigtländer 2016)

7 Die entsprechende historische Herleitung des Finanzmarkt-Kapitalismus wird aufgrund des Umfangs an dieser Stelle verzichtet. Dies ist im bestimmten Rahmen bereits im vorherigen Kapitel vollzogen worden. Weitere Informationen siehe (Windolf 2005)

8 Die hierfür benötigten Daten werden von dem Informationsdienstleister Bloomberg bezogen. Dabei handelte es sich um ein Terminal, welches Informationen rund um die Finanzmärkte global zur Verfügung stellt. Vergleichbare Anbieter ist bspw. Reuters. Die Validität der Daten schwierig zu beurteilen, Anteile über 3% sind meldepflichtig bei der BAFIN, unter 3% ist daher die Validität der Daten fragwürdig aber dient sicherlich als tendenzielle Einordnung.

9 OGAW=Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren; UCITS=Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities.

10 Basiswerte bzw. Underlyings werden im Kapitalmarkt diverse Instrumente genannte dessen Bewertung von einem Basiswert abhängig ist. Folglich ist für die Kursveränderung der Basiswert relevant und nicht die Ableitung selbst.

11 Prime Standard ist ein Segment der Frankfurter Wertpapierbörse, welcher neben dem General Standard der öffentlich-rechtlichen Gesetzgebung (auch regulierter Markt genannt) unterlegen (z. B. Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV), Wertpapierprospektgesetz (WpPG), Europäische Prospektverordnung, Börsengesetz etc.) ist. Der Prime Standard hat im Gegensatz zum General Standard ein höheres Maß an Transparenzpflichten. Neben dem regulierten Markt existiert noch der Freiverkehr, welcher privatrechtlich durch die jeweilige AGB geregelt wird.

12 Es gibt auch die Möglichkeit außerhalb den Sitz zu haben, aber dann muss in der Folge der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in Deutschland erfolgen.

13 Als Schwellenmarkt oder engl. Emerging Market werden aufstrebende Länder bezeichnet die an der Schwelle zur Ersten Welt stehen.

14 Oftmals kommt es bei der Erfassung des Marktes zum einem regional bias, dies bedeutet das man lokalen Märkte anders bewertet nur aufgrund des mehr Wissens und Bekanntheit dieser.

15 Markttechnik ist ein Teil der Technischen Analyse welche das Ziel hat die Richtung sowie die Stärke von laufenden Kursbewegungen zu messen. Dementsprechend sollen diverse markttechnische Indikatoren auf Basis von Kursveränderungen konkrete Kauf-und Verkaufssignale liefern. (Boerse.de 2018)

16 Value Investing ist eine Strategie die ausschließlich auf Grundlage von realwirtschaftlichen Gegenwert der Anlagen getroffen wird. Dabei wird der aktuelle Kurs der Aktie in Relation zu den Fundamentaldaten des Unternehmens gesetzt. Ziel ist es hierbei Unternehmen auszuwählen, bei denen man 1 € für 60 Cent erhält folglich deren „innerer Wert“ nicht dem aktuellen Aktienkurs entspricht (Mihaljevic 2015)

17 Bei der Börsenpsychologie handelt es sich per se nicht um eine selbstständige Strategie vielmehr um eine Akzentuierung bestehender Handelsstrategien mit der Annahme das Emotionen und Gefühl direkten wie indirekten Einfluss auf Entscheidungen haben und folglich die Möglichkeit von rationalen Entscheidungen in Frage stellt.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des rapiden Anstiegs von Kapital in ETFs auf deutsche Unternehmen
Untertitel
Stabilisator oder Heuschrecke?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Fachbereich 03 – Gesellschaftswissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
86
Katalognummer
V507169
ISBN (eBook)
9783346059628
ISBN (Buch)
9783346059635
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzialisierung, ETF, ETP, BlackRock, Vanguard, Finanzmarktkapitalismus, Fonds, Oligopole, Deutsche Corporate Governance Kodex, Hirschman, Exit Voice and Loyalty, Davies, New Finance Capitalism
Arbeit zitieren
Magnus Roth (Autor:in), 2018, Die Auswirkungen des rapiden Anstiegs von Kapital in ETFs auf deutsche Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/507169

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