Industrie 4.0 und Instandhaltung

Digitalisierung von Instandhaltungskonzepten und -strategien


Hausarbeit, 2019

82 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1. Generation: 1940 bis 1960
2. Generation: 1960 bis 1980
3. Generation: 1980 bis 2000
4. Generation: 2000 bis heute

2 Grundlagen der Instandhaltung
2.1 Begrifflichkeiten der Instandhaltung
2.2 Interdisziplinarität
2.3 Bedeutung einer optimierten Instandhaltung

3 Instandhaltungsstrategien
3.1 Ausfallbedingte Instandhaltung
3.2 Zeitlich determinierte Instandhaltung
3.3 Zustandsorientierte Instandhaltung
3.4 Vorausschauende Instandhaltung

4 Instandhaltungskonzepte
4.1 Risikoorientierte Instandhaltung
4.2 Total Productive Maintenance

5 Ausblick: Smart Maintenance

6 Verzeichnisse
6.1 Literatur
6.2 Abkürzungen
6.3 Abbildungen
6.4 Tabellen
6.4 Endnoten

7 Anhang: Entscheidungsbaum: Risikobasierte Schwachstellenanalyse168

Abstract

Die vorliegende Arbeit soll als Einstieg in das vielseitige Thema In­standhaltung dienen und den Leser mit den unterschiedlichen In­standhaltungskonzepten und –strategien vertraut machen.

Dazu wird eingangs die Entwicklung der Instandhaltung in vier Gene­rationen unterteilt und es werden die jeweils wichtigsten Unterschei­dungsmerkmale beschrieben.

Daraufhin erfolgt eine Einführung in die Grundlagen der Instandhal­tung. Dazu werden zentrale Begrifflichkeiten erklärt, die Schnittstellen der Instandhaltung mit weiteren Fachdisziplinen innerhalb eines Un­ternehmens aufgezeigt und letztlich die Bedeutung einer optimierten Instandhaltung für das produzierende Gewerbe erörtert.

Anschließend werden die elementaren Instandhaltungsstrategien nä­her beschrieben. Diese sind in die vier Ausprägungsformen ausfallbe­dingte, zeitlich determinierte, zustandsorientierte und vorausschau­ende Instandhaltung unterteilt.

Das darauffolgende Kapitel dient zunächst der allgemeinen Erklärung eines Instandhaltungskonzepts. Anhand der Beispiele der Risikoorien­tierten Instandhaltung und Total Productive Maintenance werden dann zwei in der Praxis etablierte Instandhaltungskonzepte vorgestellt.

Den Abschluss dieser Ausarbeitung bildet ein Ausblick, in dem die Auswirkungen der Industrie 4.0 auf die als Smart Maintenance be­zeichnete Instandhaltung der Zukunft beleuchtet werden.

1 Einleitung

Das Aufgabengebiet Instandhaltung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten vor allem in kapitalintensiven, produzierenden Unter­nehmen immer stärker an Bedeutung gewonnen.1 Aus dieser ur­sprünglich unternehmensinternen Fachdisziplin hat sich mittlerweile eine eigene Wirtschaftsbranche entwickelt, die allein in Deutschland etwa 515.000 Beschäftigte umfasst.kelt, die allein in Deutschland etwa 515.000 Beschäftigte umfasst.2

Diesen hohen Stellenwert genoss die Instandhaltung jedoch nicht schon immer. Um aufzuzeigen, welche Entwicklungen dazu beigetra­gen haben, dass die Instandhaltung heute eine zentrale Rolle im Un­ternehmen einnimmt, werden im Folgenden die vier Generationen der Instandhaltung beschrieben.

1. Generation: 1940 bis 1960

Die erste Instandhaltungs-Generation reicht bis in die Zeiten des zwei­ten Weltkriegs zurück. Zu dieser Zeit war die Mechanisierung noch nicht weit fortgeschritten und Instandhaltungsmaßnahmen be­schränkten sich lediglich auf die routinemäßige Inspektion, Reinigung und Abschmierung von Produktionsmaschinen sowie die Instandset­zung bei Ausfall. Da Anlagen häufig überdimensioniert und einfach aufgebaut waren, zogen Stillstandzeiten nur geringe Konsequenzen nach sich. Daher wurde vorbeugenden Maßnahmen gegen Maschinen­ausfälle nur eine geringe Bedeutung beigemessen.3

2. Generation: 1960 bis 1980

Um den ab 1960 zunehmenden Bedarf an Gütern bedienen zu können, wurde die Mechanisierung der Produktion vorangetrieben. Dadurch nahm die Komplexität der Maschinen zu, wodurch ein höherer In­standhaltungsaufwand notwendig wurde.4 Durch eine gestiegene Be­deutung der Stillstandzeiten wurde das Konzept der vorbeugenden Instandhaltung eingeführt und die höheren Instandhaltungskosten führten zur Entwicklung von Instandhaltungsplanungssystemen.5 Die­se Neuerungen sollten zu einer höheren Maschinenverfügbarkeit, ei­ner längeren Maschinenlebensdauer sowie zur Kostensenkung beitra-gen.6

3. Generation: 1980 bis 2000

Diese Zeitspanne zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass Anlagen verketteter und komplexer wurden. Die große Anzahl an Bauteilen trug zur Störanfälligkeit bei, weshalb Maschinen häufiger instandge-setzt werden mussten. Durch die höhere Komplexität wurden Instand­setzungen zeitintensiver und konnten nur noch von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden. Da der Auslastungsgrad der An­lagen ebenfalls anstieg, stand für Instandhaltungsmaßnahmen außer­halb der Produktionszeit immer weniger Zeit zur Verfügung. Ein weite­res Problem war, dass durch die Verkettung der Anlagen direkt meh­rere Anlagen von einer Maschinenstörung betroffen waren. Dies führte zu einer erheblichen Steigerung der Maschinenausfallkosten. Letztlich erhöhten gesetzliche Rahmenbedingungen wie bspw. Arbeitssicherheit und Umweltanforderungen die Anforderungen an eine gut funkti­onierende Instandhaltung.7

Um all diesen Entwicklungen gerecht zu werden, wurden Risikostu­dien erstellt und Störungsursachen-/-wirkungsanalysen durchgeführt. Des Weiteren wurden Zustandsüberwachungen von Fertigungsanla­gen eingeführt und bereits bei der Konstruktion auf eine zuverlässig­keitsorientierte und wartungsfreundliche Anlagengestaltung Wert ge-legt.8

4. Generation: 2000 bis heute

Der Wettbewerb unter den einzelnen Unternehmen einer Branche er­fährt einen deutlichen Anstieg durch die Globalisierung der Märkte und den damit einhergehenden Kosten- und Leistungsdruck. Produkte müssen ein hohes Qualitätsniveau bei möglichst geringen Kosten auf­weisen. Eine Kostensenkung kann vor allem durch minimale Lager­und Umlaufbestände erreicht werden. Dabei ist es jedoch entschei­dend, eine hohe Anlagenzuverlässigkeit zu gewährleisten, da stö­rungsbedingte Abweichungen vom Produktionsplan nur noch in sehr geringem Maße aufgefangen werden können.9 In Hochlohnländern wie Deutschland ist die Industrie zudem durch einen hohen Automatisie­rungsgrad geprägt, da es sonst nicht möglich wäre, wirtschaftlich zu produzieren.10 Geplante und ungeplante Anlagenstillstände werden aufgrund dieser gesteigerten Automatisierung immer teurer für Un­ternehmen, da Kosten für ungenutzte Produktionskapazitäten, Ar-beits- und Ersatzteilwerte anfallen. Außerdem können Produktions­verzögerungen zu vertraglich festgelegten Konventionalstrafen oder gar Kundenverlusten führen.11 Diese immer komplexer werdende Technik kann nur noch mit angepassten Instandhaltungsstrategien beherrscht werden. Ansonsten ist das erforderliche Produktivitäts-und Qualitätsniveau nicht zu erreichen.12

2 Grundlagen der Instandhaltung

Dieses Kapitel soll dazu dienen, die grundlegenden Aspekte des In­standhaltungsbegriffs aufzuzeigen. Dazu werden in einem ersten Un­terkapitel die zentralen Begriffe dieses Themenfelds definiert. An­schließend werden die Schnittstellen der Instandhaltung mit den an­deren Fachdisziplinen innerhalb eines Unternehmens untersucht, um letztlich die Bedeutung der Instandhaltung im produzierenden Gewer­be zu erörtern.

2.1 Begrifflichkeiten der Instandhaltung

Der Begriff Instandhaltung ist nach DIN 31051 definiert als „Kombinati­on aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnah­men des Managements während des Lebenszyklus einer Betrach­tungseinheit zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass sie die geforderte Funktion erfüllen kann“.13

Die Aufgabenbereiche der Instandhaltung beinhalten also sowohl die vorbeugende Instandhaltung als auch die störungsbedingte Instand­setzung. Diese Bereiche lassen sich wiederum in die vier Teilaufgaben Wartung, Inspektion, Verbesserung und Instandsetzung gliedern.14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Teilaufgaben der Instandhaltung15

Diese vier Maßnahmen dienen der Aufrechterhaltung der Produktion und beeinflussen somit den Abnutzungsvorrat der Anlage.16 Dieser beschreibt nach DIN 31051 den „Vorrat der möglichen Funktionserfül­lungen unter festgelegten Bedingungen, der eine Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung, Instandsetzung oder Verbesserung inne-wohnt“. 17 Ein typischer Verlauf des Abnutzungsvorrats ist nachfolgend dargestellt.

Im Folgenden sollen nun die vier Maßnahmen Wartung, Inspektion, Verbesserung und Instandsetzung näher beschrieben und ihre Aus­wirkung auf den Abnutzungsvorrat eines Betriebsmittels aufgezeigt werden.

Wartung

Das Ziel der Wartung ist die Bewahrung des Soll-Zustands eines tech­nischen Mittels, wodurch der laufende Betrieb einer Anlage sicherge­stellt werden soll.19 Somit zählen Wartungsmaßnahmen zur vorbeu­genden Instandhaltung und tragen zur Verringerung der Abnutzungs­geschwindigkeit und zur Erhöhung der Lebensdauer des Betriebsmit­tels bei.20 Der Wartungsbegriff umfasst alle Maßnahmen zur Pflege von Produktionsanlagen, wie bspw. Justieren, Nachfüllen von Be­triebsstoffen, Reinigen und Abschmieren.21 Zusammenfassend ist also zu sagen, dass Wartungsmaßnahmen die Abnutzung einer Anlage ge­zielt entschleunigen, was sich folgendermaßen auf den Abnutzungs­vorrat auswirkt.22

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Veränderung des Abnutzungsvorrats bei Wartung23

Inspektion

Die Inspektion hat zum Ziel, den Ist-Zustand einer Anlage festzustellen und zu beurteilen, wodurch sie ebenfalls den vorbeugenden Instand­haltungsmaßnahmen angehört.24 Durch die Inspektion sollen Zu­standsverschlechterungen rechtzeitig erkannt und somit Schäden vermieden werden. Sie stellt die Basis für weitere Instandhaltungs­maßnahmen dar, hilft bei der Beseitigung konstruktiver Schwachstel­len und beweist oder widerlegt die Wirksamkeit von bereits durchge­führten Maßnahmen. Neben den zuvor genannten technischen Grün­den, kann eine Inspektion auch durch gesetzliche Auflagen der Ar­beitssicherheit und des Umweltschutzes sowie durch die Erhaltung des Versicherungsschutzes motiviert sein. 25 Eine Inspektion alleine hat keinen Einfluss auf den Abnutzungsvorrat. Der Abnutzungsvorrat wird bei einer Inspektion zwar erfasst, allerdings von dieser nicht di­rekt verändert. Erst die weiteren Maßnahmen, denen die gewonnenen Erkenntnisse der Inspektion zugrunde liegen, haben eine positive Auswirkung auf die Maschinenabnutzung.26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Veränderung des Abnutzungsvorrats bei Inspektion27

Verbesserung

Eine Verbesserung soll die Funktionssicherheit einer Anlage erhöhen, ohne dabei die eigentliche Funktion zu verändern. Dies kann zum ei­nen durch eine Qualitätserhöhung (z.B. verbesserte Schmierung, ver­besserter Materialeinsatz) und zum anderen durch eine Korrektur von Fehlern (z.B. Verbesserung einer Schwachstelle) geschehen.28 Diese Verbesserungsmaßnahmen von Anlagen und Prozessen sind vor allem für kapitalintensive Industriebranchen mit hohem Konkurrenzdruck von Bedeutung.29 Verbesserungen können den Abnutzungsvorrat auf mehr als das Doppelte des ursprünglichen Werts steigern. Dies ist beispielhaft im Nachfolgenden dargestellt.30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Veränderung des Abnutzungsvorrats bei Verbesserung31

Instandsetzung

Der Begriff Instandsetzung umfasst alle Maßnahmen zur Wiederher­stellung des Soll-Zustands einer technischen Anlage. Dabei wird ab­hängig vom Planungs- und Vorbereitungsgrad zwischen einer vorbeu­genden und einer schadensbedingten Instandsetzung unterschieden.32

Die Maßnahmen der vorbeugenden Instandsetzung werden nach Art, Zeitpunkt und Umfang vorausgeplant und durchgeführt, um vor dem Erreichen der Abnutzungsgrenze die volle Betriebsfähigkeit der Anla­ge zu erhalten oder wiederherzustellen. Die schadensbedingte In­standsetzung unterscheidet sich dadurch, dass weder die Art, noch der Eintrittszeitpunkt oder der Umfang der Instandsetzungsmaßnah­men bekannt sind.33 Beiden Instandsetzungsarten ist gemein, dass sie Schädigungen beseitigen und somit den Abnutzungsvorrat der Anlage wieder auf sein ursprüngliches Niveau anheben.34 Dies ist in der nach­folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Veränderung des Abnutzungsvorrats bei Instandsetzung35

2.2 Interdisziplinarität

Nach Eick et al. zählen zu den Erfolgsfaktoren im internationalen Wettbewerb um Produktionsstandorte eine hohe Anlagenverfügbarkeit, der effiziente Einsatz von Rohstoffen sowie eine konkurrenzfähige Produktqualität.36 Die beiden letztgenannten Faktoren fallen nicht direkt in das klassische Aufgabenfeld der Instandhaltung und lassen sich dennoch durch eine entsprechende Wahl der Instandhaltungs­strategie positiv beeinflussen.

Somit wird deutlich, dass die Instandhaltung Berührungspunkte mit anderen Unternehmensdisziplinen aufweist. Daher sollen in den fol­genden Unterkapiteln die wesentlichen Schnittstellen der Instandhal­tung aufgezeigt werden.

2.2.1 Schnittstelle Anlagenplanung und -konstruktion

Eine der Hauptanforderungen bei der Konstruktion oder der Anschaf­fung einer neuen Anlage stellen möglichst geringe Lebenszykluskosten dar. Diese beinhalten die gesamten, während der Lebensdauer anfallenden Kosten und setzen sich daher aus den Anschaffungs-, Be­triebs- und Entsorgungskosten zusammen.37

Abbildung 7: Zusammensetzung der Lebenszykluskosten38

Die Betriebskosten fallen über den längsten Zeitraum des Anlagenlebenszyklus an und beinhalten neben den Kosten für den reinen Anlagenbetrieb auch die Instandhaltungskosten. Ein Großteil der letztge­nannten Kosten wird bereits durch Entscheidungen während der Anlagenplanung beeinflusst, weshalb die Instandhaltung möglichst früh in die Planungsaktivitäten einbezogen werden sollte.39 Eine Möglich­keit zur Senkung der Lebenszykluskosten ist daher der Kauf von quali­tativ hochwertigen Materialien, da sich somit die Zuverlässigkeit der Anlage erhöht und Instandhaltungsaufwendungen präventiv reduziert werden.40 Dadurch kann trotz höherer Anschaffungskosten der wirt­schaftliche Nutzen über den gesamten Lebenszyklus gesteigert wer­den (s. Abbildung 7, Kostenvorteil der Anlage B gegenüber Anlage A).41

Im Folgenden sollen zwei Prinzipien näher erläutert werden, die durch konstruktive Maßnahmen während der Planungsphase spätere In­standhaltungsmaßnahmen reduzieren und die Zuverlässigkeit der An­lage verbessern können.

Instandhaltungsgerechte Konstruktion

Die instandhaltungsgerechte Konstruktion soll eine maximale Be­triebstauglichkeit bei einem minimalen Instandhaltungsaufwand wäh­rend des gesamten Anlagenlebenszyklus gewährleisten. Dabei sollen durch eine geeignete Konstruktion die Maschinenabnutzung reduziert, die Pflege und Wartung erleichtert sowie Reparaturen vermieden werden.42

Um diese Ziele zu erreichen, bietet der Verein Deutscher Ingenieure folgende Ansatzpunkte:

- Die Werkstoffauswahl, die Bauteilauslegung und –gestaltung sowie die Festlegung der Fertigungsverfahren sollen unter Berücksichtigung von Alterung, Ermüdung, Korrosion und Ver­schleiß geschehe
- Mögliches Fehlverhalten der Benutzer und Instandhaltungs­mitarbeiter ist vorauszusehen und zu berücksichtigen.
- Bauteile und Baugruppen sollten möglichst instandhaltungs­frei, instandhaltungsarm oder instandhaltungsfreundlich sein.43

Des Weiteren nennt der Verein Deutscher Ingenieure Identifizierbar-keit, Zugänglichkeit und Austauschbarkeit, Wartbarkeit, Inspizier- und Prüfbarkeit, Transport- und Lagerfähigkeit sowie Standardisierung als Ziele einer instandhaltungsgerechten Konstruktion.44

Redundante Anordnung

Bei einer redundanten Anordnung werden alternative Betriebsmittel oder Bauelemente installiert, wodurch bei einem Ausfall von einem oder mehreren Anlagenbauteilen die Funktionsfähigkeit der Anlage erhalten bleibt. Dies trägt zur Erhöhung der Zuverlässigkeit45 sowie der Verfügbarkeit46 einer Anlage bei.47 Dieses Prinzip lässt sich durch unterschiedliche konstruktive Maßnahmen verwirklichen. Dabei stellt die Frage, ob alle redundanten Einheiten erst nach Auftreten der Stö­rung angefahren werden oder bereits während des störungsfreien Anlagenbetriebs aktiv sind, das Hauptunterscheidungsmerkmal dar. Dies wird als passive bzw. aktive Redundanz bezeichnet.48

Passive Redundanz

In diesem Fall wird ein alternatives Betriebsmittel zur Erfüllung einer bestimmten Funktion einsatzbereit gehalten. Es kommt jedoch erst dann zum Einsatz, wenn das primär zur Funktions­erfüllung eingeplante Betriebsmittel ausfällt. Diese Lösung ist im störungsfreien Betrieb zwar wirtschaftlicher, hat jedoch den Nachteil, dass eine Unterbrechung der Produktion bei Auftreten einer Störung unvermeidlich ist.49

Aktive Redundanz

Im Falle einer aktiven Redundanz sind die alternativen Be­triebsmittel durchgehend in Betrieb und sind an der Funktions­erfüllung entweder vollständig oder teilweise beteiligt.50 Dabei lassen sich wiederum mehrere Ausprägungsformen unter­scheiden.

Bei der sogenannten 1+1-Redundanz kommen zwei Bauteile zum Einsatz, die beide jeweils in der Lage sind, die Funktion al­leine zu erfüllen. Kommt es zum Ausfall eines Bauteils, kann das Andere die Last komplett übernehmen.

Eine weitere Ausprägungsform ist die N+1-Redundanz. Bei die­ser wird die Last auf eine Reihe von Einheiten aufgeteilt, von denen jede nur einen Teil der Gesamtleistung aufbringen kann. Um den Ausfall einer Einheit zu kompensieren, wird eine Ein­heit mehr installiert als zur Erbringung der Gesamtleistung nö­tig wäre.

Zur Absicherung sehr kritischer Lasten besteht auch die Mög­lichkeit, mehr als eine voll ausgelegte Ersatzeinheit zur Verfü­gung zu stellen. Ein Beispiel dafür wäre eine 1+2-Redundanz, bei der drei Einheiten installiert werden, die jeweils in der Lage sind, die komplette Last zu tragen.51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Ausprägungsformen der aktiven Redundanz52

2.2.2 Schnittstelle Produktion

In der betrieblichen Praxis nimmt die Schnittstelle zwischen der In­standhaltung und der Produktion eine besonders zentrale Rolle ein. Da einzelne Instandhaltungsmaßnahmen Störungen des Produktions­ablaufs nach sich ziehen, kommt es bei diesen beiden Disziplinen häu­fig zu Zieldivergenzen, die wiederum die Umsetzung von Instandhal­tungsstrategien erschweren. Dies erfordert einen hohen Koordinati­onsbedarf, wodurch dem Management dieser Schnittstellen eine zent­rale Bedeutung zukommt.53

Bei der Wahl der Strategie sollte also auf eine harmonische Einbet­tung der Instandhaltungsmaßnahmen in den Produktionsablauf ge­achtet werden. Ein Lösungsansatz kann dabei sein, einfache Instandhaltungsaktivitäten von Produktionsmitarbeitern durchführen zu las­sen, was eine höhere Identifikation der Mitarbeiter mit der Anlage und den Instandhaltungsprozessen zur Folge hätte, wie es das Konzept der Total Productive Maintenance verfolgt (s. Kapitel 4.2).54

Ein weiterer Aspekt, der die enge Verzahnung der beiden Unterneh­mensdisziplinen widerspiegelt, ist die Tatsache, dass Produktionsaus-fallkosten häufig unter dem Begriff „Indirekte Instandhaltungskosten“ erfasst werden. An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass diese Be­zeichnung nur bedingt zweckmäßig ist. Die Instandhaltung hat schließ­lich das Reduzieren oder komplette Vermeiden von Anlagenausfall-kosten zum Ziel, weswegen es irreführend ist, der Instandhaltung die Kosten für einen Ausfall zuzuschreiben.55

2.2.3 Schnittstelle Materialwirtschaft

Ebenfalls von hoher Bedeutung für einen möglichst reibungslosen Betriebsablauf ist das Zusammenspiel der Instandhaltung mit der Ma­terialwirtschaft. Die Materialwirtschaft hat dabei primär die Aufgabe, Reserveteile zu bevorraten, bereitzustellen sowie auszumustern, um das Ausfallrisiko einer Anlage durch mangelnde Ersatzteilversorgung zu minimieren.56 In früheren Zeiten geschah eine Absicherung gegen Anlagenausfälle hauptsächlich durch eine Erhöhung der Materialbe-stände.57 In Folge des gesteigerten Wettbewerbs und dem damit ein­hergehenden Streben nach Kostenminimierung ergibt sich jedoch heute der Zielkonflikt, einerseits die hohen Kosten der Ersatzteilbevorratung reduzieren und andererseits einen hohen Servicegrad errei­chen zu wollen.58

Die Materialwirtschaft muss also die für die Instandhaltung von Anla­gen erforderlichen Ersatzteile in der erforderlichen Art und Menge an der entsprechenden Anlage zur richtigen Zeit kostenminimal bereit­stellen. Dies kann nur mit einer entsprechenden Instandhaltungsstra­tegie realisiert werden. Dabei sind die folgenden Parameter festzule­gen.

- Art der Bestandsüberwachung und Bewirtschaftung
- Umfang des Ersatzteilbedarfs
- Höhe des Sicherheitsbestands
- Art der Bevorratung
- Art des innerbetrieblichen Transports
- Identifizierung nicht mehr benötigter Ersatzteile59

Des Weiteren kann die Materialwirtschaft der Instandhaltung wichtige Erkenntnisse über mögliche Ausfallursachen der Anlage liefern. Dies gilt vor allem für ungeeignete oder fehlerhafte Teile, die spezielle Maßnahme erfordern. Diese Erkenntnisse können darüber hinaus in Lieferantenbewertungen einfließen, was wiederum für den Techni­schen Einkauf relevant ist.

Es sei jedoch auch erwähnt, dass die Möglichkeit besteht, die Materi­alwirtschaft von Dritten betreiben zu lassen. Werden Rahmenverträge mit Lieferanten aufgesetzt, können durch Konsignationsläger in Anlagennähe Kapitalbindungskosten gesenkt werden, während gleichzeitig ein hoher Servicegrad erzielt wird.60

2.2.4 Schnittstelle Qualitätsmanagement

Eine konsequente Verbesserung der Instandhaltungsmaßnahmen er­höht die Qualität der Produktionsprozesse, die wiederum für die Quali­tät der Produkte verantwortlich sind. Somit ist der gemeinsame An­satz von Instandhaltung und Qualitätsmanagement ein stabiler und effizienter Produktionsprozess.61 Eine gesteigerte Produktivität führt zu sinkenden Produktkosten und wettbewerbsfähigen Preisen, wodurch sich höhere Marktanteile erschließen lassen.62

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Hauptaufgabe eines effektiven Qualitätsmanagements im Instandhaltungsbereich darin besteht, durch koordinierende Instrumente sowie geeignete Methoden eine kontinuierliche Verbesserung der Prozess- und somit der Ergeb­nisqualität zu erreichen.63

2.3 Bedeutung einer optimierten Instandhaltung

Laut Eick et al. maßen circa 98 % der an einer Studie beteiligten Un­ternehmen der Instandhaltung eine hohe Bedeutung bei. Darüber hin­aus erfuhr die Aussage, dass die Instandhaltung im Vergleich zu früheren Zeiten zugenommen hätte, einen Zuspruch von 79 % und 67 % der Unternehmen gehen sogar davon aus, dass die Bedeutung der Instandhaltung in Zukunft noch weiter steigen werde.64

In Anbetracht dessen, dass die direkten Instandhaltungskosten der Bundesrepublik Deutschland jährlich bei etwa 250 Mrd. Euro liegen, verwundern die oben erwähnten Umfrageergebnisse nur wenig. Die indirekten Instandhaltungskosten65 belaufen sich sogar auf circa 750 Mrd. Euro. Gerade diese hohen, durch Anlagenausfälle verursachten Ausgaben verdeutlichen, dass noch Optimierungspotential im Instand­haltungsbereich besteht. Dieses kann durch Rationalisierungen in un­terschiedlichsten Bereichen zwischen fünf und 30 % liegen.66

[...]

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Industrie 4.0 und Instandhaltung
Untertitel
Digitalisierung von Instandhaltungskonzepten und -strategien
Hochschule
Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft  (W-Ing)
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
82
Katalognummer
V506867
ISBN (eBook)
9783346073679
ISBN (Buch)
9783346073686
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Instandhaltungskonzepten, Instandhaltungsstrategie, Industrie 4.0, Digitalisierung, Grundlagen, optimierten Instandhaltung, Smart Maintenance, Total Productive Maintenance
Arbeit zitieren
Erik Leitenberger (Autor:in), 2019, Industrie 4.0 und Instandhaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506867

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