Die Rolle der Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen

In den "Minima Moralia" von T. W. Adorno


Bachelorarbeit, 2019

41 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Das Unbehagen an der Moderne
1.2 Thematische Eingrenzung
1.3 Methode und Gliederung

2 Theoretischer Kontext
2.1 Adorno als kritischer Theoretiker
2.2 Kulturindustrie-Theorie
2.3 Zum Begriff der Verdrängung

3 Ob wir verdrängen?
3.1 Max und die "Rügenwalder Mühle"
3.2 Verdrängung im gesellschaftlichen Kontext
3.3 Reklame und Kulturindustrie
3.4 Fazit

4 Konsequenzen
4.1 Die Folgen permanenter Verdrängung
4.2 Fragen über Fragen
4.3 Abschließende Betrachtung

5 Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
5.2 Sekundärliteratur
5.3 Internetquellen

Die vorliegende Arbeit wurde im Zeitraum vom 01.02. bis zum 25.03.2019 am Institut für Philosophie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg unter der Leitung von Dr. J. angefertigt.

1 Einleitung

1.1 Das Unbehagen an der Moderne

Ich1 möchte unterstellen, dass ein Mensch allein durch die Betrachtung eines ande- ren Menschen darauf schließen kann, ob es seinem Gegenüber tendenziell gut oder schlecht geht2. Das funktioniert auch bei Fremden. Wenn ich durch die Straßen fla - niere, Straßenbahn fahre oder einkaufen gehe, sehe ich überall Menschen, in deren Gesichtern ich lesen kann, dass sie lieber woanders wären, oder lieber etwas ande - res tun würden. Dies erschien mir schon immer paradox. Schließlich leben wir in einer liberalen Gesellschaft, in der sich jeder seinen Job, Partner, Wohnort und Ähnliches mehr selbst aussuchen kann.

Als ich zum ersten Mal Adornos Minima Moralia gelesen habe, ist mir eine Stelle besonders in Erinnerung geblieben:

[S]ie sehen aus, als wäre ihre Haut mit einem regelmäßig gemusterten Ausschlag be- druckt, als trieben sie Mimikry mit dem Anorganischen. Wenig fehlt, und man könnte die, welche im Beweis ihrer quicken Lebendigkeit und strotzenden Kraft aufgehen, für präparierte Leichen halten, denen man die Nachricht von ihrem nicht ganz gelungenen Ableben aus bevölkerungspolitischen Rücksichten vorenthielt (Adorno GS 4: 66)3.

Mit Adorno fand ich einen zeitgenössischen Philosophen, der mein Unbehagen teilt. Die Gesunden sind ebenso krank wie die als krank Ausgewiesenen. Doch worin liegt die Krankheit von der anscheinend Alle befallen sind? „Diagnostizieren läßt die Krankheit der Gesunden sich einzig objektiv, am Mißverhältnis ihrer ratio- nalen Lebensführung zur möglichen vernünftigen Bestimmung ihres Lebens“ (Ad- orno GS 4: 66). Adorno erkennt die paradoxe Lage, in der sich die vermeintlich aufgeklärten Massen aufhalten. Es besteht scheinbar ein krasses Missverhältnis zwischen dem, was wir wollen und der Art, wie wir unser Leben führen. Das ist insbesondere absurd, da es im Gegensatz zur Vergangenheit keine klar benennbare äußere Instanz mehr gibt, welche uns vorschreibt, was wir zu tun oder zu lassen haben.

Das Symptom der gesellschaftlichen Krankheit ist in allen Fällen ein Unbehagen, ein vages Gefühl davon, dass irgendetwas nicht stimmt. Verspüren wir ein Unbeha- gen, so können wir es nicht einfach abstellen, weil wir dessen Quelle nicht lokali - sieren können. Dieses Unbehagen ist systematisch. Es scheint alles perfide in Ord - nung.

Die Kulturindustrie verspricht, unser Leid zu lindern. Sie bietet uns Heilmittel in Form von Waren an. Diese Waren sind reduzierte Kulturgüter. Industriell herge- stellt und deswegen immer gleich. An sie knüpft die Kulturindustrie die wahren Bedürfnisse ihrer Kunden, ohne sich um diese zu kümmern. Statt einer erfüllenden Arbeit, Familie, Freunden, Sexualität, Anerkennung, Liebe et cetera, bekommen wir Konsumenten Produkte serviert. Wir leiden Tantalusqualen, ohne uns dessen jemals bewusst zu werden. Die Verdrängungsmechanismen der Kulturindustrie verhindern selbst das „Bewußtsein des Unglücks, des allgemeinen und des davon unablösbaren eigenen“ (Adorno GS 4: 70).

Doch wahre Bedürfnisse können niemals gänzlich annulliert, sondern nur ver- drängt werden. Das bedeutet, sie bleiben weiterhin programmatisch für unser Han- deln und wachsen, solange sie unbefriedigt bleiben.

1.2 Thematische Eingrenzung

Ich möchte in dieser Arbeit der Frage nachgehen, was in unserer Gesellschaft ver- drängt wird, auf welche Art und Weise verdrängt wird und welche Rolle dabei der Kulturindustrie zukommt. Zusätzlich gilt es herauszufinden, welche Folgen aus all dem resultieren.

Diese Fragen stelle ich überwiegend an ausgewählte Werke Adornos. Dafür spre - chen zwei Gründe. Erstens hat Adorno die zwei wichtigsten Beiträge zum Ver- ständnis der Kulturindustrie verfasst. Das programmatische Kulturindustriekapitel in der Dialektik der Aufklärung (vgl. Niederauer/Schweppenhäuser 2018: 3) sowie die Minima Moralia als deren „aphoristische Fortsetzung“ (Wiggershaus 2015: 472)4. Zweitens wurden seine Überlegungen zu der Kulturindustrie, im Laufe der Zeit, weitestgehend positiv rezipiert und erweitert (vgl. Niederauer/Schweppenhäu- ser 2018).

Im Zusammenhang mit Adornos Kulturindustrie-Theorie interessiert mich außer- dem sein Begriff der Verdrängung. Dadurch werden auch Teile von Freuds Werk für diese Arbeit bedeutend, denn das Konzept der Verdrängung stammt von Freud5 und Adorno war, bei all seiner Kritik an der Psychoanalyse und deren Revisionen, strenger Freudianer (vgl. Adorno 1963: 123). Freud versuche ich dabei, „durch die Brille Adornos“ zu lesen. Das bedeutet, dass Freuds individualistische Perspektive der psychoanalytischen Theorie geweitet wird, um die Bedeutung der Gesellschaft für die Genealogie des Subjektes zu betonen.

Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit Adornos Kulturindustrie-Theorie und dessen Begriff der Verdrängung versuche ich, die gefundenen Antworten mit eige- nen Beobachtungen zu verknüpfen. Es soll gezeigt werden, dass sich die Lage 50 Jahre nach Adornos Tod nicht qualitativ, sondern quantitativ verändert hat; dass der Augenblick der Verwirklichung der kritischen Theorie erneut versäumt wurde (Ad- orno GS 6: 15). Dieser Nachweis soll durch die Anwendung von Adornos Negative Dialektik genannten Methode erfolgen.

1.3 Methode und Gliederung

1.3.1 Methode

Für Adornos Denken ist der Begriff der Dialektik entscheidend. Eine Definition könnte laut Adorno „in etwa“ so lauten: „Dialektik ist ein Denken, das sich nicht bei der begrifflichen Ordnung bescheidet, sondern die Kunst vollbringt, die begriff- liche Ordnung durch das Sein der Gegenstände zu korrigieren“ (Adorno 1958: 10). Die als Negative Dialektik bezeichnete Methode legt einen besonderen Fokus auf die Unversöhnlichkeit von „Begriff und Sache, von Subjekt und Objekt“ (Adorno 1965b: 15 f.). In ihr distanziert sich Adorno insbesondere von Hegel. Statt sich wie Hegel vom Untersuchungsgegenstand durch zunehmende Abstraktion zu entfernen, um zum „Ganzen“ zu kommen, schließt Adorno: „Das Ganze ist das Unwahre“ (Adorno GS 4: 54)6.

Adorno zielt nicht darauf ab, seine Begriffe von den Untersuchungsgegenständen zu lösen und zu isolieren, um diese dann in vorher abstrakt festgelegte Ordnungs - systeme einzugliedern. Sein dialektisches Denken vollzieht sich in Prozessen und Widersprüchen, da diese den geistigen Untersuchungsgegenständen immanent sind (vgl. Schwandt 2010: 42). Der Versuch, diese Diskrepanzen aufzulösen, mündet zwangsläufig in Ideologie und Verblendung (vgl. Adorno 1965b: 164).

Gelingende Philosophie muss laut Adorno immer möglichst anschauungsnah arbei- ten. In einem guten philosophischen Text sollen alle Sätze „gleich nahe zum Mit - telpunkt stehen“ (Adorno GS 4: 78). Das Ziel von Adornos negativer Dialektik ist einen Begriff aus dem aktuellen Diskurs herauszugreifen, um anschließend an der Anschauung zu messen, ob er dieser gerecht werde. Laut Schweppenhäuser wäre somit zum Beispiel Volksmusik nicht die Musik des Volkes ist, sondern Musik für das Volk (vgl. Schweppenhäuser 2003: 149); keine spontan aus den Massen aufge- stiegene musikalische Kultur, sondern etwas planvoll, einzig zum Konsum herge- stelltes (vgl. Adorno GS 10.1: 337).

Adorno ist im sokratischen Sinne eher Hebamme als Lehrer7. Er diktiert nichts, sieht sich selbst nicht als Autorität. „Noch der armseligste Mensch ist fähig, die Schwächen des bedeutendsten, noch der dümmste, die Denkfehler des klügsten zu erkennen“ (Adorno GS 4: 55). Adorno nimmt seinen Leser ernst. Dieser soll den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen in jedem Moment an der eigenen Anschauung prüfen können. Diesem Beispiel möchte ich in dieser Arbeit Folge leisten.

In Anlehnung an die vorgestellte Methode, gilt es in dieser Arbeit zu prüfen, ob die Produkte der Kulturindustrie ihrem innewohnenden Anspruch, ästhetische Gebilde und damit gestaltete Wahrheit zu sein, genügen, oder ob sie vielmehr zum Konsum hergestellte Mittel der Verdrängung sind (vgl. Adorno GS 6: 16). Dabei versuche ich, das Problemfeld möglichst anschauungsnah darzustellen, indem ich auf per- sönliche Erfahrungen zurückgreife. Die zahlreichen Beispiele sollen die Leser ani- mieren, über eigene Erlebnisse ähnlicher Art zu reflektieren.

1.3.2 Gliederung

Adorno übernimmt von Benjamin den Gedanken, dass Wahrheiten immer einen „Zeitkern“ besitzen (Adorno 1965a: 72), das heißt ihre vollständige Bedeutung je- weils im Kontext einer bestimmten Zeit erhalten. Deswegen ist es auch wichtig zu erfahren, unter welchen Umständen Adornos Texte entstanden sind. Es gilt zu- nächst herauszustellen, welchen Einfluss Adornos persönlicher Lebenslauf und die gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit auf seine wichtigsten Werke, die Dialektik der Aufklärung und die Minima Moralia hatten. Im Anschluss werden die Kernthe- sen dieser beiden Werke im Hinblick auf die Kulturindustrie-Theorie erläutert. Als Letztes untersuche ich den Einfluss Freuds auf Adornos Philosophie und dessen Begriff der Verdrängung.

Im Hauptteil versuche ich die Rolle der Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen an einem konkreten Beispiel, einer aktuellen Werbung, zu beschreiben. Dieses soll möglichst lebensnah zeigen, auf welche Art und Weise Menschen, in unserer Zeit, im Alltag mit der Kulturindustrie konfrontiert sind und wie sie mit deren Hilfe verdrängen. Das Beispiel soll dabei helfen zu verstehen, welche gesellschaftliche Rolle die Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrän - gungsmechanismen einnimmt und aus welchem Grund wir auch heute, 50 Jahre nach Adornos Tod, immer noch zu viel verdrängen.

Im Schlussteil behandle ich die weitreichenden Folgen permanenter Verdrängung und zeige zuletzt, in Anlehnung an Adorno, mögliche Auswege aus der Misere.

2 Theoretischer Kontext

2.1 Adorno als kritischer Theoretiker

2.1.1 Zeitalter der Barbarei

Adorno wird 1903 als Sohn wohlhabender Eltern in Frankfurt am Main geboren, die besonderen Wert auf musikalisch-literarische Bildung legen (vgl. Klein/Kreu- zer 2011: 1). Insgesamt durchlebt Adorno in Frankfurt eine glückliche Kindheit, in der er von „der Liebe der Mutter“ zehrt (Adorno GS 4: 23). Seine Kindheitserinne- rungen dienen ihm fortan als Maßstab zur Bestimmung möglicher Utopien.

Einen eklatanten Einschnitt in Adornos Leben bildet die Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933. Als „Halb-Jude“8 muss Adorno aus Deutschland fliehen. Er emi- griert zuerst nach England (bis 1938) und später nach Amerika, wo er sich bis zu seiner endgültigen Rückkehr nach Frankfurt (1953) aufhält. Besonders im amerika- nischen Exil erfährt sich Adorno als Außenseiter, der zwar Teil einer fremden Ge- sellschaft, in diese jedoch niemals völlig integriert ist (vgl. Klein/Kreuzer 2011: 3). Diese Position eröffnet ihm die Möglichkeit, einen, wenn auch beschränkten, ex - ternen Blick auf die Gesellschaft zu werfen. Von diesem Standpunkt aus entwirft er seine Kulturkritik gegenüber den USA. Dort ist das Phänomen der Kulturindustrie am weitesten fortgeschritten und lässt sich demnach am besten beobachten (vgl. Adorno GS 10.2: 736). In den USA entwirft Adorno auch seine bedeutendsten Schriften. Die Dialektik der Aufklärung und die Minima Moralia.

2.1.2 Dialektik der Aufklärung und Minima Moralia

Die Dialektik der Aufklärung ist das Hauptwerk der kritischen Theorie. In ihr ge- hen die Autoren Adorno und Horkheimer der Frage nach, „warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt“ (Adorno GS 6: 11). Damit gemeint sind die Gräuel, die im Na- men des Nationalsozialismus verübt wurden. Die Autoren beantworten diese Frage, indem sie auf den dialektischen Charakter der Aufklärung verweisen: „[S]chon der Mythos ist Aufklärung, und: Aufklärung schlägt in Mythologie zurück“ (Adorno/Horkheimer GS 3: 16). Der Rest des Werkes, und auch die Minima Mora- lia, handeln von spezifischen Gegenständen, an denen diese Thesen „durchgeführt“ werden (Adorno/Horkheimer GS 3: 16).

Die Menschheitsgeschichte beschreiben Adorno und Horkheimer (ebd.) als eine Geschichte der fortschreitenden Aufklärung, des technischen Fortschrittes und der zunehmenden Herrschaft des Menschen über die Natur. In dieser Geschichte wer - den alte Herrschaftsmechanismen nicht abgeschafft, sondern immer aufs Neue durch neue ersetzt. An die Stelle der Herrschaft von Naturphänomenen, Göttern, Religionen oder weltlichen Institutionen tritt in modernen Staaten, vermittelt durch Ökonomie, die Herrschaft Aller durch Alle. Die säkularisierte Welt hat nicht nur mit Göttern gebrochen, sondern stattdessen auch neue eingeführt: Digitalisierung, Globalisierung, Wirtschaftswachstum et cetera. Das ist der Grund dafür, dass die Bedingungen für einen Rückfall in die Barbarei wesentlich fortdauern. Deswegen leben wir auch heute noch in einem Zustand von Barbarei (vgl. Adorno GS 10.2: 674). Herrschaft hat in Form von ökonomischer Gewalt als Selbstzweck überlebt (Adorno/Horkheimer GS 3: 125).

Welche Folgen dieser gesellschaftliche Zustand für das moderne Individuum hat, beschreibt Adorno in den Minima Moralia. Sie sind mehr noch als die Dialektik der Aufklärung fragmentarisch gestaltet. Die einzelnen Aphorismen sind „mikrolo- gische Beschreibungen, die das Übermächtige der sozialen Strukturen und das Fas- sadenhafte der menschlichen Beziehungen und alltäglichen Lebenspraxis aufde- cken“ (Klein/Kreuzer 2011: 4). In den teils sehr persönlichen Texten versucht Ad- orno zu beschreiben, wo und wie in der scheinbar aufgeklärten Welt gesellschaftli- che Herrschaftsmechanismen überlebt haben und damit die Bedingungen für einen Rückfall in die Barbarei also wesentlich fortbestehen (vgl. Adorno GS 10.2: 674). Der Titel ist dabei eine Hommage an Aristoteles‘ großen Moralentwurf, die Magna Moralia. In Abgrenzung zu Aristoteles, hütet sich Adorno davor, in den Minima Moralia eine abschließende Antwort auf die Frage nach dem richtigen Leben zu geben (vgl. Adorno GS 4: 43). Ein solcher Versuch mündet laut Adorno immer in Ideologie (vgl. 1.3.1). Die Frage danach, was ein gutes Leben ausmacht, muss je- der für sich selbst beantworten. Das erfordert jedoch ein gewisses Maß an „Selbst- besinnung“ und die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenswelt (vgl. Adorno GS 4: 73). Die Kulturindustrie verhindert diese Auseinandersetzung.

2.2 Kulturindustrie-Theorie

2.2.1 Der Begriff der Kulturindustrie

Die9 Kulturindustrie-Theorie kristallisiert sich für Adorno und Horkheimer im ame- rikanischen Exil als eigenständiger Forschungsschwerpunkt heraus. Der Begriff „Kulturindustrie“ taucht zum ersten Mal in der Dialektik der Aufklärung auf. Im sechzehn Jahre später erschienen Aufsatz Résumé über Kulturindustrie (Adorno GS 10.1: 337 ff.) beschreibt Adorno die Entstehungsgeschichte des Begriffes Kul- turindustrie:

In unseren Entwürfen [der Dialektik der Aufklärung ] war von Massenkultur die Rede. Wir ersetzten den Ausdruck durch »Kulturindustrie«, um von vornherein die Deutung auszuschalten, die den Anwälten der Sache genehm ist: daß es sich um etwas wie spon - tan aus den Massen selbst aufsteigende Kultur handele, um die gegenwärtige Gestalt von Volkskunst. Von einer solchen unterscheidet Kulturindustrie sich aufs äußerste. Sie fügt Altgewohntes zu einer neuen Qualität zusammen. In all ihren Sparten werden Produkte mehr oder minder planvoll hergestellt, die auf den Konsum durch Massen zugeschnitten sind und in weitem Maß diesen Konsum von sich aus bestimmen. Die einzelnen Sparten gleichen der Struktur nach einander oder passen wenigstens ineinander. Sie ordnen sich fast lückenlos zum System. Das gestatten ihnen ebenso die heutigen Mittel der Technik wie die Konzentration von Wirtschaft und Verwaltung. Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben. Sie zwingt auch die jahrtausendelang getrennten Bereiche hoher und niederer Kunst zusammen. Zu ihrer beider Schaden (Adorno GS 10.1: 337 f.).

In der Dialektik der Aufklärung äußern sich die Autoren zum Ursprung der Kultur- industrie. Sie entsteht nach Ansicht der Autoren als direkte Konsequenz einer teil- weise regredierten Aufklärung. Teilweise regrediert deßhalb, weil Menschen es ge - schichtlich gesehen schaffen ihren Verstand immer geschickter und klüger einzu- setzen, um gewisse Ziele zu erreichen, dabei jedoch verlernen sich „vernünftige“10 Ziele zu setzen. Menschen die ausschließlich oder überwiegend instrumentell ver- nünftig sind nennt Adorno „halb-gebildet“11.

Der halb-gebildete Mensch verfügt größtenteils über Herstellungswissen. Er be- nutzt seinen Verstand als ein Werkzeug zur Herstellung weiterer effizienterer Werk- zeuge und das ist sehr nützlich. Das Problem ist, dass Aufklärung heute auf den Begriff der instrumentellen Vernunft reduziert und eben deshalb ideologisch ist. Der halb-gebildete Mensch ist unfähig dazu, vernünftige Zielen seines Handelns zu bestimmen und unfähig zur kritischen Reflexion der bestehenden Verhältnisse. Dies führt zu der Vergötzung von allem Daseienden, welches nicht als kontingent, sondern als notwendig begriffen wird. Unhinterfragt wird im kapitalistischen Sys- tem bejaht, was aus der Anwendung bestimmter ökonomischer Prinzipien folgt. Da für den halb-gebildeten Menschen Wissen Macht bedeutet, vergötzt dieser insbe- sondere alles Technische, das als Speicher und Multiplikator der Macht verstanden wird. Dies führt zu sozialer Ungleichheit, denn über technische Mittel verfügen vor allem die wissenden Mächtigen und sie wissen auch, diese für die Reproduktion der bestehenden Machtverhältnisse zu nutzen (vgl. Adorno/Horkheimer GS 3: 17 f.).

Den Begriff Kultur-Industrie muss man als einen widersprüchlichen, dialektischen verstehen. Kultur und Industrie werden verbunden, weil sie einander gegenseitig bedingen und das, obwohl sie eigentlich unvereinbar sind. Die beiden Begriffe las - sen sich dabei nicht definieren, sondern nur immer wieder aktualisieren.

Den Begriff der Kultur assoziiert Adorno mit allem Neuen, Außergewöhnlichen, Werkhaften und Emanzipatorischen (vgl. Adorno GS 4: 267). Im Gegensatz dazu wird das Industrielle assoziiert mit dem Prinzip von Ähnlichkeit und Wiederho- lung, Angebot und Nachfrage. Es sind die Prinzipien der Ökonomie. Wirtschafts- unternehmen, die danach agieren, stellen nichts Neues her, weil sie den Absatz von gänzlich neuen Produkten schlecht voraussagen können. Deren Waren transportie- ren die immergleiche Botschaft und die Freiheit der Wahl erweist sich in Wirklich - keit als Freiheit zum Immergleichen (vgl. Adorno/Horkheimer GS 3: 191).

Die Folge ist, dass auch Kultur zunehmend nach ökonomischen Prinzipien funktio- niert. Deswegen kann man sie heute treffend als Kulturindustrie bezeichnen. So er- scheint alles Neue als ewiger Abklatsch des Alten. Kulturindustrie ist affirmativ und antireflexiv.

Dabei waren Kulturgüter schon immer auch Produkte und Produkte sind noch im- mer Kulturgüter. Auch Werke müssen beworben werden, denn werden sie nicht wahrgenommen, können sie nicht wirken. Ebenfalls können Produkte neben dem Preis einen Wert haben. Sie haben bloß keinen mehr, weil sich reine Kultur schlecht eintauschen oder verkaufen lässt. Kultur ist janusköpfig. Falsch wäre es, sie auf ihre Warenform zu reduzieren (Schweppenhäuser 2003: 137 ff.).

Die dialektische Spannung zwischen Kultur und Industrie wurde in der Moderne aufgelöst. Wo Adorno Kulturindustrie sagt, meint er eigentlich auf ihre Warenform reduzierte Kultur, also Industrie. Die Ideologie der Kulturindustrie, dass deren Pro- dukte „ästhetische Gebilde und damit gestaltete Wahrheit“ sind, erweist das gesell - schaftliche Unwesen an der Nichtigkeit dieses Anspruchs (vgl. Adorno/Horkheimer GS 3: 17). „Unter den gegebenen Verhältnissen werden die Glücksgüter selbst zu Elementen des Unglücks“ (Adorno/Horkheimer GS 3: 15). Darin liegt deren „Lüge“. „Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, sondern sind es durch und durch“ (Adorno GS 10.1: 339). Das hat weitreichende Folgen für das menschliche Zusammenleben.

2.2.2 Das ubiquitäre Tauschprinzip

In der Einleitung zu seinem 2016 veröffentlichten Roman mit dem Titel „Das Bes - te, was wir tun können, ist nichts“ berichtet Björn Kern, ein moderner Aussteiger, von seinem Lieblingsort, an dem er nichts tut. Es ist eine Bank, die unter einem Birnbaum im Oderbruch steht und die er für „neunzehn Euro neunzig“ gekauft hat. Er schreibt, dass diese Bank nicht nur günstig war, sondern dass man mit der Bank auch Geld verdienen kann (vgl. Kern 2016). Bei dem erstmaligen Lesen dieser Passage kam mir sofort ein Gedanke: „Die Bank wird wohl an Touristen vermie - tet“. Kurz darauf erschrak ich über meinen eigenen Gedanken. Schon am Titel des Buches konnte ich ablesen, dass es in dem Buch nicht darum geht, wie man mit ei - ner Sitzbank Geld verdienen kann.

Am Beispiel dieses Gedanken wurde mir verständlich, was Adorno mit dem alles durchringenden Tauschprinzip meint. Wir erfahren die Welt im Alltag als eine An- einanderreihung von Tauschgeschäften. Wir tauschen Zeit gegen Geld und Geld gegen Waren. Den Preis dieser Güter nehmen wir dabei als deren immanente Ei- genschaft wahr, statt „als Ausdruck der komplexen gesellschaftlichen Verhältnisse, die zu ihrer Produktion führten“ (Schwandt, 2010, p. 101). Bei unserem Kaufver- halten steht meist eine Kosten-Nutzen-Rechnung im Vordergrund. Das Leid der Produzierenden wird höchstens mit einem „Fair Trade“ Siegel bepreist und damit entwertet. Das ubiquitäre Tauschprinzip sprengt alle symbolischen Formen und tra- ditionelle Beziehungsstrukturen und stellt die Subjekte in einen gesellschaftlichen Vermittlungszusammenhang, „dem keine individuelle oder kollektive Besonderung standhält“ (Keupp 1994: 105).

Das Tauschprinzip spiegelt sich auch in unserem Bewusstsein wieder. Dieses „ver- dinglicht“, weil wir mit der Zeit nicht mehr nur Dinge, sondern auch Personen als austauschbar wahrnehmen. Sie werden überwiegend als Funktionsträger wahrge- nommen. Einen Hinweis darauf liefert der Begriff des Networking. Hier geht es darum, zwischenmenschliche Beziehungen ökonomisch zu verwerten.

Aus der Verdinglichung des Bewusstseins resultiert schließlich das Prinzip der Konkurrenz12, welches als Damoklesschwert über allen Beziehungen schwebt. Un- ter meinen ehemaligen Kollegen pflegte man halb im Scherz zu sagen: „Wenn wir dich nicht hätten, hätten wir jemand anders“. Es gilt, wo immer möglich, Konkur- renten für sich zu gewinnen oder sie, wie Steine, beiseite zu schieben, wo das nicht geht. Das Phänomen der Konkurrenz beschreibt Adorno in den Minima Moralia am Beispiel der Liebesbeziehung (vgl. Adorno GS 4: 89), des Berufs (Adorno GS 4: 287 f.) und des Verhältnisses zu den Eltern (Adorno GS 4: 22). Letzten Endes ist es für ihn „das eigentlich bürgerliche Prinzip“ (Adorno GS 4: 28).

2.2.3 Das Misslingen von Kultur

Wir leben in einer Welt, in der immer mehr Bereiche des Lebens vom Tausch- und Konkurrenzprinzip bestimmt werden. Selbst „der Bereich des Privaten insgesamt wird verschlungen von einer rätselhaften Geschäftigkeit, die alle Züge der kom - merziellen trägt [,] ohne daß es eigentlich dabei etwas zu handeln gibt“ (Adorno GS 4: 24). Die Wahrnehmung der Individuen, welche kulturell immer mit Glei- chem konfrontiert werden, das im Schein des Neuen auftritt, wird, wie die Produk - te selbst, standardisiert (vgl. Adorno GS 4: 269 ff.). Das Phänomen der Kulturin- dustrie kennzeichnet für Adorno und Horkheimer einen „vorläufigen Höhepunkt jenes weltgeschichtlichen Prozesses, in dem das auf Naturbeherrschung fixierte Subjekt freundliche Miene zu dem ihm selbst angetanen Hohn machte“ (Wiggers- haus 2015: 408). Wenn Gesellschaft dafür da ist, den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, dann ist mit dem Scheitern der Kultur auch die Gesellschaft geschei- tert. Doch was können wir dagegen tun?

Schließlich hat die Kulturindustrie ein von individuellen Regungen unabhängiges Eigenleben entwickelt. Sie ist nicht um das Wohl der Kunden besorgt, sondern aus- schließlich um Selbsterhalt (vgl. Adorno GS 4: 229 f.). Ihre Produkte kann sie nur liquidieren, wenn sich der Konsument möglichst nicht gegen sie sträubt, weil er sie schon kennt und besitzt, obwohl er sie niemals kennen oder besitzen wollte. Sich ähnelnde Produkte lassen sich leicht in Masse herstellen. „Kultur heute schlägt al- les mit Ähnlichkeit“ (Adorno/Horkheimer GS 3: 141). Für ein Unternehmen be- deuten still stehende Maschinen gleich Verlust, der sich negativ in der Bilanz nie- derschlägt. Es muss möglichst fortwährend produziert werden, unabhängig davon, ob die Produkte benötigt werden oder nicht.

Kultur, welche als einzige noch zum verdinglichten Bewusstsein vordringen kann, trägt selbst weiter zur Verdinglichung des Bewusstseins bei. Die Produkte der Kul- turindustrie werden ersetzbar, genauso wie die Menschen an ihren standardisierten Arbeitsplätzen.

2.3 Zum Begriff der Verdrängung

2.3.1 Versuch einer Definition

Es ist schwierig, systematisch mit Adornos Werk zu arbeiten, da sich sein Denken gegen Definitionen sträubt. Er benutzt den Begriff der Verdrängung allein in den Minima Moralia sechsundzwanzig mal, ohne ihn jedoch ein einziges Mal zu defi- nieren. Der Grund dafür könnte sein, dass Definitionen still stehen, während die Untersuchungsgegenstände des Philosophen immer in Bewegung bleiben (vgl. 1.3.1). Wort und Gegenstand sind niemals identisch und „[d]er bestimmbare Fehler aller Begriffe nötigt, andere herbeizuzitieren; [...]“ (Adorno GS 6: 62). Adorno um- schreibt seine Begriffe daher meist als Prozesse, die in einen Kontext gestellt wer - den. Auch der Begriff der Verdrängung erhält bei Adorno seine Bedeutung immer nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Text oder einer bestimmten Textpas- sage. Bedeutungsträger sind für Adorno nicht einzelne Begriffe, sondern bestimmte „Konstellationen“13 von Begriffen (Adorno GS 6: 62).

Um also zu verstehen, was Adorno meint, wenn er von Verdrängung spricht, stelle ich sein Werk in einen begriffsgeschichtlichen Kontext. Als Ausgangspunkt dafür dient mir die Definition des Verdrängungsbegriffes von Sigmund Freud.

Für dieses Vorgehen sprechen zwei Gründe. Erstens hat Freud den Begriff publik gemacht indem, er das Konzept der Verdrängung zu einem elementaren Bestandteil der psychoanalytischen Theorie erhoben hat14. Zweitens benutzt Adorno den Be- griff selbst meistens in psychoanalytischen Kontexten. Es sind auch bei ihm immer Individuen, die etwas verdrängen, selbst wenn die Gründe dafür ganz andere sind als bei Freud. Und wenn sich Adorno schon eher als Soziologe, denn als Psycholo- ge sieht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als vom „Psychologischen“ zu reden und sich auf konkrete Beispiele zu stützen, weil die wesentlicheren gesellschaftlichen Momente dem Willen und dem Eingriff der Einzelnen weitgehend entrückt sind (vgl. Adorno GS 10.2: 678). Das „große Ganze“ ist zu groß, als dass wir es erfas- sen könnten. Uns bleibt nichts anderes übrig, als von konkreten Beispielen auf ei- nen gesellschaftlichen Zustand zu schließen.

2.3.2 Freuds topologisches Modell

Nach Laplanche und Pontalis, den Autoren des wichtigsten Wörterbuchs der freu - dianischen Psychoanalyse, meint Freud unter Verdrängung im eigentlichen Sinne15 eine Operation,

„wodurch das Subjekt versucht, mit einem Trieb zusammenhängende Vorstellungen (Ge - danken, Bilder, Erinnerungen) in das Unbewußte zurückzustoßen oder dort festzuhalten. Die Verdrängung geschieht in den Fällen, in denen die Befriedigung eines Triebes – der durch sich selbst Lust verschaffen kann – im Hinblick auf andere Forderungen Gefahr läuft, Unlust hervorzurufen“ (Laplanche/Pontalis 1967: 582)

Laplanche und Pontalis betonen insbesondere, dass es mit dem Trieb zusammen - hängende „Vorstellungsrepräsentanzen“ sind, die verdrängt werden und nicht die Triebe selbst (vgl. Laplanche/Pontalis 1967: 586; Freud 1913: 250). Dies gilt es auch bei der Adorno Lektüre zu beachten. Wenn Adorno davon spricht, dass Be- gierden verdrängt werden, so meint er ebenso wie Freud, dass gewisse Vorstellun- gen, die mit diesen Begierden in Verbindung stehen, verdrängt werden und nicht die Begierden selbst.

Um dies zu verstehen ist es sinnvoll, einen kleinen Exkurs in Freuds topologisches Modell der Psyche zu unternehmen16. Freud unterteilt die Psyche in drei Teile. Me- taphorisch spricht er von drei Räumen, in denen psychische Inhalte verortet wer- den. Die drei Räume nennt er Unbewusst, Vorbewusst und Bewusst. Sie sind je - weils durch einen schmalen Korridor miteinander verbunden, was bedeutet, dass Inhalte beim Aufbringen einer gewissen Arbeit von einem in den anderen Raum übergehen können. Der Bewusste Raum macht den kleinsten Teil der Psyche aus. Dort hat nur Platz, was im Moment gedacht wird. Im Vorbewussten finden wir al- les, was wir in einem Augenblick zwar nicht aktiv denken, uns jedoch durch An - strengung ins Bewusstsein holen können. Zum Beispiel findet die Erinnerung an unsere Telefonnummer hier ihren Platz – insofern wir uns diese irgendwann einmal gemerkt haben. Den größten Raum nimmt das Unbewusste ein. Hier befinden sich auch alle Vorstellungen, die bei Bewusstwerdung Unbehagen auslösen. Laut Freud werden die meisten unangenehmen Vorstellungen ins Unbewusste verdrängt, blei- ben aber von dort aus aktiv (vgl. Freud 1900: 513 ff., 1917: 296 ff., Stangl 2019). Der Prozess der Verdrängung kann wiederum bewusst oder unbewusst erfolgen. So kann ich mich zum Beispiel bewusst dafür entscheiden einen bestimmten Ort zu meiden, weil mir dort etwas Schlimmes widerfahren ist. Für diese Arbeit ist aus- schließlich das unbewusste Verdrängen von Interesse. Es ist schwierig, ein Beispiel für eine unbewusste Verdrängung kurz anzureißen, da Psychoanalyse, genau wie kritische Theorie, stark vom jeweiligen Kontext abhängig ist. Vernachlässigt man den Kontext, landet man bei falschen Stereotypen. Man könnte sich zum Beispiel einen Mann vorstellen, der unbewusst homoerotische Neigungen verspürt und des- wegen panische Angst vor Körperkontakt mit Männern hat17.

Wichtig ist, dass die verdrängte Vorstellung im Unbewussten aktiv bleibt und von dort aus auf unser Handeln wirkt. Während bei Freud der Prozess der Verdrängung sich innerhalb der individuellen Psyche abspielt, verortet ihn Adorno als Gesell- schaftskritiker in der Gesellschaft. Verdrängung ist für ihn etwas Objektives, das dem Subjekt widerfährt. In unserem Beispiel wäre zu konstatieren, dass in einer homophoben Gesellschaft ausschließlich homophobe Männer existieren. In das Unbewusste wird nicht der innere Konflikt, sondern das Bewusstsein um den ge - sellschaftlichen Zustand verdrängt (vgl. Adorno GS 4: 51 f.).

2.3.3 Freud durch Adornos Brille gelesen

Um nun zu erfassen, was Adorno im Gegensatz zu Freud unter Verdrängung ver - steht, gehe ich im Folgenden auf Adornos Freud-Rezeption ein.

Am Anfang von Adornos Freud-Lektüre steht die Kritik an der zeitgenössischen Soziologie und Psychoanalyse. Soziologie ist blind für das Individuum und damit für das individuelle Leid. Sie kann nur „konstatieren und nicht analysieren“ (vgl. Keupp 1994: 105).

Hier kommt Freud ins Spiel: Adorno übernimmt von Freud insbesondere sein ana- lytisches Diagnoseverfahren, welches einen Blick aufs individuelle Leid erlaubt. Und auch in seiner Methode orientiert sich Adorno stark an Freud (vgl. 1.3.1). Ge- nau wie Adorno bildet Freud abstrakte Begriffe nur, um seine Erfahrungen zu be- schreiben. Er versucht nicht, seine Patienten nach einem vorher festgelegten Be- griffskorsett zu kategorisieren. Er widersetzt sich wissenschaftlichen Traditionen seiner Zeit und arbeitet (im Gegensatz zu Hegel) antiideologisch. Die Idee, dass man durch wissenschaftlichen Streit zu objektiven Urteilen komme, stamme laut Freud von der griechischen Sophistik und entspringe einer „Überschätzung der Dialektik“ (Freud 1917: 251).

Adorno und Freud sind beide in ihren jeweiligen Gesellschaften mit unnötigem, in- dividuellen Leid konfrontiert und wollen die Ursache dafür herausfinden. Der Un- terschied zwischen der Psychoanalyse und der kritischen Theorie liegt vor allem in der Brennweite, mit der die beiden Theorien Probleme beleuchten.

Freud ist als Arzt vor allem darum bemüht, seine Patienten zu heilen. Die Psycho - analyse ist ihm dabei eine reine Hilfswissenschaft. Sie soll dabei helfen, frühkindli- che und familiäre Konflikte, die für Freud die Ursache für die meisten Leiden sei- ner Patienten sind, zu verstehen. Die Gesellschaft spielt bei Freud für die Entste- hung psychischer Krankheiten eine untergeordnete Rolle. Freud geht es nicht dar - um, gesellschaftlichen Missstände aufzudecken oder gar abzuschaffen, sondern vielmehr darum, seine Patienten mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnis- sen zu versöhnen.

Adorno beschäftigt sich mit anderen Fragen. Familiäre und frühkindliche Konflikte spielen für ihn keine Rolle, denn „die Gesellschaft ist wesentlich die Substanz des Individuums“ (Adorno GS 4: 16). Da das Individuum bis in seine innersten Wün- sche und Regungen durch die Gesellschaft bestimmt ist (Keupp 1994: 104), macht für Adorno eine von der Gesellschaft getrennte Betrachtung der individuellen Psy- che keinen Sinn. So wie die Soziologie laut Adorno blind für individuelles Leid ist, so ist die Psychoanalyse blind für die Erkenntnis, dass das Subjekt gesellschaftlich bedingt ist (vgl. Keupp 1994: 105).

Statt die jeweilige Krankheit Einzelner zu diagnostizieren, analysiert Adorno die Krankheit der gesamten Gesellschaft und konstatiert, dass es in einer kranken Ge- sellschaft keine Gesunden, „kein richtiges Leben im falschen“ geben kann (Adorno GS 4: 43). Freuds Versuch einer individuellen Heilung mündet in der Bejahung der krankmachenden gesellschaftlichen Verhältnisse, da „die zeitgemäße Krankheit ge- rade im Normalen besteht“ (Adorno GS 4: 65). Passt man den Kranken an kranke Zustände an, so bleibt er krank. Der „Krankheit des Normalen“ steht nicht ohne Weiteres der „Gesundheit des Kranken gegenüber“ (Adorno GS 4: 67).

Adornos Fokus liegt also auf der Gesellschaft, die als ganze krank ist. Die Ursache für die Krankheit der Gesellschaft verorten Adorno und Horkheimer in der geschei- terten Aufklärung und der damit einhergehenden Mythologisierung der quantifizie- renden Methode (vgl. 2.1.2). Die Krankheit aller Individuen ist bloße Folge dieser Krankheit. Das Individuum isoliert zu behandeln würde bedeuten, dass man das Symptom behandelt, ohne sich über dessen Ursache im Klaren zu sein. Im Gegen - satz zu Freud ist laut Adorno das „richtige Leben“ nicht durch Anpassung an das Bestehende zu erreichen, sondern durch radikale Kritik und Emanzipation von al - lem Falschen.

Adornos Verhältnis zur Psychoanalyse ist folglich gespalten, deswegen übernimmt er einige von Freuds Begriffen und verwendet sie in einem anderen Zusammen- hang. So verfährt er auch mit dem Begriff der Verdrängung.

Adorno würde Freud wohl zustimmen, dass sich der Prozess der Verdrängung in der individuellen Psyche abspielt, jedoch interessiert sich Adorno überwiegend für die Gründe und Folgen des allgemeinen Verdrängens und die sind sozialer Art. Un - ter diesem Blickwinkel muss das Phänomen der Verdrängung als ein Prozess ver- standen werden, bei dem sich individuelle Psyche und Gesellschaft gegenseitig bedingen und beeinflussen. Wir verdrängen aus gesellschaftlichen Gründen, die selbst Folge bereits erfolgter Verdrängung sind.

3 Ob wir verdrängen?

Im Bezug auf die Konzepte der Kulturindustrie und der Verdrängung besteht die Aufgabe darin, eine Begriffskonstellation zu schaffen, die ein gesellschaftliches Phänomen verständlich macht, das sich ausschließlich auf individueller Ebene ab- spielt. Eben aus diesem Grund schildert Adorno in den Minima Moralia überwie- gend persönliche Erfahrungen und wird gleichzeitig nicht müde, den „Verblen- dungszusammenhang“ zu betonen, in den jeder Bürger verstrickt ist (vgl. Adorno GS 4: 107). Diese mikrologischen Erkenntnisse Adornos sollen uns im Folgenden als Wegweiser dienen. Sie sollen zur Assoziation und Konfrontation mit der eige - nen Wahrnehmung anregen.

Im Weiteren möchte ich zunächst versuchen, das Phänomen der Verdrängung an- hand eines konkreten Beispiels aus der eigenen Anschauung zu beschreiben. Es geht darum, zu zeigen, wie wir im Alltag mit der Kulturindustrie konfrontiert wer - den und welche Auswirkungen dieser Kontakt auf unsere individuelle Lebensfüh- rung hat. Danach möchte ich den Blick weiten und die Frage beantworten, welche Rolle die Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen spielt. Das vorangehende Beispiel soll dabei als Hilfsmittel dienen. Es soll verhindern, dass das moralische Problem im Laufe der Betrachtung zu einem abstrakten, theo - retischen wird.

3.1 Max und die "Rügenwalder Mühle"

Besonders deutlich lässt sich das Phänomen der Verdrängung am Beispiel einer Werbesendung veranschaulichen. In diesem konkreten Fall möchte ich die Fern- sehwerbungen des fleisch- und fleischersatzproduktproduzierenden Unternehmens "Rügenwalder Mühle" Carl Müller GmbH Co. KG (kurz: "Rügenwalder Müh- le") analysieren18.

Dabei muss ich ausdrücklich betonen, dass es hier nicht auf die Wahl des Beispiels ankommt. Da in der Kulturindustrie jedes Fernsehspiel dem Film ähnelt und beide, wo man auch hinschaut, von Werbung durchdrungen sind, ist es fast gleichgültig, „wo man sie anpackt“ (vgl. Adorno GS 10.2: 519). Die verschiedenen Produkte sind alle Ausdruck des gleichen Systems und gleichen sich deshalb auch inhaltlich. Sie unterscheiden sich nur der Form nach. Die Werbung der "Rügenwalder Mühle" habe ich deswegen als Beispiel ausgewählt, weil sie sich seit mindestens zwanzig Jahren nicht merklich verändert hat und weil von ihr eine solch subversive Kraft ausgeht, dass sie zu einer meiner frühesten Kindheitserinnerungen geworden ist.

Die ausgewählte Werbung erzählt die Geschichte eines glücklichen Familienfestes (vgl. Youtube 2017). Eine oder mehrere Familien sitzen an einer großen und reich gedeckten Tafel im Grünen. In der ersten Szene reicht man sich eine Holzplatte mit Tomaten und Mozzarella, Blumen stehen auf dem Tisch, alle scheinen sich zu amü- sieren. Doch „richtig lecker wird es“ erst, wenn die „Pommersche“ (Leberwurst) auf den Tisch kommt. Es folgt eine Aufzählung der verschiedenen Varianten der Leberwurst: klassisch, bio und vegetarisch. Die letzte Szene zeigt einen alten Mann, der zusammen mit einem kleinen Mädchen (das wahrscheinlich seine Nich- te spielt) zufrieden in ein Stück Brot beißt, welches dick mit Leberwurst bestrichen ist. Das bunte Treiben spielt sich tagsüber und im Freien vor einer 2012 eigens zu Werbezwecken errichteten Windmühle ab (vgl. Website: Rügenwalder Mühle 2019).

Versuchen wir uns nun vorzustellen, wie ein typischer Konsument einer fertig ab - gepackten Wurst aussehen könnte. Nennen wir ihn Max19. Nach einem anstrengen- den Tag in einem Berliner Büro steigt Max hinab in die U-Bahn und fährt etwa vierzig Minuten bis zu seinem Kiez. Mittags isst Max immer in einer Kantine. Im Supermarkt kauft er neben Milch und Müsli, für sein Frühstück am nächsten Tag, noch eine abgepackte vegetarische Wurst, die er mit dem Brot vom Vortag zum Abendbrot essen kann. Er wohnt alleine20 in einem beengten Appartement, das ge- rade genug Platz für standardisierte Möbel bietet. Zum aufwendigen Kochen hat er nach den Strapazen des Alltags weder Muße noch Kraft. Zu Hause angekommen schmiert Max etwas Butter auf das bereits hart werdende Brot vom Vortag, legt ein paar Scheiben Veggie-Wurst von der "Rügenwalder Mühle" darauf und schaltet den Fernseher ein. Dort betrachtet er in den Werbepausen glücklich wirkende Men- schen, die allesamt die gleiche Wurst essen wie er – die vegetarische von der „Rü- genwalder Mühle“. Die Aussagekraft dieser Situation liegt in ihrer banalen Norma- lität.

Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die beiden Szenerien, Werbung und Re- alität, kontrastreicher kaum sein könnten. Hier glückliche Großfamilie im Freien, spielende Kinder, frische Lebensmittel, die aufwendig zubereitet wurden; dort sitzt der womöglich nicht ganz so glückliche Max alleine in seinem beengten Apparte- ment, mit einer Wurst, die mindestens noch ein paar Monate haltbar ist und deren Zubereitung auf das Auspacken beschränkt ist. Die Werbung zeigt Max genau das Gegenteil von dem, was er objektiv bekommt.

Max ist dabei nicht alleine. Im doppelten Sinn. Er hat eine Familie im Schwarz- wald und eine Freundin, die in einem beengten Appartement am anderen Ende der Stadt wohnt. Und all diese Menschen, ja überhaupt alle Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Produkten der Kulturindustrie haben, verdrängen mit deren Hilfe. Fragt man sie, welche Prioritäten sie im Leben setzen, dann stehen an erster Stelle Gesundheit, eine glückliche Partnerschaft und Familie. Erfolg im Beruf steht in der Prioritätenliste dabei ganz weit unten (Statista 2017c). Trotzdem ist es für die All- gemeinheit selbstverständlich, wegen eines Jobs in eine für sie unbekannte Stadt zu ziehen. Weg von ihren Partnern, Verwandten und Freunden.

Max ist Montag bis Freitag neun Stunden auf einer Arbeit, die ihm selten Freude bereitet. Im Endeffekt verbringt er damit die meiste Zeit seines Lebens damit, zu tauschen. Zeit gegen Geld und Geld gegen Güter. Sein Bewusstsein ist am Tausch- prinzip gebildet, verdinglicht. Deswegen bleibt ihm für Kunst und Kultur keine Zeit, höchstens ein Budget. Wenn sich die Menschen am Wochenende in die Oper schleppen, kommt mir die ganze Unternehmung wie eine Mischung aus Opferzere- monie und Schaulauf vor. Man opfert einen Teil seines vorher ertauschten Vermö- gens für Eintrittskarten und schöne Kleider und hofft als Gegenwert auf etwas sozi- ale Anerkennung. Doch wahre Anerkennung ist eine soziale Kategorie, die sich auf wahre Beziehung stützt, welche wiederum erfahren; und nicht ertauscht werden kann. Um jemanden anzuerkennen, muss man diesen erst einmal kennenlernen; ein zeitintensiver Prozess, für den im Alltag immer weniger Zeit übrig bleibt. Der Be- reich des Privaten wird „verschlungen von einer rätselhaften Geschäftigkeit, die alle Züge der kommerziellen trägt [,] ohne daß es eigentlich dabei etwas zu han- deln gibt.“ (Adorno GS 4: 24).

Statt draußen joggen zu gehen, läuft Max auf einem Laufband im Fitnessstudio. Seinen Einkauf erledigt er nicht an der frischen Luft auf einem Wochenmarkt, son- dern täglich in einem überdachten „Non-Stop-Supermarkt“21. Statt zu seiner Arbeit zu spazieren, fährt Max U-Bahn. Bei all diesen Tätigkeiten ist er meist umgeben von ihm völlig fremden Menschen. Da ist es verständlich, dass Max ein Bedürfnis nach Natur, frischer Luft und sozialem Kontakt mit ihm bekannten Menschen ent - wickelt. Das weiß auch jede finanziell erfolgreiche Marketingagentur.

Im Endeffekt sitzt Max also alleine vor seinem Fernseher und isst eine Wurst, die ihm womöglich nicht einmal sonderlich schmeckt, obwohl er eigentlich viel lieber bei seiner Familie oder seiner Freundin wäre, ohne sich all dessen bewusst zu sein.

Die Kulturindustrie liefert Max dabei nicht nur die Mittel zur Verdrängung seiner Bedürfnisse, sondern verhindert gleichzeitig, durch die Bereitstellung von „Schein- befriedigungen“, dass er das allgemeine und das davon unablösbare, eigene Un- glück erkennt. Der Wursthersteller hat dabei nicht einmal böse Gedanken. Er ist „nur“ am eigenen Umsatz und Selbsterhalt interessiert. Denn „es gehört zum Me- chanismus der Herrschaft, die Erkenntnis des Leidens, das sie produziert, zu ver - bieten [...]“ (vgl. Adorno GS 4: 70).

Wenn wir uns gemäß Adorno den besseren Zustand vorstellen als den, „in dem man ohne Angst verschieden sein kann“ (Adorno GS 4: 116), so könnte man zu- sammenfassend sagen, dass Max mit den Mitteln der Kulturindustrie neben seinen wahren Bedürfnissen und seinem Unbehagen auch seine Individualität verdrängt. Das Motto der Kulturindustrie, „Ähnlichkeit und Wiederholung“, äußert sich in all ihren Erscheinungsformen. Die „Rügenwalder Mühle“ hat über fünfzig Produkte im Sortiment. Der stereotype Kunde hat die Schein-Wahl zwischen Schinken-Spi- cker, Schinken-Spicker-Bio oder Veganer-Schinken-Spicker. Was nicht zur Option steht, ist ein fröhliches Familienfest im Freien. Wer dazugehören will, macht mit und bleibt damit außen vor.

Was nun passieren würde, wenn Max nun am Ende seines Abends die Wurst weg - legt, den Fernseher ausschaltet und zum Telefonhörer greift, um seine Eltern anzu- rufen und sie zu fragen, ob er kommendes Wochenende ein Grillfest in ihrem Gar - ten veranstalten darf, bleibt offen. „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ (Ad- orno GS 4: 43).

3.2 Verdrängung im gesellschaftlichen Kontext

Versuchen wir nun das obige Beispiel auf die gesellschaftliche Dimension zu wei - ten. Relativ einfach ist die Frage nach dem Subjekt der Verdrängung zu beantwor - ten. Wir alle verdrängen. Adorno, ich, der Autor und Sie, der Leser. Wenn die Ge- sellschaft die Substanz des Individuums ist, kann man davon ausgehen, dass es kei- nen neutralen Beobachter der Lage gibt (vgl. Adorno GS 4: 16 f.). Niemand ist ge- gen die Verlockungen der Kulturindustrie immun.„Der Distanzierte bleibt so ver- strickt wie der Betriebsame; vor diesem hat er nichts voraus als die Einsicht in sei - ne Verstricktheit [...]“ (Adorno GS 4: 28).

Obwohl es in der Anschauung immer individuelle Subjekte sind, welche die Ver- drängungsarbeit leisten, kann es sinnvoll sein, von so etwas wie einem kollektiven Verdrängen zu sprechen, möchte man die Emergenz des Phänomens begreifen. Das kollektive Verdrängen ist so verbreitet, eingefahren und verfestigt, dass es den han- delnden Subjekten als ein Naturgesetz erscheint. Sie werden damit letzten Endes zu ohnmächtigen Beobachtern ihres eigenen Lebens. Der Grund für die empfundene Ohnmacht könnte darin liegen, dass der psychische Organismus ebenso wie der Körper auf eine bestimmte Größenordnung der Erfahrung gemünzt ist (vgl. Adorno GS 4: 204). Die Größenordnung der Leid erzeugenden Phänomene ist zu groß, als dass man sie begreifen könnte. Der gesunde Zweifel am falschen Leben wird zur krankhaften Abweichung von der alternativlosen Norm, die selbst „die Flucht in die Krankheit“ verbietet (Adorno GS 4: 65 f.).

Wer nicht raucht, trinkt, in den Urlaub fliegt, in das Kino geht oder vegetarische Wurst kauft, also in irgendeiner Form konsumiert, läuft Gefahr, aus einem sozialen Gefüge herauszufallen. Das führt unter anderem zu Situationen kollektiver Verein- zelung, wie man sie von großen Fußballevents her kennt. Die vermeintlichen tough guys rotten sich zu grölenden Herden zusammen, um gemeinsam ihren emotiona- len Schmerz herauszuschreien. Je einsamer einer ist, umso mehr fühlt sich dieser zu Taten gezwungen, die ihn noch weiter in die Vereinsamung treiben. Diese Events sind wiederum Produkte der Kulturindustrie. Das Schema ist immer das gleiche. Die Kulturindustrie produziert, der Konsument konsumiert. Die Begriffe Konsum und Verdrängung sind in diesem Kontext austauschbar.

Was ist aber schlecht daran, dass sich Menschen an Konsumgütern erfreuen, die durch Reklame fetischisiert werden? Hat Kulturindustrie nicht auch ein erlösendes Moment, gestattet sie nicht, für kurze Zeit „abzuschalten“, das alltägliche Leid zu vergessen? Jein, denn statt unmittelbar wahre Bedürfnisse zu befriedigen, befriedi- gen die Kulturgüter, Werbung und Produkt überwiegend künstliche Bedürfnisse. Diese sind dabei recht einfach zu identifizieren. Erstens lassen sie sich besonders gut durch den Konsum von Produkten und Dienstleistungen stillen. Zweitens erkennt man sie an dem Umfang an Werbung, der für deren Vermarktung nötig ist. Was wir Menschen wahrhaft brauchen, verkauft sich von selbst, alles andere muss aufwendig beworben werden. Jeder kennt die Marke „Ritter Sport“, während kaum jemand weiß, von wem seine Kartoffeln stammen.

Die Frage nach den „wahren Bedürfnissen“ ist schwieriger. Adorno will dem Leser keine Liste mit „wahren Bedrüfnissen“ präsentieren. Dies wäre seiner Ansicht nach ein weiterer Schritt in eine falsche Ideologie. Zudem wird laut Adorno neben den „wahren Bedürfnissen“ (Begierden) auch deren Erkenntnis, zumindest teilweise, verdrängt (vgl. Adorno GS 4: 65). Andererseits müssten, „um die neuen revolutio- nären [wahren] Bedürfnisse zu entwickeln, erst einmal die Mechanismen abge- schafft werden, die die alten [falschen] Bedürfnisse reproduzieren“ (Marcuse 1980: 38).

Suchen wir weiter nach gesellschaftlichen Gründen für das individuelle Verdrän- gen, so landen wir mit den kritischen Theoretikern bei der Dialektik der Aufklä- rung (vgl. 2.1.2). Wir verdrängen, weil im Laufe der Aufklärung alte Herrschafts - mechanismen immer durch neue ersetzt wurden (vgl. 2.1.2), weil aus Herrschaft immer neues Leid entsprang, dass es zu verdrängen galt (vgl. Adorno/Horkheimer GS 3: 58) und weil wir schon immer verdrängt haben und niemals damit aufhörten. Verdrängt wird, meiner Ansicht nach, ein Unbehagen, das mit dem stillen Wissen über die Unnötigkeit des allgemeinen Leids zusammenhängt.

Die Folge des allgemeinen Verdrängens ist wiederum individuelles Unbehagen. Dieses greift die Kulturindustrie auf und verwertet es in der Fortsetzung des nächs- ten Blockbusters. Die Gründe für das allgemeine Verdrängen sind also gleichzeitig auch dessen Folgen. Wir befinden uns in einem circulus vitiosus und wir kommen aus ihm nicht heraus.

3.3 Reklame und Kulturindustrie

Film, Radio (vgl. 2.2.1) und Printmedien, bilden zusammen mit den digitalen Me- dien, heute mehr als jemals zuvor, ein lückenloses System der Kulturindustrie. Da- bei wird das eigentliche Ziel der Kulturindustrie nirgends so unverstellt präsentiert, wie in der Reklame. Sie ist das unverfälschte Ausdrucksmittel der Kulturindustrie. Dabei verschmilzt Werbung zunehmend mit den genannten Sparten der Kulturin- dustrie und verbindet sie untereinander (vgl. Adorno/Horkheimer GS 3: 187). Heu- te werden in Filmen der James Bond Reihe nicht nur stereotype Geschlechterrollen verkauft (vgl. Adorno GS 4: 51), sondern dazu noch teure Autos, Zigarren, Spiritu- osen oder Lederjacken beworben. Statt die Falschheit der Rolle zu durchschauen, schaut der Zuschauer die Fortsetzung der Reihe und eifert im Anschluss dem Film- helden nach, indem er sich die Lederjacke des Filmhelden zulegt.

Durch die globale Verbreitung des modernen Kapitalismus droht zudem der Unter - schied zwischen Waren und Kunstwerk zu verschwinden, sich zugunsten der Erste- ren aufzulösen. Denn Kunstgegenstände werden heute auf den gleichen Kanälen beworben wie Produkte.

Dabei scheint es, als würde die Werbung dem Konsumenten genau das Gegenteil von dem zeigen, was er bekommt (vgl. Beispiel aus 3.1), als ließen sich kulturin- dustrielle Produkte umso besser vermarkten, je weiter die mit ihnen verknüpften Vorstellungen von der Lebenswirklichkeit der Konsumenten entfernt sind. Über- haupt scheint mir dieses „Verknüpfen“ die Hauptfunktion der Reklame zu sein. Sie funktioniert als Mittler zwischen Individuum und Kulturindustrie. Das kulturindus- trielle Gut wird von vornherein im Spannungsverhältnis zwischen unvermitteltem Gut und durch Tausch vermittelter Ware präsentiert. Dieses Spannungsverhältnis wird so weit überdehnt, dass es dem Konsumenten als unauflösbar erscheint. Die Reklame bedient sich psychologischer Tricks22 ; funktioniert als „umgekehrte Psy- choanalyse“ (Adorno GS 10.2: 528 ff.).

Während die Psychoanalyse dem Individuum etwas von seiner Autonomie zurück- geben möchte, ist Reklame rein affirmativ. Durch die Reproduktion des Immerglei- chen regelt sie „das Verhältnis zum Vergangenen“ (Adorno/Horkheimer GS 3: 156).

Reklame bedient sich eines Prozesses, den man in Anlehnung an die Psychoanaly - se als Verschiebung bezeichnen könnte. Mit wahren Bedürfnissen zusammenhän- gende Vorstellungen werden an Produkte geknüpft, die zur Erfüllung der primären Bedürfnisse gänzlich ungeeignet sind. Die Wurstwerbung vermittelt eine Vorstel- lung von Natur, Freiheit und Weite und verknüpft diese mit der dazugehörigen Wurst. Warenbedürfnisse werden zu Surrogaten wahrer Bedürfnisse.

3.4 Fazit

Es bleibt die Antwort auf die ursprüngliche Frage, nach der Rolle der Kulturindus- trie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen, zu finden.

Den Begriff „Verdrängungsmechanismus“ habe ich aus zwei Gründen in den Titel der Arbeit übernommen. Obwohl bisher meist von „Verdrängung“ die Rede war, so sollte doch deutlich geworden sein, dass der Begriff dialektisch verstanden werden muss, also eher als ein dauernder Verdrängungsprozess, denn als ein zeitlich be- grenztes, psychisches Phänomen. Verdrängendes Subjekt und die Kulturindustrie beeinflussen sich gegenseitig. Die Kulturindustrie verdrängt dabei nichts selbst, sondern produziert eben nur Produkte – die Mittel der Verdrängung – welche me - chanisch konsumiert werden. Die Kulturindustrie setzt demnach im Individuum Verdrängungsprozesse in Bewegung. Sie spielt in unserer Gesellschaft die Rolle des Produzenten von Verdrängungsmechanismen. Dabei dient ihr die Reklame als Verbindungsglied zwischen Konsument und Kulturindustrie. Diese Sachverhalte lassen sich an zahlreichen Beispielen belegen, einige davon habe ich in dieser Ar - beit vorgebracht.

Nun reicht es aus Sicht der kritischen Theorie nicht, einen Sachverhalt zu analysie- ren. Dies ist die Aufgabe der traditionellen und affirmativen Theorie. Kritische Theorie ist wertend und ich behaupte, dass uns die Kulturindustrie schadet, indem Sie uns ihre zahlreichen Verdrängungsmechanismen bereitstellt.

Ihr Tonfall ist, „der der Hexe, die den Kleinen, die sie verzaubern oder fressen will, die Speise verabreicht mit dem schauerlichen Murmeln: »Gut Süppchen, schmeckt das Süppchen? Wohl soll dir's bekommen, wohl bekommen«“ (Adorno GS 4: 229).

Im Bezug auf die von uns geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse sind wir zu Kindern geworden, wir sind ihnen hilflos ausgeliefert. Je mehr wir unsere wahren Bedürfnisse mit Hilfe der kulturindustriellen Produkte verdrängen, desto stärker wird unser Bedürfnis nach wahrer Befriedigung. Dieses wahre Bedürfnis wird wie- derum von der Kulturindustrie aufgenommen, verschoben und verwertet. Sie spielt die Rolle einer Verführerin, die zum Zwecke des Selbsterhaltes jeden Einzelnen in den ewigen Abgrund der Verdrängung reist.

Das Falsche an der Kulturindustrie ist nicht, dass sie Befriedigung verschafft, son- dern, dass der Konsument etwas anderes kriegt, als er will, ohne sich dessen jemals bewusst zu werden. Es geht also nicht darum, Kulturindustrie an sich zu kritisieren, sondern, sich deren „Falschheit“ bewusst zu werden.

Ein solches Bewusstsein könnte vielleicht den äußeren Zwang zur Verdrängung schmälern, welcher bisweilen so groß ist, dass er einem naturkausal vorkommt. „Wie, du hast kein Whatsapp?“. Dem omnipräsenten Angebot an Verdrängungsmit- teln zu entsagen, erscheint ebenso sinnlos, wie eine Klage über die Schwerkraft.

4 Konsequenzen

4.1 Die Folgen permanenter Verdrängung

Es gilt abschließend zu fragen, welche Folgen die permanente, durch die Kulturin- dustrie induzierte Verdrängung hat und welche Konsequenzen man daraus ziehen kann.

Auf individueller Ebene verhindert der ununterbrochene Betrieb der Kulturindus- trie, dass wir unser Leben vernünftig bestimmen können (vgl. 1.1). Wir reagieren auf kulturindustrielle Produkte nach dem Schema von Reiz und Reaktion – dabei wäre Autonomie wünschenswert, im Sinne einer Vermittlung zwischen wahren Be- dürfnissen und zwanghafter Realität. Wer permanent die Produkte der Kulturindus- trie konsumiert, ist nicht in der Lage, die eigene oder die gesellschaftliche Situati- on zu hinterfragen. Alles Äußere tritt als naturkausal in Erscheinung. Der Weg zu den wahren Bedürfnissen ist versperrt.

Auf gesellschaftlicher Ebene trägt dies zum Erhalt der Bedingungen bei, die immer wieder in den Faschismus führen können (vgl. 2.1.2.). „Barbarei besteht fort, so- lange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. Das ist das ganze Grauen. Der gesellschaftliche Druck lastet weiter, trotz aller Unsichtbar- keit der Not heute“ (Adorno GS 10.2: 674). Unbewusst spüren die Menschen, dass irgendetwas „nicht stimmt“. Die gesamtgesellschaftliche Situation gleicht einem schlafenden Vulkan. Man mag sich nicht vorstellen, wie ein erneuter Ausbruch aussehen würde.

In dem Aphorismus mit dem Titel „Unmaß für Unmaß“ versucht Adorno eine Er - klärung für den letzten großen „Ausbruch“, den Zweiten Weltkrieg, zu geben (Ad- orno GS 4: 117 ff.). Können wahre Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt werden, „ [b]leibt kein Ausweg, so wird dem Vernichtungsdrang vollends gleichgültig, worin er nie ganz fest unterschied: ob er gegen andere sich richtet oder gegens ei- gene Subjekt“ (Adorno GS 4: 118). Da den Deutschen, in ihrer wirtschaftlich ver- zweifelten Lage, die Möglichkeit zur Verdrängung durch wirtschaftliches Wachs- tum fehlte, diente ihnen der Krieg als letzte und stärkste Verdrängungsstrategie. Statt sich dem wahnsinnigen Konflikt zu stellen, der sich durch den globalisierten Kapitalismus und durch das ubiquitäre Konkurrenzprinzip zuspitzte, wurde bis zum bitteren Ende verdrängt. Die Täter haben dabei nicht einmal aus Lust gemor- det und gefoltert, sondern weil sie des Leides leid waren. Die Gräuel waren mehr „entfremdete Schreckmaßnahmen als spontane Befriedigungen“ (Adorno GS 4: 117).

Die Symptomhandlung selbst scheint dabei etwas Gleichgültiges zu sein. Man kann weder genau voraussagen, wann der Vulkan ausbricht, noch in welche Rich- tung die todbringende Lava geschleudert wird. Ob die Opfer nun Juden, Homose- xuelle oder Asylsuchende sind, ist den Tätern egal. Sie werden am Ende, zusam- men mit allen Anderen, selbst zu ihren eigenen Opfern. Die eigentliche Krankheit liegt im Normalen (vgl. 2.3.3). Der Fremdenhass ist nur ein Symptom, der aus dem allgemeinen Leidensdruck entsteht. Im Falle des zwanghaften Händewaschens lei- det der Wahnsinnige, in der wahnsinnigen Gesellschaft leidet dagegen Jeder. Der totale Krieg endet mit der Vernichtung Aller durch Alle.

4.2 Fragen über Fragen

4.2.1 Sokratische Aporie

Die Kulturindustrie produziert also Verdrängungsmechanismen. Sie verführt uns zum Konsum und das hat äußerst schädliche Auswirkungen. Aber wie kann man all dem entkommen? Adorno wurde immer vorgeworfen, dass er bei aller Kritik nie- mals einen utopischen Gegenentwurf zur falschen Gesellschaft liefert. Nur das Gröbste scheint ihm klar. „[Daß] keiner mehr hungern soll“ und das „man ohne Angst verschieden sein kann“ (Adorno GS 4: 178 und 116). Der Grund für seine Ideologiefeindlichkeit ist bekannt (vgl. Klein/Kreuzer 2011: 14 ff.). Adorno hat in seinem Leben zu viele schlechte Erfahrungen mit ideologischen Heilsversprechen gemacht. Eingepfercht zwischen dem sowjetischen Kommunismus auf der einen und dem euro-amerikanischen Faschismus auf der anderen Seite, kommt Adorno zu dem Schluss, dass jede Ideologie Rechtfertigung problematischer gesellschaftli- cher Zustände ist (vgl. Adorno GS 8: 464 ff., GS 20.1: 406).

„Die fast unlösbare Aufgabe besteht [für Adorno] darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen“ (Adorno GS 4: 63). Das Falsche zu erkennen und es selbst richtig zu machen, sind zwei paar Schuhe. Statt in blinden Aktionismus zu verfallen, gilt es Ruhe zu bewahren und „im ungemilderten Bewußtsein der Negativität“ die Möglichkeit des besseren Zu- standes festzuhalten (Adorno GS 4: 26). Man kann keine Fernsehsender oder Filme zensieren, denn es gäbe niemanden, der als Zensor qualifiziert wäre (vgl. 2.3.3). Das bedeutet aber auch, dass man sich nicht an jedem „Schundfilm“ erfreuen darf, um aus jedem Kinobesuch dümmer und schlechter herauszukommen (vgl. Adorno GS 4: 69, 27). Wer Adorno in seinen Argumentationen folgt, landet meist bei der Aporie, einem Zustand ohnmächtiger Macht. Wie Sokrates klärt Adorno auf, indem er jeden, der sich mit seinem Werk auseinandersetzt, dazu zwingt, seine eigenen Ideologien zu hinterfragen. Die sokratische Aporie ist für jeden Einzelnen die Bedingung dafür, dass er sich die Frage nach dem Guten Leben überhaupt stellen kann.

4.2.2 Theorie und Praxis, Philosophie und Kunst

Es scheint, als würde man bei allen Widersprüchlichkeiten des praktischen Lebens in eine Pattsituation geraten. Man darf weder in einen Kulturelitarismus verfallen und glauben, man würde die bestehenden Zustände transzendieren, noch fröhlich mit den Mitteln der Kulturindustrie verdrängen, dass diese Zustände unhaltbar ge- worden sind, ja womöglich schon immer unhaltbar waren. Für Adorno liefern Phi- losophie und Kunst einen bedingten Ausweg aus dieser Pattsituation. Sie spenden den Hoffnungslosen Hoffnung.

Zum Einen gilt es, Philosophie als Theorie zu stärken. Die Lektüre von Adornos Texten ist dafür ein guter Anfang. Begreift man Verdrängung als einen Prozess, in dem Kulturindustrie und Individuum sich gegenseitig beeinflussen, entsteht die Hoffnung auf einen besseren Zustand als den Gegenwärtigen. Man erkennt, dass Kultur das ist, was wir daraus machen. Jeder kann bisweilen entscheiden, ob er ein „richtiges“ Buch liest oder ein weiteres kauft. Kritische Theorie wendet sich an alle Hoffnungslosen und Hoffnungsvollen: „es muss nicht so sein, die Menschen kön- nen das Sein ändern, die Umstände dafür sind jetzt vorhanden“ (Horkheimer 1936: 201).

Zum Anderen, gilt es sich für Kunst und Kultur stark zu machen, damit diese ihre emanzipative Funktion erfüllen können. Kunstwerke haben die Kraft, kleine Licht- blicke in das verfestigte gesellschaftliche Gefüge zu reißen und damit ebenso wie Philosophie „Leiden beredt werden zu lassen“ (Adorno GS 6: 29).

Laut Kurt Lenk wird Kunst damit „zu einer Art Kontrapunkt […] der alles beherr- schenden Kultur- und Vergnügungsindustrie, die gleichermaßen nur den bestehen- den gesellschaftlichen Zustand durch dessen Verdopplung verewigt“. Dort wo sie „exakte Phantasie ins Spiel bringt“ lässt sie noch etwas „von der Utopie einer bes - seren Welt ahnen“ (Lenk 1995: 141). Kunst ist ein „Gegengift“ (Adorno GS 4: 87), das gegen die zeitgenössische Krankheit helfen kann (vgl. 1.1). Dabei darf man aber nicht vergessen, dass alles, was zu dem dialektischen Verständnis von Kultur- industrie gesagt wurde (vgl. 2.2.1), auch für die Kunst gilt. Kunst entstammt der Kulturindustrie und hatte schon immer Warencharakter. Auch Kunstwerke sind „Produkte gesellschaftlicher Arbeit“, also Waren (Adorno GS 7: 337). Von Waren unterscheiden sie sich nur graduell dadurch, wie leicht sie sich eintauschen lassen, wie leicht sich mit ihnen Geld verdienen lässt.

Aus diesem Grund darf man nicht versuchen, Kulturindustrie abzuschaffen, denn man würde damit auch jegliche Kultur zum Tode verurteilen und sich damit der letzten Hoffnung auf Erlösung berauben. Kunst ist eine „heilsame Krankheit“; das eigentlich ungesunde Gegengift, welches jedoch einzig zur Heilung verhelfen kann.

Dem kritischen Leser bleibt nichts anderes übrig, als die eigene Wachsamkeit zu schulen, indem er sich der Denkanstrengung unterzieht und die Verhältnisse der ei- genen Lebenswelt reflektiert. Das geht auch im „Falschen“ Leben. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man das nächste Mal ein unnötiges Produkt kauft oder sich im Kino für einen degoutant dummen Film entscheidet.

Womöglich lassen sich die Bedingungen für einen Rückfall in die Barbarei so nicht abschaffen, aber immerhin kann man versuchen, keine allzu großen Scheite ins Feuer zu tragen.

4.3 Abschließende Betrachtung

Das sind finstere Aussichten. Die Lektüre von Adornos Texten ist selten befriedi- gend, oft verstörend. Deswegen möchte ich, genau wie Michael Schwandt es in seiner Einführung in die Kritische Theorie tut (vgl. Schwandt 2010: 240), mit ei- nem Aphorismus von Friedemann Grenz abschließen, denn ein besseres Fazit zu Adornos Philosophie kann auch ich nicht geben:

„lesend in einer kneipe sitzen; ein bier getrunken haben; von der freundlichen frage des wirts, ob man noch ein viertel möchte, zum bewußtsein weiteren dursts gebracht werden; der fürsorge des wirts freundliche dankbarkeit entgegenbringen; dann erkennen, daß der mann die akkumulationstendenz seines eigenen kapitals formulierte; daß er seine frage selber für anteilnahme hielt; daß man diese für menschliche wärme gehalten hat; daß man dem fetischcharakter wieder einmal aufgesessen ist; wahrnehmen, daß die erkennt- nis der objektiven gründe seiner freundlichkeit die eigene einstellung gegen den wirt nicht verändert; nicht verändern darf; erkennen, daß auch dies noch dazugehört; die phi- losophie adornos vergessen dürfen" (Grenz 1974: 8).

Es gibt sie doch, die glücklichen Momente.

5 Literaturverzeichnis

5.1 Primärliteratur

Adorno, Theodor W./ Horkheimer, Max (GS 3, 1977): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Gesamte Werkausgabe, Bd. 3. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 4, 1977): Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Gesamte Werkausgabe, Bd. 4. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 6, 1977): Negative Dialektik, Gesamte Werkausgabe, Bd. 6. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 7, 1977): Ästhetische Theorie, Gesamte Werkausgabe, Bd. 7. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 8, 1977): Soziologische Schriften I, Gesamte Werkausgabe, Bd. 8. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 10.1, 1977): Kulturkritik und Gesellschaft I, Gesamte Werkausgabe, Bd. 10.1. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 10.2, 1977): Kulturkritik und Gesellschaft II, Gesamte Werkausgabe, Bd. 10.2. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (GS 20.1, 1977): Vermischte Schriften I, Gesamte Werkausgabe, Bd. 20.1. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, Theodor W. (1958): Einführung in die Dialektik, Nachgelassene Schriften, Bd. 2. Berlin: Suhrkamp. 2010.

Adorno, Theodor W. (1963): Probleme der Moralphilosophie, Nachgelassene Schriften, Bd. 10. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1996.

Adorno, Theodor W. (1965a): Metaphysik: Begriff und Probleme, Nachgelassene Schriften, Bd. 14. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1996.

Adorno, Theodor W. (1965b): Vorlesung über Negative Dialektik: Fragmente zur Vorlesung, Nachgelassene Schriften, Bd. 16. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 2003.

Engels, Friedrich (1844): Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, Werke, Bd. 1. Berlin: Dietz. 1988.

Freud, Sigmund (1900): Die Traumdeutung. Über den Traum., Gesammelte Werke, Bd. 2-3. London: Imago Publishing. 1941.

Freud, Sigmund (1913): Werke aus den Jahren 1913-1917, Gesammelte Werke, Bd. 10. London: Imago Publishing. 1946.

Freud, Sigmund (1917): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Gesammelte Werke, Bd. 11. London: Imago Publishing. 1946.

Hegel, Georg W. (1832): Phänomenologie des Geistes, Werke in 20 Bänden, Bd. 3. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 2003.

Horkheimer, Max (1936): Schriften 1936-1941, Gesammelte Schriften, Bd. 4. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch. 1988.

Marcuse, Herbert (1980): Das Ende der Utopie: Vorträge u. Diskussionen in Berlin 1967. Frankfurt am Main: Verlag Neue Kritik.

Platon/ Appelt, Otto (Hrsg.): Theätet., Sämtliche Dialoge, Bd. 4. Hamburg: Felix Meiner Verlag. 1988.

Taylor, Charles (2011): Das Unbehagen an der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Webster, Richard (2005): Why Freud Was Wrong: Sin, Science and Psychoanalysis. Oxford: The Oxford Press.

Wiggershaus, Rolf (2015): Die Frankfurter Schule: Geschichte/ Theoretische Entwicklung/ Politische Bedeutung. Digital: Fischer digiBook.

5.2 Sekundärliteratur

Bernays, Edward L. (1928): Propaganda: die Kunst der Public Relations. 8. Aufl. Berlin: orange-press. 2017.

Eickhoff, Friederich-W. (2001): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Neubearbeitete Ausgabe von Rudolf Eisler, Bd. 11. Basel: Schwabe.

Grenz, Friedemann (1974): Adornos Philosophie in Grundbegriffen: Auflösung einiger Deutungsprobleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Kern, Björn (2016): Das Beste, was wir tun können, ist nichts. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.

Keupp, Heiner (1994): Zugänge zum Subjekt. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Klein, Richard/ Kreuzer, Johann (2011): Adorno-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung. Stuttgart: Metzler.

Laplanche, Jean/ Pontalis, Jean-Bertrand (1967): Das Vokabular der Psychoanalyse. 20. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 2012.

Lehr, Andreas (2000): Kleine Formen Adornos Kombinationen: Konstellation/Konfiguration, Montage und Essay | Dissertation. Freiburg: Universität Freiburg. Text abrufbar unter: freidok.uni-freiburg.de.

Lenk, Kurt (1995): Adornos „Negative Utopie“ : Gesellschaftstheorie und Ästhetik. In: Schweppenhäuser, Gerhard (Hrsg.), Soziologie im Spätkapitalismus: Zur Gesellschaftstheorie Theodor W. Adornos. Darmstadt: Wiss. Buchges, 120– 144. Zitiert bei Schweppenhäuser, Gerhard (2003): Theodor W. Adorno zur Einführung. S.135 f.. Hamburg: Junius.

Schmeing, Jo-Birger (2013): Can the Neural Basis of Repression Be Studied in the MRI Scanner? New Insights from Two Free Association Paradigms. In: PLoS ONE, 8 (4). pp. 1.

Schwandt, Michael (2010): Kritische Theorie: eine Einführung. 7. Aufl. Stuttgart: Schmetterling.

Schweppenhäuser, Gerhard (2003): Theodor W. Adorno zur Einführung. Hamburg: Junius.

Schweppenhäuser, Gerhard (Hrsg.)/ Niederauer, Martin (2018): „Kulturindustrie“: theoretische und empirische Annäherungen an einen populären Begriff. Wiesbaden: Springer VS.

5.3 Internetquellen

Lichtenegger, Franz (2018): Warum Männer mehr mit Männern kuscheln sollten. Website Vice. Text abrufbar unter: https://www.vice.com/de/article/9bme43/homophobie-warum-maenner-mehr-mit- maennern-kuscheln-sollten (Zugriff am 1.3.2019).

Preuß, Marie (2007): 24-Stunden-Supermarkt: Weltniveau am Kühlregal. Spiegel Online. Text abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/24-stunden- supermarkt-weltniveau-am-kuehlregal-a-498655.html (Zugriff am 14.3.2019).

Stangl, Werner (2019): Stichwort: „topologisches Modell“. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. Text abrufbar unter: https://lexikon.stangl.eu/4388/topologisches-modell/ (Zugriff am 3.1.2019).

Statista (2017a): Grad der Urbanisierung in Deutschland bis 2017. Statista. Text abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/662560/umfrage/urbanisierung-in- deutschland/ (Zugriff am 16.2.2019).

Statista (2017b): Einpersonenhaushalte in Deutschland bis 2017. Statista. Text abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156951/umfrage/anzahl-der- einpersonenhaushalte-in-deutschland-seit-1991/ (Zugriff am 16.2.2019).

Statista (2017c): Prioritäten im Leben - Wichtigste Dinge im Leben in Deutschland im Jahr 2017. Statista. Text abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/321901/umfrage/umfrage-unter- jungen-erwachsenen-zu-den-wichtigsten-dingen-im-leben/ (Zugriff am 20.2.2019).

Rügenwalder Mühle (2019): Unser Firmenlogo zum Anfassen. Website Rügenwalder Mühle. Text abrufbar unter: https://www.ruegenwalder.de/unsere- muehle (Zugriff am 15.2.2019).

Wikipedia (2019): Rügenwalder Mühle. Text abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=R%C3%BCgenwalder_M %C3%BChleoldid=184877490 (Zugriff am 15.2.2019).

Youtube (2017): Rügenwalder Mühle Commercial Werbung Herbst 2017. Video abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=z-foTBLSbUs (Zugriff am 15.2.2019).

[...]


1 Die Überschrift nimmt Bezug auf das gleichnamige Werk von Charles Taylor (Taylor 2011).

2 Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

3 Mit dem Siegel (Adorno GS + Bandzahl: Seitenzahl) wird zitiert aus den von Rolf Tiedemann herausgegebenen Gesammelten Schriften (vgl. Literaturverzeichnis: Primärliteratur). Werke die nicht in den Gesammelten Schriften enthalten sind, werden mit (Adorno + Jahr der Erstveröffentlichung: Seitenzahl) zitiert. Bei der Sekundärliteratur wird als Datum das Erscheinungsjahr der zitierten Ausgabe verwendet.

4 Das Thema Kulturindustrie greift Adorno im Laufe seines Lebens immer wieder auf. Neben der Dialektik der Aufklärung (1947) und den Minima Moralia (1951), befasst er sich mit dem Thema in einem Dutzend Schriften (vgl. Niederauer/Schweppenhäuser 2018: 12): Zur gesellschaftlichen Lage der Musik (1932), Über Jazz (1936), Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens (1938), On Popular Music (mit George Simpson, 1941), Das Schema der Massenkultur (1942), Komposition für den Film (1944), Prolog zum Fernsehen (1953), Zeitlose Mode. Zum Jazz (1953), Fernsehen als Ideologie (1953), Theorie der Halbbildung (1959), Résumé über Kulturindustrie (1963), Kann das Publikum wollen? (1963), Freizeit (1969).

5 Für Freud war die „Verdrängungslehre“ ein Grundpfeiler der Psychoanalyse (Freud 1913: 54) und obwohl viele von Freuds Theorien heute überholt scheinen (Webster 2005), gibt es empirische Hinweise dafür, dass der Prozess der Verdrängung ins Unbewusste tatsächlich existiert. Neurowissenschaftler konnten mit Hilfe von Magnet-Resonanz-Tomografen nachweisen, dass frei assoziierte Wörter mit emotionalem Konfliktpotenzial schneller vergessen (oder verdrängt) werden als solche, die keine Emotionen auslösen. Dabei wird gleichzeitig ein Hirnareal, das mit Konfliktverarbeitung im Zusammenhang steht, aktiviert (vgl. Schmeing 2013).

6 Mit diesem Ausspruch verkehrt Adorno Hegels These: "Das Wahre ist das Ganze", aus der Phänomenologie des Geistes, ins Gegenteil (Hegel 1832: 24).

7 Sokrates bezeichnet sich in Platons Dialog Theaitetos selbst als "Hebamme", die den Männern dabei hilft Wissen zu gebären (vgl. Platon:St. 148e–149c, 150b–d.)

8 Adornos Vater stammt aus einer jüdischen Familie.

9 Ich übernehme den Begriff "Kulturindustrie-Theorie" der einschlägigen Sekundärliteratur (vgl. Niederauer/Schweppenhäuser 2018).

10 Ein Problem der deutschen Sprache ist es, dass der Begriff "Vernunft" eigentlich zwei Dinge meint. Die "instrumentelle Vernunft" die es braucht, um Ziele zu erreichen und die "zielgebende" Vernunft, welche darin besteht, vernünftige Ziele zu setzen. Im Englischen unterscheidet gibt es dafür die Unterscheidung zwischen rational und reasonable.

11 Mit dem Begriff der Halbbildung beschäftigt sich Adorno im Aufsatz Theorie der Halbbildung (Adorno GS 8: 93 ff.).

12 Adornos Kritik am Konkurrenzprinzip erinnert an die von Engels: "Die Konkurrenz hat alle unsre Lebensverhältnisse durchdrungen und die gegenseitige Knechtschaft, in der die Menschen sich jetzt halten, vollendet." (Engels 1844: 523).

13 Mit Konstellation oder Konfiguration bezeichnet Adorno die spezifische Darstellungsform einzelner Textpassagen in seinem Werk (vgl. Lehr 2000).

14 Der Begriff taucht als erstes bei J. F. Herbart, einem deutschen Philosophen, Psychologen und Pädagogen des frühen 19. Jahrhunderts auf (vgl. Eickhoff 2001: 618–621). Nach Laplanche und Pontalis übernimmt Freud den Begriff von Meynert, der ihn wiederum von Herbart hat (vgl. Laplanche/Pontalis 1967: 585).

15 Laplanche und Pontalis unterscheiden bei ihrer Definition zwischen einem engen und weiten Begriff der Verdrängung (ebd.). Im weiteren Sinne verwendet Freud den Begriff so, dass er sich in der Bedeutung an den der Abwehr annähert.

16 In der psychoanalytischen Fachliteratur wird das topologische Modell, in Abgrenzung zum Strukturmodell, auch als topografisches Modell oder als Erste Topik bezeichnet (ebd: 503 ff.).

17 Dieses individuelle Beispiel gibt einen Hinweis auf ein gesellschaftliches Problem (vgl. Lichtenegger 2018).

18 Die "Rügenwalder Mühle" ist ein mittelständisches, niedersächsisches Unternehmen mit etwa 500 Mitarbeitern, welches im Jahr etwa 200 Millionen Euro erwirtschaftet. (vgl. Wikipedia 2019).

19 Der Name "Max" ist absichtlich geschlechtsneutral gewählt. Ich möchte betonen, dass das Problem der Verdrängung sich durch alle gesellschaftlichen Schichten und Geschlechterrollen zieht.

20 Ich habe den fiktiven Charakter Max für das Beispiel ausgewählt, da in den letzten Jahren in Deutschland sowohl die Verstädterungsquote (Statista 2017a) als auch die Zahl der Einpersonenhaushalte (Statista 2017b) steigt.

21 Zur Eröffnung des ersten "Non-Stop-Supermarktes" Berlins sagte eine begeisterte Kundin "Das ist Weltniveau!" (Preuß 2007).

22 Noch zu Freuds Lebzeiten gab es Versuche, die Erkenntnisse der psychoanalytischen Theorie, für die Zwecke der organisierten Meinungsbildung zu adaptieren. Unter anderem von seinem Neffen Edward Bernays, der als einer der ersten untersuchte, wie sich „über den gezielten Zugriff auf das Unbewusste Waren verkaufen oder gesellschaftlich unpopuläre Maßnahmen durchsetzen lassen" (Bernays 1928: 1).

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen
Untertitel
In den "Minima Moralia" von T. W. Adorno
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Philosophie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
41
Katalognummer
V506471
ISBN (eBook)
9783346073990
ISBN (Buch)
9783346074003
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kritische Theorie, Adorno, Frankfurter Schule, Freud, Psychoanalyse, Gesellschaftskritik, Verdrängung, Kulturindustrie, Kulturindustrietheorie
Arbeit zitieren
Vladislav Shenker (Autor:in), 2019, Die Rolle der Kulturindustrie bei der Produktion von Verdrängungsmechanismen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506471

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