Hannah Arendt und der Terror als eigentliches Wesen der totalen Herrschaft. Theorie und Praxis im Nationalsozialismus und im Stalinismus


Hausarbeit, 2018

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die totale Herrschaft nach Hannah Arendt
2.1 Voraussetzungen und totalitäre Propaganda
2.2 Totale Organisation
2.3 Der Staatsapparat und die Geheimpolizei

3 Terror als zentrales Wesensmerkmal totalitärer Herrschaftssysteme
3.1 Terror legitimiert durch Ideologie
3.2 Lager als Inbegriff des Terrors in totalitären Herrschaften

4 Die Umsetzung totalitärer Herrschaft auf der Grundlage des Terrors im Nationalsozialismus und Stalinismus
4.1 Die Umsetzung im Nationalsozialismus
4.1.1 Die SS und die Gestapo
4.1.2 Terror durch gesetzliche Legitimation
4.2 Die Umsetzung im Stalinismus
4.2.1 Die OGPU
4.2.2 Terror durch juristische Schauprozesse
4.3 DerVergleich der Funktion des Terrors im Nationalsozialismus und Stalinismus
4.4 Der Beitrag Hannah Arendts zum Verständnis totalitärer Herrschaft

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten große Teile des heutigen kontinentalen Europas eines Gemeinsam: Es entwickelten sich totale Herrschaftssysteme. Sei es durch den Bolschewismus, der sich in der jungen Sowjetunion entwickelte oder durch den Faschismus, den man in Italien und vor allem im nationalsozialistischen Deutschland vorfand. Obwohl diese Herrschaften auf verschiedenen Ideologien gründeten, hatten sie viele Gemeinsamkeiten. Bereits Hermann Heller (1971: 515) zu folge seien „Fascismus und Bolschewismus Zwillingsbrüder“. Geht man heute auf die Suche nach Literatur, die die beiden totalitären Systeme Nazideutschlands und das der jungen Sowjetunion unter Stalin vergleicht, stößt man unweigerlich auf das Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ von Hannah Arendt. Erstmals erschienen ist es 1951 in den USA. 1955 erschien dann die erste deutsche Auflage. Bemerkenswerter Weise gibt es seit der letzten geänderten Fassung von 1966 kaum weitere Literatur, die das System der totalen Herrschaft so sorgfältig und ausführlich untersucht, wie es das von Hannah Arendt tat. Und dazu sollte angemerkt werden, dass es, obwohl sie eine inhaftierte und nachher geflohene Jüdin war, eine unglaubliche Objektivität und eine nahezu penible Auswahl und Begründung der Quellen besitzt.

Wie eben schon erwähnt, gibt es mehrere Faktoren, die sowohl im Nationalsozialismus als auch im Stalinismus Vorkommen. Interessant ist aber, dass Hannah Arendt erstmals namentlich dem Terror, neben bereits bekannten Methoden, wie die der Propaganda, eine große strategische Rolle zukommen lässt.

Der Begriff Terror begleitet uns bedauernswerter Weise durch jedes Jahrzehnt. Seien es die gräulichen Taten der RAF, die der Al-Quaida oder ganz aktuell den Terror, den unter anderem die Gruppen Boko Haram oder der Islamische Staat betreiben. Besonders beim Islamischen Staat ist wieder die Verbindung zwischen Terror und totaler Herrschaft zu erkennen, da sie die Staatsgewalt eines fiktiven Staates darstellen wollen. Doch was hat es genau mit dieser Verbindung auf sich?

Die Frage stellte sich ebenfalls Hannah Arendt. Während der Auseinandersetzung mit ihrem Werk entwickelte ich folgende Fragestellung:

Welche Funktion hat der Terror in der totalitären Herrschaftstheorie von Hannah Arendt und wie fand er zur Durchsetzung totaler Herrschaft im Nationalsozialismus und im Stalinismus Anwendung.

Um dies zu untersuchen, setze ich mich zuerst mit dem Begriff der totalen Herrschaft nach Hannah Arendt auseinander. Folglich untersuche ich die Arten und Funktionen des Terrors in solch einer Herrschaft. Um die Thematik dann anschaulich zu unterstreichen, setze ich mich direkt mit den Entwicklungen in Nazi-Deutschland und in der jungen Sowjetunion unter Stalin auseinander. Hierbei werfe ich einen Blick auf die exekutive Gewalt und deren Methoden, sowie auf die Art und Weise wie auch die judikative Gewalt genutzt wurde, um den Terror durchzuführen. Nach diesen Betrachtungen vergleiche in an den Beispielen die Funktion des Terrors in beiden Staaten. Und letztlich untersuche ich den Beitrag, den Hannah Arendt zum Verständnis von totalen Herrschaften geleistet und bis heute geprägt hat. In dem ganzen Zusammenhang, wäre die Untersuchung des Propagandabegriffs nach Hannah Arendt sicherlich ebenfalls lohnenswert, doch dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Allerdings bedingen sich Terror und Propaganda gegenseitig, sodass das Thema zumindest teilweise angeschnitten wird.

2 Die totale Herrschaft nach Hannah Arendt

2.1 Voraussetzungen und totalitäre Propaganda

Einer totalitären Herrschaft zugrunde liegen unzählige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit es überhaupt zu einer solchen kommt. Ein bedeutender Ursprung sind in Hannah Arendts Augen die Massen. Sie geht aufgrund des Zerfalls des Klassensystems von einer Atomisierung der Einzelnen aus. Darunter versteht sie, dass Individuen kaum noch soziale Beziehungen führen und sich somit keine eigene Identität aufbauen können und mit der politischen und gesellschaftlichen Gegenwart zutiefst unzufrieden sind (vgl. Arendt 1996: 677). Genau daraus profitieren totalitäre Bewegungen zu Anfang. Denn genau diese Bürger bilden die politisch-uninteressierte, beziehungsweise neutrale Mehrheit, die von einer, in dem Sinne fälschlicherweise an der Macht stehende Minderheit regiert wird (Vgl. Arendt 1996: 668). Totalitäre Bewegungen setzen bei dieser Zielgruppe mit ihren Versprechungen für die Zukunft an und sobald die uninteressierten Massen darauf anspringen, scheint die Regierung nicht mehr repräsentativ zu sein. Denn ein weiterer Irrglaube nach Arendt ist, dass alle Bürger die sich nicht politisch engagierten neutral seien. Und auch das zeigt eine weitere Schwäche der Demokratie, die „auf die schweigende Duldung aller politisch inaktiven Elemente in der Bevölkerung angewiesen ist“ (Arendt 1996: 670). Sind diese einmal aktiviert können sich totalitäre Bewegungen mit Erfolg an demokratischen Wahlen beteiligen und lösen so die fälschliche Mehrheit ab.

Allerdings gilt zu betonen, dass bei den Wahlen nicht hauptsächlich die Propaganda ausschlaggebend für die guten Ergebnisse war (dies nimmt man nämlich fälschlicherweise an), sondern es waren tatsächlich die atomisierten Massen, die aus Hoffnung zur Änderung totalitäre Bewegungen wählten. Dies gilt insbesondere für den Mob und die Elite. Der Begriff der Propaganda beinhaltet wesentlich mehr und ist deutlich komplexer, als reine psychologische Wahlversprechen. Diese Art von Propaganda, die zu den älteren Formen gehört, bezieht sich auf die Vergangenheit und dient dazu, den Massen verschiedene Erklärungen zu liefern. Die totalitäre Propaganda hört allerdings nicht dann auf, wenn die Massen bereits überzeugt sind. Die enthaltenen Prophezeiungen und positiven Zukunftsdarstellungen, in denen der jeweilige Führer unabdingbar für die Verwirklichung dieser Utopien ist, lassen die Hoffnungen bei der Masse nie verschwinden (vgl. Arendt 1996: 734). Vor der Machtergreifung besitzt die Propaganda so etwas wie einen pseudowissenschaftlichen Anspruch, mit dessen Hilfe die Bevölkerung noch leichter zu beeindrucken ist. Kommt es dann aber zum Erlangen der Macht und den Formulierung der Prophezeiung, so gibt es keine wissenschaftlichen Erklärungen mehr, und der Bevölkerung wird die rationale Möglichkeit Dinge zu überprüfen gänzlich genommen (ebd.). Hier verweist Hannah Arendt auch nochmal auf die Atomisierung der Massen, die nämlich im Zuge derer, ihren rationalen Menschenverstand verloren haben. Arendts Stichworte im Bezug auf totalitäre Propaganda sind also: atomisierte Massen, Prophezeiungen und Unüberprüfbarkeit. Tymian Bussemer fasst diese Funktionen in seinem Buch als „Mittel zur Herstellung gesellschaftlicher Stabilität“ zusammen (Bussemer 2008: 27).

2.2 Totale Organisation

Dennoch hat die Propaganda, in dieser Art und Weise, wie Arendt und Bussemer sie beschreiben, einen großen Anspruch, der gleichzeitig ihre Schwäche darstellt: Nämlich den Anspruch der Durchführung. Gibt es niemanden mehr, der die Fiktion glaubhaft verbreitet, fällt die Bewegung in sich zusammen. Also ist die Propaganda von einer Organisation abhängig, die durch ihren Aufbau gewährleistet, dass die Bevölkerung Dinge so vielschichtig, wie möglich vermittelt bekommt. Die totalitäre Organisation teilt die Massen in verschiedene Teile ein. Angefangen bei den sogenannten Frontorganisation. Dort findet man hauptsächlich Gruppen aus Sympathisierenden, die auf der einen Seite unter anderem aus finanziellen und taktischen Gründen der Partei eine Hilfe sind, aber auf der anderen Seite dem Kern als zu schwankend Vorkommen, um Mitglied der Partei zu sein (vgl. Arendt 1996: 768 f). Die oben genannten taktischen Gründe dieser Gruppe sind von hoher Wichtigkeit für die Bewegung - mindestens so wichtig, wie die Funktion der Parteimitglieder selbst. Diese sogenannten Frontorganisationen dienen als Barriere zwischen den Parteimitgliedern und der Außenwelt. Sinn und Zweck besteht darin, die Parteimitglieder in ihrer Vorstellung der Fiktion zu halten. Sähen sie die ungefilterte, noch nicht totalitäre Normalität, kämen sie ins Zweifeln oder wären schlichtweg überfordert. Betrachtet man es nun von der anderen Seite, so dienen die Frontorganisationen verharmlosend. Durch sie wirkt der Charakter der Bewegung weniger totalitär (vgl. Hannah Arendt 1996: 770 f). Dieser abschirmende Wall wiederholt sich von Außen nach Innen noch des öfteren. So gibt es eine weitere Unterscheidung zwischen Parteimitglied und der Eliteformation. So gehören die Mitglieder der Eliteformationen schon komplett der totalitären Welt an, die Parteimitglieder hingegen aber noch nicht gänzlich. Somit wiederholt sich der gleiche Effekt der Barriere. Die Eliteformation steht im direkten Kontakt zum Führer, der den Kern der Organisation bildet. Er wird nicht in Frage gestellt und gibt zum einen die ausschlaggebende Kraft für die Bewegung, zum anderen stellt er eine Verkörperung des allgemeinen Willens und der allgemeinen Moral dar.

[...]

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Details

Titel
Hannah Arendt und der Terror als eigentliches Wesen der totalen Herrschaft. Theorie und Praxis im Nationalsozialismus und im Stalinismus
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V506297
ISBN (eBook)
9783346064769
ISBN (Buch)
9783346064776
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hannah Arendt, Terror, Stalin
Arbeit zitieren
Charlotte Maas (Autor:in), 2018, Hannah Arendt und der Terror als eigentliches Wesen der totalen Herrschaft. Theorie und Praxis im Nationalsozialismus und im Stalinismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506297

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