Exkommunikation und Xenokommunikation

Intransparenz als ergänzende Charakteristik einer dissonanten Öffentlichkeit


Hausarbeit, 2019

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Philosophische Gemengelage

Xenokommunikation

Dissonante Offentlichkeit

Ausblick

Literatur

Einleitung

Gehen wir vom Begriff der Mediation aus, denken wir gerne an etwas intellektuell greifbares und erheben daher Anspruch auf eine, mehr oder weniger stringente, analytischen Beobachtung. Die Notwendigkeit von Information, die sich unserer Wahrnehmung entzieht, um Dinge zu begreifen, erscheint uns daher auf den ersten Blick absurd.

Ein makabres Beispiel dazu findet sich in Ray Bradburys Mars-Chroniken. Dort werden Marsianer als Formwandler dargestellt, deren wahre Gestalt sich den menschlichen Siedlern entzieht. Denn sie sind in der Lage ihre Erscheinung unseren Wünschen und Traumen anzupassen. In einem konkret beschriebenen Fall führt dies dazu, dass der Marsianer von Liebe überschüttet wird. Jeder der Kolonisten mochte ihn bei sich wissen, sodass er am Ende an den Folgen dieser unbandigen Überbeanspruchung stirbt.

Für Mckenzie Warks thematisierte Begriffe der Exkommunikation und Xenokommunikation bildet die philosophische Stromung der objekt-orientierten Ontologie eine Grundlage. Untersucht wird hierbei die Unmoglichkeit von Kommunikation, aber auch die Mitteilung jener Unmoglichkeit.

Auf einer strukturellen Ebene reiht sich diese Theorie in die Tradition der Dezentralisierung ein. Diese kann, ebenso wie bei der Kriegskunst, an den Rande des Chaos führen. Die aus Chaos resultierende Intransparenz, findet sich auch im Modell der Offentlichkeit wieder. Diese hat sich in den letzten Jahren in einer zunehmenden Dynamik befunden. So basiert der Begriff nach wie vor auf den Überlegungen von Jürgen Habermas. Jedoch wurde dieser in Konzepten, wie der dissonanten Offentlichkeit aktualisiert. Da sich somit auch die Charakteristika des Begriffes im Wandel befinden, erscheint es sinnvoll jene um die Komponente der Intransparenz zu erganzen.

Ein Ausdruck einer Kategorie, der auch Wark versucht sprachlich habhaft zu werden, namlich der des Fremden, griechisch xénos.

Doch was sind die Auswirkungen einer solchen gedanklichen Verschiebung. Münde sie in ein intransparentes, technologisches Dilemma, auf der Suche nach mehr Demokratie oder zeigt sie uns neue Wege bei der Gestaltung eines offentlichen Miteinanders.

Philosophische Gemengelage „Um real zu sein, muss ein Objekt von selbst existieren und darf seine Existenzgrundlage nicht aus der Beziehung zu anderen Dingen ziehen(Vgl. Graham, 2012, S.251)".

Dies ist die Pramisse der objekt-orientierten Ontologie (OOO) und gleichzeitig als Frontalangriff auf den Korrelationismus zu verstehen. Denn dieser besagt, dass Objekte nur in der Relation zu andern Objekten existieren. OOO basiert dabei im Wesentlichen auf den Überlegungen von Martin Heidegger(Vgl. Graham, 2012, S.251), die spater auch von Bruno Latour aufgegriffen wurden. So schreibt dieser in seinen Buch Pasteur: guerre et paix des microbes, dass es „keinen ontologischen Unterschied gibt zwischen Subjekten und Objekten bzw. Objekten und Objekten" (Vgl. Graham, 2012, S.252). Denn die Welt bestehe nunmal aus Aktanten. Im Ringen um Hoheit im philosophischen Diskurs, greift OOO auch auf die Quantentheorie zurück, welche vom Medientheoretiker Wolfang Ernst als „die fundierteste, akkurateste und testbarste Theorie physischer Realitat"(Vgl. Hansen, 2016, S.390) beschrieben wird. Ohne nun genauer auf diese Theorie einzugehen gilt vice versa: „Die Quantentheorie funktioniert, weil sie objekt-orientiert ist"(Vgl. ebd. , S.390). Begibt man sich auf die Spurensuche von OOO, landet man schnell bei der ihr übergeordneten philosophischen Stromung des spekulativen Realismus (SR).

In der dritten Auflage der Serie Speculations hat Louis Morelles Essay Speculative Realism: After finitude, and beyond? Den Versuch unternommen SR in seine Einzelteile zu zerlegen.

Neben der OOO ist dieser vom normativen Nihilismus (Vgl. Graham, 2012, S.258) und dem Neo-Vitalismus (Vgl. ebd. , S.263) stark beeinflusst. Beim normativen Nihilismus sei an dieser Stelle explizit auf Frangois Laruelle und dessen non-philosophie verwiesen, die als systematische Opposition zur Philosophie verstanden werden darf.

Der Begriff „spekulativer Realismus" wurde das erste Mal auf einer Konferenz im Jahr 2007 um die Philosophen Ray Brassier, Graham Harman, Iain Hamilton Grant und Quentin Meillassoux verwendet, mit dem Wunsch eine Autonomie der Realitat jenseits des Anthropozentrismus herzustellen(Vgl. Gere, 2015, S.279). Analog sei an dieser Stelle auf eine Sorge Heideggers verwiesen, die postuliert, dass der moderne Mensch nicht bereit sei seine Endlichkeit zu akzeptieren(Vgl. O’Gorman & Méchoulan, 2003, S.163).

Doch woher kommen überhaupt all diese Sorgen, um das Ende des Anthropozan?

Diese ist mit ziemlicher Sicherheit kein neues Phanomen. So schreibt bereits Vilém Flusser in Automation from a human point of view über einen Disput der beiden Professoren Bagolini und Czerna, in dem eben jenes Ende des Anthropozans thematisiert wird.

Weitere Hinweise darauf finden sich auch in McKenzie Warks neustem Buch Molekulares Rot. Dort wird die Menschheit am allseits bekannten Beispiel des Aralsees beschuldigt,

„so etwas, wie ein umgekehrtes Terraforming zu betreiben. Anstatt die Wüsten des Mars zu einer neuen Erde umzuformen, mache sie die Erde zu einer Marswüste(Vgl. Wark, 2017, S.12). Gegenüber unser eigenen Spezies lohne es sich deshalb eine selbstironische Haltung zu entwicklen, weshalb aus dem Anthropozan auch kurzerhand ein

„Misanthropozan, Anthrobszon oder Mannthropozan" (Vgl. Wark, 2017, S. 329) wird. Angesichts dieser Endzeitstimmung mochte man es als trostlich bezeichnen, dass es, um auf die Quantentheorie zurückzukommen, noch Objekte gibt, die auGerhalb unserer Wahrnehmungssphare liegen. Quasi ein Jenseits im Diesseits.

Doch wie macht sich das Jenseits bemerkbar? Aus solch einer philosophischen Fragestellung kristallisiert sich somit ein Problem des Informationsaustauschs und damit auch der Mediation heraus.

Xenokommunikation

In Excommunication: Three inquiries in media and mediation von Alexander Galloway, Eugene Thacker und McKenzie Wark werden aktuelle Konzepte von Mediation thematisiert und um deren Erweiterungen gerungen. Als bereits etabliert dürfen die Mediationsmodi der Hermeneutik und Iridisenz verstanden werden, die von den Gotter der Antike, Hermes und Iris, entlehnt sind.

„Ersterer Modus ist die alltaglichste Spielart von Mediation. Sie kann als Erweiterung, Übergang, Representation, Reflexion, Mimikry und Verfremdung verstanden werden. In ihr sind sowohl Zirkulation, als auch Austausch enthalten und die Gefahr von Enttauschung, Betrug und Irreführung. Die zweite Variante ist pure und wahrhaftige Kommunikation, die wir in der Gemeinschaft, Unmittelbarkeit und Immanenz finden werden." (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S.29). Dazu wird als dritter Modus der Kommunikation die „furiose Kommunikation" vorgestellt, welcher sich vor allem Wark gewidmet hat. Diese Form der Kommunikation, hergeleitet von den Furien der Antike, ist „die Vielzahl von Kommunikation, eine komplexe Gemengelage, in der die kommunikative Infrastruktur sich selbst erweitert und repliziert bis zu einem solchen Grad, dass jegliche Form von Mitte (Vermittlung) ausgeloscht wird (und mit ihr jegliche Form von Medien)" (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S.29).

Dieser Modus wird vor allem deshalb als neuartig Begriffen, weil die Organisationsstruktur eines Austauschprozesses im Modus der furiosen Kommunikation sich stark von den vorangehenden unterscheidet. So zeichnet sich Kommunikation hier durch „nicht-lineare Form von Kausalitat und vernetzte Formen der Einflussnahme aus, die letztendlich dazu führt, dass es zu einer gegenseitigen Affizierung der Kommunizierenden kommt, anstelle von Ursache-Wirkungs-Abfolgen" (Vgl. L. M. Gisi & E. Horn, 2009, S.10). Daraus lassen sich durchaus Parallelen zur Netzkommunikation ziehen, innerhalb derer sich Phanomene, wie die many-to-many Kommunikation entwickelt haben. Eine Form der Kommunikation bei der die Nutzer sich untereinander vernetzen, unabhangig von einer übergeordneten Moderation.

Auf einer anderen Ebene betrachtet, bricht Wark mit einem solchen Modell auch mit der langen Tradition der linearen Distribution von Wissen, die schon auf die biblische

Jakobsleiter zurückgeführt wird (Vgl. Gould, 1995, S. 64f.), aber sich auch in der linearen Ordnung der Natur von Charles de Boulles 1512 (Vgl. Ragan, 2009, S. 2), oder den Baumstrukturen von Jean Baptiste Lamarck und Charles Darwin wiederfinden (Vgl. ebd. , S. 9ff.).

Es erfolgt somit eine Affirmation der Netzwerkmetapher. Eine Position, die in ihrer Entstehungsgeschichte sogar noch alter ist, als die des Baumes (Vgl. ebd. , S.8) und aktuell unter anderem von Margulis, Deleuze und Guattari gestützt wird, welche die linearen Strukturen durch Symbiogenese (Vgl. Margulis, 1998, S.34) und Rhizome (Vgl. Deleuze & Guattari, 1976, S.8 f.) zu ersetzen wünschen.

Verfolgt man diese Perspektive weiter, befindet sich Kommunikation somit nicht nur „on the edge of chaos" (Vgl. L. M. Gisi & E. Horn, 2009, S.22), sondern kennt kein Anfang und kein Ende (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S. 160f.).

Diese Brückenbildung von Posthumanismus und Tierstudien zur Medientheorie ist zwar insofern nicht neu, als, dass Schwarme auch schon im Kontext der Massenpsychologie thematisiert wurden(Vgl. L. M. Gisi & E. Horn, 2009, S.85). Jedoch dürfte die Ausweitung auf ein Modell der Mediation durchaus mit erhohtem Interesse verfolgt werden.

Gleichwohl stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Kommunikation dann noch als zielgerichtet begriffen werden darf. Thacker schreibt im Zusammenhang mit diesem Paradox, dass, (in einem solchen Schwarm), „lokale Interaktion globale Muster erzeugt, die dabei gleichzeitig zielgerichtet stattfindet, also einem Zweck orientiert ist" (Vgl. L. M. Gisi & E. Horn, 2009, S. 55).

Analog zu den eben beschrieben Modi der Kommunikation werden in Excommunication auch „drei Protokolle der Kommunikation" vorgestellt (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S. 193): Kommunikation, Exkommunikation und Xenokommunikation.

Die Exkommunikation ist dabei die Unmoglichkeit von Kommunikation. In dieser Hinsicht findet eine Kritik am kommunikativen Imperativ statt, da die Bedeutung der Unmoglichkeit von Kommunikation für den eigentlichen Vorgang betont wird (Vgl. Gere, 2015, S. 287). Xenokommunikation ist nun jenes Protokoll, dass die Austauschbeziehung zwischen dem untersucht, was nicht kommuniziert werden kann und der Kommunikation. (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S. 161). Ganz wie beim spekulativen Realismus wird hier die raumliche Logik eines „innen" und „auGen" implementiert. Die Existenz dieser AuGenwelt und ihre Unzuganglichkeit müssen dabei immer noch in irgendeiner Form kommuniziert werden (Vgl. Thacker, Galloway & Wark, 2014, S.163). Es findet somit eine Kommunikation mit dem absolutem Fremdem statt.

Ordnet man die eben beschriebenen Modelle in den breiten Kanon der Kommunikationswissenschaften ein, fallt auf, dass Kommunikation als interpersonale Kommunikation, ein wechselseitiger Austauschprozess, sich ab diesem Moment auf einer Mikroebene befindet. Wohingegen Xenokommunikation und die furiose Kommunikation auf eine Makroebene hinweisen.

Die analytische Prazision und die damit verbundene Transparenz, mit der sich ein kommunikativer Prozess untersuchen lasst, ist auf einer solchen Ebene nicht mehr gegeben.

Stattdessen ist wird Kommunikation von uns ganzlich unbekannten Komponenten beeinflusst. Beispiele solcher Intransparenz finden wir in den digitalen Kulturen, die es gleichwohl als Kommunikationskulturen zu betrachten lohnt. Die Medienwissenschaftler Timon Beyes und Claus Pias schreiben in diesem Zusammenhang in Transparenz und Geheimnis: „Kommunikationskulturen sind, wenn die moderne Zeitordnung kollabiert, (...) im Zeichen der fundamentalen Intransparenz zu denken" (Vgl. Pias & Beyes, 2014, S.114). Ihnen erscheint es, unter dem Gesichtspunkt der Kommunikationskultur, welche wir im Web vorfinden und sich durchaus als furios charakterisieren lasst, sinnvoll, die Kategorien Offentlichkeit und Partizipation neu zu denken (Vgl. ebd., S.115).

Da es sich bei der Offentlichkeit um ein dynamisches Phanomen handelt(Vgl. Loblich, Eilders & Pfetsch 2018, S.479), das ebenso einen schwarmenden Charakter besitzt, erachte ich es für sinnvoll, meinen Fokus auf sie zu richten.

Ich werde daher im Folgenden das Modell der „dissonanten Offentlichkeit" vorstellen und Überlegungen anstellen, inwiefern es sinnvoll ware, dieses in seinen Charakteristiken um die Komponente der Intransparenz zu erganzen, sowie Aspekte hervorheben, die bereits auf Xenokommunikation hinweisen.

Dissonante Offentlichkeit

Ist die Rede von Offentlichkeit, kommt man nicht um Jürgen Habermas herum, der diesen Begriff in Der Strukturwandel der Offentlichkeit aus dem Jahre 1962 im kommunikationswissenschaftlichen Diskurs eingeführt hat. Ihm zufolge ist Offentlichkeit ein Raum, in „dem die Bürger sich über gemeinsame Angelegenheiten beraten. Eine institutionalisierte Arena diskursiver Interaktion. Dabei bildet sie das Gegenstück zur offentlichen Gewalt und vermittelt zwischen Gesellschaft und Staat durch das Medium der offentlichen Meinung"(Duller & Schachtner, 2014, S.62 f.)

Sie ist nach Habermas von folgenden Charakteristiken gekennzeichnet: Unabgeschlossenheit des Publikums, Moglichkeit zur Deliberation, Moglichkeit der Fragmentierung in kleinere Teiloffentlichkeiten, Problematisierbarkeit aller Themen (Vgl. Nielsen, 2018, S.18) und kann nach Nancy Fraser um folgende Punkte erganzt werden: Einbezug von Kanalen zur Verbreitung des Diskurses und einen Egalitaren Charakter im Ideal und Diskurs(Vgl. ebd. , S. 44). Eben diese Charakteristika konnten nun den Aspekt der Intransparenz, als weiteren Punkt thematisieren.

Der aktuelle Diskurs von Offentlichkeit ist gepragt von sozialer Fragmentierung und der Zunahme offentlicher Sprecher, welche durch die vermehrte Nutzung sozialer Medien befeuert wird (Vgl. Pfetsch & Bennett, 2018, S. 245).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Exkommunikation und Xenokommunikation
Untertitel
Intransparenz als ergänzende Charakteristik einer dissonanten Öffentlichkeit
Hochschule
Universität der Künste Berlin  (Institut für zeitbasierte Medien)
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
16
Katalognummer
V505253
ISBN (eBook)
9783346089922
ISBN (Buch)
9783346089939
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Xenokommunikation, Medientheorie, McKenzie Wark, Öffentlichkeit, Transparenz
Arbeit zitieren
Julien Brühl (Autor:in), 2019, Exkommunikation und Xenokommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505253

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