Die Kluge Verstellung bei Don Juan Manuel und Lope de Vega


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Verstellung
2.1. Stärkegrade der Verstellung
2.2. Sonderformen der Simulation
2.2.1. Hypokrisie
2.2.2. Detractio
2.2.3. Impersonation

3. Höfische List und Politik
3.1. Der Höfling
3.2 Der König
3.3. Ansehen der List

4. El Conde Lucanor (exemplo I)
4.1. Inhalt
4.2. Die Verstellung im exemplo I

5. El mejor alcalde, el rey
5.1. Inhalt
5.2. Die Verstellung im „El mejor alcalde el rey“

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Texte

7. Bibliographie

1. Einleitung

Die kluge Verstellung ist eine Verhaltensweise, die wir heutzutage nahezu schon fast unbewusst nutzen. Sie hat sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt. Einer der ersten, der den Begriff der klugen Verstellung prägte, war der lebenskluge spanische Jesuit Baltasar Gracián, der im 17. Jahrhundert seine Mitmenschen genau beobachtete und aus dem Umgang mit ihnen seine Schlüsse zog. Seine Errungenschaften werden noch heute genutzt. Besonders bei der Ausbildung von Managern, die mit seiner Hilfe bessere Führungskräfte werden sollen.

Ein Rat von Gracián ist zum Beispiel: „ Verbinde Sanftmut mit Härte!“ Auf Führungsebenen, so auch im Unternehmen, kann sich nach Gracián auf Dauer nur derjenige halten, der charakterlich so disponiert ist, um die Klugheit der Schlange mit der Arglosigkeit der Taube in Einklang zu bringen. Ein Manager darf mithin weder als zu gerissen noch als ein belächelter Dummkopf erscheinen. Ist er ersteres, so misstraut man ihm, ist er letzteres, so wird er hintergangen. "Viel glaubt, wer nie lügt, und viel traut, wer nie täuscht. Es entspringt nicht allemal aus Dummheit, dass man betrogen wird, sondern bisweilen aus Güte. Man vereinige in sich die Taube und die Schlange, nicht als ein Ungeheuer, sondern vielmehr als ein Wunder"[1].

Anhand des „Exemplo I“ aus dem Buch „El Conde Lucanor“ von Don Juan Manuel und des Theaterstückes „El mejor alcalde, el rey“ von Lope de Vega, das erste Buch ist im Mittelalter und das zweite Werk zur Barockzeit entstanden, werde ich versuchen typische Aspekte der Verstellungskunst zu veranschaulichen.

Im ersten Teil werde ich einige Formen und Varianten der Verstellung näher erläutern. Im Anschluss daran stelle ich die Bedeutung der Kunst sich zu verstellen bei Hofe und der damaligen Politik dar. Es wird deutlich werden, dass das Mittel der Verstellung ein sehr wichtiges Werkzeug des Regierens war und ist. Hier wird das möglichst optimale Verhalten des Höflings, bzw. Beraters oder Ministers, und des Königs im Einzelnen beschrieben.

Die letzten beiden Kapitel befassen sich mit den Verhaltensweisen der einzelnen Figuren aus den beiden Texten, die sich die Verstellungskunst und des klugen Verhaltens zunutze machen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Die Verstellung

2.1. Stärkegrade der Verstellung

Der Begriff der Verstellung wird seit der Antike in zwei Formen unterteilt, die sich beide auf die Darstellung des Sprechers selbst beziehen. Auf der einen Seite befindet sich die Simulation, die laut Ittig „die vorgespielte Präsenz dessen, was nicht existiert ist“[2], und die Dissimulation, die das verbirgt, was tatsächlich existiert.

Im Gegensatz zu Ittig nennt Francis Bacon noch zusätzlich eine dritte Form der Verstellung. Er unterscheidet drei Formen.

Der erste und schwächste Grad seien Zurückhaltung und Verschwiegenheit (>reservation, and secrecy<), der zweite Dissimulation - >when a man lets fall signs an arguments, that he is not that he is< - und der dritte Simulation - >when a man industriously and expressly feigns and pretends to be that he is not<. (Müller)[3]

Nach diesen unterschiedlichen Möglichkeiten der Verstellung wurde die Dissimulation als die passive und moralisch vertretbare Form aufgefasst, und die Simulation als aktive und moralisch verwerfliche Form angesehen.

2.2. Sonderformen der Simulation

2.2.1. Hypokrisie

Die Hypokrisie ist die wichtigste terminologisch fassbare Sonderform der Simulation. Sie gehört, laut Kierkegaard „in das Gebiet des Moralischen“[4].

Der zentrale Aspekt der Hypokrisie besteht darin, dass ein schlechter Mensch versucht, Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit vorzutäuschen. Aus diesem Grund wird der Begriff der Hypokrisie anstelle der wertneutralen Begriffe Simulation und Dissimulation verwendet, wenn der Akt der Verstellung moralisch und religiös verwerflich ist.

Unsere Geschichte weist unzählige Momente auf, in denen Menschen ihre guten Gedanken und Werte verbergen mussten, und, im Gegensatz zur Hypokrisie, schlechte Denkarten vortäuschten, „um in Zeiten religiöser oder politischer Verfolgung überleben zu können“[5].

2.2.2. Detractio

Diese Form der Simulation wurde im Mittelalter als vollkommene Sünde verurteilt.

[…] Leuten, >that speak as fair before their fellow-christians,

as if they would embrace them; and as soon as they have

turned away from them, they slander and detract them with

evil words.< (Müller)[6]

Wie dieses Zitat beweist, hatten die Menschen, die einem anderen ins Gesicht schmeichelten und danach hinter seinem Rücken schlecht über ihn redeten, kein gutes Ansehen. Dieses Phänomen der Detractio lässt sich jedoch auch noch in der heutigen Kultur finden. Sie ist häufig der Grund für Streitigkeiten zwischen den Menschen.

2.2.3. Impersonation

Im Bezug auf das exemplo I „de lo que contecio a un rey con su privado“ und dem Theaterstück “el mejor alcalde, el rey” spielt diese Sonderform der Simulation eine wichtige Rolle.

Die Impersonation ist „die Verkörperung einer Rolle, die im Extremfall im diametralen Widerspruch zur wahren Identität des Ichs steht.“[7] Ein Mittel seine Identität zu verschleiern, ist, im einfachsten Fall, das Ändern seines Namens. Andere Möglichkeiten sind sich anders zu kleiden oder Masken aufzusetzen. Das Mittel der Impersonation ist moralisch wertfrei, da sie nicht nur für schlechte, sondern auch für gute Zwecke verwendet werden kann.

Könige nutzten sie, um noch rechtschaffender regieren zu können. Sie schlüpften in die Rolle eines einfachen Menschen, um einen objektiveren Blick über das gegebene Problem zu gewinnen.

3. Höfische List und Politik

3.1. Der Höfling

Baldassare Castiglione veröffentlichte Anfang des 16. Jahrhunderts sein Werk „ il libro del cortegiano“. Dieses Werk galt als eine Art Memorandum für das richtige Verhalten bei Hofe. Die Leserschaft, die davon profitierte, waren die Hofmänner. Sie sollten mit Hilfe des Buches lernen, ihre eigene Reputation aufrecht zu erhalten, und immer die Gunst des Fürsten zu erlangen.

Eine wichtige Eigenschaft des cortegiano (Hofmann) war es, „die eigenen Absichten zu verstellen und die der anderen zu entdecken.[8]

Des Weiteren hat der Hofmann, neben der gepflegten Erscheinung, auch auf seine eigene Sprachwahl zu achten und sie zu kontrollieren. Er orientiert sich stets an der antiken Rhetorik, und versucht immer seine Reden so natürlich wie nur möglich erscheinen zu lassen. Der perfekte Hofmann zeichnet sich durch eine tugendhafte Bescheidenheit aus.

Wie bereits erwähnt, ist die List für den privado lebensnotwendig, um das enge Vertrauen des Königs, seine privanza, zu gewinnen. Da der listige Höfling eine Reihe von wichtigen Funktionen innerhalb des Staates erfüllt, wird er zu einem unabkömmlichen Teil der königlichen Regierungskunst. „Ebensowenig wie der Mensch, der von Gott zum Herrscher der Welt bestimmt wurde, ohne Frau, kann der König ohne privado sein.“[9]

Die besondere Stellung des Höflings trennt ihn von seiner Umwelt ab. Im Hinblick auf schlechte Zeiten, wenn er beim König in Ungnade fallen sollte, muss der privado versuchen, Freunden wie Feinden so gut es geht zu helfen, „sowie den Armen und Unterdrückten zu ihrem Recht zu verhelfen,[…] denn gute Taten werden nicht so schnell vergessen.[10]

Letztlich darf der Höfling nicht seine List zu Intrigen und Ungerechtigkeiten nutzen, denn ihn würde eines Tages, wie bei Lope de Vegas La estrella de Sevilla, die gerechte Strafe treffen.

3.2. Der König

Lügen, Intrigen und Täuschung gehören genauso wie Ehre, Ruhm und Integrität zum Hofleben dazu. Zwischen diesen Gegensätzen muss der König in der Lage sein „wahr von falsch und Freund von Feind zu unterscheiden.“[11] Der Herrscher ist gezwungen, sich ebenfalls klug und listig zu verhalten.

In Machiavellis Buch „il principe“ wird, genau wie bei Castiglione, eine Richtlinie des klugen Verhaltens behandelt, allerdings nicht für den normalen Hofmann, sondern für den Fürsten, den Herrscher an sich.

Ein guter und kluger Herrscher sollte eine fuchsgleiche Intelligenz, List und Verschlagenheit besitzen. Diese Beschaffenheit des Fuchses „muss er durch Stellen und Verstellen wohl zu verdecken wissen“.[12] Stellen und Verstellen werden unter diesem Kontext zur deutschen Übersetzung der Termini Simulation und Dissimulation. Laut Machiavelli sind die wichtigsten zu stellenden Tugenden Aufrichtigkeit, Redlichkeit, Sanftmut und Gottesfurcht. „Auf diese Weise soll das Simulationsrepertoire mit ethisch wirkungsvollen Rollen ausgestattet werden.“[13]

Daneben bewahrt der König sein Ansehen in der Öffentlichkeit dadurch, dass das Aufdecken und die Bestrafung der Verschwörung in der Stille geschehen. Zusätzlich steigert er die Ehrfurcht seiner engen Vertrauten, die von seinen heimlichen Plänen wussten. Ein falsches und nicht erfolgreiches Verhalten des Königs wäre es, wenn er versucht seinen Verschwörer mit der Wahrheit zu konfrontieren. Dieses erfolglose Verhalten wird in Calderóns De un castigo tres venganzas, wo der Duque die Verstellungskunst des Verschwörers unterschätzt. „Gegen die List der Verschwörer kann nur durch eine Gegenlist ein Erfolg erzielt werden.“[14]

3.3. Ansehen der List

Machiavelli gilt als der erste, der die List als einzig mögliches erfolgreiches Mittel der Politik bekräftigt. Im Siglo de Oro entwickelten sich in Anlehnung an Machiavellis These zwei verschiede Strömungen bei den spanischen Denkern. Zum einen „die Idealisten, die eine utopische Lösung vorschlagen, und diejenigen, die den Gegebenheiten der Realität Rechnung tragen.“[15] Vertreter der ersten Richtung sind zum Beispiel Juan de Mariana und Francisco de Quevedo, welche die List als Mittel der Politik verdammen, und die Reinigung des Hofes von allen verderblichen Elementen, die den Herrscher zur Anwendung einer List zwingen könnten, vorschlagen.

Auf der anderen Seite stehen Autoren wie J. Setanti und Saavedra Fajardo, die versuchen, die Trennung von Politik und christlicher Ethik aufzuheben. Hier wird die Ansicht vertreten, dass „obwohl Verstellung und Verschlagenheit keine königlichen Tugenden seien, seien sie im Hinblick auf die Umstände für das Regieren notwendig.“[16] Wichtig ist nur, wie schon im vorherigen Kapitel erwähnt, dass nichts an die Öffentlichkeit dringt, nur dann ist jede List, die zum Schutze der eigenen Person dient, vertretbar.

4. El Conde Lucanor (exemplo I)

4.1. Inhalt

Im ersten exemplo berichtet der Conde Lucanor seinem Berater Patronio, dass ein angeblich guter Freund das Land verlassen will, und in Folge dessen er ihm, dem Conde Lucanor, Teile seines Besitzes verkaufen und den Rest in seine Hände zur Verwaltung legen möchte. Patronio hält dies jedoch für einen Trick des Freundes, um den Grafen in Versuchung zu führen.

Als Rat berichtet Patronio von einem ähnlichen Fall, dem einem König wiederfahren ist.

Jener König hatte einen Minister, dem er großes Vertrauen schenkte. Die anderen ministros waren sehr neidisch auf diesen einen Minister und ließen keine Gelegenheit aus, ihn beim König schlecht zu machen.

Doch der König hörte nicht darauf. Eines Tages jedoch wurde dem rey erzählt, dass dieser vertraute Minister nach seinem Leben trachtet. Zur Wahrheitsfindung und zur Prüfung seiner Loyalität erklärte der König seinem Minister, dass er sein Leben satt habe und sein Königreich verlassen wolle. Der Minister solle dann in der Abwesenheit des Königs dessen Land verwalten und des Königs Frau und Sohn beschützen.

Nachdem der König sein Leid mehrmals bekundet hatte, glaubte der Minister schließlich wirklich daran und freute sich sehr darüber, dass er nun bald nach seinem eigenen Sinn regieren könne.

Dieser Minister hatte bei sich zu Hause einen gefangenen Philosophen, bei dem er sich gelegentlich Rat holte. Jener Gefangene durchschaute die List des Königs und warnte den Minister. Daraufhin rasierte sich der Minister Bart und Haare, zog sich ein sehr altes Gewand sowie ausgetretene Schuhe an und nahm eine hohe Summe Geld unter sein Bettlergewand.

Als dann die Sonne aufging, begab er sich zum Palast und ließ den König heimlich wecken. Erstaunt vom Erscheinungsbild des Ministers fragte der König ihn, was dieses Auftreten zu bedeuten habe. Daraufhin antwortete der Minister, dass er vom König so viel Gutes und Positives erfahren habe, dass es seine Pflicht sei, ihn auch auf diesem neuen Weg zu begleiten und zu dienen.

Als der König nun sah, dass die anderen Minister gelogen hatten, und die Loyalität seines vertrauten ministro ungebrochen war, beichtete er dem Minister von seinen Test.

Nach dieser Geschichte rät Patronio dem conde Lucanor genauso zu handeln wie der Minister. Anschließend handelt der Graf erfolgreich auf dieselbe Art und Weise.

4.2. Die Verstellung im exemplo I

Im ersten exemplo treten Täuschung und Simulation zwischen Hofmänner-König, König-privado und privado-König auf. Hierbei sind verschiedene Formen und Stärkegrade der Verstellung zu beobachten.

Die Hofmänner handeln aus Neid und Egoismus und verstellen sich mehrfach auf sprachlicher Ebene.

Dieser ständige und letztlich auch erfolgreiche Versuch der ministros, den König zu manipulieren und zu täuschen, benennt Mariano Baquero Goyano als „pluralidad de opiniones“[17].

Damit soll ausgedrückt werden, dass das Einwirken von Meinungen auf eine Person, vieles an seiner eigenen Handlung und Denkensweise ändern kann. Hätten die eifersüchtigen Hofmänner nicht den König andauernd mit ihren falschen Behauptungen unter Druck gesetzt, hätte der rey niemals an der Loyalität seines verrauten Ministers gezweifelt.

Verunsichert von den falschen Aussagen seiner Berater über den privado, bedient sich der König ebenfalls einer sprachlichen Täuschung, um seinen vertrauten ministro zu testen. Seine Verstellung ist moralisch nicht verwerflich, da er als kluger und vorsichtiger Staatsmann sich nur zum eigenen Schutz und der Wahrheit wegen verstellt.

“Et estando a cabo de algunos días el rey fablando con aquel su privado, entre otras razones muchas que fablaron, començól’ un poco a dar a entender que se despagava mucho de la vida deste mundo et quel’ paresçía que todo era vanidat. Et entonçe non le dixo más. Et después, a cabo de algunos días, fablando otra vez con el aquel su privado, dándol’ a entender que sobre otra razón començava aquella fabla, tornól’ a dezir que cada día se pagava menos de la vida deste mundo et de las maneras que en él veía. Et esta razón le dixo tantos días et tantas vegadas, fasta que el privado entendió que el rey non tomava ningún plazer en las onras deste mundo, nin en las riquezas, nin en ninguna cosa de los vienes nin de los plazeres que en este mundo avié.”(Don Juan Manuel)[18]

Der König beginnt erst vorsichtig und langsam mit seiner Täuschung. Zunächst erzählt er seinem vertrauten ministro bei jeder nur möglichen Gelegenheit und mit jedem Tonfall, dass er sein momentanes Leben leid sei. Nachdem der König dem Vertrauten überzeugt hat, steigert er sich, indem er dem ministro offenbart, dass er ihm alles anvertrauen will.

Nachdem der privado mit Hilfe seines gefangenen Philosophen die List des Königs durchschaut, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich ebenfalls der Verstellungskunst zu bedienen, um dem Monarchen zu beweisen, dass er ein treuer und zuverlässiger Diener des Königs ist.

Seine List und seine Verstellung müssen jedoch stärker und intensiver sein, wenn es sein Anliegen ist den König wirklich überzeugen zu wollen.

Aus diesem Grund bedient er sich nicht nur, wie die anderen Hofmänner und der König, der sprachlich Verstellungskunst, sondern er macht sich, wie schon in Punkt 2.2.3. erwähnt, die Möglichkeit der Verstellung, indem der sich verkleidet, zunutze. Seine Absichten das persönliches Hab und Gut zurückzulassen, damit er mit seinem König das Land verlassen kann, gibt er nicht nur sprachlich wieder, sondern er untermauert es durch das Anziehen von Lumpen und das Rasieren seiner Kopfhaare. Mit diesem vorausschauenden und umsichtigen Verhalten wirkt er auf den König viel glaubhafter. Mit dieser extremen Art der Verstellung, die natürlich moralisch nicht verwerflich ist, da sie ja ausschliesslich nur dem Selbstschutz dient, kann der ministro die falschen Vorwürfe widerlegen und seine Position bei Hofe stärken.

5. El mejor alcalde, el rey

5.1. Inhalt

Die wichtigsten Figuren dieser barocken Komödie, die in Galicien spielt, sind Elvira (die Verlobte), Sancho (der Verlobte), Nuño (Elviras Vater), Pelayo (Nuños Diener), Don Tello (Edelmann und Gutsherr), Feliciana (Don Tellos Schwester) und König Alfonso VII.

Im ersten Akt gesteht Sancho seine Liebe zu Elvira, und bittet Nuño um ihre Hand. Da Sancho nur ein einfacher Hirte ist, und selber weder Vieh noch Land besitzt, verlangt Nuño, der selber ein angesehener Bauer ist, von Sancho, dass er zu seinem Herrn Don Tello gehen soll, um ihn um Hilfe zu bitten, damit er, Sancho, Elvira heiraten kann.

Nicht allzu begeistert von dieser Aufforderung begibt sich Sancho trotzdem in Begleitung von Pelayo zu Don Tello. Nachdem Sancho sein Anliegen vorgebracht hat, schenkt der Edelmann seinem Hirten Sancho 20 Kühe und 100 Schafe, zusätzlich verspricht er, zusammen mit seiner Schwester Feliciana als Pate zur Hochzeit zu kommen.

Erfreut von der grossen Güte Don Tellos werden sofort alle Vorbereitungen getroffen, um noch am selben Abend zu heiraten.

Als nun am Abend Don Tello und seine Gefolgschaft in Nuños Haus eintreffen, und er zum erstenmal Elvira sieht, verliebt er sich Hals über Kopf in ihre Schönheit. Daraufhin beschliesst er die Hochzeit zu verschieben, mit dem Vorwand, dass er das Brautpaar noch mehr ehren möchte.

Enttäuscht von dieser Entscheidung ziehen sich alle zurück. Don Tello kehrt jedoch in der Nacht mit seinen maskierten Dienern, als nur noch Elvira und ihr Vater im Haus sind, zurück, um Elvira zu entführen.

Zerfressen von Wut und Eifersucht geht Sancho in Begleitung von Nuño, zu Beginn des zweiten Aktes, zur Burg von Don Tello, um seine Verlobte zurückzuholen. Da Don Tello Elvira, bis er sie nicht erobert hat, nicht freilassen will, und er stattdessen die beiden rausprügeln lässt, entschliesst sich Sancho zusammen mit Pelayo nach León zu gehen, um König Alfonso VII die ihm widerfahrende Ungerechtigkeit zu berichten.

Der König empfängt Sancho und ist mit der Vorgehensweise Don Tellos nicht einverstanden. Daraufhin schreibt er einen Brief, indem er Don Tello befiehlt Elvira sofort freizulassen.

Wieder zurück in Galicien übergibt Sancho den Brief an Don Tello. Trotz des klaren Befehls vom König denkt Don Tello nicht daran, dem Wunsch zu entsprechen. Niedergeschlagen entscheidet sich Sancho, ein letztes Mal nach León zu reiten.

Im dritten Akt berichtet Sancho dem König zunächst ausführlich, wie Don Tello auf den Brief reagiert hat. Alfons VII beschliesst danach, nun selber für Gerechtigkeit zu sorgen. Sancho und Pelayo kehren erst mal wieder in das Haus Nuños zurück. Anschliessend folgen ihnen der König und zwei seiner Gefährten ohne, dass Sancho und Pelayo den anderen sagen, wer sie sind. Nachdem der König in Galicien angekommen ist, kehrt er gemeinsam mit Sancho in die Burg von Don Tello ein.

Alfons VII gibt sich erst nicht zu erkennen, und behauptet, dass er ein Bürgermeister aus Kastilien sei. Nach einem kurzen Wortgefecht sagt der König Don Tello wer er wirklich ist. Erschrocken und ängstlich entschuldigt sich Don Tello für sein gesamtes Verhalten.

Doch als Elvira dazukommt und erzählt, dass Don Tello sie entehrt hat, befielt der König ihn zu köpfen. Zuvor jedoch soll Don Tello Elvira heiraten, um ihre Ehre wieder herzustellen.

Nach der Hinrichtung heiraten Sancho und Elvira und erben die Hälfte von Don Tellos Besitz.

5.2. Die Verstellung im „El mejor alcalde, el rey“

Die Verstellungskunst spielt in diesem Theaterstück eine zentrale Rolle. Sie wird hier gezielt von allen sozialen Schichten verwendet, sei es vom König, dem Edelmann oder sogar dem einfachen Hirten und Bauern.

Auf der einen Seite steht Don Tello, der es schafft, durch grosszügige Geschenke, sich so klug zu verstellen, dass all die anderen denken er sei perfekt und ehrenhaft:

Cierto que en don Tello vi

un señor todo perfeto,

porque, en quitándole el dar,

con que a Dios es parecido,

no es señor; que haberlo sido

se muestra en dar y en honrar.

Y pues Dios su gran valor

quiere que dando se entienda,

sin dar ni honrar no pretenda

ningún señor ser señor.[19] (L.de Vega)

Seine wahren Gedanken und seine wirklichen Absichten, nachdem er sich angeblich Hals über Kopf in Elvira v e r l i e b t hat, offenbart er nur seine Diener Celio. Ihm sagt Don Tello, dass er Elvira nur so lange besitzen will, bis er genug von ihr hat, um sie anschliessend dem dummen Sancho wieder zu überlassen: „Después que de ella me case, podrá ese rústico necio casarse…“[20] Er ist nur von Neid besessen, weil es seiner Meinung nach nicht sein kann, dass ein einfacher Bauer solch eine Schönheit wie Elvira bekommen soll.

Ein weiterer Moment, in dem Don Tello erstmals seine Verstellungskünste anwendet, ist, als Sancho und Nuño zu ihm kommen und ihm zunächst berichten, was vorgefallen ist. Obwohl Don Tello selber Elvira entführt hat und sie auf seinem Anwesen gefangen hält, spielt er den beiden vor, dass er ihr Freund sei und es ihm Leid täte, des weitern verspricht er diejenigen zu bestrafen, die es gewagt haben dies zu tun: „Pésame gravemente, Sancho amigo…yo te haré justicia.“[21]

Sancho ist in diesem Stück die Figur, die am klügsten die Kunst des Verstellens und Simulieren nutzen muss, da er sein Ziel, Elviras Befreiung, erreichen möchte, ohne getötet zu werden.

Da er nur ein Hirte und Bauer ist, gibt es für ihn keine andere Möglichkeit, als sich immer sehr vorsichtig und überlegt zu verhalten und eine wohl durchdachte Sprachtaktik anzuwenden.

Nachdem Elvira entführt worden ist, würde Sancho am liebsten Don Tello sofort aufsuchen und ihn töten. Obwohl er vor Wut und Eifersucht kaum zu halten ist, schafft es Nuño ihn zu beruhigen.

Als nun am nächsten Tag, Sancho und Nuño, zu Don Tello gehen, versucht Sancho seinen Zorn zurück zu halten. Er spricht voller Respekt zu Don Tello, und versichert ihm, dass er trotz der Aussagen von anderen Bauern es nicht glaubt, dass Don Tello verantwortlich für diese Tat sei:

Dicen en el lugar, pero es mentira,

siendo quien eres tú, que, ciego amante

de mi mujer, autor del robo fuiste,

y que en tu misma casa la escondiste.

-¡Villanos, dije yo, tened respeto!;

don Tello, mi señor, es gloria y honra

de la casa de Neira, y, en efeto,

es mi padrino, y quien mis bodas honra-.[22]

Mit dieser Art zu reden, versucht Sancho Don Tello sein schlechtes Handeln vor Augen zu führen. Doch trotz der ganzen Vorsicht im Umgang mit Don Tello beschuldigt Sancho indirekt Don Tello Urheber des Übels zu sein. Hierzu nutzt Sancho die Metapher des grossen Baumes für Don Tello:

[…] llegué al árbol m´s alto, y a reveses

y tajos igualé sus blancas mieses.

No porque el árbol me robase a Elvira,

mas porque fue tan alto y arrogante,

que a los demás como a pequeños mira.[23]

Sancho ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man seine Gefühle in bestimmten Situation verbergen muss, um nicht angreifbar und verletzbar zu werden. Er gibt durch sein vorsichtiges Verhalten und seiner klugen Verstellung Don Tello nicht zwingend die Möglichkeit ihn töten zu lassen, obwohl Don Tello in einigen Momenten schon den Befehl dafür geben wollte.

Eine überraschende Figur stellt meiner Meinung nach Pelayo dar. Er nimmt in Lope de Vegas Stück die komische Rolle ein. Die ganze Zeit über scheint er ein Dummkopf zu sein, da er ständig nur von Essen redet und das wiederholt, was die anderen sagen. Zusätzlich merkwürdig erscheint sein eigenartiger bäuerlicher Dialekt. Trotz alledem scheint er der Einzige zu sein, der die wirklichen Gedanken Don Tellos durchschaut hat, obwohl dieser seine Absichten nur seinem Diener Celio anvertraut hat.

Am Ende des zweiten Aktes bewahrt er Sancho davor unüberlegt seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, und erklärt ihm, warum er sich noch keine Sorgen um die Unschuld von Elvira machen muss, da sonst Don Tello sie schon lägst freigelassen hätte, wenn er sein Ziel erreicht hätte:

Sancho, tente,

que siempre es consejo sabio,

ni pleitos con poderosos

ni amistades con criados.

[…]

Camina, Sancho,

que éste no ha gozado a Elvira.

[…]

De que nos la hubiera vuelto

Cuando la hubiera gozado.[24]

Wie schon in Kapitel 3.2. erwähnt, muss der König in der Lage sein ebenfalls klug und listig zu handeln, um „wahr von falsch und Freund von Feind zu unterscheiden.“[25] Alfonso VII verkörpert diese Tugenden als rechtschaffener König. Er versucht zwar zunächst das Problem zu lösen, indem er Don Tello einen Brief schreibt, er möge Elvira sofort freilassen, doch als der König sieht, dass sein Wunsch und Befehl nicht respektiert wird, kümmert er sich persönlich um die Lösung des Konflikts.

Um sich am Anfang einen besseren Überblick über die Situation vor Ort zu verschaffen, tritt er nicht direkt als König auf, sondern er gibt sich als alcalde aus, um die wahre Loyalität und den wahrhaftigen Charakter Don Tellos zu prüfen.

Der König stellt sich bewusst auf dieselbe Stufe mit Don Tello. Als dann schliesslich der König merkt, dass Don Tello weder Briefe noch Befehle des Königs respektiert und befolgt, gibt er seine Identität preis: „¡Pues yo soy el Rey, villano!“[26] Indem der König Don Tello villano nennt, degradiert er Don Tello und macht ihn nun auch zum einfachen Bauer.

[...]


[1] Glogowski, E. (2005)

[2] Müller, W.G. (1989), S.195

[3] Müller, W.G. (1989), S.196

[4] Müller, W.G. (1989), S.196

[5] Müller, W.G. (1989), S.198

[6] Müller, W.G. (1989), S.199

[7] Müller, W.G. (1989),S.199

[8] Geitner (1992), S.21

[9] Müller, H.-J. (1977), S.85

[10] Müller, H.-J. (1977), S.86

[11] Müller, H.-J. (1977), S.83

[12] Geitner (1992), S.24

[13] Geitner (1992), S.27

[14] Müller, H.-J. (1977), S.84

[15] Müller, H.-J. (1977), S.87

[16] Müller, H.-J. (1977), S.88

[17] M. Baquero Goyanes (1982), S.28

[18] D.J. Manuel (2005), S.6

[19] Lope de Vega (1997), S.82

[20] Lope de Vega (1997), S.90

[21] Lope de Vega (1997), S.104

[22] Lope de Vega (1997), S.104

[23] Lope de Vega (1997), S.104

[24] Lope de Vega (1997), S.125

[25] Müller, H.-J. (1977), S.83

[26] Lope de Vega (1997), S.150

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Details

Titel
Die Kluge Verstellung bei Don Juan Manuel und Lope de Vega
Hochschule
Universität zu Köln  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Don Juan Manuel: El Conde Lucanor
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V50498
ISBN (eBook)
9783638467056
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kluge, Verstellung, Juan, Manuel, Lope, Vega, Juan, Manuel, Conde, Lucanor
Arbeit zitieren
Carlos Gomez Cortes (Autor:in), 2005, Die Kluge Verstellung bei Don Juan Manuel und Lope de Vega, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50498

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