Diminutive im Deutschen, Italienischen und Englischen - Ein Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

29 Seiten, Note: 2,6


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Deutsch
2.1 Die Geschichte der deutschen Diminutivsuffixe – ein Überblick
2.2 Die Bildung der deutschen Diminutive
2.2.1 Substantive
2.2.2 Adjektive
2.2.3 Verben
2.2.4 Eigennamen
2.3 Bedeutung

3. Italienisch
3.2 Die Bildung der italienisch Diminutive
3.1.1 Substantive
3.1.2 Eigenamen
3.1.3 Adjektive
3.1.4 Verben
3.2 Bedeutung
3.3 Vergleich Deutsch – Italienisch

4. Englisch
4.1 Die Bildung der englischen Diminutive
4.1.1 Das Suffix –ie
4.1.2 Das Suffix –ette
4.1.3 Das Suffix –let
4.1.4 Das Suffix –ling
4.1.5 Die Suffixe –kin und –een

5. Conclusio

6. Bibliographie

1.Einleitung

Diminutive begegnen uns überall, sei es in der Literatur oder im täglichen Sprachgebrauch. Meist haben sie eine weitaus größere Bedeutung als nur die simple Verkleinerung von etwas. Negativ oder positiv konnotiert, können sie Stimmungen und Meinungen transportieren. Oft sind sie Träger von Ironie oder spöttischen Bemerkungen, aber auch von verniedlichenden und liebkosenden Aussagen. Besonders bei Eigennamen fällt der häufige Gebrauch von Diminutiven auf. Doch nicht nur im Deutschen werden diese Verkleinerungsformen gebildet, auch das Italienische ist reich an diminuierten Bildungen. Gegenstand dieser Arbeit ist der Vergleich von deutschen und italienischen Diminutiven, sowohl in der Derivation als auch hinsichtlich der Bedeutung. Darüber hinaus wird auch das Englische untersucht, dem oft nachgesagt wird, keinerlei synthetische Diminutive zu kennen.

Zuerst wird auf die Geschichte der deutschen Diminutivsuffixe etwas näher eingegangen, danach soll die Bildung und die Bedeutung erarbeitet werden. Im Italienischen wird ein Überblick über die Derivation der Diminutive erstellt, ebenso wie im Englischen, wobei hier das Gewicht auf die Erarbeitung der Suffixe gelegt wird. Hierbei stütze ich mich vor allem auf Pelligrinis Dissertation „Die Diminutive im Deutschen und im Italienischen“[1] und auf Schneiders „Diminutives in English“[2].

2. Deutsch

2.1 Die Geschichte der deutschen Diminutivsuffix – ein Überblick

Die Entwicklung der deutschen Diminution war und ist ein streitbares Feld der germanistischen Linguistik. Albert Polzin ging in seiner Dissertation[3] von einem massiven lateinischen Einfluss aus, der maßgeblich an der Entstehung und Zunahme der deutschen Diminutivformen beteiligt war. Er war der Meinung, dass durch Unterricht und Predigten durch Geistliche, lateinische Diminutivformen dem Volk näher gebracht wurden, und ihm so geläufig wurde. Hastenpflugs[4] Einwand dagegen ist allerdings, dass sich in kirchlichen Predigten nur sehr wenig Diminutive finden ließen. Polzin zeigt darüber hinaus auf, dass in der althochdeutschen Originalliteratur sehr wenig diminuierte Formen vorkommen. Etwaige, selten anzutreffende Diminutive seien alle lateinischen Ursprungs. Er geht davon aus, dass Latein die deutsche Diminution nicht nur bezüglich der Form beeinflusst hat. Auch auf die Funktion wirkte es ein. Diminutive stellen Derivate dar, wobei ein Lexem unter zu Hilfenahme eines Suffixes verändert und nicht ein Adjektiv angehängt wird, um eine Bedeutungsänderung zu kennzeichnen. Dagegen steht die Behauptung F. Wredes[5], die deutschen Diminutivformen hätten sich überwiegend aus Personennamen und deren Koseformen gebildet. Des weiteren ist er überzeugt, dass die alten Diminutivsuffix – el, - elin und - ekin von jeher zum Inventar des Deutschen gehören:

[Polzin] macht sich nicht recht klar oder schafft sich nicht die rechte Brücke zu der Tatsache hinüber, dass die alten – el, - elin und – ekin doch autochtone, echt deutsche und irgendwie im Deutschen immer vorhanden gewesen sein müssen oder sich leicht entwickeln konnten.(Wrede 1908: 132)

Gegen die These Polzins spricht auch die Verbreitung der Diminutive im Mittelhochdeutschen; sie waren überwiegend Gegenstand der Sprache des Volkes, weniger der des Klerus. Öhmann dagegen geht von einem starken französischen Einfluss auf die deutsche Diminutivbildung aus.[6] Er nimmt an, dass die französische Hofliteratur die deutsche Literatur maßgeblich beeinflusst hat, auch, was die Bildung von Diminutiven anbelangt. Bei der Übersetzung französischen Minnegesangs wurden Diminutive oft wörtlich in das Deutsche transformiert. Außerdem weist er ähnliche Bedeutungsfelder der Diminutive auf, wie zum Beispiel Anredewörter, Schmuck und Kleidungsstücke, Körperteile, Vögel und Blumen. Sicher ist, dass das germanische Suffix – ilan beziehungsweise feminin – ilon weiter in althochdeutschen Bildungen bestand hatte, wie burgila (kleine Burg), turila (kleine Tür) oder niftila (Nichte). Ebenso das germanische Suffix – ika (n), das häufig in Eigennamen anzutreffen ist, wie im Gotischen Gibika und im Althochdeutschen Gibicho. Aus diesen Suffixen entwickelte sich das Adjektivsuffix – in.[7] Henzen schreibt:

In dem Adjektivsuffix – in wird auch die Wurzel des neutralen Geschlechts unserer deutschen Diminutiva stecken: diese sind letzten Endes nichts anderes als substantivierte Neutra von Adjektiven.(Henzen 1957: 143)

Das Suffix – in kann im Gotischen belegt werden. qino (Weib), Adjektiv qineins (weiblich) und das Diminutiv qinein (Weibchen). Letzteres besitzt eine etwas verächtlich Konnotation. Weitere Beispiele wären gaits (Gaiß) und gaitein (Böcklein), sowie guma (Mann) und gumein (Männlein)[8]. – in verschmilzt mit – l- Suffix und bildet die Endungen –(i)lin, das im Neuhochdeutschen dann zu – lein wird. Im Althochdeutschen wird das Suffix überwiegend für Gerätenamen und Nomina agentis verwendet, die auf – il enden, wie zum Beispiel meizil und meizilin, butil und butilin oder im Mittelhochdeutschen gümpel und gümpelin. Ebenso zeigt es sich produktiv bei Wörtern auf – al, wie fogal und fugilin oder sezzal und sezzilin. Im Mittelhochdeutschen breitet sich das selbstständige Suffix weiter aus und findet reiche Verwendung sowohl für Lebewesen als auch für leblose Gegenstände, sowie für Vorgangs –und Zustandsbezeichnungen. Beispiel hierfür wären dankelin, zornelin und lobelin.[9] Aus diesem Suffix wurde im Neuhochdeutschen das Diminutivsuffix - lein. Das zweite, heute geläufige Suffix zur Diminution, - chen, entstand aus der Endung – (i)kin beziehungsweise – (i)chin. Im Mittelalter waren diese Suffixe weit verbreitet und sehr produktiv. Gürtler stellt in seiner Arbeit[10] ein Zeitschema auf, das zeigt, wann welches Suffix am häufigsten war. Demnach überwog bis 1500 – lein, das im 16. Jahr- hundert - chen fast vollends verdrängt hatte. Luthers häufige Verwendung von – lein förderte diese Entwicklung noch. Zwischen 1620 und 1660 ist keine eindeutige Tendenz festzustellen, aber um 1700 überwiegt die Verwendung von – chen. Auch Schiller bediente sich immer mehr dem Suffix – chen. Heute wird – chen in der Prosa bevorzugt.

2.2 Die Bildung der deutschen Diminutive

2.2.1 Substantive

Beginnen möchte ich mit der Diminutivbildung bei Substantiven. Wie schon erwähnt sind – chen und – lein die produktivsten und weitaus am häufigsten gebrauchten Diminutivsuffixe. Deutsche Diminutive sind immer Neutra, das Geschlecht des Ausgangswortes ist ohne jegliche Bedeutung. Ausschlaggebend für die Wahl des Suffixes ist der Auslaut des Grundwortes. Substantive, die auf – l auslauten werden ausschließlich mit – chen gebildet.

Spiel – Spielchen

Stall - Ställchen

Das Suffix – lein erfahren Grundwörter mit – ch oder – g Auslaut. Hierzu gehören:

Bach - Bächlein

Dach – Dächlein

Zwerg - Zwerglein

Beide Möglichkeiten bestehen bei – e und - en Auslaut.

Katze - Kätzlein – Kätzchen

Dabei verlieren sie das – e beziehungsweise – en. Meist wird ein Umlaut des Stammvokals gebildet.

Maus – Mäuschen

Allerdings unterbleibt bei – chen der Umlaut in manchen Fällen, wie bei Auslaut auf – er oder auch bei Rufnamen und Personenbezeichnungen.

Karlchen, Tantchen, Malerchen

Weitere Suffixe sind eher selten und oft sind die mit ihnen gebildeten Diminutive lexikalisiert. Bei – el ist das Diminutive meist lexikalisiert.

Bund –Bündel

Knochen - Knöchel

Dünkel –mhd. Dunkelin zu dunk (schwache Vermutung)

Ebenso kann ein Grundwort oft nicht mehr isoliert werden, wie bei Ferkel. Die Verbindung der beiden Suffixe – el und – chen ist ebenso möglich.

Blume – Blümelchen

Des weiteren gibt es durchaus produktive Fremdsuffixe.

ine - Violine

–it - Meteorit

–ette - Stiefelette, Pantolette

Als Präfixe wären noch Mini -, Liliput - oder Zwerg(en) - anzuführen.

Minirock, Minikleid

Liliputformat

Zwerghuhn, Zwergenstaat

Bei Endung –e fällt diese vor einem Diminutivsuffix aus:

Hase –Häschen

Katze - Kätzchen

- er im Singular bleibt bestehen:

Reiter - Reiterlein

Nur vor – chen bleibt der Auslaut – el erhalten oder es wird angeglichen.

Beutel –Beutelchen

aber Vogel-Vöglein

Esel- Eselein

Die Endung – en stellt einen Sonderfall dar. Bei vielen Substantiven, selbst wenn eine Bildung möglich ist, ist die diminuierte Form sehr ungewöhnlich und nahezu gar nicht im Sprachgebrauch zu finden. Henzen schreibt dazu:

Die Wörter auf heutiges – en werden verschieden behandelt: ursprünglich schwache Maskulina, die erst im Nhd. – en in den Nominativ gezogen haben, bilden die Diminutivform nach alter Regel mit Abstoßung des – e: Bißchen, Gärtchen, Brünnchen, Kästchen, Zäpfchen, Knötchen. Hiernach richten sich gelegentlich dann auch – ana und – ama - Stämme: Fädchen, Öfchen. Doch sind solchen Analogiebildungen nur in beschränktem Umfang aufgekommen: tatsächlich bleiben uns Diminutivformen von Wörtern auf – en, - em ungeläufig, auch wenn die Bedeutung eine Verkleinerung wohl gestatten würde (z.B. von Besen, Busen, Wagen, Boden, Degen), wenigstens schriftsprachlich. (Henzen 1957:149f.)

Bei möglichen Bildungen fällt entweder - en weg oder wird in – el verwandelt.

Garten - Gärtchen

Faden – Fädlein

Wagen –Wägelchen

Derivate mit bestimmten Suffixe gestatten in der Regel kein Diminution. Dazu gehört das Suffix – in bei Feminina wie Schülerin oder das bereits ursprünglich als diminutive verwendete – ling (Jüngling), ebenso wie – sel (Mitbringsel).Darüber hinaus Abstraktsuffixe wie – nis (Kenntnis), -tum (Heldentum) –schaft (Gesellschaft), -ung (Hoffnung)- ität (Nationalität),-ion (Nation),-ismus (Sozialismus), -age (Blamage).[11] Des weiteren ist ein Diminution nicht möglich bei

Nominalisierungsprodukten von Verben: Fahrt, Fahrerei, Gefahre, Befahrung

nominalisierten verbalen Syntagmen: das Zustandekommen, das Außerachtlassen, die Inbetriebnahme

langen zusammengesetzten Substantiven: Interkontinentalrakete

Fremdwörtern auf einen Vokal: Auto, Kino, Aula, Taxi, Drama (Klimaszewska 1983:48)

Hier könnte kritisiert werden, dass eine diminuierte Form von Auto, nämlich Autochen, durchaus im Sprachgebrauch denkbar ist. Selten sind Diminutive bei Maschinen und Instrumenten, bei pluralfähigen Sammelwörtern wie Wild oder Vieh sind sie gar nicht möglich. Ebenso sind Verkleinerungsformen bei Berufsbezeichnungen, Bezeichnungen für Nationalitäten, Ländernamen, Namen der Wochentage und Monate unüblich, wenn auch nicht ganz ausgeschlossen. Allgemein werden nur Personen und Sachbezeichnungen diminuiert.

Eine weitere Kategorie bilden lexikalisierte Diminutive, deren Beziehung zum Ausgangswort nicht mehr ersichtlich ist oder deren Bedeutung sich vom Basiswort vollkommen isoliert hat. Die diminuierten Formen werden als solche nicht mehr wahrgenommen, da diese Wörter schon eine eigene Bedeutung erfahren haben.

Es handelt sich [...] um Diminutivbildungen, bei denen kein diminutivischer Sinn mehr gefühlt wird, da sich der besondere Gefühlswert der Diminutivform gegenüber dem Stammnomen verloren hat. Hierbei spielen Untergang des Grundwortes oder Veränderung der primären Bedeutung eine Rolle. Dadurch kommt es zu einer Einbusse der verkleinernden Bedeutung. Es ist dann auch kein Wechsel zwischen den beiden Suffixen –chen und –lein möglich.(Pellegrini 1977:10)

Hierzu gehören:

Kaninchen, Fräulein, Mädchen, bisschen

Das mit einem Fremdsuffix gebildete Violine ist ebenfalls lexikalisiert, da es sich nicht, wie oft vermutet, um eine klein Viola handelt, sondern um ein eigenständiges Instrument. Des weiteren gibt es lexikalisierte Diminutive, die fest an eine Redensart gekoppelt sind.

Sein Mütchen kühlen

Ein Schnippchen schlagen

Mäuschenstill

Auch hier ist es nicht möglich, das Suffix zu wechseln, mäusleinstill oder ein Schnipplein schlagen ist ungeläufig.

Nicht wenige [Wörter] lassen sich als Diminutiva auffassen, namentlich solche, denen ein synonymes Grundwort zur Seite steht, wie Angel, Nessel, Niftel, Runzel, Trommel, Zipfel. Aber in der Bildung selbst liegen diese bestimmten Bedeutungen nicht. Der Aermel ist nicht ein kleiner Arm, sondern Teil des Gewandes, der zum Arm gehört oder armähnlich ist, Eichel ist nicht eine kleine Eiche, sondern die Frucht der Eiche. Tölpel nicht ein kleines Dorf, sondern ein Mensch, der aus dem Dorfe kommt und ein Benehmen zeigt, wie es bei Dorfbewohnern ist.(Wilmanns 1930:267)

So sind dies zwar Diminutive, die sich allerdings von ihrer ursprünglichen Bedeutung entfernt haben, und eine eigene Bedeutungsebene erreicht haben .

[...]


[1] Pellegrini, Ines Angela. 1977. Die Diminutive im Deutschen und im Italienischen. Zürich: Juris Druck und Verlag

[2] Schneider, Klaus P..2003. Diminutives in English. Tübingen: Max Niemeyer

[3] Polzin,Albert.1901. Studien zur Geschichte des Deminutivums im Deutschen.(Quellen und Forschungen zur Sprach-und Culturgeschichte der germanischen Völker, Band88) Straßburg

[4] Hastenpflug, Fritz. 1914. Das Diminutiv in der deutschen Orginalliteratur. Marburg

[5] Wrede, F.1908. „Die Diminutiva im Deutschen“ .in: Deutsche Dialektographie, Heft 1, S.71-144

[6] Öhmann, E.1946. „Die Diminutiva im Mittelhochdeutschen“ .in: Neuphilologische Mitteilungen, 47. Jahrgang, S.115-125

[7] Henzen, Walter.1957. Deutsche Wortbildung. Tübingen: Max Niemeyer

[8] Henzen 1957: 143

[9] Henzen 1957: 144f.

[10] Gürtler H. 1909. Das Diminutivsuffix –chen im Frühneuhochdeutschen. Düsseldorf

[11] Klimaszewska. 1983 . Diminutive und Augmentative Ausdrucksmöglichkeiten des Niederländischen, Deutschen und Polnischen. Warschau: Polska Akademia Nauk, S.47

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Diminutive im Deutschen, Italienischen und Englischen - Ein Vergleich
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,6
Autor
Jahr
2004
Seiten
29
Katalognummer
V50472
ISBN (eBook)
9783638466875
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diminutive, Deutschen, Italienischen, Englischen, Vergleich
Arbeit zitieren
Katja Weber (Autor:in), 2004, Diminutive im Deutschen, Italienischen und Englischen - Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50472

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