Inklusions- und Exklusionsprozesse bei minderjährigen Flüchtlingen


Hausarbeit, 2014

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen als Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland
2.1 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)
2.2 Begleitete minderjährige Flüchtlinge
2.3 Mögliche Exklusions- und Ausschlussrisiken

3. Erklärung der Ausschlussprozesse von Flüchtlingen am Beispiel der Stigmatheorie nach Erving Goffman
3.1 Soziale, persönliche und Ich-Identität
3.2 Erwartete und tatsächliche Identität
3.3 Stigmata als Normabweichung
3.4 Stigmata von minderjährigen Flüchtlingen

4. Partizipation als Chance zur Inklusion von minderjährigen Flüchtlingen
4.1 Empowerment als Handlungskonzept in der Flüchtlingsarbeit
4.2 Wie Partizipation und Inklusion gut gelingen können

5. Die Rolle der Sozialen Arbeit - benötigte Handlungskompetenzen der Fachkräfte

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Die Assoziationen in der Gesellschaft beim Begriff „Flüchtling“ sind alles andere als po- sitiv. Es werden ihnen häufig negative Eigenschaften wie faul, kriminell, Schmarotzer, etc. zugeschrieben. Die Bilder und Reportagen, die aktuell in den Nachrichten von Flüchtlings- dramen im Mittelmeer berichten, scheinen zudem an vielen Menschen spurlos vorüber zu gehen. Es wird primär darüber diskutiert, wie eine Abschreckung der Flüchtlinge aus- sehen oder wie die Grenzen der Zuwanderungsländer gesichert werden könnte. An die Ursachen der Flüchtlingsprobleme und die Situation der Flüchtlinge im Herkunfts- und Exilland wird in unseren Augen nur unzureichend gedacht.

Wie auch Thränhardt 2014 feststellt, „sind die gesellschaftliche Wirklichkeit und Wahr- nehmung von Migration und Integration keineswegs deckungsgleich.“ Seiner Meinung nach schilderten die Medien den Zuzug von Migranten stets als Problem (Thränhardt 2014, S. 5).

Es gibt viele Gründe, wie extreme Armut, Bürgerkrieg, Gewalt, politische Verfolgung und Naturkatastrophen die Familien bewegen, zusammen mit ihren Kindern oder ihre Kinder alleine, eine oftmals riskante, gefährliche oder sogar tödliche Flucht aus ihrem Herkunfts- land anzutreten zu lassen (vgl. Schmitt/Homfeldt 2014, S.15).

Im Exilland stehen junge Flüchtlinge mit oder ohne Familie vor vielfältigen Herausforder- ungen. Sie haben Bezugspersonen verloren und sich von ihrer gewohnten Umgebung ge- trennt. Sie müssen eine neue Sprache erlernen und sich einem Normensystem einfügen, das ihnen oft fremd erscheint. Sie müssen sich nicht selten eine neue Identität zulegen und für ihre wahre Biografie interessieren sich die wenigsten (vgl. Stauf 2012, S. 46 f.).

Die geflohenen Kinder und Jugendlichen haben oft traumatisierende Erlebnisse wie den Verlust der Eltern erfahren und befinden sich nun in einer fremden Umgebung. Dort ist es wichtig, dass sie Unterstützung, konstante Bindungen zu Bezugspersonen und Zuwend- ung erfahren sowie von allen Beteiligten Verständnis für ihre Situation aufgebracht wird. Zudem sollten die MitarbeiterInnen der Sozialen Arbeit auf die strukturellen und politischen Missstände aufmerksam machen (vgl. Schmitt/Homfeldt 2014, S. 16).

Wir haben das Thema “Inklusions- und Exklusionsprozesse minderjähriger Flüchtlinge” für unsere Arbeit gewählt, da es uns, aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutsch- land sehr interessiert und es durch die mediale Berichterstattung und öffentliche Diskussionen über Flüchtlingsheime sehr präsent ist.

Ziel der Arbeit ist es die spezifischen Bedingungen von (begleiteten sowie unbegleiteten) minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland darzustellen und aufzuzeigen, wie durch Partizipations- und Inklusionsprozesse ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ver- bessert werden kann.

Zunächst wird die Lebenswelt von minderjährigen Kindern und Jugendlichen, die als Flüchtlinge in Deutschland leben, vorgestellt. Im Anschluss wird der Exklusionsbegriff definiert und mögliche Risiken für Ausschließungs- und Exklusionsprozesse werden dar- gestellt. Anhand der Stigmatheorie von Goffman wird ein theoretischer Erklärungsversuch zu sozialem Ausschluss und der Exklusion von Flüchtlingen unternommen. Zunächst werden die Prämissen von Goffmans Stigmatheorie erläutert und anschließend auf die Lebenswelten und Ausschließungsprozesse von Flüchtlingen übertragen. Abschließend wird aufgezeigt, wie mit Hilfe von Partizipation und Empowerment als Handlungskonzept eine Inklusion von Flüchtlingen gelingen kann und was der Auftrag der Sozialen Arbeit ist.

2. Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen als Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland

Die Geschichte der BRD ist bereits seit den 1960er Jahren mit Einwanderung verknüpft, auch wenn in der Vergangenheit häufig nur von Gastarbeitern gesprochen wurde. Seit spätestens 2011 ist klar - Deutschland ist zum wichtigsten Einwanderungsland in Europa geworden und wird hauptsächlich von Menschen aus Polen, Rumänien, Ungarn, Bulga- rien, Italien oder Spanien als neue Heimat gewählt (vgl. Thränhardt 2014, S. 5f.).

Zusätzlich zu den Einwanderern der letzten Jahre gibt es seit den Bürgerkriegen 2011, wie z. B. in Syrien, immer mehr Kinder und Jugendliche mit oder ohne Familie auf der Flucht. Nach einer Studie der UNICEF lebten 2013 ca. 65.000 Flüchtlingskinder mit un- sicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland.

Unter dem Begriff „Flüchtlingskind“ wird eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen ge- fasst, “deren Gemeinsamkeit sich rechtlich auf den angestrebten Aufenthaltstitel gründet” (Berthold 2014, S. 12). Sie haben aus den verschiedensten Gründen ihre Heimatländer verlassen und stehen, gemäß der EU-Richtlinien, unter besonderer Schutzbedürftigkeit (vgl. Berthold 2014, S. 10,13).

Gerade in den letzten Monaten sind die Flüchtlingszahlen erneut extrem angestiegen. Nach der Asylgeschäftsstatistik für den Monat Januar 2015 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gab es in Deutschland in diesem Jahr bisher 21.679 Erstanträge auf Asyl, aus den Ländern Syrien, Kosovo, Serbien, Albanien, Afghanistan, Irak, Eritrea, Mazedonien und Nigeria. Im Vergleichsmonat des Vorjahres waren es 12.556 Erstan- träge, dies bedeutet einen Zuwachs um 72,7 % (vgl. dazu insgesamt BAMF a 2015, S. 2).

Über das Leben der jungen Flüchtlingskinder in Deutschland entscheidet bei ihrer Ankunft bzw. ihrer Antragsstellung zunächst ihr Status, das heißt, ob sie alleine als „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, auch UMF genannt oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Familienangehörigen einreisen.

2.1 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)

“Unbegleitete Minderjährige sind Personen unter 18 Jahren, die ohne Begleitung eines für sie verantwortlichen Erwachsenen in einen Mitgliedstaat der EU einreisen. Hierzu ge- hören auch Minderjährige, die nach der Einreise ohne Begleitung zurückgelassen werden” (BAMF b 2014, S. 27).

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind häufig auf der Flucht vor Bürgerkriegen, sex- uellen Handlungen oder einer möglichen Rekrutierung als Kindersoldaten, nach dem Tod der Eltern auf sich gestellt und traumatisiert, wenn sie in Deutschland ankommen. Sie be- nötigen eine Unterkunft sowie Hilfen zur Lebensbewältigung (vgl. Schmitt/Homfeldt 2014, S. 15).

Laut § 42 des KJHG ist das örtlich zuständige Jugendamt verpflichtet UMF in Obhut zu nehmen. Im Jahr 2013 gab es 42123 Inobhutnahmen von Seiten des Jugendamtes, 6584 entfielen auf UMF (vgl. Statistisches Bundesamt 2014). Nach der Inobhutnahme der un- begleiteten minderjährigen Flüchtlinge erfolgt in der Regel ein Clearingverfahren durch staatliche Stellen, in dem Identität, Alter, Gesundheitszustand und Bildungsstand der Kinder und Jugendlichen erfasst werden und der Aufenthaltsstatus geklärt wird. Manche unbegleitete Minderjährige haben Familienangehörige in der BRD oder einem anderen Staat haben, die sich um sie kümmern und sie aufnehmen können. Schließlich folgt die Entscheidung, ob ein Asylantrag gestellt werden soll (vgl. dazu insgesamt BAMF b 2014, S. 27). Manche Gemeinden nehmen UMF ohne Clearingverfahren auf und bieten ihnen freie Plätze in anderen Wohngruppen an, was unter Umständen zu Spannungen führen kann, wenn die Bewohner dort zum ersten Mal mit UMF konfrontiert werden. Auch sprachliche, kulturelle oder religiöse Unterschiede können zum Problem werden, dem das pädagogische Fachpersonal entgegenwirken muss (vgl. Bachert 2014, S. 21).

2.2 Begleitete minderjährige Flüchtlinge

Begleitete Kinder werden mit ihren Eltern, wenn diese einen Asylantrag stellen wollen, entsprechend dem Asylverfahrensgesetz den für sie zuständigen Bundesländern zu- gewiesen. Jedes Bundesland hat dabei eine exakt festgelegte Quote der Asylbegeh- renden, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, dieser „berücksichtigt Steuerauf- kommen und Bevölkerungszahl der Bundesländer und wird jährlich von der Bund- Länder- Kommission ermittelt” (BAMF c 2014, S. 3).

Die Zuständigkeit ist abhängig von den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Diese Anträge können ausschließlich beim Bundesamt für Migration oder deren Außenstellen gestellt werden. Zunächst werden die Asylsuchenden an eine Erstaufnahme-Einrichtung ver- wiesen, diese kann in einem anderen Bundesland liegen, das für ihr Herkunftsland zu- ständig ist. Die schutzsuchende Familie meldet sich bei der Erstaufnahme-Einrichtung, diese kümmert sich um eine Unterbringung und Versorgung und informiert die zuständige Außenstelle (vgl. dazu insgesamt BAMF c, 2014, S. 3). Auf der Grundlage des Asylver- fahrensgesetzes wird bei jedem Asylantrag der Internationale Schutz, Flüchtlingsschutz, Subsidiärer Schutz sowie Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG beantragt (vgl. ebd. 2014, S. 4).

Bis zur Klärung ihres Antrags leben die Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern in Ge meinschaftsunterkünften. Sie erhalten Sachleistungen z. B. in Form von Essenspaketen, auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes (vgl. Peucker/Seckinger 2014, S. 12). Je länger sie auf die Bearbeitung des Antrags warten müssen, desto länger bleiben den Kindern häufig Bildungsmöglichkeiten, wie z. B. der Besuch einer Kindertagesstätte verwehrt.

Obwohl das Thema über die Lebensbedingungen von jungen Flüchtlingen sehr aktuell ist, wurde es nach Meinung von Peucker/Seckinger bisher wissenschaftlich zu wenig untersucht. Es gibt viele Fragen darüber, in welchem Rahmen und welche Angebote die Kinder- und Jugendhilfe den Flüchtlingen konkret macht, vor allem in Asylbewerber-heimen. Sie fordern Standards und Angebote für den Umgang mit UMF und konkrete Zahlen, wie viele junge Menschen Hilfen in Anspruch nehmen und wie deren Lebenslagen konkret aussehen (vgl. dazu insgesamt ebd., S. 14).

2.3 Mögliche Exklusions- und Ausschlussrisiken

Der Status der Exklusion, im deutschsprachigen Raum mit Ausschließung übersetzt, be- steht nach Robert Castel aus drei Teilen. Der Exkludierte wird von der Gemeinschaft in allen Bereichen, sowohl am Arbeitsmarkt als auch von sozialen Beziehungen, ausge-schlossen. Er lebt innerhalb der Gemeinschaft in getrennten, für ihn aufgebauten Be-reichen, in dem Falle in Asylbewerberunterkünften und er bekommt den Status des Ex-kludierten zugeschrieben (vgl. Quack/Schmidt 2013, S. 10f.). Das erklärt möglicherweise die zu Beginn dargestellten Assoziationen der Gesellschaft zum Thema Flüchtlinge.

Es gibt eine Vielzahl von möglichen Risiken und Ursachen, die zur Exklusion junger Flüchtlinge beitragen können. Die hier vorgestellten gelten sicherlich nicht für alle Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland geflüchtet sind, sollten aber dennoch dringend behoben werden. Durch den Stau von Asylanträgen, ob bedingt durch personellen Man- gel oder einer Flut an Asylsuchenden, müssen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern länger in überfüllten Unterkünften und der Ungewissheit leben, ob sie überhaupt in der BRD bleiben dürfen. Zusätzlich zum Problem der sprachlichen und kulturellen Ver- ständigung haben sie kaum Zukunftsperspektiven und wenige finanzielle Mittel, so lange nicht geregelt ist, wie es mit ihnen weitergeht. Leben die Kinder längere Zeit in Unter- künften und besuchen möglicherweise eine ansässige Schule, haben sie kaum Mög- lichkeiten Freunde einzuladen und schlagen mögliche Einladungen von anderen häufig aus Scham aus. Wenn die Kinder in Provinzdörfen untergebracht werden, fehlen häufig eine sprachliche Unterstützung und Beratungsmöglichkeiten (vgl. dazu insgesamt Soyer 2014, S. 8).

Die Unterkünfte unterscheiden sich sehr in ihren Ausstattungen, doch bieten sie generell wenig Privatsphäre, enge Räume und Lärm. Durch nicht abschließbare Waschräume und Toiletten, mögliche Gewalt- oder sexuelle Übergriffe gefährden sie das Kindeswohl und verschlimmern mögliche Traumatisierungen (vgl. Kindler 2014, S.11). Diese Traumati- sierungen durch Erlebnisse im Heimatland oder auf der Flucht, können zu posttrauma-tischen Belastungsstörungen führen. Hier fehlen psychotherapeutische Angebote sowie eine ausreichende Begleitung der Kinder und Jugendlichen durch Ärzte, Lehrer und ErzieherInnen. Auch durch häufig wechselnde Fremdunterbringung werden die Kinder ausgegrenzt und schaffen es nicht Anschluss zu finden (vgl. ebd., S. 10).

Laut eines Artikels in der Zeitschrift “neon” gibt es durchschnittlich zweimal pro Woche Angriffe auf Flüchtlingsheime durch rechtsradikale Täter (vgl. Ludwig 2015, S. 29). Diese Bedrohung wirkt sich natürlich ebenfalls auf die psychische Situation der Betroffenen aus, in der Angst, um sich und ihre Kinder leben zu müssen. Auch die Gesellschaft sorgt für Ausschlusskriterien, in dem Bürger die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in ihrer unmittelbaren Umgebung ablehnen, wie in der TV-Sendung “Hart aber fair” vom 23.02.2015 berichtet wurde (vgl. Hart aber Fair 2015).

Die Kinder- und Jugendhilfe, die gemäß § 1 SGB VIII den Auftrag hat, dafür zu sorgen, dass “jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat” (Gesetze für die Soziale Arbeit 2013), sorgt nach Meinung von Peucker/Seckinger noch für zu wenig altersgemäße Angebote und Unterstützung. Sie fordern Regelangebote für alle Kinder und Jugendliche, mehr Personal mit Migrationshintergrund bzw. mehr Schulungen zu diesem Thema. Derzeit sind mögliche Angebote für Kinder und Jugendliche abhängig vom Engagement von Privatpersonen, die sich ehrenamtlich engagieren oder von be- stehenden Jugendhilfeeinrichtungen. Dadurch sorgt auch die Kinder- und Jugendhilfe für Ausschlusskriterien, die dringend verändert werden müssten. Viele Flüchtlingsfamilien haben vermutlich einen hohen Bedarf an Hilfen zur Erziehung, durch Unkenntnis oder die vermeintliche Angst, bei Nutzung der Angebote abgeschoben zu werden, nehmen viele die Hilfen nicht in Anspruch (vgl. dazu insgesamt Peucker/Seckinger 2014, S. 12ff.).

3. Erklärung der Ausschlussprozesse von Flüchtlingen am Beispiel der Stigmatheorie nach Erving Goffman

Im ursprünglichen Wortsinn bedeutet Stigma, aus dem Griechischen und Lateinischen stammend, „Zeichen“, „Brandmal“ oder „Stich“ und diente als Bezeichnung dafür, wenn sich eine Person in besonderer Weise von anderen unterschied (vgl. Goffman 1996, S. 9). Der Soziologe Goffman greift den Stigmabegriff in seiner wissenschaftlichen Arbeit zum Phänomen Stigma von 1963 auf und stellt fest, dass der Terminus wieder im ursprüng- lichen Wortsinne Verwendung findet. In der sozialwissenschaftlichen Forschung findet der Begriff Stigma bald darauf Eingang und wird heute im Wörterbuch der Soziologie definiert als „ein physisches, psychisches oder soziales Merkmal, durch das eine Person sich von den übrigen Mitgliedern einer Gesellschaft oder Gruppe, der sie angehört, negativ unter- scheidet und das sie von vollständiger sozialer Anerkennung ausschließt“ (Peuckert 2010, S. 317).

Goffmans Stigmatheorie beschäftigt sich mit zwei Themen – dem Stigma und der personalen Identität. Unter Stigma versteht Goffman den Makel von Personen mit diskriminierender Wirkung. Mit dem Phänomen Stigma werden zudem die allgemeinen Strukturen und Prozesse personaler Identität von Goffman aufgezeigt. Das Stigma als Abweichung von den jeweiligen sozialen Normalitätsstandards gehört in unterschied- lichem Ausmaß und in unterschiedlichen Formen somit zu jeder Identität. Das bedeutet dass das spezielle soziale Phänomen des Stigmas als eine spezifische Ausformung der Identität interpretiert wird und zum anderen hat das Stigma eine grundlegende Bedeutung bei der personalen Identität (vgl. von Engelhardt 2010, S. 125f.).

3.1 Soziale, persönliche und Ich-Identität

Goffman unterscheidet zwischen sozialer, persönlicher und Ich-Identität. Demnach bewegt sich das Individuum in einer ständigen Wechselbeziehung zwischen Anpassung und individueller Abwandlung.

Die soziale Identität ist die Zugehörigkeit des Menschen zu übergeordneten Einheiten, gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Rollen (zum Beispiel Geschlecht, Nationalität, soziale Klasse, Beruf) und auf die damit verbundenen Eigenschaften ausgerichtet. Die persönliche Identität hebt die Unverwechselbarkeit jeder Einzelperson hervor, die sich an ihrer körperlichen Erscheinung, an ihrem Namen, an der besonderen Kombination und Ausprägung von Merkmalen (der sozialen Identität) und vor allem an ihrer Biographie fest- machen lässt. Soziale und persönliche Identität sind miteinander verbunden und erhalten je nach sozialer Situation (etwa bei der zufälligen Begegnung von Passanten, im Berufs- leben oder beim privaten und intimen Zusammensein) eine unterschiedliche Gewichtung. Über die soziale und die persönliche Identität erfolgt die Identifizierung des Gegenübers bzw. die Identifizierung durch die Anderen, sie entstehen quasi im Spiegel der Anderen. Unter Ich-Identität versteht Goffman das subjektive Empfinden der Person von ihrer ei- genen Situation und ihrer Eigenart sowie ihrer Kontinuität, das sich als Ergebnis der ver- schiedenen sozialen Erfahrungen herausbildet (vgl. hierzu insgesamt von Engelhardt 2010, S. 125ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Inklusions- und Exklusionsprozesse bei minderjährigen Flüchtlingen
Hochschule
Hochschule RheinMain
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
28
Katalognummer
V504356
ISBN (eBook)
9783346056436
ISBN (Buch)
9783346056443
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion, Stigmata, Erving Goffman, Flüchtlinge, Empowerment, Partizipation, Exklusion
Arbeit zitieren
Carsten Friebis (Autor:in), 2014, Inklusions- und Exklusionsprozesse bei minderjährigen Flüchtlingen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504356

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Inklusions- und Exklusionsprozesse bei minderjährigen Flüchtlingen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden