Hämolysefrequenz bei koronaren Bypassoperationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine


Bachelorarbeit, 2019

95 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungen

1.Kurzfassung/Summary

2.Einleitung

3.Ziel

4.Methodik und Biometrie

5.Vorstellung des Projektgebers

6.Die Herz-Lungen-Maschine
6.1 Set-up der Herz-Lungen-Maschine
6.2 Vorbereitung der Herz-Lungen-Maschine
6.3 Priminglösung der Herz-Lungen-Maschine

7.Das anästhesiologische und operative Vorgehen
7.1 Die anästhesiologische Einleitung
7.2 Das operative Vorgehen
7.3 Die Operation mit Herz-Lungen-Maschine
7.4 Die Operation ohne Herz-Lungen-Maschine

8.Medikamente
8.1 Heparin und Protamin
8.2 Tranexamsäure
8.3 Noradrenalin
8.4 Kardioplegie

9.Laborparameter

10.Blut

11.Hämolyse
11.1 Mechanische Ursachen
11.2 Immunologische Ursachen
11.3 Toxische Ursachen
11.4 Folgen einer Hämolyse
11.5 Hämolyse in der Kardiotechnik

12.Die NYHA- und CCS-Klassifikation
12.1 Die NYHA-Klassifikation
12.2 Die CCS-Klassifikation

14.Studiendesign
14.1 Nutzen, Risiken und ärztliche Vertretbarkeit
14.2 Fallzahlschätzung
14.3 Ethikvotum
14.4 Patientenkollektiv
14.5 Einschlusskriterien
14.6 Ausschlusskriterien

15.Ergebnisse
15.1 Kategoriale und stetige Variablen
15.2 Verläufe der Gruppen
15.3 Untersuchung der Hämolyseparameter
15.4 Untersuchung der Makrohämaturie
15.5 Untersuchung der kategorialen Variablen

16.Diskussion
16.1 Limitierung der Studie

17.Fazit und Ausblick

18.Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Kurzfassung

Die Annahme, der kardiopulmonale Bypass über die Herz-Lungen-Maschine sei der auslösende Faktor für ein hämolytisches Ereignis, ist im herzchirurgischen- und kardiotechnischen Kollegenkreis weit verbreitet. Wissenschaftliche Arbeiten, in denen diese Annahme gestützt wird, sind viele Jahrzehnte alt und aufgrund der rasanten Entwicklung sowie des technologischen Fortschritts in der Kardiotechnik in Frage zu stellen [1][2]. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Erkenntnisse über die Hämolyse bei koronaren Bypassoperationen zu generieren, um die hämolytischen Vorgänge bei herzchirurgischen Operationen, besonders im möglichen Zusammenhang mit der Herz-Lungen-Maschine, zu reduzieren. Nach einer Literaturrecherche bezüglich der Hämolyse erfolgt eine prospektive Vergleichsanalyse. Mit der Erfassung laborchemischer Hämolyseparameter zu sieben verschiedenen Abnahmezeitpunkten sollen die Hämolysefrequenz und die Dynamik im Verlauf von isolierten, elektiven koronaren Bypassoperationen im Off-Pump- und On-Pump-Verfahren aufgezeigt werden. In jüngerer Vergangenheit wurde mit In-vitro-Versuchen die Kardiotomiesaugung als großer Hämolysetrigger identifiziert [3][4]. Um diesen Forschungsergebnissen gerecht zu werden, wird bei Operationen mit Herz-Lungen-Maschine auf die Kardiotomiesaugung verzichtet. Die Ergebnisse der Hämolysestudie zeigen hinsichtlich der direkten laborchemischen Hämolyseparameter, des freien Hämoglobins im Plasma und des Haptoglobins signifikante Unterschiede in den Operationsgruppen zu Ungunsten der On-Pump-Gruppe. Durch den zusätzlichen signifikant höheren postoperativen Verlauf der Lactatdehydrogenase wird die Erkenntnis gestützt, dass Operationen mit Herz-Lungen-Maschine das Blut deutlich stärker schädigen als Off-Pump-Operationen. Es wird jedoch auch deutlich, dass nicht nur die extrakorporale Zirkulation allein, sondern auch die Herzoperation im Off-Pump-Verfahren das Blut schädigt und Erythrozyten zerstört. Eine weitere Erkenntnis ist der deutliche Konzentrationsanstieg des freien Hämoglobins in der Zeit der anästhesiologischen Narkoseeinleitung. Die klinisch beobachtete Hämaturie ist in der On-Pump-Gruppe prozentual höher als in der Off-Pump-Gruppe, ein signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Variablen ,Operationsmethode‘ und ,Makrohämaturie‘ kann nicht festgestellt werden. Auf diesen Erkenntnissen basierend ist es empfehlenswert, das kardiotechnische Equipment sowie die kardiotechnischen Arbeitsabläufe weiter im Sinne der Blutverträglichkeit zu optimieren und die Zusammenhänge zwischen laborchemisch erhöhten Hämolyseparametern bei Off-Pump-Operationen sowie den Anstieg der Parameter während der Narkoseeinleitung weiter zu erforschen.

Summary

Analysis of the hemolysis rate and dynamics upon coronary bypass surgeries with and without heart-lung-machine

Unspecific and isolated macro hematuria can be observed during cardiac surgical operations as results of an intravasal hemolysis. It is a prevalent assumption among cardiac surgical colleagues and perfusionists that the cardiopulmonary bypass is the trigger for a hemolytic event. Scientific studies in which this belief is corroborated are outdated and must be questioned with regard to rapid development and technological progress in cardiovascular perfusion [1][2]. This thesis aimes at generating knowledge on hemolysis upon coronary bypass surgeries in order to reduce hemolytic processes during cardiac surgery, especially in connection with the extracorporeal circulation. The literature research on hemolysis is followed by a prospective comparative analysis. By seizing laboratory hemolytic parameters at seven different extraction times, the hemolysis rate and its dynamics in the course of isolated, elective coronary bypass surgeries in the off-pump and on-pump procedure shall be presented. Cardiotomy suction was identified as large hemolysis trigger by in-vitro tests in the recent past [3][4]. In order to comply with these research findings, cardiotomy suction was foregone during surgeries with cardiopulmonary bypass. The results of the hemolysis study show significant differences for direct laboratory hemolysis parameters, free hemoglobin in the plasma and the haptoglobin with regard to the operation groups to the disadvantage of the on-pump group. The additional significantly higher postoperative course of lactate dehydrogenase supports the perception that surgeries with cardiopulmonary bypass damage the blood considerably more than the ones off-pump. However, it also becomes obvious that not only the extracorporeal circulation alone, but also the heart surgery in the off-pump method damages the blood and destroys erythrocytes. Another finding is the clear rise in concentration of the free hemoglobin during the anesthesiologic induction. The clinically observed hematuria is percentally higher in the on-pump group that in the off-pump one while there a significant relation could not be proven between the two variables ,operational method’ and ,macrohematuria’. Based on this knowledge it is recommended to further improve the perfusion equipment and workflows for the purpose of blood compatibility and to investigate further on the correlation between laboratorily increased hemolytic parameters upon off-pump surgeries as well as the increase in parameters during the anesthetic induction.

2. Einleitung

In der Bundesrepublik Deutschland starben im Jahr 2015 ca. 126000 Bürger an einer chronischen ischämischen Herzkrankheit oder einem akuten Myokardinfarkt. Diese zwei Krankheitsbilder bilden mit rund 35% den größten Anteil in der Gruppe der Sterbefälle durch Herz-Kreislauferkrankungen in Deutschland [5]. Bei männlichen Patienten ist die koronare Herzkrankheit mit 38823 dokumentierten Fällen – das entspricht 8,6% – die häufigste Todesursache in der Bundesrepublik, gefolgt von Lungen- und Bronchialkrebs mit 6,6%. An einem akuten Myokardinfarkt starben 27835 männliche Mitbürger – mit 6,3% die dritthäufigste Todesursache im Jahr 2015[6]. In absoluten Zahlen erlagen mit 37190 Fällen in etwa gleich viele Frauen einer koronaren Herzkrankheit wie Männer, mit 18,7% ist dieses Krankheitsbild bei weiblichen Bürgern jedoch mit Abstand die häufigste Todesursache. Daraus resultierend muss die operative Versorgung von Herzpatienten auf einem exzellenten Qualitätsniveau erfolgen. In 78 herzchirurgischen Abteilungen in Deutschland haben ca. 1000 Herzchirurgen im Jahr 2016 insgesamt 185000 Operationen am Herzen durchgeführt. Die Zahl der isolierten und kombinierten koronaren Bypassoperationen liegt mit 50114 nur unwesentlich unter dem Niveau des Vorjahres (2015: 51941 Operationen) [7].

Dem demografischen Wandel geschuldet steigen das Lebensalter und, daraus resultierend, die Begleiterkrankungen der Herzpatienten. Der Herzchirurg PD Dr. Wolfgang Harringer erklärte bereits im Herzbericht 2016, dass es keine Altersobergrenze für koronare Bypassoperationen in Deutschland mehr gebe [8]. Rund 37 Prozent des herzchirurgischen Patientenklientels waren 2016 zwischen 70 und 79 Jahren alt, knapp 16% der Patienten 80 Jahre oder älter. Damit steht die moderne Herzchirurgie vor großen Herausforderungen. Mit der kontinuierlichen Entwicklung innovativer Operationstechniken sollen laut Harringer die Steigerung der Lebensqualität und -erwartung sowie die Patientensicherheit in den Fokus der herzchirurgischen Arbeit gerückt werden [7]. Zur Behandlung bzw. Revaskularisation der koronaren Herzerkrankung bieten sich zwei Methoden an: die koronare Bypassoperation und die perkutane Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation. Besonders komplexe Ausmaße der koronaren Drei-Gefäß-Erkrankung, insbesondere mit multiplen Stenosierungen, und die Stenose des linken Hauptstamms sind die primäre Domäne der koronaren Bypassoperation. In einer in diesem Zusammenhang bedeutenden Studie, der multizentrischen Syntaxstudie, wurden bei diesem Patientenklientel im Vergleich zur PCI deutliche Vorteile hinsichtlich Herzinfarkte, erneuter revaskularisierender Eingriffe und Überleben aufgezeigt. Verglichen wurden 1800 Patienten mit einer Drei-Gefäß-Erkrankung und/oder einer Hauptstammstenose links. Nach Abschluss der Diagnostik kam ein Herzteam, bestehend aus Herzchirurgen und Kardiologen, übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass sich beide Revaskularisationsverfahren (Operation oder PCI) für die Behandlung des jeweiligen Patienten anbieten würden. Daraus resultierend wurden 897 Patienten operativ versorgt und 903 mit interventionellen Verfahren. Gerade in Bezug auf die Herzinfarktrate nach der initialen Intervention (3,8% versus 9,7%) und der Reinterventionsfrequenz (13,7% versus 25,9%) zeigte sich die koronare Bypassoperation gegenüber der PCI signifikant überlegen. Der individuelle, anatomisch komplexe Koronarbefund wurde mit einem neu geschaffenen Syntaxscore quantifiziert. Dieser erhöht sich mit der Komplexität und dem Ausmaß des atherosklerotischen Koronarbefundes. Besonders bei der Vergleichsgruppe mit hohem Syntaxscore werden die Vorteile der koronaren Bypassoperation deutlich. Neben der Herzinfarktrate und der Reinterventionsfrequenz war auch die Gesamtmortalität (11,4% versus 19,2%) signifikant niedriger als bei der PCI. Daraus resultierend kam Friedrich W. Mohr zu dem Ergebnis, dass bei Patienten mit komplexen koronaren Herzkrankheiten, einhergehend mit einem hohen Syntaxscore, die koronare Bypassoperation der PCI vorzuziehen sei [9].

Für die Durchführung einer herzchirurgischen Koronarrevaskularisation bieten sich zwei gängige Operationsmethoden an: Die Operation mit Herz-Lungen-Maschine (On-Pump) oder die Operation am schlagenden Herzen im sogenannten Off-Pump-Verfahren. Auf Deutschland bezogen, kann die chirurgische Arbeit am stillstehenden Herzen unter dem Schutz der Herz-Lungen-Maschine (HLM) als Standardverfahren betrachtet werden. Reversible und irreversible neurologische Komplikationen sowie neurokognitive Störungen – vom postoperativen Durchgangssyndrom bis hin zum Schlaganfall – sind in der einschlägigen Literatur als Nebenwirkung der extrakorporalen Zirkulation bereits ausreichend beschrieben [10]. Lamy et al. konnten in einer multizentrischen Studie, die 4752 Patienten einschloss, bezüglich ,On-Pump versus Off-Pump‘ keinen signifikanten Unterschied, bezogen auf die 30-tägige Mortalitätsrate, feststellen. Als Vorteile des Off-Pump-Verfahrens zeigten sich eine reduzierte perioperative Blutungsneigung, das Einsparen von Blutprodukten und ein verringertes Risiko des akuten Nierenversagens. Ein Nachteil im Vergleich zum On-Pump-Verfahren ist das gesteigerte Risiko einer erneuten Revaskularisation [11]. Eine gewichtige Nebenwirkung der extrakorporalen Zirkulation ist das systemische inflammatorische Response Syndrom (SIRS). Die Fremdoberfläche des HLM-Schlauchsets inklusive des venösen Reservoirs und Oxygenators führt durch die Aktivierung verschiedener Mediatoren, z.B. Interleukin 6 (IL-6), zu multiplen Entzündungsreaktionen. Die Folge sind Komplikationen wie Organdysfunktionen bis hin zum Multiorganversagen. Deppe et al. schlussfolgerten, dass durch den Einsatz eines Zytokin-Adsorbtionsfilters die Zytokinlast gesenkt und potenzielle Entzündungsreaktionen abgemildert werden könnten bzw. Infektionen tendenziell seltener zu beobachten sind [12]. Frank Born unterzog 40 herzchirurgische Patienten einer retrospektiven Observationsstudie, um zu evaluieren, inwieweit sich die intraoperative Anwendung eines Zytokinfilters auf laborchemische Entzündungsparameter im postoperativen Verlauf auswirkt. Gemessen wurden C-reaktives Protein, Procalcitonin, Leukozyten, Fibrinogen und IL-6. Er kam zu dem Ergebnis, dass die intraoperative Anwendung eines Adsorbtionsfilters bei kardiochirurgischen Eingriffen mit HLM positive Auswirkungen auf laborchemisch messbare SIRS-Parameter hat [13]. Zwei weitere beschriebene Nebenwirkungen der HLM sind die Hämodilution des Patientenblutes durch das Primingvolumen und Störungen des Gerinnungssystems [14]. Unspezifisch und vereinzelt kann bei herzchirurgischen Operationen eine Makrohämaturie beobachtet werden. Die Hämolyse wird ebenfalls vielfach als Nebenwirkung der extrakorporalen Zirkulation beschrieben. Hierfür werden verschiedenste Auslöser genannt. Die mechanische Beeinträchtigung des Blutes durch die Rollenpumpen bei konventionellen HLM, der Scherstress der Erythrozyten oder der gesunkene onkotische Druck durch die Dilution des Plasmas können mögliche Auslöser sein [15]. Hohe positive und negative Drücke sind potenziell schädlich für das Patientenblut und mögliche Auslöser für hämolytische Ereignisse [14]. In einem Übersichtsartikel schätzte Leen Vercaemst den Schaden auf Erythrozyten durch die mechanischen Kräfte der HLM als vernachlässigbar ein, die mögliche Hämolyse als Komplikation der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) wird seiner Ansicht nach jedoch unterschätzt [16]. Insbesondere die tiefe, aber auch die milde Hypothermie, wie bei Herzoperationen vielfach üblich, kann ein auslösender Faktor sein [15]. Immunhämolysen, mit sichtbarer Makrohämaturie als Folge können auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, zum Beispiel medikamenteninduziert. Antibiotika wie Cephalosporin oder Penicillin, Antiphlogistika und Analgetika (z.B. Diclofenac), Thiazid-Diuretika (HCT) und weitere Medikamente (Alpha-Methyldopa, L-Dopa, Chlorpropamid, Chinidin) sind bekannte Auslöser einer medikamenteninduzierten Immunhämolyse [17]. Wissenschaftliche Arbeiten, in denen sich mit der Zerstörung von roten Blutkörperchen befasst und eine Hämolyse im Zusammenhang mit der EKZ beschrieben wurde, stammen aus den 1960er-bis 1980er-Jahren [1]. Als auslösende Faktoren wurden hohe Primingvolumina bis zu 5000ml und die Volumensubstitution mit mehreren Litern Vollblut benannt. Tiefe hypotherme Temperaturen, zur damaligen Zeit als Standardverfahren eingesetzt, sowie die hohe mechanische Beanspruchung der Blutzellen waren weitere beschriebene Trigger. Die Erkenntnisse von Radochová et al. Ende der 1960er-Jahre spiegeln die allgemeine Aussage dieser Zeit bezüglich der Hämolyse im Zusammenhang mit der HLM wider. Die Traumatisierung der Blutzellen während der EKZ bei Herzoperationen sei keine Ausnahme, eine genaue Erfassung des Hämolyseausmaßes erscheine aber nicht möglich [2]. Die Studienlage zur Bluttraumatisierung im Zusammenhang mit aktuellen extrakorporalen Systemen ist gering. Die technologische Entwicklung und der Fortschritt in der Kardiotechnik erschweren einen direkten Vergleich der extrakorporalen Systeme von damals und heute. In zwei neueren Untersuchungen aus den Jahren 2009 und 2013 wird aufgezeigt, dass der Blut-Luft-Kontakt in Kombination mit hohem negativem Druck, wie durch die Kardiotomiesaugung bei Operationen mit HLM ein hämolytisches Ereignis hervorrufen kann (Abbildung1). Zusammenfassend empfahl die damalige Forschergruppe um Ahmed El-Sabbagh, die Kardiotomiesaugung, wenn vertretbar, durch eine maschinelle Autotransfusion zu ersetzen, um die intravasale Hämolyse bei herzchirurgischen Operationen mit HLM zu minimieren [4].

Freies Hämoglobin im Plasma (mg/dl)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Veränderung des freien Hämoglobins bei unterschiedlichen experimentellen Zuständen, 1. Baseline, 2. Saugung - 600 mmHg, 3. Blut-Luft-Kontakt 100 ml/Min, 4. Kombination aus Saugung und Blut-Luft-Kontakt [4]

In der vorliegenden Bachelorthesis wird sich mit der Frage beschäftigt, ob laborchemische Parameter, mit denen ein hämolytischer Vorgang belegt werden kann, bei herzchirurgischen Operationen generell erhöht messbar sind oder ob es sich bei vergleichbarem Patientenklientel explizit um eine Nebenwirkung der extrakorporalen Zirkulation handelt.

3. Ziel

Eine Makrohämaturie kann bei herzchirurgischen Operationen unspezifisch und vereinzelt betrachtet werden. Die Aussage, eine Hämolyse sei die Nebenwirkung der extrakorporalen Zirkulation ist im herzchirurgischen Umfeld weit verbreitet und anerkannt. In Studien aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, in denen diese Aussagen gestützt werden, sind Hämolysetrigger aufgeführt, die für die heutige Perfusionstechnologie nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zutreffen. Ein Vergleich mit heutigen Systemen gestaltet sich schwierig. Der Aufbau und das physikalische Wirkungsprinzip der Oxygenatoren haben sich geändert. Die Perfusionssysteme werden fortlaufend weiterentwickelt, die Primingvolumina bestmöglich minimiert. Materialien, die für die Durchführung des kardiopulmonalen Bypasses erforderlich sind, werden kontinuierlich optimiert, z.B. durch die biokompatiblere Gestaltung der Kontaktoberflächen mittels verschiedenster Beschichtungen. In neueren In-vitro-Untersuchungen kristallisiert sich der Blut-Luft-Kontakt in Kombination mit hohen negativen Drücken, vergleichbar mit der Kardiotomiesaugung der HLM, als ein primärer Auslöser für hämolytische Ereignisse heraus. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Erkenntnisse über Hämolyse im Zusammenhang mit dem Einsatz der HLM zu generieren, mit der Absicht hämolytische Vorgänge in der Herzchirurgie zu reduzieren. Mit einem Vergleich laborchemischer Hämolyseparameter in einer prospektiven, nicht randomisierten Multivarianzanalyse bei isolierten, elektiven koronaren Bypassoperationen mit und ohne HLM, soll die Frage beantwortet werden, inwieweit die heute verfügbare Perfusionstechnologie das Patientenblut schädigt und traumatisiert. Mit Messungen von perioperativen Laborparametern soll die Hämolysefrequenz aufgezeigt und mit postoperativen Messungen die Hämolysedynamik im späteren Verlauf erfasst werden. Um den Erkenntnissen der In-vitro-Versuche von Pohlmann et al. [3] und El-Sabbagh et al. [4] (näher beschrieben in Kapitel 11.5) Rechnung zu tragen, soll bei den koronaren Bypassoperationen unter dem Schutz der HLM die Kardiotomiesaugung separiert bzw. durch die maschinelle Autotransfusion ersetzt werden.

4. Methodik und Biometrie

Die erforderliche Literaturrecherche wurde mit dem Online-Bibliothekszugang des Deutschen Herzzentrums Berlin durchgeführt. Als Suchmaschinen dienten Google Scholar und ClinicalKey. Informationen zu Medikamenten und Infusionslösungen stammen aus den Fachinformationen der jeweiligen Hersteller. Leistungsbeschreibungen und Informationen zu Laborparametern wurden an der medizinischen Hochschule Hannover recherchiert.

Für die Onlinerecherche wurden folgende Schlüsselwörter verwendet: Blutschädigung, Hämolyse, hemolysis, cardiac surgery, Makrohämaturie, Hämoglobinurie, off-pump vs. on-pump, cardiopulmonary bypass, heart-lung-machine, blood pump, centrifugal and roller pump, Bretschneider, Kardioplegie, adverse effects, inflammatory mediators, sirs, Lactatdehydrogenase, Haptoglobin, Hämoglobin, Immunhämolysen, air exposure, negative pressure, suction, blood cell activation.

Die vorliegende Bachelorthesis wurde mit Microsoft Word für Office 365® geschrieben. Als Zitatmanager und zur Erstellung des Literaturverzeichnisses wurde die Software Mendeley® (Version 1.19.3) verwendet. Die Tabelle zur anonymisierten Datensammlung wurde mit Microsoft Excel für Office 365® erstellt.

Im Anschluss an die Literaturrecherche erfolgte eine monozentrische, prospektive Vergleichsanalyse am Chirurgischen Klinikum München Süd (CKMS). Bei koronaren Bypassoperationen mit und ohne HLM wurden prä-, peri- und postoperativ laborchemische Hämolyseparameter gemessen. Das Auftreten einer möglichen Makrohämaturie als sichtbare Folge eines hämolytischen Geschehens sollte klinisch beobachtet werden.

Zielgröße war die deutliche Veränderung im Sinne einer Hämolyse (ja/nein). Erwartet wurden ein deutlicher laborchemischer Hämolysenachweis in der Gruppe der Bypassoperationen mit HLM und ein geringer laborchemischer Nachweis einer Hämolyse in der Off-Pump-Gruppe. Aufgrund dieser Annahme wurde am Institut für medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zu München eine Fallzahlschätzung durchgeführt (Kapitel 14.2). Die klinische Beobachtung einer Makrohämaturie wurde als Nebenzielgröße erfasst. Die Verteilungen sämtlicher Erhebungsmerkmale wurden nach Operations-Gruppen stratifiziert und anhand skalenadäquater Lage- und Dispersionsmaße beschrieben. Die Normalverteilungsannahme wurde mit dem Kolmogorov-, sowie dem Shapiro-Test untersucht. Explorative Vergleiche der einzelnen Laborwerte als Zielgrößen erfolgten im Falle quantitativer Merkmale anhand von Mann-Whitney-U-Tests bzw. im Falle der dichotomen Nebenzielgröße ,Makrohämaturie‘ anhand des exakten Fisher-Tests. Die Größe des Unterschieds zwischen den Gruppen wurde anhand der relativen und absoluten Risikoreduktion (RRR und ARR) sowie der Number Needed to Treat (NNT) mit den zugehörigen 95% Konfidenzintervallen quantifiziert. Alle Tests wurden zweiseitig auf dem Alphaniveau 5% durchgeführt. Die Auswertung erfolgte durch einen zertifizierten Statistiker mit dem Statistikprogramm SPSS® Statistics 25.0.

5. Vorstellung des Projektgebers

Das CKMS, in München Thalkirchen an der Isar gelegen, ist eine der größten privat geführten chirurgischen Fachkliniken in Bayern und verfügt über 200 Betten. Die sieben chirurgischen Abteilungen sind in Zentren eingeteilt, das Leistungsspektrum umfasst alle relevanten chirurgischen Disziplinen. Durch die hohe chirurgische Expertise ist es möglich komplexe operative Spezialverfahren auf Universitätsniveau anzubieten. Das CKMS verfügt über sieben Operationssäle, die Intensivstation mit 16 Betten ist anästhesiologisch geführt. Das Klinikum ist zertifiziertes Traumazentrum und Standort des Notarztdienstes der Berufsfeuerwehr mit den meisten Notarzteinsätzen in der bayerischen Landeshauptstadt München. Seit 2006 ist das Klinikum akademisches Lehrkrankenhaus der LMU München. Die Artemed SE ist privater Träger. Die Artemed-Gruppe betreibt 13 Krankenhäuser, fünf Pflegezentren sowie große medizinische Stiftungsprojekte in Myanmar, Tansania und Brasilien. Insgesamt beschäftigt die Artemed SE ca. 5000 Mitarbeiter [18] [19]. Das Herz- und Gefäßzentrum verfügt über einen Operationssaal und einen hochmodernen Hybrid-Operationssaal. Die herzchirurgische Abteilung führt jährlich ca. 400 Operationen durch, das Operationsspektrum erstreckt sich über die komplette Erwachsenenherzchirurgie, ausgenommen Transplantationen. Ein besonderer Schwerpunkt der Abteilung ist die Off-Pump-Chirurgie. Die herzchirurgische Abteilung des CKMS ist enger Kooperationspartner der herzchirurgischen Klinik und der Polyklinik des Klinikums der Universität München am Standort Großhadern.

6. Die Herz-Lungen-Maschine

Um äußere Einflüsse und Störungen gering zu halten, wurde für alle koronaren Bypassoperationen mit HLM das Standard-Set-up (beschrieben unter 6.1) des CKMS genutzt. Zum Primen der HLM-Systeme wurden 1250ml kristalloide Elektrolytlösung (beschrieben unter 6.3) verwendet. Der jeweils durchgeführte standardisierte Sicherheitscheck vor Beginn der extrakorporalen Zirkulation wird unter 6.2 beschrieben.

6.1 Set-up der Herz-Lungen-Maschine

Der Abteilung Kardiotechnik im CKMS stehen zwei HLM der Firma Liva Nova, ehemals Stöckert, zur Verfügung. Beide Maschinen tragen die Typenbezeichnung S5®. Die individuelle Konfiguration sieht vier Rollenpumpen vor. Eine 1/2-Zoll-Schlauch-Rollenpumpe steht als arterielle Pumpe zur Verfügung. Zur Operationsfeld-Saugung, im CKMS, wie in vielen anderen Kliniken auch ,Blau-Sauger‘ genannt, wird eine 3/8-Zoll-Schlauch-Rollenpumpe benutzt. Mit zwei 1/4-Zoll-Schlauch-Rollenpumpen als Vent-Sauger (Aortenwurzel-Vent und/oder Pulmonalvenen-Vent) wird die Drainage des linken Ventrikels gewährleistet. Beide Vent-Saugerlinien sind mit einem Vent-Ventil(Abbildung2) ausgestattet. Dieses unterbindet durch Zugabe von Raumluft einen hohen negativen Druck in der Saugerlinie und verhindert dadurch entstehende Nachteile, z.B. ein Ansaugen des Vent-Katheters am Endokard. Das Vent-Ventil erlaubt den Blutfluss nur in eine vorgegebene Richtung, die Gefahr einer versehentlichen Luftembolie über die Vent-Saugerlinie bei unsachgemäßer Benutzung wird dadurch minimiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Vent-Ventil in einer Saugerlinie (eigenes Bild)

Jede Maschine besitzt zwei Druckdome zur Druckmessung. Der ausschließlichen Benutzung offener HLM-Systeme geschuldet, verfügen beide HLM neben einem Bubble-Sensor auch über einen Niveau-Level-Sensor. Die venöse Drosselklemme funktioniert elektronisch. Das arterielle und venöse Online-Blutgasmonitoring, werden von dem Gerät CDI 500® der Firma Terumo übernommen. Das individuelle Schlauchset stammt von der Firma Munich Perfusion GmbH (Abbildung4), als venöses Reservoir kommt ein offenes Ein-Kammer-Reservoir der Firma Eurosets GmbH zum Einsatz. Als Oxygenator wird der AF plus® der Firma Eurosets GmbH benutzt. Das offene venöse Reservoir und der Oxygenator sind phosphorylcholine beschichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Ein-Kammer-Reservoir und Oxygenator der Firma Eurosets GmbH

Um die Patientensicherheit zu erhöhen, wird neben dem in den Oxygenator integrierten, arteriellen Filter noch eine dynamische Blasenfalle (DBT®) der Firma Kardialgut verwendet. Sie befindet sich in der arteriellen Linie nach dem Oxygenator und vor dem Patienten. Zwei Hypothermiegeräte Typ HCU 40® der Firma Maquet Cardiopulmonary GmbH kommen zum Kühlen und Wärmen des Patientenblutes zum Einsatz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Schlauchsetzeichnung HLM-Set CKMS ohne Tischset (aus interner Quelle CKMS)

6.2 Vorbereitung der Herz-Lungen-Maschine

Während der EKZ wird das Blut verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Eine ungenügend eingestellte okklusive Rollenpumpe kann Schäden an den roten Blutkörperchen verursachen und somit ein hämolytisches Ereignis sofort oder auch verzögert auslösen [15]. Ein weiterer Einflussfaktor könnte z.B. ein falsch gemessener Liniendruck im extrakorporalen System durch einen fehlenden Nullabgleich sein. Um diese Störgrößen zu minimieren, wird in der Abteilung ,Kardiotechnik‘ am CKMS vor jedem Einsatz der HLM eine Checkliste abgearbeitet. Sie dient der Qualitätssicherung und verhilft dazu, mit einer korrekt eingestellten HLM die Durchführung des kardiopulmonalen Bypasses zu gewährleisten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: HLM-Checkliste (aus interner Quelle CKMS)

6.3 Priminglösung Herz-Lungen-Maschine

Es bedarf 1250 ml, um das unter Abbildung 4 gezeigte HLM-Schlauchset inklusive des Oxygenators AF Plus® der Firma Eurosets GmbH zu primen. Die HLM im CKMS wird mit 1000ml Ringer-Acetat-Lösung® und 250ml 0,9% Kochsalzlösung entlüftet. Die isotone Elekytrolytlösung Ringer-Acetat® ist bei Patienten mit ausgeglichenem Säure-Basen-Haushalt sowie bei leichter Azidose ideal für das Primen. In einem Liter dieser Lösung sind 27mmol/l Acetat enthalten, welches oxydiert und in der Bilanz alkalisierend wirkt [20].

7. Das anästhesiologische und operative Vorgehen

Die zur Durchführung einer Herzoperation notwendige Narkose wird unter Punkt 7.1 beschrieben. Die chirurgische Arbeit, in Abhängigkeit von der geplanten Operationsstrategie (mit oder ohne HLM), wird unter 7.2–7.4 aufgezeigt.

7.1 Die anästhesiologische Einleitung

Der nüchterne herzchirurgische Patient wird von der Anästhesiepflegekraft und dem Anästhesisten im Schleusenbereich des Operationstraktes übernommen. Nach Feststellung der Identität wird der Patient auf den OP-Tisch umgelagert und zur Narkoseeinleitung in den Operationssaal gefahren. Diese erfolgt in Rückenlage. Nachdem die Anlage eines venösen Gefäßzuganges erfolgt ist, erhält der Patient einen arteriellen Zugang in Lokalanästhesie, für die Blutdrucküberwachung. Zur Intubation erfolgt die medikamentöse Narkoseeinleitung mit ca. 1 mg/kg Körpergewicht Propofol zur Sedierung, einem 50-µg-Bolus des Opiates Sufentanyl und dem nicht depolarisierenden Muskelrelaxans Rocuronium in einer Dosierung von 0,7mg/kg Körpergewicht. Nach erfolgreicher Intubation bekommt der Patient eine nasale Magensonde, sowie einen Dauerblasenkatheter mit integrierter Blasen-temperaturmessung gelegt. Als nächster Schritt erfolgt die Anlage eines vier-lumigen zentralen Venenkatheters und einer venösen Schleuse. Zur Aufrechterhaltung der Narkose werden in der anästhesiologischen Abteilung das volatile Inhalationsanästhetika Sevolfuran und Sufentanyl, über einen Perfusor appliziert, in einer Dosierung von ungefähr 1µg/kg pro Stunde benutzt. Das Einschwemmen eines Pulmonaliskatheters und die Platzierung einer Echosonde erfolgen bei Bedarf. Das anästhesiologische Regime bei On-Pump-Operationen im Gegensatz zu Off-Pump-Operationen unterscheidet sich bzgl. der Höhe der Heparingabe und der Substitution von Tranexamsäure.

7.2 Das operative Vorgehen

Nach Beendigung der anästhesiologischen Narkoseeinleitung erfolgen eine Desinfektion und steriles Abdecken des Patienten. Nach einer medianen Sternotomie wird der Herzbeutel geöffnet und das Myokard dargestellt. Die Bypassgrafts werden je nach Koronarbefund gewonnen, bevorzugte Gefäße sind die Arteria thoracica interna links und rechts sowie die Vena saphena magna. Der Operateur entscheidet den weiteren chirurgischen Verlauf nach Sichtung des Herzens in Abhängigkeit vom Koronarbefund, von den Gegebenheiten vor Ort und den hämodynamischen Ressourcen des Patienten beim Luxieren des Herzens zur Beurteilung der Hinterwand.

7.3 Die Operation mit Herz-Lungen-Maschine

Nach der Gabe von Heparin erfolgt eine Kontrolle der Activated Clotting Time (ACT) mit dem Ziel >450 Sekunden. Die Installation einer arteriellen Kanüle in der Aorta ascendens erfolgt abhängig vom Patienten mit einteiligen EOPA®-Kanülen der Firma Medtronic in den Größen 20–24 French (Fr.). Die venöse Drainage wird mit Hilfe einer Zwei- oder Drei-Stufen-Kanüle in den Größen 52/36 Fr. (Medtronic) oder 29/29/29Fr. (Liva Nova) durchgeführt. Sobald der rechte Vorhof kanüliert ist, kann der kardiopulmonale Bypass über die HLM erfolgen. Im Rahmen der Hämolysestudie wurde auf eine vakuum-assistierte venöse Drainage (VAVD) zur Optimierung des venösen Rückflusses verzichtet. Die Anlage eines Aortenwurzel-Vents wird initial zur Kardioplegiegabe genutzt. Das Herz wird mit der kristalloiden Bretschneiderlösung Custodiol® (beschrieben in Kapitel 8.4) kardioplegiert, die der Kardiotechniker über ein individuell angefertigtes Schwerkraftsystem mit Hilfe eines Druckbeutels appliziert. Die Anastomosierung der Zielgefäße wird unter 7.4 beschrieben.

7.4 Die Operation ohne Herz-Lungen-Maschine

Nach einer ACT größer als 300 Sekunden, kann die Bypassoperation im Standard Off-Pump-Verfahren beginnen. Zunächst wird die Vorderwand bzw. das Left anterior descending-Gebiet (LAD-Gebiet) revaskularisiert, anschließend die Seiten- und Hinterwand. Aus der primären Versorgung der LAD resultiert eine bessere Durchblutung der Herzvorderwand und des Septums. Dadurch besteht prinzipiell schon ein stabilerer hämodynamischer Zustand, der eine weitere Luxation des Herzens ermöglicht. Nach der Stabilisation des zu revaskularisierenden Gebietes mittels einer externen Fixierung (Octopus® der Firma Medtronic, dargestellt in Abbildung6) wird durch Zuhilfenahme eines Siliconsnairs die Durchblutung des zu versorgenden Koronargefäßes kurzzeitig unterbunden. Nach der Öffnung des Gefäßes wird ein Shunt in der entsprechenden Größe (1,25mm–1,75mm) eingebracht. Zwei Silikonarme bilden das Stabilisierungssystem, das parallel zum Zielgefäß auf der Oberfläche des Herzmuskels aufgebracht werden muss und sich vakuumassistiert ansaugt [21]. Nach Öffnung der Blutsperre, resultierend aus der Lockerung der Siliconsnairs, wird durch den Shunt eine Versorgung des Myokards mit Koronarblut gewährleistet. Ähnlich wie bei der Anastomosierung am stillstehenden Herzen, bei Operationen mit HLM, kann nun mit einem 7.0Prolene-Faden in fortlaufender Nahttechnik der Graft mit dem Koronargefäß verbunden werden. Die für die Venen-Bypässe benötigten zentralen Anastomosen werden bei partiell geklemmter Aorta mit Prolene-Fäden der Stärke 6.0 in die Aorta ascendens genäht. Ähnlich wie bei Bypassoperationen unter Zuhilfenahme der EKZ, erfolgen nach Fertigstellung der Anastomosen die Flussmessung und Überprüfung auf deren Dichtigkeit. Nach einem zufriedenstellenden operativen Ergebnis erfolgt die Antagonisierung des Heparins mit Protamin im Verhältnis 1:1. Das Ende der Operation, das in beiden Verfahren gleich ist, erfolgt laut Standardverfahren. Zunächst wird eine Kontrolle auf Fremdkörperverbleib und Blutungen durchgeführt. Danach erfolgt das Einbringen von Thorax- und Perikarddrainagen sowie das Aufnähen von passageren Schrittmacherelektroden auf den rechten Ventrikel und ggf. auf den rechten Vorhof. Die Osteosynthese der Sternotomie wird mit Drahtcerclagen durchgeführt, ein schichtweiser Wundverschluss des Subcutangewebes erfolgt mit resorbierbaren Fäden und der Hautverschluss mit Klammern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: eröffneter Thorax, Stabilisierung des Herzens mit Medtronic Octopus® Stabilizer (eigenes Bild)

8. Medikamente

Die folgenden zwei Kapitel zur Beschreibung von Medikamenten und Laborparametern basieren auf einer überarbeiteten Ausführung aus der Projektstudienarbeit aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Hämolyse bei koronaren Bypassoperationen“ [22].

8.1 Heparin und Protamin

Zur Antikoagulation bei herzchirurgischen Operationen bekommt der Patient hochdosiert Heparin appliziert. Bei Eingriffen mit HLM wird das Blut des Patienten einer großen Fremdoberfläche ausgesetzt. Trotz intensiver Bemühungen der Industrie, Oberflächen zu beschichten und biokompatibler zu gestalten, um Kontaktaktivierung zu minimieren, bedarf es zur Hemmung der Gerinnung weiterer Antikoagulantien. Bei koronararteriellen Bypassoperationen im Off-Pump-Verfahren ist der Einsatz von Antikoagulantien ebenfalls indiziert, um eine durch Hämostase bedingte Gerinnung in den abgeklemmten Bypassgefäßen zu verhindern. Das in der Leber gebildete AntithrombinIII (ATIII) ist der eigene Hemmstoff des Körpers gegen Gerinnungsfaktoren. Es unterbindet die Aktivierung von Thrombin durch Prothrombin und hemmt die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Heparin steigert diese Wirkung in Abhängigkeit von der Konzentration von Heparin und ATIII im Blut. In der herzchirurgischen und kardiotechnischen Abteilung des CKMS wurde die Wirkung des applizierten Heparins während der Vergleichsuntersuchung durch die Messung der ACT in der Dimension ,Sekunden‘ bestimmt. Für Off-Pump-Operationen wurde ein ACT-Wert>300 Sekunden angestrebt, für eine Bypassoperation mit HLM >450 Sekunden. Am Ende der Operation erfolgte eine Antagonisierung des Heparins mit Protamin im Verhältnis 1:1. Protamin bindet Heparin und inaktiviert dadurch dessen Wirkung.

8.2 Tranexamsäure

Ein weiteres bedeutendes Medikament in der Herzchirurgie ist Tranexamsäure. Dieses Antifibrinolytikum wirkt antihämorrhagisch, indem es die fibrinolytischen Eigenschaften von Plasmin hemmt. Es bildet sich ein Komplex aus Tranexamsäure und Plasminogen. Erstere bindet an Plasminogen und hemmt dessen Aktivierung zu Plasmin [23].

8.3 Norardenalin

Neben dem Herz-Zeit-Volumen kann der arterielle Blutdruck des Patienten durch den systemischen Widerstand reguliert werden. Durch die Erhöhung des Gefäßwiderstandes steigt der Blutdruck. Für dessen Regelung bei herzchirurgischen Eingriffen wird Noradrenalin eingesetzt. Der Wirkstoff in dem gebräuchlichen Medikament Arterenol® ist Norepinephrin. Norepinephrin (Noradrenalin) ist das physiologische Hormon aus dem Sympathikus, dem Zentralnervensystem und den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks. Das α1-Sympathomimetika bewirkt eine Vasokonstriktion – im Gegensatz zu Epinephrin auch an den Gefäßen der Skelettmuskulatur [24].

8.4 Kardioplegie

In der herzchirurgischen Abteilung des CKMS wurde bei allen geplanten koronaren Bypassoperationen zur Myokardprotektion Bretschneider-Kardioplegie gegeben. Es kam ausschließlich die Lösung Custodiol® der Firma Dr. Franz Köhler Chemie GmbH zur Anwendung. Die kristalloide Lösung nach Bretschneider mit einer Osmolarität von 310mosmol/kg, ist natriumarm. Ein wesentlicher Bestandteil dieser hystidingepufferten Flüssigkeit ist Mannitol. Die Lösungstemperatur während der Verabreichung über den Aortenwurzel-Vent betrug 5–6Grad Celsius. Die Applikation erfolgte durch den Kardiotechniker mittels eines individuell gefertigten Schwerkraftinfusionssystems.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Zusammensetzung Custodiol® pro 1000 ml Lösung nach arzneilich wirksamen Bestandteilen [25]

9. Laborparameter

Zur Beurteilung der Hämolysefrequenz sowie -dynamik im peri- und postoperativen Verlauf der prospektiven Vergleichsuntersuchung bedarf es einer messbaren Labordiagnostik. Entscheidende und sensible Laborparameter zur Beurteilung eines hämolytischen Ereignisses sind Hämoglobin, freies Hämoglobin, Haptoglobin, Bilirubin und Lactatdehydrogenase (LDH). Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin (Hb) ist ein eisenhaltiges Protein, das Sauerstoff und Kohlendioxid bindet und diese im Blut transportiert. Die Sauerstofftransportkapazität ist somit abhängig vom Hämoglobinspiegel. Ist die Konzentration der Sauerstoffträger erniedrigt, z.B. durch eine Hämolyse, wird von ,hämolytischer Anämie‘ gesprochen. Beim Abbau von Erythrozyten wird eine kleine Menge Hämoglobin ins Blutplasma abgegeben und an Haptoglobin gebunden. Wird durch eine Schädigung von Erythrozyten eine größere Menge Hämoglobin ins Plasma abgegeben, erschöpft sich das Haptoglobin und freies Hämoglobin kann nicht mehr gebunden werden [26]. Letzteres ist ein sensibler Indikator und gibt Aufschluss über das Ausmaß des hämolytischen Vorganges. Ein erniedrigter Serumspiegel von Haptoglobin ist der jener Laborparamater bei einer intravasalen Hämolyse, der am sensibelsten ist, und weist ebenfalls auf ein hämolytisches Geschehen hin [27]. LDH ist ein Enzym, das in allen Organen und Geweben inklusive der Erythrozyten vorkommt und somit labordiagnostisch unspezifisch ist. Es gibt fünf verschiedene Arten, die sogenannten Isoenzyme, bei denen es sich um aus zwei verschiedenen Untereinheiten zusammengesetzte Tetramere handelt. Es sind zwei Homotetramere, sowie drei Hybridisoenzyme vorhanden: LDH-1 (Herz) LDH-5 (Muskel) [28]. Beim Abbau von Erythrozyten in der Milz und im retikuloendothelialen System entsteht Bilirubin. Der Hämanteil des Hämoglobins wird biochemisch in mehreren Reaktionsschritten zu Bilirubin umgewandelt. Das dann wasserunlösliche Bilirubin wird an Proteine gebunden und zur Leber abtransportiert. Dort wird das wasserunlösliche Bilirubin (indirektes Bilirubin) zu wasserlöslichem (direktes Bilirubin) glukuronisiert und über die Galle sowie den Verdauungstrakt ausgeschieden. Hämolytische Ereignisse führen zu einer Erhöhung der Bilirubinkonzentration, die die Glukuronisierungsleistung der Leber übersteigt. Dadurch ist indirektes Bilirubin erhöht nachweisbar [29]. Bei hämolytischen Vorgängen steigt durch die Zerstörung von Erythrozyten die Kaliumkonzentration im Blut an. Kalium ist somit ein spezifischer Hämolyseparameter, auf dessen Messung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch verzichtet wurde, da Kalium bei herzchirurgischen Operationen intraoperativ kontinuierlich substituiert wird und damit im Sinne der Hämolyse keine Aussagekraft mehr besitzt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Hämolysefrequenz bei koronaren Bypassoperationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
95
Katalognummer
V503548
ISBN (eBook)
9783346046802
ISBN (Buch)
9783346046819
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hämolyse, Herz-Lungen-Maschine, Extrakorporale Zirkulation, on-pump vs off-pump, Makrohämaturie, koronare Bypassoperationen, Kardiotechnik, Herzchirurgie
Arbeit zitieren
Norman Micka (Autor:in), 2019, Hämolysefrequenz bei koronaren Bypassoperationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503548

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