Disruption im deutschen Retail-Banking. Wettbewerbsvorteile von FinTechs gegenüber traditionellen Banken.


Bachelorarbeit, 2019

110 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abb ildungsverzeichnis

Tabe llenverzeichnis

Abkürzungsverze ichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Struktur und Vorgehensweise
1.3 Grenzen und Einschränkung der Studie

2 . Bankwesen
2.1 Definition vom Banking
2.2 Das deutsche Bankensystem
2.3 Retail Banking in Deutschland
2.4 Aktuelles Marktumfeld und Veränderungen
2.4.1 Auswirkungen der Finanzkrise
2.4.2 Veränderungen im Konsumentenverhalten und Generationenwandel
2.4.3 Digitalisierung in der Finanzbranche

3 . Finanztechnologie
3.1 Definition von FinTechs
3.2 Regulationen von FinTechs
3.3 Geschäftsmodelle von FinTechs
3.4 FinTech-Markt in Deutschland
3.5 Vergleich des Retail Bankings der traditionellen Banken und der FinTechs

4. Forschungsstudie
4.1 Einführung in die Forschungsstudie
4.1.1 Ziele
4.1.2 Aufbau und Struktur
4.1.3. Teilnehmer
4.2 Ergebnisvorstellung
4.2.1 Allgemeines Bankenumfeld
4.2.2 FinTechs
4.2.3 Strategische Ausrichtung und Ausblick
4.3 Handlungsempfehlungen für das Retail Banking
4.4 Allgemeiner Zukunftsausblick

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Wirtschaftsakteure und Finanzintermediäre

Abbildung 2: Rechtlicher Rahmen für Kreditinstitute

Abbildung 3: Das deutsche Bankensystem

Abbildung 4: Das magische Dreieck im Retail Banking

Abbildung 5: Geschwindigkeit der Ausbreitung von Innovationen

Abbildung 6: Geschäftsbereiche von FinTechs

Abbildung 7: Geografische Verteilung der FinTechs in Deutschland

Abb ildung 8: Wertschöpfungskette im Retail Banking

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Meilensteine der Entwicklung im Retail Banking

Tabelle 2: Merkmalsausprägungen von Generationen in Deutschland

Tabelle 3: Spezifische Charakteristika der Generation X und Generation Y

Tabelle 4: Beispiele für aktuelle FinTech Unternehmen in 2018/2019

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. EINLEITUNG

Zu Beginn der Arbeit wird im Unterkapitel 1.1 in das Thema durch die Vorstellung der Problemstellung und der Zielsetzung eingeleitet. Fortführend wird in Punkt 1.2 die Struktur sowie Vorgehensweise der Arbeit beschrieben. Der Punkt 1.3 führt die Grenzen und Einschränkungen der Studie auf.

1.1 PROBLEMSTELLUNG UND ZIELSETZUNG

„Banking is necessary, but banks are not.”1

So lautet ein nun 25 Jahre alt werdendes Zitat von Bill Gates aus dem Jahr 1994, welches die zukünftige Daseinsberechtigung einer klassischen Bank als Institution bereits damals in Frage stellt. Der technologische Wandel des 21. Jahrhunderts ist zentral von einem digitalen Umbruch geprägt. Der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen hat oft den klassischen ‚Point of Sale‘ verlassen und findet auf neuen Kanälen statt. In jeglichen Industrien und Branchen der Welt entstehen neuartige unternehmerische Ökosysteme, auch in der Finanzwirtschaft.2 Die Digitalisierung ist zurzeit die stärkste treibende Kraft in der Entwicklung der Finanzbranche. In vielen anderen Branchen wie der Musik-, Handels-, oder der Verlagsbranche wurde der Trend zunächst unterschätzt. Im Zuge der rasanten Verbreitung der Internetnutzung oder auch des Smartphones werden etablierte Banken nun aus immer mehr Richtungen mit zuvor ungeahnter Dynamik konfrontiert.3 Die Kommunikationsmöglichkeiten der heutigen Zeit, die fortschreitende Computertechnologie und die Verfügbarkeit des Internets bieten die Möglichkeit, die meisten Bankgeschäfte von Zuhause oder unterwegs zu erledigen, ohne in die physische Form einer Bank gehen zu müssen.4 Mit den neuen Erfahrungen, die Kunden durch die digitale Welt machen, sind Erwartungen gestiegen. Dabei müssen Dienstleistungen und Services einfacher anzuwenden, individuell auf Bedürfnisse zugeschnitten und der Kundenservice rund um die Uhr verfügbar sein.5

Neben dem Anpassungs- und Entwicklungsdruck durch die Digitalisierung, stehen Banken weiteren Herausforderung gegenüber. Die Finanzkrise von 2008 und die daraus resultierenden rechtlichen Regulierungen sowie die Niedrig- bis Nullzinspolitik machen der Finanzdienstleistungsbranche schwer zu schaffen. Infolgedessen treten sogenannte ‚FinTechs‘ als technologiebasierte Start-ups im Banken- und im Versicherungsbereich als innovative Player in den Markt ein. Wie in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen auch, haben die FinTech-Start-ups die Absicht, Kundenbedürfnisse passgenauer, intelligenter, einfacher, schneller und günstiger zu bedienen, als dies in der Vergangenheit geschehen ist.6 Nun ist die Frage zu beantworten, ob Banken im Zeitalter der Digitalisierung bestehen können oder ob ‚FinTechs‘ zumindest in Bezug auf das Retail Banking der provokanten Aussage von Bill Gates vor 25 Jahren heute eine neue Bedeutung verleihen. Im Hinblick auf die oben genannten aktuellen Herausforderungen der traditionellen Banken und die gleichzeitig auftretenden FinTech-Start-ups soll diese Arbeit dazu dienen, die Entwicklung von ‚FinTechs‘ zu beleuchten und zu erkennen, ob und wie diese die Finanzbranche durch Disruption mit besonderem Fokus auf das Retail Banking beeinflussen oder umgestalten. Sie soll untersuchen, ob FinTechs existierende Wettbewerbsvorteile gegenüber traditionellen Banken haben. Das Hauptziel besteht darin, eventuelle Rückschlüsse auf den Grad der wirklichen Gefährdung des Retail Bankings zu ziehen und Handlungsempfehlungen für traditionelle Banken zu geben.

1.2 STRUKTUR UND VORGEHENSWEISE

Die vorliegende Arbeit untergliedert sich in fünf Kapitel, wobei in Kapitel 1 in das Thema mit der Problemstellung, der Zielsetzung und der Methodik eingeleitet wird.

Bevor eine Einschätzung zur Umgestaltung der Bankenbranche und die mögliche Gefährdung des Retail Bankings durch ‚FinTechs‘ erfolgen kann, wird in Kapitel 2 die Struktur des Bankwesens beschrieben. Ziel ist es, das deutsche Bankensystem und das Retail Banking zu erläutern, sowie das aktuelle Marktumfeld und bestimmte Veränderungen zu identifizieren, wie zum Beispiel die Auswirkungen der Finanzkrise, die Digitalisierung der Finanzbranche, dem Generationenwandel sowie Veränderungen im Konsumentenverhalten.

In Kapitel 3 wird die FinTech-Entwicklung aufgezeigt. Neben der Definition von ‚FinTechs‘ sollen die Regulationen, Geschäftsmodelle sowie der aktuelle FinTech-Markt in Deutschland vorgestellt werden. Anschließend werden die Erkenntnisse über die traditionellen Banken und die Erkenntnisse über ‚FinTechs‘ gegenübergestellt. Das Kapitel endet mit einem ersten Zwischenfazit der Arbeit.

In Kapitel 4 wird die empirische Untersuchung vorgestellt. Nach der Erläuterung der Studie werden die Ergebnisse präsentiert und Handlungsempfehlungen für Banken gegeben. Das Ende des Kapitels gibt einen Zukunftsausblick für die Bankenbranche mit Fokussierung auf die Entwicklung des FinTechs-Marktes.

Das Kapitel 5 stellt die wichtigsten Ergebnisse der gesamten Arbeit in Form eines Fazits vor und schließt die Bachelorarbeit ab.

1.3 GRENZEN UND EINSCHRÄNKUNG DER STUDIE

Bei der Untersuchung der relativ jungen FinTech-Branche in Bezug auf das Retail Banking sind wissenschaftliche Daten und Literatur nur begrenzt vorhanden. Aufgrund dieses Mangels an Literatur und belastbaren Zahlen, wurde ein qualitativer Ansatz mit Experteninterviews durchgeführt. Als Literaturquellen dienen Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank sowie Literatur und Statistiken, die über Google Scholar oder Statista.de bezogen wurden. Publikationen und Studien von Finanzunternehmen oder Unternehmensberatungen sind bei hoher Relevanz in gewissem Umfang integriert. Das Hauptziel der Experteninterviews bestand darin, die Erkenntnisse der Literaturforschung dieser Arbeit zu validieren und die Frage über die Gefährdung des Retail Bankings von ‚FinTechs‘ mit Hilfe von Einschätzungen und Einsichten in die Strategien der traditionellen Banken zu erweitern.

2.BANKWESEN

Um die Herausforderungen für traditionelle Banken im Retail Banking umfassend untersuchen zu können, erfolgt im kommenden Kapitel eine grundlegende Definition des ‚Bankings‘. Anschließend erfolgt die Erläuterung des deutschen Bankensystems und den untergeordneten Ebenen. Im Anschluss wird das deutsche Retail Banking erläutert.

2.1 DEFINITION VOM BANKING

Mit der Erfindung des Geldes ist auch die Entstehung und Entwicklung von Bankensystemen verbunden. Neben dem Geld als Währung selbst, reichen erste Vorläufer von heutigen Banken bis in das zweite Jahrhundert vor Christi zurück. Im damaligen Mesopotamien begannen erste Unternehmen mit dem Führen von Konten und der Verrechnung von Forderungen. Erst im 13. Jh. gewann das Bankengewerbe auch in Europa an Bedeutung, als Italiens Aufstieg zur Handelsmacht das dortige Bankengewerbe entstehen ließ. Zu der damaligen Zeit entstand auch der Begriff ‚Bank‘, welcher dem italienischen ‚banco‘ oder auch ‚banca‘ entliehen ist und wörtlich übersetzt den ‚Tisch‘ der Geldwechsler beschreibt. Im Laufe der Geschichte bekamen Banken auf Finanzmärkten, also speziellen Märkten an denen Handel mit Kapital stattfindet, typischerweise die Funktion eines Intermediär zugeschrieben. 7 Allerdings scheint es keine allgemeingültige Definition einer Bank zu geben. Rahmenbedingungen der Betätigungsfelder obliegen einem dynamischen Änderungsprozess, sodass die Ausgestaltung einzelner Bankaktivitäten nicht statisch sein kann. Eine Abgrenzung wird je nach Sichtweise unterschiedlich getroffen, beispielsweise aus einzelwirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher, juristischer oder ökonomischer Sicht. Aus juristischer Sicht wird das Kreditwesengesetz (KWG) für die operative Ausgestaltung der Praxis einer Bank maßgeblich. Hiernach wird eine Bank über ihre Aktivität, also über das einzelne Bankgeschäft, definiert. Im KWG wird unterschieden zwischen Instituten und Finanzunternehmen. Aus dieser Unterscheidung leiten sich unterschiedlich komplexe gesetzgeberische Rahmenbedingungen ab, die bei der Durchführung von Bankgeschäften zu beachten sind.

Bei den Kreditinstituten handelt es sich dabei um Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen (im Unterschied zu Kreditinstituten) für andere gewerbsmäßig ausführen und keine Kreditinstitute sind. Zu den Finanzleistungen können z.B. die Anlageberatung oder das Factoring gezählt werden. Finanzunternehmen sind nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KWG Unternehmen, welche keine Institute und keine Kapitalverwaltungsgesellschaften oder extern verwaltete Investmentgesellschaften sind. Bei der Haupttätigkeit von Finanzunternehmen handelt es sich beispielsweise um den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, der Beratung von Dritten bei der Anlage in Finanzinstrumente, dem Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung oder der Vermittlung von Darlehen zwischen Kreditinstituten.8 In der vorliegenden Arbeit wird besonders die Unternehmensform der Kreditinstitute beleuchtet. In der folgenden Abbildung 1 wird die Rolle der Banken in einer Volkswirtschaft dargestellt.

ABBILDUN G 1: WIRTSCHAFTSAKTEURE UND FINANZINTERMEDIÄRE

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Tolkmitt in Neue Bankbetriebslehre, 2007, S.2.9

‚Banking‘ oder auch zu Deutsch ‚Bankwesen‘ beschreibt demnach im Wesentlichen die Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten.10 Neben der makroökonomischen Betrachtung des Bankensystems kann bei der mikroökonomischen Sicht auf Banken zwischen vier Funktionen unterschieden werden, an welchen sich Produkte oder auch Dienstleistungen orientieren nämlich der Zahlungsverkehrsfunktion, der Investitions- funktion, der Kreditfunktion sowie der Dienstleistungsfunktion. 11 Sie wirken dabei an vier zentralen volkswirtschaftlichen Funktionen mit.12 Bei diesen handelt es sich um die:

- Losgrößentransformation

(Die Bank bildet aus der Summe von Einlagen und Krediten einen Pool, sodass generell keine Zuordnung von einzelnen Einlagen zu individuellen Krediten möglich ist. Einem Millionenkredit kann zum Beispiel eine große Zahl an kleinen Spareinlagen gegenüberstehen.) 13

- Fristentransformation

(Die Fristenstruktur auf der Aktivseite und der Passivseite stimmen in der Regel nicht überein. Es gibt zum Beispiel kurzfristig kündbare Überziehungskredite und langfristig emittierte Anleihen. Die Bank hat darauf zu achten, dass die Strukturen der Aktiv- und Passivseite so gestaltet werden, dass es auf beiden Bilanzseiten keine Ertrags- oder Liquiditätsprobleme entstehen.) 14

- Risikotransformation

(Die Bank wandelt unsichere Kredite in (beinahe) sichere Einlagen. Sie trägt der Vorstellung der Einleger Rechnung, dass die Einlagen sicher sein sollen und akzeptiert die Situation der Kreditnehmer, die nur unsichere Rückzahlungen bieten können. Die Bank erreicht diese Risikotransformation durch Portfoliobildung, der Überwachung (Monitoring) der Kredite, der Haftung durch Eigenkapital und der entsprechenden Vertragsgestaltung mit den Sparern und Kreditnehmern.) 15

- Informationstransformation 16

(Die Bank sammelt und bewertet Informationen und stellt diese Kapitalnehmern und Kapitalgebern zur Verfügung.)

Mit diesen Funktionen übernehmen Bankensysteme in der Volkswirtschaft Funktionen für Nichtbanken, also für Privatkunden, Geschäftskunden sowie öffentliche Organisationen. 17 Aufgrund ihrer besonderen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung unterliegen Kreditinstitute umfassenden rechtlichen Regulierungen. Diese beeinflussen die bankbetrieblichen Handlungsmöglichkeiten in der Praxis erheblich und sind als Rahmenbedingungen bei der Ausgestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle zu beachten. Das deutsche Bankrecht ist jedoch als Rechtsgebiet nicht trennscharf bestimmt oder kodifiziert, demnach auch nicht in einem zusammengefassten Gesetzeswerk abgebildet. Der rechtliche Rahmen für Kreditinstitute kann in öffentliches und privates Bankrecht unterteilt werden. Das private Bankrecht umklammert die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden, welche durch die Inanspruchnahme der Bankleistungen entsteht. Das öffentliche Bankrecht dagegen ist besonders durch aufsichtsrechtliche Bestimmungen geprägt. Die Bankenaufsicht überwacht die Einhaltung des öffentlichen Bankrechtes und orientiert sich dabei maßgeblich an dem Rechtsrahmen des KWG. 18

Seit dem 4. November 2014 übernimmt die EZB die alleinige Verantwortung für die zentralen Aufgaben im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht. Die EZB unterteilt die Durchführung der Bankenaufsicht dabei in eine direkte und indirekte Aufsicht. Unter der Aufsicht der EZB stehen etwa 120 bedeutende Banken in Europa, die 85 % der Gesamtaktiva der Banken des Eurogebiets repräsentieren. Die Bedeutung einer Bank, ist dabei unter anderem abhängig von ihrer Größe, gemessen an der Gesamtaktiva und ihrer Bedeutung für die Wirtschaft in dem ansässigen Land. Die drei bedeutendsten Banken eines jeden teilnehmenden Landes unterliegen dabei, ungeachtet ihrer absoluten Größe, der direkten Aufsicht durch die EZB. Die circa 3400 weniger relevanten Banken der teilnehmenden Länder in der EU werden durch die EZB lediglich mittelbar beaufsichtigt.

Die unmittelbare Bankenaufsicht erfolgt durch die nationalen Aufsichtsbehörden, in Deutschland beispielsweise durch die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 19

ABBILDUNG 2: RECHTLICHER RAHMEN FÜR KREDITINSTITUTE

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung in Anlehnung Hellenkamp, Bankwirtschaft 2018, S. 60.20

Diese Tätigkeitsbereiche und Funktionen der Kreditinstitute können dabei in die zwei Hauptbereiche des Kredit- und Depositengeschäft sowie dem Wertpapiergeschäft unterteilt werden.

Das Kredit- und Depositengeschäft oder in englisch ‚Commercial Banking‘ bedient die Kreditfunktion und die Zahlungsverkehrsfunktion von Banken. Im Kreditgeschäft agiert die Bank im engeren Sinne als Finanzintermediär, also als eine Institution, die auf einem gegebenen Finanzmarkt das Kapital von Kapitalgebern in Form von Einlagen (Spar- und Termineinlagen, Anleihen und Eigenkapital) entgegennimmt und verwaltet. Dieses Kapital kann dann Kapitalnehmern in Form von Krediten und Finanzanlagen zur Verfügung gestellt werden. 21 Das Finanzsystem erleichtert also einfach dargestellt das Weiterleiten von finanziellen Mitteln von Anbietern zu Nachfragern. 22 Durch diese grundlegende Aktivität generieren Banken ihre Wertschöpfung und verdienen ihr Geld. Dieses ergibt sich aus der Zinsspanne, welche die Differenz aus den einzunehmenden Zinsen für die Kredite und den zu vergebenen Guthabenszinsen für die Einlagen widerspiegelt. Im Gegensatz zum Kapitalmarkt schaffen Banken nicht nur einen Markt, an dem sich Angebot und Nachfrage treffen können, sondern treten selbst als Marktteilnehmer auf. 23 Bei der Zahlungsverkehrsfunktion übernehmen Banken die nationale und internationale Abwicklung des Zahlungsverkehrs, also der Sicherstellung des Barzahlungsverkehrs durch die Ausgabe von Banknoten, oder des bargeldlosen elektronischen Zahlungsverkehrs durch die Möglichkeit Überweisungen tätigen zu können. 24

Beim Wertpapiergeschäft oder dem im englischen ‚ Investment Banking‘ bedienen Banken die Investitionsfunktion. Hierbei können Banken zusätzlich auf dem Kapitalmarkt als Finanzintermediäre im weiten Sinn betrachtet werden. In diesem Bereich unterstützt die Bank den Handel an den Finanzmärkten, wobei sie unter anderem Leistungen im Wertpapierbereich oder allgemeiner im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten erbringt. Bei der Betrachtung der Primärmärkte unterstützen Banken Unternehmen und andere Institutionen bei der Emission von Fremd- und Eigenkapital. Sie helfen im Allgemeinen Kapitalnehmern bei der Suche nach Kapitalgebern. Eine weitere Vermittlungsleistung stellt die Tätigkeit im Bereich Mergers and Acquisitions dar, also den Firmenkäufen- und -verkäufen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten einer Investmentbank bei dem Handel an den Finanzmärkten liegt dabei aber nicht auf den Primärmärkten, sondern auf den Sekundärmärken. Hierbei geht es darum, dass die Banken ihren Kunden durch Beratung hilft und dessen Kauf-, und Verkaufsaufträge ausführt oder direkt die Vermögensverwaltung für diese übernimmt. Sie unterstützt den Handel also indem sie An- und Verkaufspreise für ausgewählte Finanzkontrakte aufstellt und dabei selbst als Vertragspartner auftritt. Einen weiteren wichtigen Bereich stellt dabei der Eigenhandel der Investmentbanken dar. In diesem versuchen Banken ihren Gewinn zu steigern, wodurch im Markt die Liquidität erhöht und der Handel für alle anderen Marktteilnehmer erleichtert wird. 25

Sowohl im Kredit-und Depositengeschäft als auch im Wertpapiergeschäft führen Banken die Dienstleistungsfunktion aus. Hierzu zählen die Kundenberatungen für Privat- und Firmenkunden, die Entwicklung und der Vertrieb von Finanzprodukten sowie das Risiko- management. Weitere von Banken übernommene Dienstleistungen sind banknahe Aufgaben wie Versicherungs-, Immobilien- und Reisedienstleistungen. 26

2.2 DAS DEUTSCHE BANKENSYSTEM

Das deutsche Bankensystem ist ein Universalbankensystem. Demnach können Banken sich spezialisieren, müssen es jedoch nicht. Das System verteilt sich auf zwei Ebenen und ist durch eine Drei-Säulen-Struktur geprägt.

Auf der ersten Ebene befinden sich kundenorientierte Kreditinstitute, die auf Gewinn- erzielung ausgerichtet sind. Das Unternehmensziel der Gewinngenerierung durch Bankgeschäfte ist das gemeinsame Kennzeichen aller Kreditinstitute dieser Ebene. Auf dieser Ebene, also dem Geschäftsbankensystem, wird unterschieden zwischen Universal- und Spezialbanken.

Un iversalbanken betreiben eine Vielzahl der im § 1 des Kreditwesengesetzes genannten Banktätigkeiten und legen einen hohen Stellenwert auf die klassischen Bankgeschäfte, wie dem Kreditgeschäft und dem Einlagengeschäft.27

Innerhalb der Universalbanken findet sich die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Kreditwesens wider. Diese sind:

1. Die privatrechtliche Säule
2. Die öffentlich-rechtliche Säule
3. Die genossenschaftliche Säule. 28

Unter der privatrechtlichen Säule versteht man private Geschäftsbanken, welche dementsprechend privatrechtlich organisiert sind. Hierzu zählen Großbanken wie die Deutsche Bank AG oder Privatbankiers. 29 Ö ffentlich-rechtliche Kreditinstitute sind nach dem öffentlichen Wirtschaftsrecht organisiert. Dieser Säule gehören Sparkassen und andere Banken in der Rechtsform des öffentlichen Rechts an. Landesbanken üben die Zentralbankfunktion für die örtlichen Sparkassen aus und führen insbesondere deren Zahlungsverkehr und deren Wertpapierhandel aus. 30

G enossenschaftsbanken sind überwiegend nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) organisiert und stehen hinter der Rechtsidee des wirtschaftlichen Vereins. Hierzu zählen die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die westdeutsche genossenschaftliche Zentralbank (WGZ-Bank) und die Deutsche Genossenschaftszentralbank (DZ-Bank). 31 Spezialbanken beschränken ihr Angebotssortiment tendenziell auf einzelne Leistungsarten des Gesamtkatalogs.32 Hierunter fallen unter anderem die Realkredit- institute wie Bausparkassen, die Wertpapiersammelbanken und die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben.33 Weitere Beispiele finden sich in der noch folgenden Abbildung 3 des deutschen Bankensystems. Ein weiteres Konzept stellen die Direktbanken dar. Hierbei handelt es sich in ihrer Reinform um einen Banktypus, der kein eigenes Geschäftsstellennetz unterhält. Direktbanken kommunizieren ausschließlich über zentrale Stellen und setzen auf effiziente Prozesse und minimale Beratung.34

Auf der zweiten Ebene, welche die erste Ebene überlagert, befindet sich das Europäische System der Zentralbanken (ESZB), zu dem auch die Deutsche Bundesbank und ihre Hauptverwaltung gehören. Bei diesen stehen wirtschaftspolitische und volkswirtschaftliche Ziele im Vordergrund. Ihr Ziel ist es sich auf die Regelung des Geldumlaufes und die Kreditversorgung der Wirtschaft zu konzentrieren, um so Preisstabilität sichern zu können. Durch die zweite Ebene soll ein Beitrag für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht geleistet werden. Dieses Oberziel wird mit Hilfe staatlicher Befugnisse, unter anderem durch währungspolitische Operationen, die vom Staat vorgegeben sind, erfüllt. Vor diesem Hintergrund gehört das Recht zur Notenausgabe der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank, was das Europäische System der Zentralbanken zur Quelle der Liquidität macht, neben der Schaffung von Liquidität durch die Herstellung von Buchgeld durch das Bankensystem selbst.35

Abb ildung 3: Das deutsche Bankensystem

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung in Anlehnung an Hartmann-Wendels et. al., Bankbetriebslehre, 2019, S.29.36

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit werden besonders die Universalbanken und spezifischer Banken der öffentlich-rechtlichen- und genossenschaftlichen Säule beleuchtet. Diese werden in einen direkten Vergleich mit den noch zu erläuternden ‚FinTechs‘ gestellt.

2.3 RETAIL BANKING IN DEUTSCHLAND

Unter ‚ Retail Banking‘ kann das standardisierte Privatkundengeschäft von Banken verstanden werden. Eine trennscharfe Definition des Retail Bankings sowie des Privatkundengeschäfts findet sich weder konkret in der Praxis noch in der Literatur. Nach Schierenbeck (1992) wird bei diesen Bankaktivitäten der Schwerpunkt auf das Mengengeschäft gelegt und die Aktivitäten richten sich an Standartprivatkunden sowie gehobene oder auch wohlhabendere Privatkunden. 37 Das Angebot an Bank- dienstleistungen und -Produkten besteht dabei meist aus einheitlichen und wenig erklärungsbedürftigen Produkten. Hierbei handelt es sich vielmals um Basisprodukte, welche die Grundbedürfnisse eines jeden Bankkunden nach Finanzdienstleistungen abdecken. 38

Zum Angebot des Retail Bankings können unter anderem das Girokonto, Zahlungs- verkehrsprodukte, Einlagenprodukte, Kreditprodukte, Investmentfondvermittlungen und die Vermittlung von Bausparprodukten gezählt werden.39 Die Übergänge von Produkten des Retail Bankings zu anderen Bankdienstleistungen sind fließend. Eine genaue Abgrenzung ist nicht möglich, da die vielfachen Basisprodukte für alle Kundengruppen von Bedeutung sind. Um den heutigen Stellenwert des Retail Bankings beurteilen zu können, ist es hilfreich, einen Blick in die Vergangenheit und auf die Entstehung zu werfen. Vor dem Jahr 1959, konzentrierten sich die privaten Geschäftsbeziehungen der privaten Banken fast ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit großen und mittelständischen Unternehmen. Das Privatkundengeschäft fand in Deutschland erstmals Beachtung, als der erste Privatkredit eingeführt wurde. Zuvor beschränkte sich die Geschäftsbeziehung mit Privatkunden im Wesentlichen auf die Verwaltung des Sparbuches, welche hauptsächlich den Sparkassen vorbehalten war.

Insbesondere bei Großbanken wurde dem Einstieg in das Retail Banking nicht immer positiv entgegengeblickt, da die Sorge bestand, dass die massenhafte Vergabe von Kleinkrediten dem hohen Ansehen der Banken schaden könnte. Diese Sorgen änderten sich jedoch spätestens mit der Erschließung großer Marktvolumen durch die Einführung der Girokonten für die Lohn- und Gehaltszahlungen zu Beginn der 60er Jahre. Das private Girokonto entwickelte sich damals schnell zum Zentrum der Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden, mit den darauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen. Die Hauptverbindung der Privatkunden war zu dieser Zeit fast ausschließlich an eine Bankfiliale geknüpft. Diese Tatsache, kombiniert mit dem steigenden Wettbewerb um den privaten Kunden, führt in den darauffolgenden Jahren zu einer schnellen und konsequenten Ausdehnung des Filialnetzes.40 Das heutige Bild der relativ hohen Filialdichte in Deutschland, ist eines der Resultate der dynamischen Wachstumsjahre des Retail Bankings in den Jahren 1959 bis ca. 1978.41 Zu dieser Zeit wurde auch der Begriff der Filialbank geprägt. Der Begriff ‚Filialbank‘ reduziert das Unternehmen jedoch eher auf einen ‚Einkanal-Vertrieb‘. Dies ist in der heutigen Realität kaum noch anzutreffen. Die heutigen Banktypen lassen sich eher mit dem Begriff der

‚filialzentrierten Universalbanken‘ beschreiben, denn dieser repräsentiert eher die aktuellen Herausforderungen an eine Mehrkanal- und Mehrproduktbank. 42 Um eine grobe Orientierung für die Retail Banking-Entwicklung zu schaffen, werden in der folgenden Tabelle 1 wichtige Meilensteine und Innovationen für die Privatkundschaft im Bankensektor dargestellt.

TABELL E 1: MEILENSTEINE DER ENTWICKLUNG IM RETAIL BANKING

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an Keck, Integration der Vertriebswege, 2004, S.28 . 43

Das Retail Banking sollte aber nicht mit dem Begriff des Private Banking verwechselt werden. Nach Schierenbeck (1998) kann unter Private Banking das Bankgeschäft mit vermögenden Privatkunden verstanden werden. Darunter fallen sämtliche Dienst- leistungen und die damit verbundenen Beratungs- und Zusatzleistungen zur Erfüllung der speziellen Bedürfnisse für diese anspruchsvolle Kundengruppe.44

2.4 AKTUELLES MARKTUMFELD UND VERÄNDERUNGEN

Das Retail Banking der Zukunft liegt in einem Spannungsfeld zwischen Kunden- wünschen und Rentabilitätsanforderungen. Dieser Bereich tangiert dabei das Kerngeschäft, der in dieser Bachelorarbeit untersuchten Banken und spiegelt einen volumen- und ertragsmäßig maßgeblichen Teil der meisten deutschen Kreditinstitute und anderen Finanzdienstleister wider. 45 Dabei bildet das Retail Banking eine stabile Basis des Bankgeschäfts und erlaubt weitgehende Risikostreuung. Durch eine große Kundenbasis können Banken sich gewissermaßen von mittelfristigen wirtschaftlichen Trends und der Kapitalmarktentwicklungen entkoppeln und so einen wichtigen Ausgleich zu lukrativen, aber auch risikoreicheren Geschäftsfeldern, wie zum Beispiel dem Investmentbanking, bilden. Traditionelle Banken befanden sich über Jahrzehnte in einem komfortablen Umfeld. Durch hohe Unternehmensbeteiligungen und Regulierungen wurde weitgehend für einen abgeschotteten Markt gesorgt, welcher für regelmäßige und hinreichend hohe Gewinne stand.

Seit mehr als 20 Jahren befindet sich das standardisierte Privatkundengeschäft jedoch in einem grundlegenden Veränderungsprozess. Die Märkte sind globaler, der Wissenstransfer verläuft maßgeblich schneller, die Innovationsraten steigen und der Wettbewerb wird stets intensiver. Stetig kritisch werdende Kunden und die Digitalisierung stellen dabei nur einige der Herausforderungen dar, denen sich traditionelle Banken im Retail Banking stellen müssen.46

Vor dem Hintergrund dieser und weiteren tief greifenden Marktveränderungen sowie strukturellen Problemen in der Bankenbranche, existiert die Notwendigkeit für einen strategischen Ansatz, um die Kosten im Retail Banking zu senken, gleichzeitig die Erlöse zu steigern und das Image der Bank dabei im Markt nicht zu vernachlässigen.47 Diese Parameter hängen wechselseitig voneinander ab und lassen sich anhand der folgenden Abbildung 4 als ‚Das magische Dreieck im Retail Banking‘ verbildlichen.

ABBILDUN G 4: DAS MAGISCHE DREIECK IM RETAIL BANKING

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an Keck, Integration der Vertriebswege, 2004, S.17 . 48

Ein Beispiel für die Auswirkungen der dynamischen Veränderungen und des steigenden Kostendrucks stellt die Entwicklung der klassischen Bankfiliale dar. Im stationären Vertrieb der Bankfilialen liegt das eigentliche Zentrum des Privatkundengeschäfts. Durch den Einsatz von Bankmitarbeitern entsteht ein persönlicher Kundenkontakt und dadurch eine Intensivierung der Geschäftsbeziehung. Hierdurch stellt die klassische Filiale auch noch heute einen der bedeutendsten Distributionswege von Finanzdienstleistungen dar. Sie bietet Kunden vielfach noch das gesamte Angebot an Finanzdienstleistungen mit persönlicher Beratung und Service.49 Allerdings ist die Anzahl der inländischen Filialen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Nach einer Statistik der Deutschen Bundesbank ist die Gesamtzahl der Zweigstellen in Deutschland im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 von 32.026 auf 30.126 Filialen geschrumpft. Dies entspricht einem Rückgang von 5,9 % in nur einem Jahr. Auch im Jahr 2016 betrug der Rückgang 5,9 %. Bei der Betrachtung der Zweigstellen-Entwicklungen in der Gesamtansicht seit dem Jahr 1997, ist deutlich die Ausdünnung des Filialnetzes im deutschen Bankensektor erkennbar. Im direkten Vergleich hat sich die Anzahl der Filialen gegenüber 1997 mit einem Rückgang von 52,3 % mehr als halbiert.50

In den folgenden Kapiteln 2.3.1 bis 2.3.3 werden einige ausgewählte Parameter der Multikausalitäten für die Veränderung des deutschen Retail Bankings untersucht.

2.4.1 AUSWIRKUNGEN DER FINANZKRISE

Ein einschlagendes Ereignis, welches unter anderem für den Umbruch im Retailgeschäft verantwortlich ist, war die Finanzkrise. Daraus resultierende verschärfte Regulierungen und völlig neue Rahmenbedingungen stellen neue Herausforderungen für Banken dar.

Die globale Finanzkrise in 2008 hat vielfach Diskussion über die Funktionstüchtigkeit des marktwirtschaftlichen Systems entfacht.51 Aufgrund der US-Hypothekenkrise und den damit verbundenen Turbulenzen an den Finanzmärkten sind viele Banken in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. 52 Im Jahr 2002 endete die Spekulationsphase der ‚Dotcom-Blase‘. Die Blase war ein weltweites Phänomen, welches auf dem prognostizierten Erfolg des Internets und der tausendfach gegründeten Technologie- und Internetunternehmen aufbaute.53 Als die Blase platzte, reagierte das amerikanische Zentralbanksystem der Federal Reserve oder kurz die ‚FED‘ mit einer Senkung der Leitzinsen. Die niedrigen Zinsen waren dabei als Einladung an die Banken gedacht, um zur Refinanzierung der Realwirtschaft, diese mit Liquidität zu günstigen Konditionen zu versorgen. Ziel war das Ankurbeln der Wirtschaft, Ergebnis war jedoch eine Überversorgung an Liquidität, wodurch der Zins seine Kraft als Lenkungsinstrument des gesamtwirtschaftlichen Produktionsaufbaus verloren hatte. Dies steuerte der nächsten Krise bei, der ‚Subprime- Krise‘, auch bekannt als die Immobilienkrise. Die durch die niedrigen Zinsen erhöhte Nachfrage nach Immobilien trieb die Häuserpreise in die Höhe.54 Bei der ‚Subprime- Krise‘ ging es zentral um sogenannte ‚Subprime-Schuldner‘. Damit waren zweitklassige Kreditnehmer gemeint, die sich durch eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit auszeichneten, zum Beispiel aufgrund ihres geringen Einkommens und Vermögens sowie einer eher inkonsistenten Kredithistorie. 55 Durch die zu dem Zeitpunkt herrschende expansive Geldpolitik in Amerika und die Wirtschafts-politik, wurde die Kreditwirtschaft ermuntert, im Interesse höherer Wohneigentums-quoten Hypothekendarlehen nicht nur an Kreditnehmer mit einwandfreien Bonitätsstatus, sondern eben auch an ‚Subprime-Schuldner‘ zu vergeben.56 Aufgrund von steigenden Zinssätzen in Verbindung mit risikoreichen Hypothekenkrediten und variabler Verzinsung wurden einige ‚Subprime-Kreditnehmer‘ mit hohen Zahlungen konfrontiert, die sie nicht bedienen konnten. Zu diesem Zeitpunkt waren 1,3 Millionen Hausbesitzer nicht mehr fähig ihre Raten zu zahlen. Im Anschluss daran kamen Zahlungsausfälle bei Hypothekenbanken auf, auf denen hohe Abschreibungen folgten. Die Subprime-Krise konnte sich dabei in dem Maße Ausbreiten wie sie es tat, aufgrund der Bündelung und Verbriefung der Subprime-Hypothekenkredite. Investmentbanken haben die Kredite von regionalen Banken und Hypothekenbanken gekauft, diese dann gebündelt und als neue Anlageinstrumente angeboten. Das Ergebnis bildeten verbriefte Hypothekenkredite, die abermals gebündelt und zu Fonds gebildet wurden, den sogenannten ‚Collateralized Mortgage Obligations‘ (CMO).

Diese wurden schlussendlich weltweit an unterschiedlichste Kunden wie Investmentfonds, Versicherungen und Pensionsfonds verkauft. Beim Verkauf genossen die Wertpapiere erstklassige Ratings von Ratingagenturen, was für geringe Ausfallrisiken stand. 57

Der entscheidende Faktor, der für die dramatische Verschärfung in der Finanzkrise sorgte, war die Insolvenz der Bank ‚Lehman Brothers‘. Die Schließung des damals derart vernetzten Finanzinstitutes, während die Kapitalmärkte bereits nervös waren, hat erheblich zur Steigerung der Finanzkrise beigetragen.58 Der Untergang der Bank führte zum völligen Einbruch des Geldflusses am Interbankenmarkt und löste eine Kettenreaktion aus, die zur weltweiten Bankenkrise führte. Banken mussten den potenziellen Konkurs der anderen Finanzinstitute befürchten, weshalb sie sich untereinander kaum oder kein Geld mehr liehen. Die Folge war Panik an den Wertpapiermärkten. Die Aktienmärkte brachen rund um die Welt ein und an den Kreditmärkten schossen Risikoaufschläge in die Höhe. 59 Die EZB und die FED reagierten unter anderem mit Maßnahmen wie Liquiditätsspritzen und der Senkung des amerikanischen Leitzinses von 5,25 % im August 2007 bis sukzessive auf 2 % zum April 2008. Dies konnte die Verluste der deutschen Landesbanken, die sich in der Subprime- Krise betätigt hatten, aber nicht ausgleichen. 60 Einige deutsche Banken, die zentral involviert waren, sind beispielsweise die IKB Deutsche Industriebank AG, die Sachsen LB, die Commerzbank, die Deutsche Bank und die Hypo Real Estate Group.61

Bei der Betrachtung der Finanzkrise fielen die damaligen Aspekte des Regelwerks von Basel II in den Fokus. Das Ziel von ‚Basel II‘ ist die Sicherstellung einer angemessenen Eigenkapitalquote der Finanzinstitute, indem diese ‚risikogewichtete‘ Kredite mit eigenem Eigenkapital hinterlegen. Durch die Gründung von Zweckgesellschaften konnten die Banken jedoch das Risiko bei der Verbriefung der Hypothekenkredite auf den Kapitalmarkt übertragen. Das Risiko übernahmen dann die Kreditgeber und erhielten im Gegenzug Risikoprämien.

Für die dadurch verkauften und ausgegliederten Risiken mussten die Banken kein Eigenkapital mehr hinterlegen und umgingen die Grundidee von ‚Basel II‘.62

Durch die Finanzkrise hat das Image der Banken deutlich gelitten. Die ihnen zugemessene Kompetenz ist gesunken, sodass von einem erheblichen Reputationsverlust gesprochen werden konnte. 63 Als Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise der Kapitalausstattung und Liquiditätsvorsorge der Finanzinstitute, resultierte das umfassende Reformpaket des Basler Ausschusses, auch bekannt als das Basel III-Regelwerk.64 Dieses soll weltweit die Stabilität der Bankensysteme erhöhen, jedoch wirkt sich das Regelwerk auch auf die Wettbewerbssituation und das Kundengeschäft der Banken aus. Das Regelwerk bringt für Banken eine Vielzahl neuer Regulierungen im Vergleich zum Vorläufer ‚Basel II‘ mit sich und beeinfluss das Management von Kapital, Risiko und Liquidität. 65 Entsprechend des Zeitplans von

‚Basel III‘, müssen Banken ihre Bilanzen anpassen, um die Vorschriften bezüglich neuer Kennzahlen zu erfüllen. Ein Beispiel dafür ist die Erhöhung der Eigenkapital- anforderungen. Um Verluste, die möglicherweise aus risikogewichteter Aktiva entstehen ausgleichen zu können, müssen Banken bis zum Jahr 2019 ein Eigenkapital in Höhe von 12,5 % (vorher 8,5 % gemäß ‚Basel II‘) nachweisen.66 Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen beeinflussen das strategische und operative Denken und Handeln der Banken und soll die Tauglichkeit der Geschäftsmodelle prüfen. Die Gesamtheit der Neuregelungen der ‚Basel III‘ führen dazu, dass die Erreichung von Finanzzielen der Banken zunehmend erschwert wird.

Die Implementierung und Durchführung des Regelwerks ist mit neuen Ablaufprozessen, mehr Zeitaufwand und somit mehr Verwaltungskosten verbunden. Die Anpassung der strategischen Ausrichtung stellt demnach eine kostentechnische Belastung für Banken dar.67 In Bezug auf das Retail Banking unterliegen Banken verschärften regulatorischen Vorschriften, die vor allem auf den Konsumentenschutz abzielen und einfachere sowie verständliche Produkte und Preisgestaltungen verlangen.

Neben dem Basel III Regelwerk stehen Banken aktuell regulatorischen Herausforderungen wie den geplanten Vertriebsregeln der FINMA (welche unter anderem eine erhöhte Transparenz in Bezug auf Gebühren fordern), den Anforderungen aus MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive), dem Finanzdienstleistungsgesetz und erhöhten Vorschriften zur Steuertransparenz (FACTA, Abgeltungssteuern etc.) gegenüber. 68 Es kann davon ausgegangen werden, dass Banken sich demnach auf die Erfüllung der erhöhten Regulationen fokussieren und Ressourcen des Unternehmens aufbringen müssen, um die Organisation und das Geschäftsmodell zu Stabilisieren.

2.4.2 VERÄNDERUNGEN IM KONSUMENTENVERHALTEN UND GENERATIONENWANDEL

Banken sind im Dienstleistungsbereich tätig, wobei der Kunde im Zentrum des Geschehens steht. Für die Erstellung einer Dienstleistung ist eine direkte Beziehung zwischen dem Dienstleister (Bank) und dem Kunden erforderlich. Durch Dienstleistungs- qualität auf hohem Niveau, können im Rahmen der Erfolgskette psychologische Wirkungen erzeugt werden, wie etwa Kundenzufriedenheit.69 Beim Vergleich zwischen dem Anspruchsniveau und der Wahrnehmung kommt es dann zu einer Überfüllung, Erfüllung oder Unterfüllung der Kundenerwartungen, die sich schließlich in Kundenbegeisterung, Kundenzufriedenheit oder Kundenunzufriedenheit widerspiegelt.

Warum Kundenzufriedenheit wichtig für das Retail Banking ist, kann unter anderem durch die Ergebnisse einer branchenweiten Studie in den USA von Reichheld, F.F., und Sasser, W.E. (1990) verdeutlicht werden. In dieser Studie werden die direkte Wirkung der Kundenbindung durch Kundenzufriedenheit auf den Unternehmensgewinn verdeutlicht. Zufriedene und loyale Kunden haben demnach i. d. R. eine geringere Preiselastizität und verfügen damit über höhere Bereitschaft auch höhere Preise zu akzeptieren. Dadurch steigt der preispolitische Spielraum für zum Beispiel Bankdienstleistungen. Die Kundenloyalität hat hohen immateriellen Wert, da sie die Glaubwürdigkeit einer Bank steigert. Als Resultat profitiert das Image der Bank davon positiv und die Gefahr von Abwanderungen sinkt.

Schlussendlich sind loyale Kunden eher dazu bereit eine Bank weiterzuempfehlen, wenn diese zufrieden oder gar begeistert von der Dienstleistung der Bank waren und unterstützen so die Neukundengewinnung. 70 Vor diesem Hintergrund wird die Betrachtung der gegenwärtigen Kunden und Kundengruppen der Bankenbranche und deren Konsumentenverhalten besonders interessant. Das Ziel ist zu erkennen, welchem Anspruchsniveau und verändertem Nachfrageverhalten Banken im Retail Banking gegenüberstehen, um Kunden-zufriedenheit generieren zu können. Veränderungen im Nachfrageverhalten haben für gewöhnlich eine multikausale Begründung und werden nicht durch Einzelereignisse erzeugt.

Nach King (2010) gibt es zwei wichtige Faktoren, welche die Veränderung des Konsumentenverhaltens in der Finanzbranche maßgeblich beeinflussen. King (2010) benennt dabei auf der einen Seite den Aspekt des psychologischen Einflusses und auf der anderen Seite den Diffusionsprozess von Innovationen. Beide Faktoren tragen jeweils maßgeblich zu einem Paradigmenwechsel bei, in der Art und Weise wie Finanz- institutionen über Kundenservice und Kundeneinbindung denken sollen. Bei der Betrachtung des psychologischen Einflusses stützt er sich auf Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide. Demnach führen die Entwicklung von neuen Technologien, effizienteren Services und Möglichkeiten zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung zu einer veränderten Art und Weise wie Kunden ihre Zeit wertschätzen, oder Erwartungen verändern. Durch neue Kommunikationsmöglichkeiten können Aktivitäten über das Smartphone oder online abgewickelt werden, wodurch Konsumenten im Vergleich zu traditionellen Interaktionen zeiteffizienter sind. Außerdem führt das selbstständige erfolgreiche Ausführen von Aktionen ohne Hilfe einer anderen Person, also zum Beispiel eines Bankberaters, zu einem Gefühl von mehr Selbstkontrolle und Selbstverwirklichung. Die Technologie- und Informations- möglichkeiten führen dazu, dass Kunden mehr Kontrolle empfinden, und besser informiert sind.

Der andere Faktor bei der Veränderung des Konsumentenverhaltens ist die steigende Akzeptanz von Technologie und Innovation in unserem alltäglichen Leben. Wenn von Innovationen gesprochen wird, sind in der Regel ökonomische Innovationen gemeint.

[...]


1 Bill Gates,1994. In: (King, 2010 S. 50)

2 Vgl. (Linnhoff-Popien, et al., 2015 S. 5)

3 Vgl. (Neue Finanztechnologien - Bankenmarkt in Bewegung, 2016 S. 631 f.)

4 Vgl. (E-Banking: Challanges & Policy Implications, 2012)

5 Vgl. (Linnhoff-Popien, et al., 2015 S. 11)

6 Vgl. (Tiberius , et al., 2017 S. 1 ff.)

7 Vgl. (Alt, et al., 2016 S. 9)

8 Vgl. (Hellenkamp, 2018 S. 4 f.)

9 S. (Tolkmitt, 2007 S. 2)

10 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 19)

11 Vgl. (Freixas, et al., 2008 S. 2 ff.)

12 Vgl. (Gramlich, 2012 S. 125)

13 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

14 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

15 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

16 Vgl. (Banklexikon, 2014)

17 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

18 Vgl. (Hellenkamp, 2018 S. 59 f. )

19 Vgl. (Hellenkamp, 2018 S. 37 ff.)

20 Vgl. (Hellenkamp, 2018 S. 60)

21 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

22 Vgl. (Bundesbank)

23 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 10 ff.)

24 Vgl. (Freixas, et al., 2008 S. 2 ff.)

25 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 15 ff.)

26 Vgl. (Freixas, et al., 2008 S. 2 ff.)

27 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 27 ff.)

28 Vgl. (Claussen, 2003 S. 19 ff.)

29 Vgl. (Bundestag, 2009 S. 4)

30 Vgl. (Bundestag, 2009 S. 4)

31 Vgl. (Bundestag, 2009 S. 4)

32 Vgl. (Schierenbeck, et al., 1992 S. 19)

33 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 28 ff.)

34 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 40)

35 Vgl. (Claussen, 2003 S. 18)

36 Vgl. (Hartmann-Wendels, et al., 2019 S. 29)

37 Vgl. (Schierenbeck, et al., 1992 S. 229)

38 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 26 ff.)

39 Vgl. (Swoboda, 2001 S. 167)

40 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 26 ff.)

41 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 28 ff.)

42 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 28 ff.)

43 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 28)

44 Vgl. (Schierenbeck, 1998 S. 5)

45 Vgl. (Oehler, 2004 S. 6)

46 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 5)

47 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 15 ff.)

48 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 17)

49 Vgl. (Bock, et al., 2015 S. 18 ff. )

50 Vgl. (Bundesbank, 2018 S. 7 f.)

51 Vgl. ((Ed.), 2008 S. 3)

52 Vgl. (Bloss, et al., 2009 S. 112 f. )

53 Vgl. (Illing, 2013 S. 15)

54 Vgl. (Pfingsten, 2012 S. 64)

55 Vgl. (Bloss, et al., 2009 S. 12 ff.)

56 Vgl. ((Ed.), 2008 S. 4)

57 Vgl. (Illing, 2013 S. 23 ff.)

58 Vgl. (Pfingsten, 2012)

59 Vgl. (Böhm, 2010 S. 5 ff. )

60 Vgl. (Illing, 2013 S. 26 ff. )

61 Vgl. (Bloss, et al., 2009 S. 117 ff.)

62 Vgl. (Bloss, et al., 2009 S. 12 ff.)

63 Vgl. (Pfingsten, 2012 S. 60)

64 Vgl. (Bankenaufsicht, 2010 S. 1 )

65 Vgl. (Everling, et al., 2013 S. 45 ff.)

66 Vgl. (Sarialtin, 2015 S. 12)

67 Vgl. (Sarialtin, 2015 S. 54 ff. )

68 Vgl. (Ernst & Young, 2012, S. 15)

69 Vgl. (Meffert, et al., 2006 S. 33 ff.)

70 Vgl. (Keck , et al., 2006 S. 79)

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Disruption im deutschen Retail-Banking. Wettbewerbsvorteile von FinTechs gegenüber traditionellen Banken.
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
110
Katalognummer
V503072
ISBN (eBook)
9783346121363
ISBN (Buch)
9783346121370
Sprache
Deutsch
Schlagworte
disruption, retail-banking, wettbewerbsvorteile, fintechs, banken
Arbeit zitieren
Kim Pham (Autor:in), 2019, Disruption im deutschen Retail-Banking. Wettbewerbsvorteile von FinTechs gegenüber traditionellen Banken., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503072

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