Handlungsansätze der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) zur Stärkung von Kindern psychisch erkrankter Eltern. Herausforderungen und Chancen


Bachelorarbeit, 2019

124 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhalt

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zur Lebenssituation von Kindern, deren Eltern psychisch erkrankt sind
2.1 Exkurs: Psychische Erkrankung
2.2 Risikofaktoren hinsichtlich der kindlichen Entwicklung
2.2.1 Überblick: Kindliche Entwicklung und Entwicklungsaufgaben
2.2.2 Genetische Disposition und psychosoziale Einflüsse
2.2.3 Auswirkungen auf das Bindungsverhalten
2.2.4 Einschränkungen in der elterlichen Erziehungskompetenz
2.2.5 Kindeswohlgefährdung (im Kontext der elterlichen Psychopathologie)
2.3 Belastungsfaktoren durch die elterliche Erkrankung
2.3.1 Subjektive Perspektiven und Belastungen
2.3.2 Destabilisierung des familiären Systems
2.3.3 Tabuisierung und Kommunikationsverbot
2.3.4 Isolation, Unentbehrlichkeit und Marginalisierung
2.4 Die Bedeutung von Resilienz
2.4.1 Allgemeine Schutzfaktoren
2.4.2 Spezifische Schutzfaktoren von Kindern psychopathogener Eltern
2.5 Zusammenfassende Betrachtung

3 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
3.1 Einführender Überblick
3.2 Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil als Adressaten der Sozialpädagogischen Familienhilfe

4 Handlungsansätze der SPFH in der Arbeit mit betroffenen Kindern
4.1 Sozialpädagogische Diagnostik
4.2 Stärkung kindlicher Ressourcen
4.2.1 Förderung der Problemlösungskompetenz:
4.2.2 Über die Bedeutung eines Krisenplans
4.2.3 Psychoedukation
4.3 Stärkung familiärer Ressourcen
4.3.1 Förderung der Erziehungskompetenz
4.3.2 Stärkung und Stabilisierung der Eltern-Kind-Beziehung
4.3.3 Förderung der familiären Kommunikation
4.4 Aktivierung sozialer Ressourcen
4.4.1 Die Bedeutung Sozialer Gruppenarbeit
4.4.2 Erschließen von Patenschaften

5 Herausforderungen in der Arbeit mit betroffenen Familien

6 Schlussbetrachtung

Literatur

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispielhafte Entwicklungsaufgaben

Tabelle 2: Entwicklungsstufen nach Jean Piaget

Tabelle 3: Verfahren zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung

Tabelle 4: Installation SPFH

Tabelle 5: Wichtige Voraussetzung in der Durchführung der Problemförderung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Lebenssituation von Kindern psychisch erkrankter Eltern

Abbildung 2: Kind und Resilienz

Abbildung 3: Zusammenfassende Betrachtung

Abbildung 4: Netzwerkkarte

Abbildung 5: VIP-Karte, anonymisiert

Abbildung 6: Genogramm

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Rund jede dritte der in Deutschland lebenden Personen entwickelt im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung. Nach Aussagen des Bundesgesundheitssurveys (BGS) gehört sie somit zu den in der Gesamtbevölkerung am häufigsten vorkommenden Erkrankungen. Laut dem von der Barmer GEK publizierten Krankenhausreport (2011) lässt sich in den vergangenen 20 Jahren ein Anstieg diagnostizierter psychischer Erkrankungen von über 130 % beobachten (vgl. Schneider/Wien/Weber-Papen 2017: 4; Schmuhl 2016: 31f.; Lenz 2014a: 61).

Im Rahmen einer umfangreichen und bundesweit durchgeführten Untersuchung des BGS hinsichtlich der Prävalenz psychischer Erkrankungen (1998 und 1999) konnte in den Jahren der Erhebung eine Lebenszeitprävalenz von 43 % bei der in Deutschland lebenden erwachsenen Allgemeinbevölkerung (18 – 65 Jahre) festgestellt werden. Eine ähnlich und im Jahre 2012 durch das Robert-Koch-Institut abgeschlossene Studie (DEGS) kam auf eine vergleichbare 12-Monatsprävalenz von 39 %. Michael Treier resümiert, dass psychische Erkrankungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als eine „Volkserkrankung“ zu betrachten sind. Rechne man die Ergebnisse der DEGS auf die Lebenszeit hoch, so würde dies indizieren, dass rund jede zweite Frau und jeder dritte Mann ihrem Leben zumindest einmal psychisch erkranken (vgl. Treier 2019: 6f.; Schneider/Wien/Weber-Papen 2017: 5). Dem gegenüber einschränkend werden Ergebnisse epidemiologischer Studien diskutiert, welche jedoch gegen einen deutlichen Anstieg etwaiger Erkrankungen sprechen. Zu erklären ist dies möglicherweise durch eine in der Gesellschaft steigende Akzeptanz gegenüber psychischen Erkrankungen, die damit einhergehende Bereitschaft, sich psychotherapeutisch behandeln zu lassen sowie einer verbesserten Validität diagnostischer Messinstrumente (vgl. Griepenstroh/Heitermann/Hermeling 2012: 25).

Ungeachtet der Frage danach, wie groß der Anstieg tatsächlich ist, sind sehr viele Menschen und ihre Angehörigen von dieser Problematik betroffen.

Ist von den Angehörigen psychisch erkrankter Menschen die Rede, so denken viele erst einmal an deren EhepartnerInnen, LebensgefährtInnen, Eltern oder Geschwister. Jedoch sind unter den Betroffenen oftmals auch Menschen mit eigenen Kindern, die sogenannte „vergessene Risiko- oder Angehörigengruppen.“ Diese unterliegen gegenüber Kindern aus Familien mit psychisch „gesunden“1 Elternteilen einer drei- bis viermal erhöhten Prävalenz, im Laufe ihres Lebens selbst einmal psychisch zu erkranken. Damit ist jedoch nicht nur ausschließlich von einem spezifisch psychiatrischen-, sondern darüber hinaus auch von einem allgemeinen psychiatrischen Erkrankungsrisiko2 auszugehen (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 24f.)

Bei einer psychischen Erkrankung handelt es sich nicht nur allein um singulär empfundene Belastungen einzelner Personen, diese kann mit erheblichen Auswirkungen hinsichtlich des familiären Systems einhergehen und beeinflusst folglich nicht nur die individuellen Lebenssituationen, sondern auch die innerfamiliären Beziehungen. So leiden insbesondere Kinder zunehmend unter emotionalen Belastungen und Beeinträchtigungen (vgl. Wagenblass 2018: 1231f.; Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 3f.).

Durch eine geringe und zumeist auf die psychische Erkrankung zurückzuführende physische Belastbarkeit und emotionale Verfügbarkeit der Eltern bzw. des Elternteils müssen betroffene Kinder oftmals schon sehr früh lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen sowie eventuelle schulische und persönliche Probleme eigenständig zu bewältigen. Die sich so langsam manifestierende Destabilisierung des Familiensystems ist jedoch „nur“ die Spitze des Eisberges. Kinder leiden unter der ihnen unbekannten Situation sowie unter dem oftmals höchst widersprüchlichen, diffusen oder ambivalenten Verhalten der Eltern. Psychische Erkrankungen können sich je nach Form, Ausprägung oder Chronizität ganz unterschiedlich auf das subjektive Erleben der Kinder auswirken. So kann es beispielsweise sein, dass eine depressiv erkrankte Mutter an einem Tag in der Woche keine krankheitsspezifischen Symptome zeigt und sich in der Lage sieht, sich liebevoll um ihr Kind zu kümmern sowie etwas gemeinsam mit diesem zu unternehmen. Dann kann es jedoch Tage geben, an denen die Mutter das Bett nicht verlassen will und viel weint (vgl. Wagenblass 2018: 1232; Lenz 2014a: 83; Lenz 2010: 3; Kaschta 2008: 5; Loch 2016: 24).

Um ihre Kinder zu schützen, verschweigen die Eltern ihren Kindern den wirklichen gesundheitlichen Zustand des betroffenen Elternteils, diese und vermeintlich gut gemeinte Vorgehensweise bewirkt jedoch genau das Gegenteil und führt vielmehr zu Irritation und Verwirrung. Die Kinder suchen sich dann eigene Erklärungen für das facettenreiche Verhalten ihrer Eltern, oftmals manifestieren sich so Schuldgefühle und Ängste, da sie befürchten, selbst der Auslöser oder sogar Trigger deren Befindens zu sein. Nicht selten werden elterlicherseits jedoch bewusst Kommunikationsverbote ausgesprochen, sei es aus Rücksichtnahme aufeinander, dem erkrankten Elternteil gegenüber oder aber um Marginalisierungen und Anfeindungen des sozialen Umfeldes entgegenzuwirken. Dies hat unweigerlich eine sich immer weiter konsolidierende Isolation zur Folge. Soziale Unterstützung, insbesondere durch öffentliche und familienunterstützende Einrichtungen, erscheinen vor diesem Hintergrund nur schwer zu implementieren (vgl. Jacob 2018: 15ff.; Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 4ff.).

Die Familie kann als primäre Sozialisations- und Enkulturationsinstanz des Kindes bezeichnet werden, in der es fundamentale Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt bekommt sowie eine emotionale Grundhaltung erfährt. Darüber hinaus beeinflusst die Familie in einem erheblichen Maße die Entwicklung der Persönlichkeit sowie die der Biografie des Kindes. Eine psychische Erkrankung auf Seiten der Eltern kann diesen Prozess jedoch erheblich beeinträchtigen. Betroffene Kinder geraten aber oftmals gar nicht erst in das Blickfeld der Hilfesysteme bzw. meist erst dann, wenn sich die familiäre Situation dahingehend verschlechtert oder eskaliert, dass ein Eingriff von Seiten des Jugendamtes, oftmals in Form einer Inobhutnahme, notwendig oder unerlässlich erscheint (vgl. Lenz 2014a: 70; Haeffner 2009: 88; Kaschta 2008: 77).

Umso mehr erscheint die Notwendigkeit, die in der Gesellschaft immer noch häufig verankerte Tabuisierung gegenüber psychischen Erkrankungen zu lösen und diese dahingehend zu sensibilisieren, mögliche Indizien psychischer Auffälligkeiten zu erkennen, um ein wirksames frühzeitiges Tätigwerden (bestenfalls ambulanter) Sozialer Arbeit greifbarer zu machen.

Durch das bisher Dargestellte wird bereits deutlich, dass Kinder psychisch erkrankter Eltern vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind, die, sollten sie in Kumulation auftreten und in Relation zu weiteren Faktoren stehen, sich negativ auf die kindliche Entwicklung auswirken und das Erkrankungsrisiko erhöhen können. Dies bestätigen auch zahlreiche VertreterInnen3 der sogenannten Risikoforschung, auf die jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt intensiver eingegangen wird. Dennoch ist eine elterliche psychische Erkrankung keinesfalls als ein determinierender Einflussfaktor gegenüber dem kindlichen Erkrankungsrisiko zu betrachten. Es sei dem Leser bzw. der Leserin an dieser Stelle schon einmal vorweggenommen mit der Intention, Interesse zu wecken, dass Kinder psychopathogener Eltern zwar einem erhöhtem Risiko unterliegen, selbst einmal im Laufe ihres Lebens psychisch zu erkrankten, einige dieser Kinder aber dennoch dazu in der Lage sind, sich trotz belastender und widriger Lebensumstände zu einer gesunden und eigenständigen Persönlichkeit zu entwickeln. Es sind bestimmte protektiv wirkende Faktoren und Ressourcen, die dem Kind dazu verhelfen (können), sich funktional an belastende Umgebungsbedingungen an zu passen. Bei der so genannten „Resilienz“ handelt es sich nicht um eine individuelle oder angeborene Persönlichkeitseigenschaft, sie entwickelt sich durch eine Interaktion des Kindes mit dessen Umwelt.

Die Resilienzforschung konnte diesbezüglich eine Reihe protektiv wirkender Faktoren ermitteln, dazu gehören unter anderem Selbstvertrauen, soziale Kontakte, die familiäre Kohäsion oder ein ausgeglichenes und angemessenes Erziehungsklima. Angesichts der vielfältigen Belastungen, denen die Kinder psychisch erkrankter Eltern(teile) gegenüberstehen, sind eben genannte und die kindliche Entwicklung fördernde sowie schützende Faktoren häufig nicht gegeben. An dieser Stelle gilt es, die Familie in jeder Hinsicht zu unterstützen. Da diese, wie schon erwähnt, die primäre Sozialisationsinstanz des Kindes darstellt, sollte das Familiensystem bestenfalls erhalten und stabilisiert werden. Um dies zu ermöglichen, erscheint die Installation einer Sozialpädagogischen Familienhilfe (im Folgenden SPFH) als besonders geeignet (vgl. Wiegand-Grefe 2017: 35ff).

Bei der SPFH handelt sich um eine ambulante Form der Hilfen zur Erziehung nach § 27ff. SGB VIII und eignet sich besonders gut für Familien in schwierigen Lebenssituationen. Ferner unterliegt diese grundsätzlich dem Freiwilligkeitscharakter, kann jedoch von Seiten des Jugendamtes im Falle einer latenten Gefährdung des Kindeswohls, auf die an dieser Stelle noch nicht näher eingegangen wird, angeordnet werden. Im Rahmen von Hausbesuchen unterstützt die SPFH die Familien unter anderem in deren Bewältigung von alltäglichen Problemen und Belastungen. Oberstes Ziel ist es, durch eine ziel- und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien sowie durch die Fokussierung auf vorhandene Ressourcen, das Mobilisieren dieser sowie ein zugrundeliegendes, gegenseitiges Vertrauen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten (vgl. Findt 2016: 161; Erner 2013: 110; Weber 2012: 34; Müller 2010: 205ff.).

Wie findet nun aber die eben beschriebenen Zielsetzung sowohl Ausgestaltung als auch Umsetzung in der Arbeit mit Kindern psychisch erkrankter Eltern? Wie kann es gelingen, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und dahingehend zu unterstützen, dass diese sich trotz gegebener Lebensumstände zu einer eigenständigen und selbstbewussten Persönlichkeit entwickeln? Um dies zu eruieren, liegt der vorliegenden Arbeit folgende Fragestellung zu Grunde:

„Welche Handlungsansätze ergeben sich für die Intervention der Sozialpädagogischen Familienhilfe zur Stärkung von Kindern psychisch erkrankter Eltern?“

Darüber hinaus kann als weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit angesehen werden, die Eruierung folgender Fragen zu erreichen:

- Welche Rolle spielen genetische Dispositionen und psychosoziale Einflüsse?
- Inwieweit kann sich eine elterliche Psychopathologie auf das Bindungsverhalten auswirken?
- Wie ist das Kindeswohl im Verhältnis zu einer elterlichen psychischen Erkrankung einzuschätzen?
- Wie erleben betroffene Kinder die psychische Erkrankung der Eltern?
- Was wünschen sich betroffene Kinder und Eltern?
- Welchen Herausforderungen stehen die Fachkräfte der SPFH in der Arbeit Familien gegenüber, in denen Eltern(teile) psychisch erkrankt sind?

Basierend auf dem persönlichen Interesse der Autorin sowie bereits gesammelten Praxiserfahrungen in der Arbeit mit der beschriebenen Zielgruppe ist die Idee entstanden, „Kinder psychisch erkrankter Eltern“ als Gegenstand der vorliegenden Bachelorarbeit auszuwählen. Abgesehen von der eingangs beschriebenen, steigenden Prävalenz psychischer Erkrankung ist hervorzuheben, dass über die Kinder psychopathogener Eltern zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine aussagekräftigen und validen Zahlen vorliegen. Betroffene Kinder stehen einer Vielzahl an Belastungen und Risiken gegenüber. Die Intention der vorliegenden Arbeit ist es, den Leser bzw. die Leserin für dieses Thema und die besondere Lebenslage Kinder psychisch erkrankter Eltern zu sensibilisieren. Ferner soll erreicht werden, dass allgemein offener mit dem auch heute noch oftmals tabuisierten Thema „psychische Erkrankungen“ umgegangen wird. Denn dies erleichtert es auch betroffenen Personen selbst, sich anderen gegenüber zu öffnen.

Damit die zentrale Fragestellung beantwortet werden kann, erscheint es zunächst von großer Bedeutung, dem Leser bzw. der Leserin einen umfassenden Überblick über die Lebenssituation betroffener Kinder zu erschaffen. Dies soll anhand des zweiten Kapitels erfolgen, das sowohl die Risiko- (2.2), Belastungs- (2.3) als auch Resilienzfaktoren (2.4) miteinschließt. Neben einer allgemeinen Definition psychischer Erkrankungen (2.1) sowie Einführung in die Entwicklungspsychologie des Kindes (2.2.1) soll ebenfalls geklärt werden, inwieweit genetische und psychosoziale Faktoren (2.2.2) Einfluss auf die Manifestation pathogener Entwicklungsverläufe nehmen können. Hierzu wird unter anderem auf Erkenntnisse der „High-Risk-Forschung“ sowie auf eine von Caspi und KollegInnen durchgeführten repräsentativen Längsschnittstudie zurückgegriffen. Anschließend soll behandelt werden, inwieweit sich die elterliche Psychopathologie auf die Bindungsqualität (2.2.3) und die Erziehungskompetenz auswirken kann (2.2.4). Dies geschieht unter besonderer Berücksichtigung wesentlicher und der Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth zugrundeliegenden Erkenntnissen. Kapitel (2.2.5) widmet sich der terminologischen Klärung des Kindeswohls. Ebenso soll geklärt werden, ob sich ein Zusammenhang zwischen dieser und einer elterlichen Psychopathologie vermuten lässt. Dies erfolgt sowohl auf Grundlage des Gesetzestextes als auch einschlägiger und weiterführender Literatur.

Das sich daran anschließende Teilkapitel (2.3) beschreibt wesentliche mit einer elterlichen Psychopathologie einhergehende Belastungsfaktoren, die damit in Verbindung stehenden Auswirkungen auf die Kinder sowie deren subjektiv empfundene Belastungen. Das Besondere an diesem Kapitel ist, dass teilweise Aussagen ehemals betroffener Kinder Einzug finden. Durch diese Vorgehensweise soll die oftmals belastende Lebenssituation betroffener Kinder sowie deren emotionales Erleben in besonderer Form hervorgehoben und präzisiert werden. Der Fokus in Kapitel (2.3.2) richtet sich auf die Destabilisierung des familiären Systems, die häufig mit einer Generationsgrenzstörung d.h. einer Parentifizierung betroffener Kinder zu assoziieren ist. Das sich daran anschließende Kapitel (2.3.3) illustriert die bereits erwähnte familiäre Tabuisierung sowie dysfunktionale Kommunikationsprozesse. Abschließend wird in Kapitel (2.3.4) die soziale Disjunktion als eine weitere mögliche Folge aufgegriffen sowie mit einer eigens erstellten Darstellung der kindlichen Lebenssituation unter Einfluss zuvor beschriebener Belastungsfaktoren präzisiert.

Kapitel (2.4) beschäftigt sich mit der psychischen Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Lebensereignissen. Hierzu werden unter anderem die Forschungserkenntnisse Michael Rutters und Emmy Werners, zweier bedeutenden VertreterInnen der Resilienzforschung sowie Ansätze der Salutogenese hinzugezogen. Eine Zusammenfassende Betrachtung (2.5) des bis dahin Dargestellten schließt das zweite Kapitel letztendlich ab.

Im Fokus des Dritten Kapitels steht die Sozialpädagogische Familienhilfe. Zunächst erfolgt auch hier ein einführender Überblick (3.1). Grundlegende Inhalte beziehen sich mitunter auf die Zielsetzung und die Ansätze handlungsbegleitender Theorien. Anschließend bildet die Arbeit mit psychisch erkrankten Eltern die Grundlage des sich daran anschließenden Teilkapitels (3.2).

Darauf aufbauend werden im vierten Kapitel verstärkt mögliche Handlungsansätze der SPFH beleuchtet. Dieses erscheint angesichts der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung unverzichtbar. Damit die SPFH jedoch überhaupt tätig werden kann, gilt es, den jeweiligen und individuellen Bedarf der einzelnen Familienmitglieder zu eruieren. Aus diesem Grunde widmet sich Kapitel 4.1 den in der sozialpädagogischen Diagnostik einzusetzenden Methoden. Unter anderem wird hier das Genogramm und die VIP-Karte vorgestellt. Das sich daran anschließende Kapitel 4.2 fokussiert die Stärkung kindlicher Ressourcen, auf die bereits in Kapitel 2.4 intensiv eingegangen wird. Innerhalb der dem Kapitel 4.2 untergliederten Teilkapitel wird auf die Förderung der Problemlösekompetenz (4.2.1), die Bedeutung eines Krisenplans (4.2.2) sowie auf die einer altersangemessenen Psychoedukation (4.2.3) eingegangen. Unter anderem werden hier eine Reihe an Programmen und Methoden vorgestellt.

Die Stärkung familiärer Ressourcen findet in Teilkapitel 4.3 Beachtung. Ähnlich gegliedert wie das vorherige, werden in Kapitel 4.3.1 mögliche Methoden und Programme zur Förderung der Erziehungskompetenz vorgestellt. Anschließen steht die Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung sowie einige Methoden zur Verbesserung der Bindungsqualität im Mittelpunkt (4.3.2). Eine Auswahl an Methoden und Techniken der SPFH zur Verbesserung familiärer und dysfunktionaler Kommunikationsprozesse werden in Kapitel 4.3.3 vorgestellt.

Wie es gelingen kann, soziale Ressourcen zu mobilisieren, wird in Kapitel 4.4 deutlich werden. Dabei wechselt die Fachkraft der SPFH oftmals von einer aktiv begleitenden in eine eher vermittelnde und koordinierende Funktion. Dies soll anhand der Einbindung des Kindes in soziale Gruppenangebote (4.4.1) sowie in dem Erschließen von so genannten Patenschaften (4.4.2) verdeutlicht werden.

Im Fokus des fünften Kapitels stehen mögliche Herausforderungen, denen die SPFH in der Arbeit mit der beschriebenen Zielgruppe, gegenüberstehen kann. Eine in Kapitel sechs abschließende Betrachtung sowie eine kritische Auseinandersetzung bezüglich der herangezogenen und verwendeten Literatur runden die vorliegende Arbeit letztendlich ab.

Angesichts der Vielzahl zur Verfügung stehender und einschlägiger Literatur sowie einem bereits reichlich empirisch fundierten Wissen und aussagekräftigen Studien bezüglich der dieser Arbeit zugrundeliegenden Thematik wird auf das Hinzuziehen eigener empirischer Erhebungen verzichtet und auf bereits vorliegende Erkenntnisse zurückgegriffen.

Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung „Kind“ im Folgenden als Synonym für noch nicht volljährige Kinder, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verwendet wird. Auf sich auf bestimmte Altersgruppen beziehende Inhalte wird dementsprechend hingewiesen. Ferner wird darauf geachtet, stets eine geschlechtergerechte Ausdrucksweise zu verwenden. Dies soll die Gleichstellung der Geschlechter zum Ausdruck bringen. An Stellen, an denen aus Gründen eines besseren Verständnisses oder einer besseren Lesbarkeit darauf verzichtet wird, wird dementsprechend darauf hingewiesen.

2 Zur Lebenssituation von Kindern, deren Eltern psychisch erkrankt sind

Bevor die zentrale Fragestellung, „Welche Handlungsansätze ergeben sich für die Intervention der Sozialpädagogischen Familienhilfe zur Stärkung von Kindern psychisch erkrankter Eltern“ beantwortet werden kann, ist es zunächst von wesentlicher Bedeutung, einen umfangreichen Überblick über die Lebenssituation betroffener Kinder zu schaffen sowie über die Akkumulation von Belastungen und Beeinträchtigungen, denen sie gegenüberstehen. Ferner soll behandelt werden, wie es betroffenen Kindern gelingen kann, sich trotz widriger Lebensumstände gesund zu entwickeln. Nicht zu vergessen ist eine allgemeine Definition psychischer Erkrankungen, die einleitend erfolgen soll.

Eben genannte Inhalte sollen unter anderem nunmehr den zentralen Gegenstand des folgenden Kapitels bilden.

2.1 Exkurs: Psychische Erkrankung

Psychische Erkrankungen bzw. Störungen sind charakterisiert durch vom „Normalzustand“ abweichende Veränderungen des Verhaltens und Erlebens. Dies kann mit erheblichen Einschränkungen hinsichtlich der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens oder Handelns sowie mit erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität einhergehen. Mögliche Hinweise auf eine sich entwickelnde oder bereits vorliegende psychische

Erkrankung können demnach exemplarisch langanhaltende depressive Phasen, soziale Isolation, Gefühlsschwankungen, Antriebslosigkeit oder aber auch bestimmte und sich stark manifestierte Verhaltensweisen wie zwanghaftes Reinigen des Haushalts oder das Kontrollieren der sich darin befindenden Geräte geben (vgl. Schneider/Wien/Weber-Papen 2017: 6; Griepenstroh/Heitermann/Hermeling 2012: 24). Die einer (psychischen) Erkrankung zugrundeliegenden Ursachen werden als ätiologische4 Faktoren bezeichnet. Die durch die Ätiologie gewonnenen und hervorgegangenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung späterer Behandlungsmöglichkeiten.

Bis heute konnten die ätiologischen Faktoren der meisten psychischen Störungen jedoch nicht vollständig festgestellt werden, da diese zumeist multiplen Kausalitäten unterliegen, d.h., multifaktoriell bedingt, also selten „nur“ auf eine Ursache zurückzuführen sind. Mitunter ist in der Entstehung einer psychischen Erkrankung die Vulnerabilität5, insbesondere durch ein Zusammenwirken weiterer biologischer Faktoren, als ein bedeutender und prädisponierender Faktor zu nennen. Hierzu zählen beispielsweise prä-, peri- und postnatale Einflüsse sowie die individuell genetische Prädisposition6. So sind exemplarisch schizophrene Störungen im Laufe einer Schwangerschaft auf vorangegangene Infektionen oder Komplikationen während der Geburt zurückzuführen. Ferner unterliegen der Vulnerabilität auch ungünstige Umgebungsbedingungen (psychosoziale Faktoren), wie beispielsweise traumatische Erfahrungen, der frühe Verlust durch den Tod eines Elternteils oder Misshandlungen. (vgl. Friedrichs/Knöchel 2016: 33f.).

Als ein weiterer und nicht unerheblicher Faktor ist zudem die Schichtzugehörigkeit sowie der soziale Status der Herkunftsfamilie zu nennen. Miriam Schmuhl nennt diesbezüglich insbesondere deren Einfluss hinsichtlich depressiver Störungen. So weisen Menschen, die einen geringen sozioökonomischen Status innehaben, gegenüber gesellschaftlich höher gestellten Menschen ein bis zu drei Mal häufigeres Aufkommen von Symptomen depressiver Erkrankungen auf. Dies liegt mitunter an eingeschränkten Ambitionen sowie Verhaltensweisen hinsichtlich der individuellen Gesundheitserhaltung und -förderung, was insbesondere eine fehlende Inanspruchnahme (präventiver) Hilfen und Unterstützungsangeboten mit einschließt und folglich auch dazu führt, dass etwaige Angebote nur selten die Aufmerksamkeit benachteiligter Gruppen auf sich ziehen können (vgl. Schmuhl 2016: 34).

Frauen sind mit einem Anteil von rund 40 % gegenüber den Männern mit 25,3 % überrepräsentiert und somit häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen. Diese Zahlen sind vergleichbar mit den Ergebnissen anderer international durchgeführten Studien (vgl. Schneider/Wien/Weber-Papen 2017: 5; Schmuhl 2016: 33; Lenz 2014b: 46). Albert Lenz stellt diesbezüglich die Vermutung auf, dass davon auszugehen ist, »[…] dass rund ein Viertel bis ein Drittel der in Deutschland lebenden Erwachsenen im Laufe eines Jahres die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen einer psychischen Störung erfüllen.« (Lenz 2014a: 61; kursiv A.K.) Ferner lagen bei rund 40 % der Personen mit bereits diagnostizierter Erkrankung mehr als nur eine psychische Störung vor. Angststörungen treten am häufigsten auf, ebenso affektive Störungen (welche insbesondere Depressionen miteinschließen) sowie somatoforme7 Erkrankungen und Störungen, hervorgerufen durch psychoaktiven Substanzmittelmissbrauch (vgl. Schmuhl 2016: 33; Lenz 2014a: 61).

Nach Angaben des aktuellen BGS liegen bei circa 4,5 Mio. der in Deutschland lebenden erwachsenen Personen eine professionelle psychotherapeutische bzw. psychiatrische Behandlungsnotwendigkeit vor. Über den tatsächlichen Anteil psychisch erkrankter Eltern konnten bisher jedoch noch keine eindeutigen und validen Zahlen erhoben werden. Dies ist mitunter auf die in den wenigen und kontrollierten Studien sich stark voneinander variierenden und divergierenden untersuchten Bevölkerungsgruppen8 zurückzuführen. Ebenso wird von Seiten der Betroffenen in der Annahme professioneller und psychotherapeutischer Hilfe oftmals auch kein Erfordernis gesehen. Dies resultiert unter anderem aus einer fehlenden bzw. unzureichenden affirmativen psychischen Reaktion nach einer vorangegangenen ärztlichen Diagnose, finanziell oder soziokulturell bedingten Antezedenzien9 , insbesondere durch Befürchtungen der Stigmatisierung oder eventuellen Ausgrenzungen seitens des familiären bzw. sozialen Umfeldes (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 1ff.; Schmuhl 2016: 31ff.; Mattejat 2014: 71; Lenz 2014: 61; Schrappe 2018: 37).

2.2 Risikofaktoren hinsichtlich der kindlichen Entwicklung

Bevor auf die einzelnen Auswirkungen einer elterlichen Psychopathologie auf die Kinder, deren Entwicklung sowie deren Lebenswelten eingegangen werden kann, erscheint es zunächst als wesentlich, erst einmal einen groben Überblick darüber zu schaffen, was unter dem Begriff „kindliche Entwicklung bzw. Entwicklungspsychologie“ überhaupt zu verstehen ist. Dies erscheint auch dahingehend als besonders wichtig, da die Kinder im Rahmen ihrer Entwicklung unterschiedlichen Anforderungen und Aufgaben gegenüberstehen, die es zu bewältigen gilt und zum Teil der Unterstützung der Eltern bzw. der der Bezugspersonen bedarf. Es sei an dieser Stelle jedoch noch einmal erwähnt, dass es sich lediglich um eine kurze Einführung in die Entwicklungspsychologie des Kindes handelt, da es nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit darstellt und darüber hinaus den schriftlichen Rahmen sprengen würde. Dennoch darf dieser Gesichtspunkt nicht vollends außer Acht gelassen werden.

2.2.1 Überblick: Kindliche Entwicklung und Entwicklungsaufgaben

Das der Entwicklungspsychologie zu Grunde liegende Ziel ist es, die intraindividuellen Veränderungen des Erlebens, Denkens, Verhaltens und Handelns sowie einen jeweils möglichen Zusammenhang zwischen diesen und sozialökonomischen Einflüssen bzw. Bedingungen zu erklären (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 2f.). »Die Entwicklung des Menschen vom Neugeborenen bis zum Erwachsenen ist ein immerwährender Prozess, in dem biologische, psychosoziale und situative Faktoren wechselseitig wirksam werden.« (Sendera/Sendera 2011: 5) Durch multifaktorielle Einflüsse sowie einer ständigen Interaktion mit der Umwelt, unterliegt dieser Prozess einer sich ständig wechselnden Plastizität (Veränderbarkeit), im Rahmen dessen das Individuum jedoch eine Vielzahl an unterschiedlichsten Fähigkeiten und Kompetenzen erwirbt, die sich mit zunehmenden Alter immer weiterentwickeln bzw. verfeinern. Ferner ist der Entwicklungsprozess in verschiedene Lebensphasen zu unterteilen, in denen es jeweils verschiedene Entwicklungsaufgaben zu bewältigen gilt. Es handelt sich dabei um gesellschaftlich und kulturell vorgegebene Anforderungen und Erwartungen, die innerhalb eines bestimmten Lebensabschnittes erfüllt sein bzw. werden sollten (siehe hierzu bitte Tab. 1).

Tabelle 1 : Beispielhafte Entwicklungsaufgaben (vgl. Seidel 2017: 93; Sahli 2014: 24f.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Stanley Greenspan und Thomas Berry Brazelton stellten im Jahre 2007 unter Einbeziehung damaliger Forschungsbefunde der Entwicklungspsychologie die für eine gesunde kindliche Entwicklung, grundlegendsten Bedürfnisse zusammen und kamen zu der Erkenntnis, dass neben genügend Erholung und Schlaf sowie Versorgung (durch (im)materielle Dinge usw.) ebenso die Erfahrung von Liebe und emotionaler Wärme von besonderer Bedeutung für die Entwicklung eines eigenständiges Individuums ist. Weiter plädieren Greenspan und Brazelton dafür, dass angesichts dieser Erkenntnisse eine stabile und sichere Bindung10 zwischen einem Kind und dessen Bezugsperson(en) unerlässlich ist.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Kind sich schon früh der Verfügbarkeit seiner Bezugspersonen sicher ist und weiß, dass es sich auf diese zu jeder Zeit verlassen kann. Resultierend aus dem Gefühl und dem Bewusstsein, geliebt und respektiert zu werden, entwickelt es den nötigen Mut, seine Umwelt zu erkunden und sich neuen Situationen zustellen (Explorationsbedürfnis). Jedoch sollten neue Erfahrungen oder Situationen auch dem jeweiligen Alter und Entwicklungsstandes des Kindes angemessen sein, da es andernfalls zu Überforderungen oder sogar Frustrationen und Enttäuschungen auf Seiten des Kindes kommen kann. Weiterhin betonen die Autoren die Notwendigkeit der Förderung und Anerkennung kindlicher Talente sowie die einer festen Tagesstruktur, einhergehend mit klaren Grenzen und Regeln.

Als ein weiterer wichtiger Aspekt in der kindlichen Entwicklung ist die soziale Beziehung zu Gleichaltrigen (Peers) zu benennen, nicht zuletzt auch aus dem Grunde, da durch diese die spätere emotionale Abgrenzung von den Eltern erleichtert wird (vgl. Pauen/Frey/Ganser 2012: 22ff; Greenspan/Brazelton 2008: 203ff.).

Jean Piaget vermutet einen diskontinuierlichen Entwicklungsverlauf und begründet dies durch eine sich in bestimmten Entwicklungsabschnitten verändernde Struktur des Denkens (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 24). Piaget unterteilt den Verlauf der Entwicklung in vier Stufen (Stufenmodell), die jeweils unabhängig voneinander unterschiedlich schnell durchlaufen, jedoch nicht übersprungen werden können (vgl. ebd.: 25; Sendera/Sendera 2011: 15). Diese Entwicklungsstufen sollen in der folgenden Tabelle zusammenfassend vorgestellt werden, bevor anschließend die genetischen und psychosozialen Einflüsse aufgegriffen werden:

Tabelle 2 : Entwicklungsstufen nach Jean Piaget (vgl. (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 25ff.; Sendera/Sendera 2011: 15f.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.2 Genetische Disposition und psychosoziale Einflüsse

Wie bereits einführend beschrieben, ist davon auszugehen, dass Kinder psychisch erkrankter Eltern einem signifikant erhöhtem Risiko unterliegen, selbst einmal im Laufe ihres Lebens eine psychische Störung zu entwickeln. Dies kann durch zahlreiche und zum Teil von der „High-Risk-Forschung“ durchgeführte Studien übereinstimmend bestätigt werden. Insbesondere bei Kindern schizophren erkrankter Eltern konnte eine erhöhte Prävalenz nachgewiesen werden. Gegenüber einem einprozentigen und lebenslangen Erkrankungsrisiko in der Allgemeinbevölkerung steigt dieses auf Seiten der Kinder eines betroffenen Elternteils um mehr als zehn Prozent11. Sind beide Elternteile betroffen, besteht für diese Kinder ein 40-prozentiges Risiko, selbst einmal zu einem späteren Zeitpunkt an einer Schizophrenie zu erkranken. Auch hinsichtlich affektiver Störungen besteht im Gegensatz zu einer fünf- und zehnprozentigen Lebenszeitprävalenz der Allgemeinbevölkerung ein spezifisches Erkrankungsrisiko zwischen 15 und 30 %, sofern nicht beide Elternteile betroffen sind. Ist dies jedoch der Fall, so ist die Prävalenz auf Seiten betroffener Kinder bei rund 50 % einzuschätzen. Bei Kindern depressiv erkrankter Eltern steigt neben dem spezifischen insbesondere auch das allgemeine Erkrankungsrisiko im Hinblick auf Angststörungen, Suchterkrankungen. Ferner wiesen betroffene Kinder in einem erhöhten Maße Anpassungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten sowohl im kognitiven als auch im emotionalen und sozialen Bereich auf (vgl. Lenz 2008: 11).

Angesichts des erhöhten Erkrankungsrisikos auf Seiten der Kinder wird die genetische Disposition als ein wesentlicher, jedoch nicht determinierender oder alleiniger Einflussfaktor in der Manifestation psychischer Störungen beschrieben.

Aus Risikostudien erhobenen Ergebnissen resümieren Loch (2016) sowie Plass und Wiegand-Grefe (2012), dass psychosoziale Faktoren möglicherweise mit einem wesentlich größeren Einfluss auf das Erkrankungsrisiko der Kinder einwirken als die genetische Komponente. So nennen sie insbesondere krankheitsbezogene Faktoren wie den Schweregrad oder die Chronizität der elterlichen Störung sowie die damit einhergehenden Komorbiditäten. Ebenso werden die Konstellation des familiären Systems und soziale Belastungen (Isolation, Armut, Arbeitslosigkeit) genannt. In Kombination auftretend können sich genannte Faktoren negativ auf die kindliche Entwicklung auswirken und folglich die Manifestation einer psychischen Störung pathogen fördern. Ergebnisse der „Rochester Longitudinal Study“, einer großen Risikostudie, bestätigen ebenfalls, dass die elterliche Diagnose gegenüber den zuvor aufgeführten Einflüssen sowie der Rückfallhäufigkeit und symptomfreien Perioden weniger von Bedeutung ist (vgl. Loch 2016: 25; Plass/Wiegand-Grefe 2012: 34f.; Lenz 2008: 12).

Adoptionsstudien können diesbezüglich nachweisen, dass das Erkrankungsrisiko adoptierter Kinder, deren Pflegeeltern psychisch erkrankt sind, auf die in der Adoptionsfamilie bestehenden Umweltbedingungen und interfamilären Belastungen zurückzuführen sind, da bei den leiblichen Eltern keinerlei psychische Auffälligkeiten festgestellt wurden. Vergleichsweise wurden auch Kinder in die Untersuchung miteinbezogen, deren leibliche Eltern psychisch erkrankt waren, jedoch in psychisch unauffälligen Pflegefamilien aufwuchsen. Bei diesen wurde doppelt so häufig eine psychische Störung diagnostiziert wie bei ersteren. Dennoch stellte man bei Kindern, deren leibliche Eltern gesund waren, jedoch in einer erkrankten Adoptivfamilie aufwuchsen, gegenüber Kinder der Allgemeinbevölkerung eine erhöhte Prävalenz hinsichtlich psychischer Störungen fest (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2016: 14ff.; Lenz 2014a: 38f.; Lenz 2010: 46; Lenz 2008: 13). »Die Kinder litten somit, ohne dass sie die Krankheit geerbt haben konnten, dennoch häufiger an einer psychischen Störung, da sie in Familien mit einem Elternteil aufwuchsen, das unter einer psychotischen Störung litt.« (Lenz/Wiegand-Grefe 2016: 15).

Der Einfluss der genetischen Disposition konnte zwar hinreichend bestätigt werden, jedoch kommen Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien, die sich explizit auf diesen fokussieren, teils zu unterschiedlichen Ergebnissen. Des Weiteren wird auch nicht die Krankheit an sich vererbt, sondern vielmehr die genetisch bedingte Verletzlichkeit (Vulnerabilität). »Der genetische Faktor bestimmt also, wie empfindlich oder verletzlich ein Mensch auf bestimmte Umweltbedingungen reagiert.« (Mattejat 2014: 82). Genetik- und Umwelteinflüsse stehen also in Korrelation zu einander. Diesbezüglich wurde im Rahmen einer von Caspi et al. durchgeführten repräsentativen Längsschnittstudie anhand von 800 Personen einer Geburtenkohorte untersucht, warum bei einigen Mitgliedern dieser Gruppe belastende Umwelteinflüsse oder Lebensereignisse zu einer Depression führten, bei anderen wiederum jedoch nicht. Ätiologische Faktoren, die die Entwicklung einer Depression begünstigen, sind mitunter auf den unzureichenden Serotonin-Stoffwechsel im Gehirn zurückzuführen. Auf diesen haben so genannte Serotonin-Transporter-Gene einen entscheidenden Einfluss, welche wiederum mit unterschiedliche Ausprägungen (Allelen) ausgestattet sein können. Dementsprechend teilten Caspi et al. die Probanden in folgende drei Gruppen ein:

1. Gruppe: Personen mit zwei kurzen Allelen (kk)
2. Gruppe: Personen mit zwei langen Allelen (ll) und
3. Gruppe: Personen mit einer kurzen und einer langen Allel (kl)

Anschließend wurde gefragt, welchen Belastungen die Probanden in ihrem bisherigen Leben ausgesetzt waren. Speziell fragten Caspi et al. sie nach ihnen in der Kindheit widerfahrenen Misshandlungen. Es konnte festgestellt werden, dass die genetische Gruppe einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Entwicklung einer Depression einnimmt, wenn Probanden belastenden Erfahrungen ausgesetzt waren. So erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für Personen erster Gruppe (kl) infolge belastender Ereignisse, eine depressive Episode zu entwickeln, um mehr als 60 %, während bei Personen zweiter Gruppe (ll) keine erhöhte Wahrscheinlichkeit festgestellt werden konnte (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 10; Loch 2016: 24ff.; Rehder 2016: 38; Kupferschmied 2014: 27: Plass/Wiegand-Grefe 2012: 33f.; Mattejat 2014: 79ff.). Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass insbesondere die psychosozialen Einflüsse hinsichtlich einer hohen erblich bedingten Vulnerabilität von entscheidender Bedeutung sind, » […] sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.« (Lenz 2014b: 46.).

Wie bereits erwähnt und am Beispiel der Studie von Caspi und KollegInnen präzisiert, spielen neben den prädisponierenden insbesondere die psychosozialen Einflussvariablen in der psychischen Entwicklung sowie im Wohlergehen der Kinder eine entscheidende Rolle. Arbeitslosigkeit, Armut oder beengte Wohnverhältnisse, die mitunter auf einen niedrigen sozialökonomischen Status zurückzuführen sind sowie einer damit einhergehenden unzureichenden gesundheitlichen Versorgung, stellen in der Regel nur die Spitze des Eisberges dar. Zudem ist die elterliche Psychopathologie selbst als eine bedeutende Einflussvariable12 auf psychosozialer Ebene zu benennen, da die oftmals auf die psychische Störung zurückzuführende, dysfunktionale Wahrnehmung elterlicher Pflichten zu einer Akkumulation an Belastungen führt - sowohl auf Seiten der Kinder als auch auf der des familiären Systems. So können Kinder beispielsweise unter einer geringen emotionalen Verfügbarkeit der Eltern leiden, infolgedessen es zu Beeinträchtigungen innerhalb der Eltern-Kind-Interaktion kommen kann. Ferner sind die Eltern oftmals in der Wahrnehmung und Befriedigung kindlicher Bedürfnisse sowie in dem Aufzeigen von angemessenen Grenzen, die für die kindliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind, stark eingeschränkt. Des Weiteren wird betroffenen Kindern nur selten ausreichend Liebe, Anerkennung, Lob oder Würdigung entgegengebracht. Nicht selten werden diese auch in die elterliche Störung miteinbezogen, insbesondere in die mit einer paranoiden Schizophrenie einhergehenden Wahnvorstellungen. Zusätzlich als gefährdende Faktoren einzustufen sind: Misshandlungen, sexueller Missbrauch, Erfahrung von Gewalt bzw. Zeugenschaft dieser, eine instabile familiäre Kohäsion sowie eine konfliktbehaftete Beziehung zwischen den Eltern, eine oftmals daraus resultierenden Trennung bzw. Scheidung dieser, die Betreuung durch einen alleinerziehenden Elternteil, das kindliche Temperament, Geschwisterkonstellationen oder ein fehlendes bzw. unzureichendes soziales Netzwerk (vgl. Loch 2016: 24ff.; Lenz 2014b: 48; Dirks/Heinrich 2012: 73f./ Schmutz 2010: 21).

Epidemiologische Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass in Familien, in denen mindestens bei einem Elternteil eine psychische Störung diagnostiziert wurde, beinahe alle relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren, die das Erkrankungsrisiko bei Kindern erhöhen, überrepräsentiert vorliegen. Ferner konnte mittlerweile bewiesen werden, dass sich die Folgen einer elterlichen Erkrankung sich umso schwerwiegender auf die Kinder auswirken, je jünger diese sind. So kann sich insbesondere eine im Säuglings- und Kleinkinderalter manifestierende mütterliche Depression kontraproduktiv auf ein sich gesund entwickelndes Bindungsverhalten auswirken. Zu benennen sind hier exemplarisch ein erhöhtes Risiko für (hoch-) unsichere und desorganisierte Bindungsmuster, welche sich wiederum negativ auf zukünftige soziale Beziehungen sowie auf die Art im Umgang und in der Bewältigung von emotionalen Stress auswirken können (vgl. Schneider 2019: 891f.; Loch 2016: 26f.; Lenz: 2014a: 29).

Eine gute und stabile Bindung zwischen den Eltern und deren Kindern ist von großer Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Warum eine psychische Erkrankung auf Seiten der Eltern jedoch als eine potenzielle Gefährdung gegenüber der Ausformung eines förderlichen Bindungsmusters darstellen kann, wird im Folgenden näher betrachtet. Diesbezüglich erscheint es als wesentlich, zunächst einmal einen Überblick darüber zu schaffen, was unter „Bindung und Bindungsmuster“ überhaupt zu verstehen ist. Unter anderem werden hier grundlegende und wichtige Erkenntnisse aus der Bindungstheorie nach Bowlby hinzugezogen.

2.2.3 Auswirkungen auf das Bindungsverhalten

John Bowlby, ein englischer Psychoanalytiker und Kinderpsychiater, plädiert als Mitbegründer der Bindungstheorie13 dafür, dass das Vorhandensein eines beständigen und sicheren Bindungsmusters insbesondere für die Entwicklung im Säuglings- und Kleinkinderalter von großer Bedeutung sei. »Bindung im Sinne der Bindungstheorie ist die besondere, enge, relativ dauerhafte und starke emotionale Beziehung zwischen einen Kind und seiner Bezugsperson bzw. seinen Bezugspersonen14, die es betreuen.« (Altenthan et. al 2013: 50) Charakterisiert ist eine solche Beziehung durch eine positive emotionale Grundhaltung der Bezugsperson(en) gegenüber dem Kind. Diese äußerst sich mitunter in der Zuwendung von Aufmerksamkeit, Körperkontakt, Liebe, Geborgenheit oder Anerkennung. Ist das Kind nun jedoch in einem erhöhten Maße einer Deprivation ausgesetzt, erfährt also in einem unzureichenden Maße elterliche, emotionale Zuwendung und Wärme, so kann dies mit erheblichen Folgen sowohl für die kindliche und seelische Entwicklung als auch in der einer eigenen Identität einhergehen. So nennt Bowlby als eine mögliche Folge eines instabilen Bindungsmusters die auf Seiten des Kindes auftretende Schwierigkeit, zu einem späteren Zeitpunkt (bspw. in der Adoleszenz) andauernde und beständige Gefühle aufbauen sowie zulassen zu können (vgl. Zimmermann/Iwanski 2014: 12f.; Langer 2007: 33f.; Sandera/Sandera 2011: 26; Gossmann 2003: 23ff.).

Bowlby differenziert zwischen Bindung und Bindungsverhalten. Letztgenanntes ist bereits binnen weniger Tage nach der Entbindung erkennbar und meint die von dem Kind ausgehenden Verhaltensweisen, um beispielsweise die Aufmerksamkeit ausgewählter und schützender Bezugspersonen auf sich zu ziehen sowie sich die Zuwendung von Kontakt und Nähe dieser zu sichern (vgl. Schneider 2019: 891f.).

»Kinder haben, insbesondere in den ersten Lebensjahren, ein elementares Grundbedürfnis nach Nähe und Geborgenheit. Sie bauen von Geburt an emotionale Bindungen zu den Erwachsenen ihrer engsten Umgebung auf. Die psychische Entwicklung von jungen Kindern hängt in hohem Maße davon ab, ob sie sich auf die Unterstützung ihrer vertrauten Bezugspersonen, meistens auf die Unterstützung der Eltern, verlassen können.« (Cierpca 2012: 58)

In erster Linie können jene, die von Cierpa als „elementare Grundbedürfnisse“ zusammenfasst werden, von den sich unmittelbar in der Nähre des Kindes befindenden sowie nahestehenden Personen erfüllt werden. Das Bindungsmuster bzw. der -typ zwischen Kind und (primären) Bezugspersonen entwickelt sich aus dem Maß, der Dauer sowie der Häufigkeit an Zuwendung, welche dem Kind, je nach Bedarf, von diesen entgegengebracht wird (vgl. ebd.; Trost 2017: 62f.).

»Bowlbys Ansatz geht jedoch nicht vom triebgesteuerten, bedürftigen und abhängigen, sondern vom kompetenzmotivierten Kleinkind aus.« (Sendera/Sendera 2011: 27) Anders ausgedrückt: Kinder, die sich in schwierigen Lebenslagen oder in Momenten, in denen sie das Bedürfnis nach Sicherhalt und Halt vernehmen, der Verfügbarkeit ihrer primären Bezugsperson (i.d.R. die Mutter) sicher sind, verspüren im weiteren Verlaufs ihres Lebens weniger Angst. Diese auf Sicherheit basierende Beziehung wird in der Bindungstheorie mit einer „sichere Basis“ oder einem „sicherer Hafen“ assoziiert und eröffnet dem Kind die Möglichkeit, sein Explorationsbedürfnis uneingeschränkt ausleben zu können. Werden kindliche Bedürfnisse erkannt und von der Bezugsperson erfüllt und nimmt diese darüber hinaus das Kind als ein eigenständiges Individuum ernst, intensiviert sich die bereits bestehenden Bindung. Eine stabile und gut funktionierende Interaktion mit der jeweiligen Bezugsperson ist von großer Bedeutung und besonders förderlich hinsichtlich einer gesunden, sozialen und kognitiven Entwicklung des Kindes (vgl. Bolten 2019: 52ff.; Gloger-Tippelt/König 2016: 22; Sandera/Sandera 2011: 27f.)

Neugeborene verfügen von Beginn an bereits über Kommunikationsfähigkeiten, die unter anderem ein Signalverhalten miteinschließen, sowie eine Orientierungsfähigkeit. Diese Fähigkeiten auf Seitens des Säuglings sind von entscheidender Bedeutung, um überhaupt eine Bindung zu seinen Bezugspersonen aufzubauen. Eine intuitive Wahrnehmung kindlicher Indikatoren (hinsichtlich Handlungsabsichten, Emotionen, Gefühlen etc.) wird den Bezugspersonen durch sogenannte Spiegelneuronen ermöglicht. Durch das Reagieren der Bezugsperson (durch Stimme, Mimik oder Gestik) auf die vom Kind ausgehenden Signale lernt dieses verschiedene Handlungs- und Interaktionsmuster kennen bzw. diese zu imitieren (Spiegelsystem).

»Für die volle Entfaltung der symbolisch-kognitiven Fähigkeiten des Kindes und die Freisetzung von Aufmerksamkeitsressourcen sind harmonische Interaktionen zwischen Bezugsperson und Kind entscheidend.« (Sendera/Sendera 2011: 26).

Das Konzept der Feinfühligkeit nach Mary Ainsworth

Für die Entwicklung eines stabilen Bindungsmusters ist eine richtige Wahrnehmung und Deutung kindlicher Indikatoren sowie eine darauf bezogene angemessene Reaktion unerlässlich und zugleich von enorm großer Bedeutung. Kinder, die über ein sicheres Bindungsmuster mit ihren Bezugspersonen in Verbindung stehen, greifen je nach Bedarf (Aufmerksamkeit, Trost, Liebe) auf die Unterstützung dieser zurück, können sich aber, sobald das Bedürfnis gestillt worden ist, auch schnell wieder ablösen. Dies ist mitunter auf die einer sicheren Bindung zu Grunde liegenden „Verlässlichkeit auf Verfügbarkeit“ zurückzuführen (vgl. Lenz 2014a: 192f.; Sandera/Sandera 2012: 27f.).

Bei einer auf einer unsicheren, instabilen Beziehung basierenden Bindung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson bemächtigt sich diese oftmals anderer Dinge zur vermeintlichen Befriedung kindlicher Bedürfnisse. Entgegen einer mit Liebe und Halt entgegengebrachten Aufmerksamkeit, so wie es bei den stabilen Bindungsmustern der Fall wäre, versuchen unsicher gebundene Personen hingegen, ihr Kind durch das Einschalten des Fernsehgerätes oder die Vergabe von Süßigkeiten bzw. Spielzeug abzulenken.

Mary Ainsworth identifizierte durch den „Fremde-Situationstest“15 drei unterschiedliche Bindungstypen, die es im Folgenden näher zu betrachten gilt. Es erscheint an dieser Stelle jedoch noch als wesentlich zu erwähnen, dass ein Kind in der Lage dazu ist, zu einer Vielzahl an Personen eine Bindung aufbauen kann – diese müssen jedoch maßgeblich an der Versorgung des Kindes beteiligt sein. Diesbezüglich sind insbesondere Geschwister oder dem Kind nahestehende Verwandte zu benennen. Die jeweiligen Bindungsmuster sind jedoch in der Intensität bzw. Beständigkeit zu unterscheiden, auch beeinflussen sie sich nicht gegenseitig. So hat die Bindung zwischen dem Kind und seiner Mutter keinen Einfluss auf die mit dem Vater oder der Großmutter (vgl. Sandera/Sandera 2012: 27ff.).

Sichere Bindung

Bei einer sicheren Bindung assoziiert das Kind seine Bezugsperson(en) mit einer sicheren Basis, da es sich der garantierten emotionalen Verfügbarkeit dieser bewusst ist. Vor diesem Hintergrund obliegt dem Kind die Möglichkeit, sein Explorationsbedürfnis vollständig ausleben zu können. Auf Trennungen, insbesondere von der einer primären Bezugsperson, kann das Kind mit Verunsicherungen und Weinen reagieren. Beruhigungsversuche anderer (Bezugs-) oder gar fremder Personen gelingen nur teilweise oder überhaupt nicht. Kehrt die primäre Bezugsperson zurück, so wird dieser von Seiten des Kindes mit großer Freude begegnet (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 111; Zimmermann/Iwanski 2014: 14; Sendera/Sendera 2011: 31; Gossmann/Gossmann 2003: 25).

Unsichere Bindung

Unsicher gebundene Kinder verfügen über eine wenig stabile oder intensive Beziehung zu ihren Bezugspersonen. Diese ist gegenüber sicher gebundenen Kindern weitaus weniger positiv geprägt. Ferner lassen sich diesem Bindungsmuster jeweils drei weitere Typen zuordnen: Der unsicher-ambivalente-, der unsicher-vermeidende- sowie der desorganisierte Bindungstyp (vgl. Siegler et al. 2016: 402).

Unsicher-ambivalente Bindung

Dieser Typ ist gekennzeichnet durch aufsuchende Nähe, geht jedoch mit einem geminderten bzw. kaum vorhandenen Explorationsbedürfnis einher. Bei Rückkehr der Bezugsperson reagieren Kinder dieser gegenüber mit aggressivem oder offensivem Verhalten. Die Rückkehr ist hier nicht mit Sicherheit zu assoziieren, Versuche, das Kind zu beruhigen, versprechen wenig Erfolg (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 111). »Bezugspersonen sind entweder überfürsorglich bis kontrollierend oder emotional unerreichbar. Das Verhalten der Bezugsperson lässt sich nicht vorhersagen, ist unsicher und ambivalent.« (Sendera/Sendera 2011: 32).

Unsicher-vermeidende Bindung

»Ein Typ unsicherer Bindung, bei dem Säuglinge oder Kleinkinder gleichgültig gegenüber ihrer Bezugsperson erscheinen und diese gegebenenfalls sogar meiden.« (Siegler/Eisenberg/DeLoache/Saffran 2016: 402). Kinder dieses Musters verfügen über ein stark ausgeprägtes Explorationsbedürfnis, zeigen jedoch kaum Bindungsverhalten. Dies ist eindeutig daran erkennbar, dass bei Trennungssituationen kaum Reaktionen auf Seiten des Kindes erkennbar sind. Ferner wird vermutet, dass dem Kind von seiner (primären) Bezugsperson die notwendige Zuwendung in schwierigen Situationen verweigert wird oder diese versucht, es durch andere Dinge abzulenken oder gar ganz zurückzuweist. Werden Kinder dieses Typen von ihrer Bezugsperson getrennt, so können sie von fremden, außenstehenden Personen schnell beruht werden (vgl. ebd.; Trost 2017: 65; Sendera/Sendera 2011: 32).

Unsicher-desorientierte Bindung

Dieser Typ ist charakterisiert durch ein sich widersprechendes, konfuses oder bizarres Verhaltensmuster, oftmals ist von einer hochgradigen Verstörung die Rede. Etwaige Verhaltensweisen (Erstarren, Umherirren etc.) können simultan, sequenziell oder temporär oder analog auftreten. So rennt das Kind der zurückkehrenden Bezugsperson entgegen, bleibt dann jedoch abrupt stehen und erstarrt in seiner Mimik und Bewegung. Mary Ainsworth schließt diesbezüglich auf das Vorliegen eines Bindungs-Dilemmas, in welchem das Kind, das sich zwar mit seinen Bezugspersonen verbunden fühlt, diese jedoch auch gleichzeitig fürchtet (vgl. Siegler/Eisenberg/DeLoache/Saffran 2016; 402; Sendera/Sendera 2011: 32).

Aber welchen Einfluss bzw. welche Auswirkung hat nun die elterliche Psychopathologie auf die Bindungsqualität der Eltern und deren Kinder?

Eine sichere Bindung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson bzw. seinen -personen ermöglicht es ihm, sein kindliches Neugierverhalten vollständig ausleben zu können. Das Vorhandensein einer stabilen und auf Vertrauen basierenden Beziehung stellt, wie einleitet bereits erwähnt, eine wichtige Voraussetzung in der kindlichen Entwicklung dar, ebenso in der für Autonomie, Selbstsicherheit und der eigenen Individuation. Aufgrund einer bei den Eltern vorliegenden psychischen Erkrankung sind diese jedoch oftmals nicht in der Lage dazu, ihren Kindern die notwendige emotionale Zuwendung und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen sowie ihnen genügend Sicherheit und Schutz zu signalisieren. Wie bereits umfassend erörtert, ist eine sichere und stabile Bindung dadurch charakterisiert, dass sich die Kinder der emotionalen Verfügbarkeit ihrer Eltern stets bewusst sind. Assoziiert wird diese auf Vertrauen basierende Beziehung beispielsweise mit „einer sicheren Basis“, die sie nach Bedarf aufsuchen, jedoch auch schnell wieder verlassen können. Eine psychische Erkrankung der Eltern, ggf. sogar die der primären Bezugsperson, kann der Entwicklung einer sicheren Beziehung im Wege stehen und sich negativ auf das Bindungsmuster sowie die sozioemotionale Entwicklung auswirken.

Plass und Wiegand-Grefe (2012) resümieren aus Studienergebnissen, dass insbesondere Eltern, die schizophren oder depressiv erkrankt sind, ihren Kindern (aber auch weiteren Angehörigen) mit Feindseligkeit, Zurückweisungen oder negativen Äußerungen begegnen. Weiter erwähnt Lenz (2014a), dass jene Eltern, entgegen der Meinung außenstehender Personen, ihre Kinder oftmals als besonders schwierig, schwer erziehbar oder verhaltensauffällig beschreiben (vgl. Schneider 2019: 891; Lenz 2014a: 68f.; Lenz 2010: 5; Plass/Wiegand-Grefe 2012: 38f.).

Ferner wurde vorwiegend bei depressiv erkrankten Müttern eine Einschränkung bezüglich der Responsivität und Feinfühligkeit gegenüber ihren Kindern festgestellt. Besonders deutlich wurde dies durch das so genannte „Still-Face-Paradigma“. Dieses, von Tronick entwickelte Experiment, verdeutlichte, dass bereits Säuglinge binnen weniger Monate die fehlende Responsivität ihrer depressiv erkrankten Mutter adaptierten und folglich, nachdem die Mutter gebeten wurde, ihr Kind temporär emotionslos anzusehen, ebenfalls keinerlei Reaktionen bzw. Emotionen zeigten. Demgegenüber reagierten Säuglinge psychisch gesunder Mütter mit Verunsicherung und Protest (vgl. Schneider 2017: 891f.; Schneider 2009: 846f.). Wiegand-Grefe und Licata (2016) betonen das Risiko eines möglichen Teufelskreises beider Parteien, nuanciert durch eine gegenseitige Zurückweisung. Zurückzuführen sei dies auf die geringe Responsivität auf Seiten des Kindes, die eine Verstärkung der mütterlichen Depression sowie dessen Interaktionsprobleme negativ beeinflussen kann (vgl. Wiegand-Grefe/Licata 2016: 79).

Eine innerfamiliäre psychische Erkrankung bedeutet jedoch nicht zwingend, dass das Kind keine sichere Bindung zu seinen Eltern aufbauen kann. Dies gelingt am ehesten, wenn die psychische Erkrankung erst zu einem späteren Zeitpunkt auftritt, keinen chronischen Verlauf nimmt oder aber der gesunde Elternteil als primäre Bezugsperson dem Kind zur Verfügung steht. Demgegenüber steigt jedoch bei widrigeren Umständen das Risiko, eines der unsicheren Bindungsmuster zu entwickeln, welche wiederum die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen können. Insbesondere die im Säuglings- und Kleinkinderalter desorganisierten Bindungserfahrungen führen nach Erkenntnissen einiger Längsschnittstudien zu Einschränkungen in der sozial-emotionalen und kognitiven Entwicklung sowie zu späteren pathologischen Auffälligkeiten. Lenz (2014a) resümiert, dass »desorganisiert gebundene Kleinkinder später signifikant häufiger klinisch relevante psychische Störungen zeigen als andere Kinder.« (Lenz 2014a: 198).

Unsichere oder desorganisierte Bindungsmuster sind zudem oftmals im Zusammenhang mit psychosozialen Belastungen auf Seiten der Eltern sowie einer bestehenden psychischen Erkrankung zu beobachten (vgl. ebd.). Ferner wird die Qualität der Bindung, die ein Kind zu seinen Eltern aufbaut, wesentlich durch die von den Eltern selbst erlebten Bindungserfahrungen beeinflusst. Dies fanden Mary Main und KollegInnen erstmals durch das von ihnen entwickelte „Adult Attrachment Interview“16 (AAI) heraus und bezeichneten diese Relation als „Intergenerationale Transmission“ (vgl. Schrappe 2018: 44; Reck 2012: 302).

Die Eltern-Kind-Interaktion steht zudem in einer engen Verbindung mit der elterlichen Erziehungskompetenz, die einen ebenso entscheidenden Einflussfaktor auf die kindliche Entwicklung hat wie die hier beschriebenen Bindungsmuster zwischen einem Kind und seinen Eltern. Auch hier gilt es, eine elterliche psychische Erkrankung als einen möglichen Risikofaktor zu betrachten. Die möglichen Einschränkungen und Auswirkungen dieser auf die Erziehungskompetenz wird Gegenstand des folgenden Kapitels.

2.2.4 Einschränkungen in der elterlichen Erziehungskompetenz

»Pflege und Erziehung ist das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht.« (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG)

Erziehungskompetenz meint die Herstellung eines idealen Gleichgewichts zwischen den Bedürfnissen des Kindes und der Umwelt, in der es sich befindet bzw. aufwächst. Eine solche Kompetenz ist charakterisiert durch die Fähigkeit, Beziehungen und Bindung aufzubauen, mit seinem Kind zu interagieren und zu kommunizieren, ihm als Vorbild zu fungieren, angemessene Grenzen aufzuzeigen sowie den Alltag dem Kind, seinen Wünschen, Bedürfnissen und seiner Entwicklung entsprechend zu organisieren. Aber auch das Zugestehen individueller Eigenständigkeit, Empathie, Feinfühligkeit, Respekt und Wertschätzung sind als wichtige elterliche Kompetenzen zu benennen.

Psychisch erkrankte Eltern unterliegen häufig einer großen Überforderung angesichts ihrer Situation sowie der unmöglich erscheinenden Vereinbarkeit dieser mit der Familie, Erziehung und Erwerbstätigkeit. Ferner sind sie sich hinsichtlich ihrer Erziehungskompetenzen sowie in der Umsetzung erzieherischer Maßnahmen häufig unsicher. Kompensiert werden etwaige Selbstzweifel oftmals durch inkonsistente Verhaltensweisen sowie unangemessene Disziplinierungsmaßnahmen, welche wiederum einen sich permissiv etablierenden Erziehungsstil indizieren lassen. Ferner können amorphe, unstrukturierte. strafende oder problematische Erziehungspraktiken den Risikofaktor hinsichtlich externalisierender Verhaltensweisen auf Seiten des Kindes erhöhen (vgl. Balloff 2018: 306f.; Plass/Wiegand-Grefe 2012: 39f.; Schmutz 2010: 21ff.).

Als ein optimaler und der Erziehungskompetenz entsprechend ist der autoritative Erziehungsstil zu benennen. Dieser zeichnet sich aus durch ein hohes Maß an Wertschätzung und Vertrauen gegenüber dem Kind sowie einer Beständigkeit hinsichtlich der Eltern-Kind-Interaktionen durch das Aufzeigen angemessener Grenzen, Regeln und einhergehenden Konsequenzen (vgl. Plass/Wiegand-Grefe 2012: 40).

Aufgrund einer auf die psychische Störung zurückzuführenden dysfunktionalen Wahrnehmung elterlicher Pflichten sowie kindlichen Indikatoren, Wünschen und Bedürfnissen steigt auf Seiten des Kindes, wie anhand der Bindungstheorie und dem Konzept der Feinfühligkeit (Kap. 2.1.3) präzisiert, das Risiko einer sich ungünstig entwickelnden Eltern-Kind-Bindung sowie auf mögliche Vernachlässigungen oder sogar Misshandlungen. Diesbezüglich ist die Sorge betroffener Eltern über eine Infragestellung ihrer Erziehungskompetenz familienexterner Personen sowie einem damit einhergehenden (möglichen) Sorgerechtsentzug nicht ganz unbegründet. Etwaige Sorgen können jedoch dazu führen, dass die Krankheit auf Seiten der Eltern ignoriert oder verheimlicht und somit nicht professionell behandelt wird (vgl. ebd.: 40f.)

Ebenso als belastende Faktoren hinsichtlich der Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern zu benennen sind die mit der Störung in Relation stehenden psychosozialen Belastungen (Kap. 2.1.2), eine allgemein signifikant geringere Partnerschaftszufriedenheit in betroffenen Familien sowie häufigere Trennungen bzw. Scheidungen, alleinerziehende Elternteile und Dissonanzen bezüglich der Erziehungspraktiken. Chronische Elternkonflikte sind jedoch unabhängig von einer elterlichen psychischen Störung als ein Belastungsfaktor zu betrachten – sowohl in Anbetracht der Erziehung als auch in der Entwicklung des Kindes (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2017: 13f.; Wiegand-Grefe 2016: 79; Reher 2016: 29; Plass/Wiegand-Grefe 2012: 39; Kaschta 2008: 28f.).

[...]


1 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert „Gesundheit“ folgendermaßen: »Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.« (Jacob/Kopp 2016: 104f.) Nach Antonovsky, einem amerikanisch-israelischen Medizinsoziologen, ist Gesundheit kein idealer Zustand, der frei von physischen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen ist, sondern vielmehr eine » […] sich bewährende Lebensqualität inmitten alltäglicher Belastungen, Risiken und Herausforderungen.« (Hook 2006: 45).

2 Das „spezifische psychiatrische Erkrankungsrisiko“ meint das Risiko hinsichtlich einer Entwicklung der elterlichen Störung. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit bzw. das Risiko, dass Kinder eine andere psychische Störung entwickeln (allgemeines psychiatrisches Erkrankungsrisiko).

3 Darunter Bleuer, Rutter, Werner und Antonovsky.

4 Die Ätiologie beschreibt in der Medizin die Lehre von den für eine psychische o. physische Erkrankung zugrundeliegenden Ursachen (Ursachenforschung) in Abgrenzung zu der Pathologie, welche sich wiederum mit der Entstehung dieser beschäftigt.

5 Beschreibt die angeborene und/oder erworbene Disposition hinsichtlich der Manifestation bestimmter Erkrankungen.

6 Exkurs: In der Literatur wird strittig diskutiert, inwieweit der genetische Einfluss in der Prädisposition psychischer Erkrankungen eine Rolle spielt. So liegt dieser exemplarisch bei der Schizophrenie bei rund 80 %, bei einer Zwangsstörung bei 40 % (vgl. Balloff 2018: 307; Friedrichs/Knöchel 2016: 34).

7 Körperliche Beschwerden, die nicht ausschließlich auf organische Ursachen zurückzuführen sind.

8 Beispielsweise im Hinblick auf Untersuchungen geschlechtsspezifischer Gruppen oder bestimmter Diagnosekategorien.

9 Es erscheint an dieser Stelle als wesentlich zu erwähnen, dass die hier exemplarisch aufgeführten Gründe nicht nur ausschließlich bei psychisch erkrankten Menschen auftreten, die die Rolle als Eltern innehaben. Auch Personen ohne Kinder teilen derartige Sorgen und Befürchtungen.

10 In Kapitel 2.1.3 wird sich ausführlich mit der Eltern-Kind-Bindung beschäftigt sowie anhand der Bindungstheorie nach Bowlby präzisiert.

11 In einer aus dem Jahre 2008 von Albert Lenz erschienenen Abhandlung über die Kinder psychisch erkrankter Eltern, lag das spezifische Erkrankungsrisiko nach Ergebnissen der durch Längsschnittstudien begleiteten Kinder und Jugendlichen zwischen acht und 20 % (vgl. Lenz 2010: 11). Griepenstroh, Heitmann und Hermeling (2012) verwiesen hinsichtlich der kindlichen Prävalenz auf international durchgeführte Hochrisiko-Studien. So ergab sich aus einer in Finnland durchgeführten Studie (Helsinki High-Risk-Study) ein spezifisches Erkrankungsrisiko für Kinder betroffener Eltern von 7 %. Eine hingegen in Dänemark durchgeführte Studie (Kopenhagen High-Risk-Study) nennt eine Prävalenz von bis zu 16 % (Griepenstroh/Heitmann/Hermeling 2012: 29). Auch hier weichen die Zahlen stark voneinander ab und geben folglich keinen genauen Überblick über das tatsächliche spezifische Erkrankungsrisiko.

12 Das Ausmaß des Einflusses hängt dabei im Wesentlichen von der jeweiligen Erkrankung, den damit einhergehenden Komorbiditäten, der Chronizität der Symptomatik sowie dem Schweregrad, der Krankheitseinsicht und der -bewältigung ab.

13 Erste bindungstheoretische Konzepte entwickelte er bereits in den 1960er Jahren im Rahmen seiner Arbeit mit belasteten Familien (vgl. Trost 2017: 62).

14 Ist die Bindung einer Person zum Kind besonders stark bzw. stabil, so wird diese als primäre Bezugsperson bezeichnet. Für gewöhnlich obliegt diese Rolle der Mutter, es können jedoch auch andere oder mehrere Personen diese Funktion übernehmen (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 105).

15 Zur Übersicht siehe bitte Bolten 2019: 59f; Siegler et al. 2016: 401ff.; Lenz 2014a: 195.

16 Großzügig zusammengefasst, handelt es sich hierbei um ein klinisches, teilstrukturiertes Interview zur Erfassung kindheitsbezogener Bindungserlebnisse der Eltern in Relation zu deren gegenwärtigen Beziehung zu eigenen Kinder. Für eine detaillierte Illustration wird dann dieser Stelle freundlichst auf Lenz 2014a: 199f. verwiesen.

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Handlungsansätze der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) zur Stärkung von Kindern psychisch erkrankter Eltern. Herausforderungen und Chancen
Hochschule
Hochschule Emden/Leer
Note
1,2
Autor
Jahr
2019
Seiten
124
Katalognummer
V502994
ISBN (eBook)
9783346042262
ISBN (Buch)
9783346042279
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handlungsansätze, sozialpädagogischen, familienhilfe, spfh, stärkung, kindern, eltern, herausforderungen, chancen
Arbeit zitieren
Alina Kruse (Autor:in), 2019, Handlungsansätze der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) zur Stärkung von Kindern psychisch erkrankter Eltern. Herausforderungen und Chancen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/502994

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