Impulsformen der Defibrillation


Diplomarbeit, 2000

167 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1
1 Grundlagen zur Defibrillation
1.1 Voraussetzungen zum medizinischen Grundverständnis
1.1.1 Der Kreislauf
1.1.2 Das Herz
1.1.3 Elektrotechnische Voraussetzung
1.1.4 Reizbildung und -leitung im Herzmuskelgewebe
1.1.5 Reizleitungssystem
1.1.6 Das Elektrokardiogramm (EKG)
1.1.7 Koordination des Herzrhythmus
1.2 Definition der erfolgreichen Defibrillation
1.3 Die Geschichte des Defibrillators

Kapitel 2
2 Einsatz von Defibrillatoren
2.1 Externe und Interne Geräte
2.1.1 Externe, stationäre Geräte
2.1.2 Externe, tragbare Geräte
2.1.3 Interne Geräte
2.2 Zeitpunkt der Defibrillation
2.3 Manuelle Geräte
2.4 Halbautomaten
2.5 Vollautomaten

Kapitel 3
3 Defibrillationsformen
3.1 Physiologie
3.1.1 Ventrikuläres Flimmern
3.1.2 Defibrillationsvorgang
3.2 Wechselstrom versus Gleichstrom
3.2.1 Wechselstrom
3.2.2 Gleichstrom
3.3 Transthorakaler Widerstand
3.3.1 Thoraxgröße
3.3.2 Anpreßkraft der Elektroden
3.3.3 Kontaktflächen
3.3.4 Elektrodengröße
3.3.5 Mehrfache Schockapplikation
3.3.6 Tatsächliche Impedanzmessung
3.4 Stromstärke und Einwirkzeit
3.5 Monopolare Impulskurven
3.5.1 Reine Sinushalbwelle (Geddes-Impuls)
3.5.2 Kritisch gedämpfte Sinushalbwelle (Edmark- / Pantridge-Impuls)
3.5.3 Überkritisch gedämpfte Sinushalbwelle
3.5.4 Exponentielle Entladungskurve
3.5.5 Exponentielle Kurve mit abgeschnittener Rückflanke
3.5.6 Monophasischer Rechteck-Impuls
3.5.7 Dreieck-Impuls mit abfallender Flanke
3.5.8 Dreieck-Impuls mit ansteigender Flanke
3.6 Bipolare Impulskurven
3.6.1 Biphasischer Rechteck-Impuls
3.6.2 Reine Sinuswelle
3.6.3 Unterkritisch gedämpfte Sinuswelle
3.6.4 Biphasische Exponentialkurve

Kapitel 4
4 Optimierung des bipolaren Impulses
4.1 Monophasisch versus biphasisch
4.2 Vorteile der biphasischen Impulsform
4.3 Biphasisch exponentieller Impuls mit abgeschnittenen Rückflanken (BTE)
4.4 Optimierungsansätze
4.4.1 Impedanzkompensierte Wellenform
4.4.2 Defibrillierende Phase der biphasischen Kurven
4.4.3 Verringerung der Energie
4.4.4 Zweikondensatortechnik
4.4.5 Amplitudenhöhe der zweiten Phase
4.5 Bestätigung der Optimierungstheorie

Kapitel 5
5 Weitergehende Studien
5.1 Verluste
5.2 Wellenformen
5.2.1 Sägezahnimpuls
5.2.2 Rectilineare Wellenform
5.2.3 Triphasische Wellenformen
5.3 Grenzen der Laborversuche

Kapitel 6
6 Verzeichnisse und Nachweise
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Abbildungsnachweis

Kapitel 7
7 Glossar

Einleitung

Die Defibrillation, auf dem heutigen Stand der Technik, ist bereits fester Bestandteil des intensiv-medizinischen Sektors, der Notfallrettung und bald wahrscheinlich auch der Ersten Hilfe, sollten sich Studien in dieser Richtung bestätigen.

Aus dem Wort „de-fibrillieren“ selbst ist bereits der Grundmechanismus, das „Ent-flimmern“ (Rhythmuskonversion) eines nicht ordentlich arbeitenden, organisierten Systems, zu ersehen.

Der menschliche Kreislauf ermöglicht uns ein aktives Gestalten unseres Lebens. Motor unseres Kreislaufs ist das Herz, welches das Blut durch Pumpaktionen rhythmisch ausstößt und somit über den Kreislauf alle Körperzellen mit den im Blut transportierten, lebensnotwendigen Stoffen versorgt.

Eine Pumpaktion kommt durch elektrische Entladung spezieller Muskelzellen im Muskelgewebe (quergestreifte Muskulatur) des Herzens zustande. Für ge­wöhnlich laufen diese Entladungsvorgänge nach einem bestimmten Schema ab, welches ein ordentliches Kontrahieren des Herzmuskelgewebes zur Folge hat.

Sollte nun dieser Mechanismus durch Krankheit, Unfall oder andere Mani­pulationen gestört sein, so kann es sein, daß eben diese Entladungsvorgänge nicht mehr geordnet, sondern ungeordnet stattfinden, also ein Kammerflimmern[1] (im folgenden auch als KF bezeichnet) oder eine pulslose ventrikuläre Tachykardie1 (im folgenden auch als VT bezeichnet) vorliegt.

An dieser Stelle greift die Behandlung mittels eines Defibrillators ein, der diese ungeordnete Aktion unterbindet und ein gewisses elektrisches Gleichgewicht wieder herstellen soll.

Mittels eines gezielten elektrischen Impulses durch das Herzgewebe, am geöffneten oder geschlossenen Brustkorb, unterbricht die Defibrillation die elektrischen Vorgänge durch Depolarisation aller Zellen. Hierdurch erhält das Herz die Chance, einen geordneten, adäquaten Entladungsvorgang auf zellulärer Ebene einzuleiten und die überlebensnotwendige Herzkontraktion wieder zu gewährleisten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Selbstverständlich spielen hier noch sehr viel mehr Faktoren eine große Rolle; im Rahmen meiner Diplomarbeit aber möchte ich nur auf die elektrischen Vorgänge im Herzen ein­gehen.

Wie bereits erwähnt, sind es elektrische Ladungen und Ent­ladungen, die im Herzen statt­finden. Um diese Vorgänge be­einflussen zu können, muß sich die Be­handlungsmethode eben­falls der Komponenten Strom und Spannung bedienen.

Defibrillatoren arbeiten heute mit Gleich­strom, wobei sich die Impuls­formen von Hersteller zu Hersteller sowie nach Gerätegeneration unter­scheiden. Welche Impulsformen hierbei als am günstigsten er­scheinen, soll mein Haupt­augen­merk sein.

Im Laufe der Zeit fand man heraus, daß auch der bipolare Impuls in der Wieder­belebungstechnik einen großen Nutzen haben kann. Manche neueren Geräte ar­beiten auf diese Weise.

Die Gegenüberstellung der verschiedenen Impulsformen, deren medizinischer Vor- und Nachteil sowie die Schwierigkeit bei der technischen Umsetzung, werden hier von mir veranschaulicht.

Ein neuer Gedanke, die Defibrillation noch effektiver und gleichzeitig weniger schädlich für den Organismus zu machen, wird im folgenden von mir aufgegriffen und in seinen Positiva und Negativa beleuchtet.

Kapitel 1

1 Grundlagen zur Defibrillation

1.1 Voraussetzungen zum medizinischen Grundverständnis

1.1.1 Der Kreislauf

Das Kreislaufsystem stellt das Transportsystem und die Feinverteilung der lebensnotwendigen Stoffe zu und von den Organen dar.

Dieses geschlossene System besteht aus

- Arterien und Kapillaren zur Zuleitung,
- Venen und Lymphgefäßen zur Rückleitung,
- dem Blut als Transportmittel
- sowie dem Herzen als Hauptantrieb (Pumpmechanismus).

Wie in Abbildung 2 zu sehen, unterteilt man den Kreislauf in den sogenannten Körper­kreis­­lauf und den Lungen­kreislauf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Körper- und Lungenkreislauf

Zum Körper­kreis­lauf zählen die Arterien und Venen, die vom linken Herzen[2] (der linken Herz­seite) das aus­strömende, sauerstoff­reiche Blut über die Arterien den Organen / Körper­zellen zuführen und nach dem Stoff­wechsel wieder über das venöse System zum rechten Herzen (rechte Herzseite) transportieren.

Als Lungenkreislauf wird der nachfolgende Kreislaufteil bezeichnet. Vom rechten Herzen fließt das sauerstoffarme Blut durch das Lungen­gefäßsystem, wird in der Lunge mit Sauerstoff angereichert und gelangt dann wieder zum linken Herzen, von wo aus es wieder in den Körperkreislauf befördert wird.

Der Antrieb des Kreislaufs geschieht im wesentlichen durch die Pumpfunktion des Herzens.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.1.2 Das Herz

Durch das Herz werden zwei Kreislaufsysteme angetrieben. Folglich muß das Herz auch in zwei Abschnitte unterteilt sein, welche man als „rechtes" bzw. „linkes“ Herz bezeichnet; diese Abschnitte werden durch das Septum[3] von­einander getrennt.

Das Herz hat die Form eines Kegels mit abgerundeter Spitze, es liegt zwischen den Lungenflügeln im Mediastinum[4] und zeigt mit seiner Spitze nach links unten. Somit befindet es sich vor Luft-, Speiseröhre und Wirbelsäule.

In der Größe entspricht es ca. dem 1,5-fachen der Faust seines Trägers und wiegt, je nach körperlicher Konstitution, zwischen 280 und 330 Gramm.

Das Herz besteht aus verschiedenen Schichten, welche im einzelnen von innen nach außen gesehen folgende sind:

- Endokard (Herzinnenwand),
- Myokard (Herzmuskulatur),
- Epikard (äußere Schicht auf dem Myokard),
- Perikard (der das Herz umgebende Beutel).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4:

Schichten der Herzwand

1.1.2.1 Das Endokard

Es kleidet das Herz im Inneren völlig glatt aus. Somit werden Strömungs­widerstände so gering wie möglich gehalten und Gerinnungsvorgänge im Herzen verhindert.

1.1.2.2 Das Myokard

Diese spezielle, quergestreifte Arbeitsmuskelschicht untersteht nicht, wie die quer­gestreifte Skelettmuskulatur, der Willkürmotorik, sondern wird autark von der elektrischen Reizleitung beeinflußt.

Im Gegensatz zur quergestreiften Skelettmuskulatur gibt es im Myokard keine Synzytien[5], sondern die Zellkerne liegen hier zentral in den verzweigten Muskel­zellen des Herzens. Letzt­genannte sind über Glanzstreifen miteinander ver­bunden und bilden das Erregungsleitungssystem.

Aufgabe der Glanzstreifen ist es, die mechanische Haftfähigkeit der Zellen untereinander zu erhöhen und deren elektrischen Widerstand zu verringern.

Die im nachfolgenden erläuterte Erregungsausbreitung durch das Myokard wird somit erleichtert.

1.1.2.3 Das Epikard

Das Epikard überzieht das Äußere des Herzens und steht mit dem Myokard direkt bzw. über Fettpolster in Verbindung, welche Unebenheiten der Oberfläche ausgleichen.

1.1.2.4 Das Perikard

Das Perikard ist durch seinen Aufbau aus kollagenem Bindegewebe nur gering­fügig dehnungsfähig und wird nicht durch seinen Inhalt, sondern durch den relativen Unterdruck im Brustraum weit gehalten.

Das Herz mit dem umgebenden Perikard sitzt recht locker im Brustkorb, es ist lediglich im Bereich des Zwerchfells und der Umgebung der Brustwand mit dem Gewebe verwachsen.

Zwischen Epikard und Perikard befindet sich ein flüssigkeitsgefüllter Spalt, welcher die Verschiebbarkeit des Herzens während der Bewegung im Pump­vorgang gewährleistet.

1.1.2.5 Aufbau des Herzens

Durch das Septum wird das Herz in zwei ca. gleich große Hälften, das rechte und das linke Herz, separiert.

Eine zweite querverlaufende Abgrenzung der beiden Hälften durch die sogenannte Klappen­ebene (oder Ventilebene) teilt das rechte und linke Herz in Atrium (Vorhof) und Ventrikel (Hauptkammer).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Aufteilung des Herzens

Eine Verbindung von rechter und linker Herzhälfte besteht, im Gegensatz zum fötalen Herzen, beim gesunden, ausgewachsenen Herzen nicht.

Die Durchgänge der Vorhöfe zu den Kammern und die Auslässe der Kammern sind mit Klappen versehen, die den Rückfluß des Blutes verhindern und somit nur den schubweisen Transport in eine Richtung zulassen.

Der rechte Vorhof nimmt das durch den Körperkreislauf ankommende sauerstoffarme und kohlendioxidreiche Blut auf und leitet es durch die Trikus­pidalklappe[6] in die rechte Kammer weiter, von wo es durch die Pulmonal­klappe[7] Richtung Lunge in den Lungenkreislauf gepumpt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Herzklappen

Nach dem in den Alveolen[8] der Lunge stattgefundenen Gasaustausch (hier wird Kohlendioxid abgegeben und Sauerstoff aufgenommen), erreicht das nun sauerstoffreiche und kohlendioxidarme Blut über die Pulmonalvenen den linken Vorhof.

Nach Durchtritt durch die den linken Vorhof von der linken Kammer trennende Mitral­klappe[9] gelangt das Blut in die linke Hauptkammer des Herzens.

Von der linken Hauptkammer tritt das Blut durch die Aortenklappe in die Aorta (große Körperschlagader) und gelangt so in den Körperkreislauf.

Um den erhöhten Widerstand im Körperkreislauf im Gegensatz zum Lungen­kreislauf überwinden zu können, wurde das Myokard des linken Ventrikels doppelt so dick wie die Wand des rechten Ventrikels ausgebildet, weshalb man diesen Teil des Herzens sowie die nachfolgenden arteriellen Gefäße als „Hochdruck“-Teil bezeichnet.

1.1.2.6 Blutversorgung des Myokards

Da die Diffusion von Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Blut in das Muskelgewebe für die Versorgung der Zellen bei weitem nicht ausreicht, besteht hierfür ein eigenes Gefäßsystem.

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Direkt am Austritt aus der linken Kammer entspringen die zwei Koronararterien (Herzkranzarterien) am Beginn der Aorta und verlaufen durch die Herzkranzfurche, welche zwischen den Kammern und den Vor­höfen verläuft.

Von dort verlaufen Äste durch und in das Myokard, welche die Versorgung des Myokards gewährleisten.

Ebenso verlaufen venöse Gefäße um den Herz­muskel und leiten das am Stoff­aus­tausch teil­genommene, sauerstoffarme Blut wieder ab.

1.1.3 Elektrotechnische Voraussetzung

Im Umgangssprachlichen gilt die technische Stromrichtung, die einen Stromfluß von „plus“ nach „minus“ definiert. Real liegt bei einem Stromfluß allerdings eine Elektronenwanderung vor.

Die negativ geladenen Elektronen wandern von einer Seite mit Elektronen­überschuß zur Seite mit Elektronenmangel. Die Seite mit Elek­tronen­überschuß ist also elektrisch negativer als die Elektronen­mangelseite. Sieht man die elektrisch negativere Seite als negativen Pol, so erscheint dem­gegenüber die Seite mit Elek­tronen­mangel als elektrisch positiver und stellt somit den positiven Pol dar.

Strom fließt also in der Realität von „minus“ nach „plus“, da es sich um eine Elektronenverschiebung handelt.

Diese Betrachtungsweise (Elektronenmangel=„plus“ / Elektronen­über­schuß=„minus“) wird im fortfolgenden vorausgesetzt.

1.1.4 Reizbildung und -leitung im Herzmuskelgewebe

Um eine Kontraktion der Herzmuskulatur hervorzurufen, bedarf es zuerst einer elektrischen Bereitschaft zur Reizverarbeitung. Bei Ionenwanderung durch eine Zellmembran entsteht eine elektrische Spannung. Hauptsächlich Natrium- (Na+) und Kaliumionen (K+), jeweils einfach positiv geladen, sind hierbei beteiligt. Bei Diffusion dieser Ionen durch die Zellmembran können die zugehörigen negativen Ionen nicht gleich schnell folgen, was ein Diffusionspotential (Spannung) an der Membran hervorruft.

1.1.4.1 Ruhemembranpotential

Das an der Membran lebender Zellen meßbare Potential beträgt je nach Zelltyp
60-100mV[10]. Bei Herzmuskelzellen geht man von einem durchschnittlichen Ruhemembranpotential von ca. 80mV aus, wobei das Innere der Zelle elektrisch negativer als die extrazelluläre Flüssigkeit[11] um die Zelle herum ist. Ursache dieser Ladungsverschiebung ist die effektive Konzentration der Ionen im Muskel (siehe hierzu Tabelle 1).

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Tabelle 1:

Typische „effektive” Konzentrationen und Gleichgewichtspotentiale

wichtiger Ionen im Skelettmuskel bei 37 °C[12]

Die sogenannte Na+-K+-ATPase (auch als Natrium-/Kalium-Pumpe bezeichnet), trägt einen wesentlichen Teil zu dieser effektiven Ionenkonzentration bei. Es wird also ständig Na+ aus der Zelle und K+ in die Zelle gepumpt, so daß im Zellinneren bedeutend mehr K+ zu finden ist (Abbildung 8, Bild 2.).

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Abbildung 8: Ursache und Folgen des Ruhemembranpotentials Teil 1

Unter den momentan betrachteten Ruhebedingungen ist die Zellmembran wenig durchlässig für Na+-Ionen, weshalb das Konzentrationsgefälle für Natrium durch passive Rückdiffusion nicht sofort wieder ausgeglichen werden kann. Gleichzeitig besteht eine sehr hohe Permeabilität für K+-Ionen, weshalb auf Grund des starken Konzentrationsgefälles für Kalium viel K+ von der IZF[13] zur EZF diffundiert.

Diese Diffusion führt zu einem Diffusionspotential an der Membran, da der Großteil der intrazellulären Anionen nicht folgen und nur eine wenig wirksame Diffusion von Na+ stattfinden kann (Abbildung 8, Bild 3.).

Diese Spannung steigt so lange an, bis der weitere Ausstrom von Kalium durch das steigende Potential verhindert wird. Durch die gute Permeabilität der Zell­membran gegenüber Cl- treibt das ansteigende Potential das Chlor aus der Zelle heraus (Abbildung 9, Bild 4.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Ursachen und Folgen des Ruhemembranpotentials Teil 2

Schließlich stellt sich ein Gleichgewichtspotential für K+ und Cl- ein. Beim Kalium ist dann der chemische Gradient (Konzentrationsgefälle) ebenso groß wie der elektrische Gradient (Spannung), was einen elektrochemischen Gradienten von Null ergibt. Das gleiche gilt für das Chlor (Abbildung 9, Bild 5.).

1.1.4.2 Aktionspotential

Das negative Ruhemembranpotential wird beim Aktionspotential durch einen Reiz (Anregung) Richtung Null Millivolt verringert. Diesen Vorgang nennt man Depolarisation. Hierbei wird bald ein kritischer Wert, das sogenannte Schwellen­potential, erreicht. Nach dem Überschreiten des Schwellenpotentials kommt es zu einem sprunghaften Anstieg der Na+-Leitfähigkeit[14] (Abbildung 10, Bild 2), wodurch das Membranpotential rasch zusammenbricht. Vorübergehend erreicht das Mem­bran­poten­tial sogar positive Werte (sogenannter Overshoot; siehe Abbildung 11).

Abbildung 10:

Depolarisation und Repolarisation

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Bereits vor dem Erreichen des Overshoots sinkt die Na+-Leitfähigkeit, gleichzeitig steigt die Leitfähigkeit für K+[15] an. Der Leitfähigkeitsanstieg von K+ trägt nun zum Wiederaufbau des Ruhemembranpotentials bei (Repolarisationsphase, siehe Abbildung 10, Bild 3.). Wegen der noch vorhandenen Erhöhung der Kaliumleitfähigkeit, kann es in der Folge zu einer Hyperpolarisation kommen.

Kurz nach der Depolarisationsphase folgt eine Zeitspanne, in welcher die Zelle durch keinerlei Reize erregbar ist (sogenannte Refraktärzeit).

Bei der Arbeitsmuskulatur des Herzens verbleibt das Aktionspotential für längere Zeit (ca. 200-500ms[16] ) in der Nähe der Nullinie (Null Millivolt), da die Leitfähigkeit für Natrium zwar wie beschrieben abfällt, die Leitfähigkeit für Kalzium (gCa) aber erhöht bleibt (Kalzium hat einen relativ langsamen Einstrom mit einer Schwelle bei ca. -30 mV). Entgegen dem beschriebenen Leit­fähigkeitsverhalten von Kalium bei der normalen Zelle sinkt gK der Arbeits­muskulatur des Herzens nach Erreichen der 0mV-Schwelle kurzzeitig ab (siehe Abbildung 12). Erst nach diesem so entstandenen Plateau kommt es durch die dann ansteigende Kaliumleitfähigkeit und die folgende Inaktivierung der Kalzium­kanäle zur raschen Repolarisation.

Es schließt sich kein konstantes Ruhe­potential an, sondern die Spannung steigt nach jeder Repolarisation solange an, bis das Schwellenpotential wieder er­reicht ist und ein weiteres Aktionspotential aus­gelöst wird.

1.1.4.3 Aktionspotential der Schrittmacherzellen

Die Zellen des Herzgewebes, die eine Schrittmacherfunktion haben, produzieren die Reize, welche die Arbeitsmuskulatur benötigt, um in die De­polarisations­phase überzutreten.

Beginnend mit dem negativsten elektrischen Wert (ca. -70mV im Sinusknoten), vermindert sich die Leitfähigkeit für Kalium kontinuierlich. Bei geringer Leitfähigkeit für Kalzium und Natrium besteht ein geringer aber steter Kalzium- bzw. Natriumstrom, der zur Depolarisation führt.

Während des langsamen Anstieges des sogenannten Präpotentials[17] erhöhen sich nun auch die Kalzium- und bedingt die Natriumleitfähigkeit. Somit trägt in dieser späten Phase ein verstärkter Kalziumstrom zum Präpotential bei.

Ab dem Schwellenpotential (beim Sinusknoten ca. -40mV) erhöht sich gCa rasch, um kurz darauf wieder inaktiviert zu werden, während nun gK stark ansteigt. Nach diesem mäßigen Anstieg und einem so entstehenden Plateau wird auf diese Weise die Zelle wieder bis zum negativsten elektrischen Wert repolarisiert.

Die Permeabilität für Natrium beispielsweise ist beim Sinusknoten relativ größer als beim AV-Knoten, welche immer noch größer als die der gewöhnlichen Zelle ist. Aus diesem Grund hat der Sinusknoten die führende Rolle als Schrittmacher im Herzen, gefolgt vom AV-Knoten, gefolgt vom Kammer­eigen­rhythmus.

1.1.5 Reizleitungssystem

Zum Reizleitungssystem gehören folgende Bestandteile:

- Sinusknoten (Schrittmacherknoten),
- Atrioventrikularknoten (im folgenden AV-Knoten genannt),
- His-Bündel,
- Tawara-Schenkel (linker und rechter Schenkel; der linke teilt sich in ein linksanteriores[18] und ein linksposteriores[19] Faszikel[20] auf),
- Purkinje-Fasern (Endaufzweigung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Reizleitungssystem

Um die Kontraktion auszulösen, benötigt die Muskulatur einen Impuls. Würde man das Herz außerhalb des Körpers mit Sauerstoff, Nährstoffen und Elektrolyten versorgen, könnte es auch in dieser Umgebung schlagen. Das verdeutlicht, daß das Herz seinen Impuls nicht vom Gehirn oder einer anderen Stelle im Körper erhält, sondern dieser Impuls einer Stelle im Herzen selbst entspringt. Höher gelegene Nervenzellen (im Gehirn) können über das autonome Nervensystem nur modulierend in diesen Grund­rhyth­mus eingreifen, d.h. sie modulieren z.B. die Ruhefrequenz im Schlaf im Gegensatz zum Ruhezustand am Tag, welche sich unterscheiden.

In der Wand des rechten Vorhofs, am Übergang zur oberen Hohlvene, ent­steht der Impuls im sogenannten Sinusknoten, dem rhythmischen Schrittmacher des Herzens mit einer Frequenz von 60-80 Herz­schlägen pro Minute.

Auch die Geweberegion zwischen den Vorhöfen, welche als Atrio­ventrikular­knoten bezeichnet wird, ist fähig, eine autorhythmische Impulsfolge zu pro­du­zieren.

Zwischen dem Sinus- und dem AV-Knoten muß sich der Impuls über das Muskelgewebe ausbreiten, da hier keine direkte Verbindung zwischen den beiden Knoten über Glanzstreifen besteht.

Diese etwas langsamere Ausbreitung über das Myokard zieht eine Kontraktion der Vorhöfe vor der Kammerkontraktion nach sich.

Hat der Impuls den AV-Knoten erreicht, so daß dieser sich im erregten Zustand befindet, leitet er die Erregung über das spezielle Erregungsleitsystem (durch Glanzstreifen verbundene Myokardfasern) weiter durch das restliche Herz­muskelgewebe.

Seinen Weg durch das in zwei Schenkel (Tawara-Schenkel) geteilte His-Bündel (links sowie rechts des Septums verlaufend) sowie durch die sich in der Herzspitze aufspaltenden Purkinje-Fasern nehmend, veranlaßt der elektrische Impuls die Kammer­kontraktion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: Reizausbreitung

Sollte der Sinusknoten als Schrittmacher ausfallen, so ist der AV-Knoten fähig, diese Funktion zu übernehmen, allerdings geschieht dieses mit einer deutlich niedrigeren Frequenz von 40-60 Herzschlägen pro Minute. Bedingt durch diesen Ausfall – aber der dennoch vorhandenen, relevanten Überleitung auf das Myokardgewebe im Bereich des Atriums – arbeiten Vorhöfe und Kammern nicht mehr synchron, wodurch die Auswurfleistung des Herzens schwer beeinträchtigt wird.

Auch das Myokard selbst ist prinzipiell zu einem Eigenrhythmus fähig, sofern die Impulse des Sinus- und AV-Knotens geblockt sind oder ausbleiben. Allerdings reicht die Eigenfrequenz von 30-40 Herzschlägen pro Minute nicht für eine adäquate Sauerstoffversorgung des Körpers aus.

1.1.6 Das Elektrokardiogramm (EKG)

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt, besitzen die Myokardzellen ein natürliches Ruhepotential, welches ungefähr -80 mV beträgt.

Durch das Absinken der Spannung bis zum Schwellenpotential kommt es im Bereich des als Sinusknoten bezeichneten Gewebes zur Ausbildung von Aktions­­potentialen, welche sich dann über das Erregungs­leitungs­system ausbreiten.

Da der menschliche Körper zu einem Großteil aus Flüssigkeit besteht, in welcher sich zahlreiche Elektrolyte befinden, wird das sich rhythmisch aus­breitende Aktionspotential bis an die Körperoberfläche transportiert.

Die folglich dann an der Körperoberfläche meßbaren Potentiale betragen ca.1mV.

Um die Potentialsumme auf der Körperoberfläche auf einem EKG sichtbar zu machen, muß natürlich in diesem Gerät zur Darstellung eine Verstärkung erfolgen.

Die elektromechanische Kopplung von Erregung und Muskelkontraktion vorausgesetzt, läßt sich auf dem EKG die Herzerregung und somit auch die Muskelkontraktion verfolgen und interpretieren.

Meßmethoden des EKGs

Aus der Erregungsausbreitung (Depolarisation) und der Erregungsrückbildung (Repolarisation) entsteht die Summenkurve der Potentialstärken und -richt-
ungen.

1.1.6.1 Die bipolare Ableitung nach Einthoven (I, II, III)

Die bipolare Ableitung nach Einthoven (I,II,III) ist die Messung der Potential­änderung zwischen zwei Elektroden an verschiedenen Extremitäten.

- Ableitung I: rechter Arm-linker Arm
- Ableitung II: rechter Arm-linker Fuß
- Ableitung III: linker Arm-linker Fuß

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: Einthoven-Ableitung

Ebenso werden Ableitungen zwischen einer einzelnen Elektrode gegenüber einem neutralen Pol geschrieben. Durch den Zu­sammen­schluß der Ex­tre­mi­täten­­elektroden ent­steht der neutrale Pol, da sich die meßbaren Schwankungen gegen­seitig aufheben (somit eine indifferente Elek­trode).

Diese Ableitungen werden wie in Abbildung 17 dargestellt bezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 17: Herstellung eines neutralen Pols

Das sich ergebende Bild der elektrischen Potentiale an der Körperoberfläche sieht wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 18: EKG-Ableitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einthoven-Dreieck:

Der Vektor der Erregungs­aus­brei­tung projiziert sich unterschiedlich auf jede der drei Ex­tre­mi­tä­ten­ab­leit­ungen. Im vorliegenden Beispiel ver­läuft er fast parallel zu Ableitung II, in der folg­lich die R-Zacke die größ­te Amplitude hat.

Abbildung 19:

Einthoven-Dreieck

Mittels des Einthoven-Dreiecks läßt sich auch die physiologische Lage des Herzens im Brustkorb recht genau be­stimmen, da der Vektor der Er­regungs­aus­breitung sich un­ter­schiedlich auf die drei Extremitäten­ableitungen projiziert. Das sich ergebende Dreieck der Vektor­projektion läßt somit eine genauere Lage­feststellung zu. Dies gilt un­ein­ge­schränkt aller­dings nur beim gesunden Patienten.

1.1.6.2 Die unipolare Ableitung nach Wilson

Die unipolare Ableitung nach Wilson (Wilson V1-V6) mißt ebenso wie die Einthoven-Ableitung Potential­schwankungen zwischen einer ein­zelnen (differenten) Elek­trode und einem neu­tralen Pol.

Am Patienten werden die Extremitätenelektroden so angebracht, daß die Ableitungen aVR, aVL und aVF (wie in Abbildung 17 gezeigt) geschrieben werden können. Der Zusammenschluß zweier Extremitätenelektroden stellt nun den neutralen Pol (die indifferente Elektrode) dar.

Zwischen einer von sechs an genau de­fi­nier­ten Punkten der Brustwand sitzenden Extremitätenelektroden kann dann die Potential­schwankung gegenüber dem neu­tra­len Pol gemessen werden.

Zu jeder einzelnen der sechs differenten Elektroden an den Punkten V1 bis V6 (siehe Abbildung 20) wird gegenüber der indifferenten Elektrode eine Ableitung geschrieben. Hierbei muß die indifferente Elektrode bei jeder Einzelableitung aus dem Zusammenschluß der gleichen Extremitätenelektroden bestehen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 20: Lokalisation der differenten Elektroden

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Abbildung 21: Darstellung der vektoriellen Sichtweisen

1.1.6.3 Intrakardiale Elektrokardiographie

Im Gegensatz zur Aufzeichnung der meßbaren elektrischen Summen­potentiale an der Körperoberfläche beim EKG nach Einthoven oder Wilson ist eine Darstellung der tatsächlichen Herzaktionspotentiale bei der intrakardialen Auf­zeichnung möglich.

Mittels eines transvenösen[21] Elektrodenkatheters, welcher in das rechte Herz ge­schoben wird, können je nach Lage der Katheterspitze EKG-Ableitungen der Ventrikel, der His-Bündel oder der Vorhöfe aufgezeichnet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 22 stellt eine kon­ven­tionelle Oberflächenableitung einer intra­kar­di­alen His-Ableitung[22] gegen­über. Hierdurch wird sehr gut deut­lich, daß an der Körper­oberfläche nur die elektrische Summe zu sehen ist, da die äußerst kurzen Erregungs­impulse, sofort von Er­re­gungs­rück­bildung gefolgt, sich an der Oberfläche nur sehr gering bis überhaupt nicht bemerkbar machen.

1.1.7 Koordination des Herzrhythmus

Solange die bisher beschriebenen Erregungen geordnet vonstatten gehen und der Herzmuskel in dieser wellenförmigen Art von den Vorhöfen über die Herzmitte bis hin zur Herzspitze nacheinander wie geschildert erregt wird, hat das Herz eine Austreibungsphase, welche die Zellen des Körpers adäquat mit Blut versorgen kann.

Abbildung 23 zeigt, wie bei Messung der elektrischen Impulse an der Brust­korboberfläche die verschiedenen Wellen zugeordnet werden.

Die beiden Einzelkurven in der rechten oberen Bildhälfte werden super­positioniert und ergeben die unten sichtbare Summenkurve.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 23: Visualisierung von elektrischer Reizleitung

Sobald aber an einer falschen Stelle oder zum falschen Zeitpunkt eine Erregung stattfindet, wird die erfolgreiche Austreibung gefährdet.

Wird durch widrige Umstände nun eine gänzliche Unordnung in die Erregungs­abläufe der Muskelfasern des Herzens gebracht, kann eine ordentliche Aus­treibung nicht mehr stattfinden.

Alle Muskelfasern sind nach wie vor elektrisch aktiv, jedoch nicht mehr in ge­ordneter Reihenfolge. In Abbildung 24 wird ein solcher chaotischer Ent­ladungs­vorgang (ein sogenanntes Kammerflimmern) dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 24: Kammerflimmern

Ähnlich verhält es sich bei pulsloser ventrikulärer Tachykardie. Diese Kammer­tachykardie stellt eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung mit anfallsweise auftretenden, rhythmischen Kammerextrasystolen bei normaler Sinus­aktivität dar. Sie kann jederzeit in ein Kammerflimmern übergehen.

Kurve 1 in Abbildung 25 zeigt einen normalen Sinusrhythmus.

Die ventrikuläre Tachykardie in Kurve 2 kann sehr schnell in ein Kammer­flattern (Kurve 3) und dann in ein Kammerflimmern (Kurve 4) übergehen.

In dieser Situation ist es notwendig, die ungeordneten elektrischen Aktionen der Myokardfasern wieder in einen geordneten Ablauf zu bringen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 25: Zur ventrikulären Tachykardie

Am einfachsten erscheint es, alle Zellen auf einmal zu erregen, um nachfolgend dem als Sinus­knoten bezeichneten Gewebe die Möglichkeit zu geben, wieder den ge­regelten wellenförmigen Ablauf einzuleiten.

Haben widrige Umstände zu einem Kammerflimmern geführt, so erscheint nur noch die Behandlung mittels Defibrillator sinnvoll. Mit diesem Gerät depolarisiert man möglichst viele Myokardzellen auf einmal, um die ungeordneten Entladungsvorgänge zu durchbrechen. Schafft es der Sinusknoten, wieder die Schrittmacherfunktion zu übernehmen, ist der lebensnotwendige Sinusrhythmus wiederhergestellt.

Anderenfalls kann auch durch einen externen oder internen elektrischen Schritt­macher einen geordneter Rhythmus herbeigeführt werden.

1.2 Definition der erfolgreichen Defibrillation

Die Defibrillation an sich stellt, wie bereits geschildert, eine manuell eingeleitete Depolarisation möglichst vieler Zellen des Herzmuskels dar.

Hierbei soll eine Rhythmuskonversion erfolgen, d.h. die zuvor herrschenden ungeordneten Entladungsvorgänge der Myokardzellen sollen in einen gleich­mäßigen Rhythmus gewandelt werden.

Überführt man den Rhythmus des Herzens von einem herrschenden ungeordneten Zustand, mag es nun eine ventrikuläre Tachykardie, ein Kammerflattern oder ein Kammerflimmern sein, in einen regelmäßigen Zustand, so spricht man von der erfolgreichen Defibrillation.

Zu den regelmäßigen Zuständen zählen der Sinusrhythmus ebenso wie die Asystolie[23]. Eine erfolgreiche Reanimation ist also keinesfalls mit einer erfolg­reichen Defibrillation gleichzusetzen.

Natürlich ist es für den Patienten wünschenswert, daß sich durch die erfolg­reiche Defibrillation auch der Erfolg der Reanimation einstellt; trotz gelungener Defibrillation besteht jedoch immer die Möglichkeit des letalen Ausgangs.

1.3 Die Geschichte des Defibrillators

Nachdem 1899 Prevost und Batelli [37] die Entdeckung gemacht hatten, daß die Applikation von elektrischer Spannung durch das Herz eines Hundes ein Kammerflimmern auslöste und die erneute Applikation von höherer Spannung als zuvor das Flimmern wieder zu stoppen vermochte, führten sie das Konzept der elektrischen Defibrillation ein.

Kurz darauf sponserte die Industrie der Stromversorger einige der ersten De­fi­brillations­forschungen, nachdem sie die Gefahr erkannt hatte, welche ihren Arbeitern in Form von Tod durch Hochspannung täglich drohte.

1928 wurde Kouwenhoven[24] [37] von der Elektroindustrie beauftragt, eine Wieder­belebungsmethode zu entwickeln, die den der Spannung ausgesetzten Ar­beitern das Leben retten sollte.

Er hatte von Prevosts und Batellis Versuchen gehört und begann eigene Nach­forschungen und Entwicklungen auf diesem Gebiet.

Er fand heraus, daß die gewonnenen Erkenntnisse und Voraussetzungen Prevosts und Batellis tatsächlich zutrafen und veröffentlichte seine Ergebnisse über die erfolgreiche interne Defibrillation von Hunden mittels Wechselstrom (alternating current = AC) im Jahre 1933.

Der benutzte Apparat verwendete einen 60-Hz[25] -Wechselstrom von 1,5 bis 2,0Ampere bei 120 bis 130Volt bei intrathorakaler Applikation der Paddels am Herzmuskel.

1947 verzeichnete Dr. Claude Beck [25] die erste erfolgreiche Defibrillation an einem Menschen bei geöffnetem Brustkorb mittels eines 60-Hz-Wechsel­stromes während eines chirurgischen Eingriffs. Der Patient wurde gerade thorakotomiert[26], als sein Herz plötzlich in ein Kammerflimmern fiel. Beck begann sofort mit der Herz-Kreislauf-Wiederbelebung und applizierte elektrische Schocks via Paddels direkt am Herzmuskel. Der Patient überlebte durch die Defibrillation als erster menschlicher Proband. Nach diesem Ereignis gehörte die intrathorakale Defibrillation bei der Wiederbelebung zum Standard bei Klinikpatienten.

In den fünfziger Jahren gelang es Kouwenhoven, Hunde zu defibrillieren, indem er den Brustkorb nicht eröffnete, sondern die Elektroden außen am Körper anbrachte.

1952 defibrillierte auch Zoll [10] einen Menschen, indem er elektrische Schocks durch den geschlossenen Brustkorb des Patienten leitete. Dieses Experiment zeigte, daß es möglich war, die Herzmuskelzellen eines Patienten zu depolarisieren, ohne den Brust­korb zu eröffnen.

1955 gelang es Zoll [37] erstmals, ein Kammerflimmern bei einem Patienten erfolgreich mittels externer Applikation zu defibrillieren und ihn in einen stabilen Rhythmus zu überführen.

Bereits 1953 begannen Kouwenhoven und Langworthy mit der Arbeit an einem durch eine Kondensatorentladung arbeitenden Gleichstromdefibrillator.

Sie entdeckten die Möglichkeit, einen batteriebetriebenen Gleich­strom­de­fibrillator vollständig tragbar zu machen. 1958 wurde der „Mine Safety portable DC defi­brillator“ fertiggestellt [37]; er wog ca. 27 Kilogramm und gestattete die Anwendung außerhalb der Klinik.

Später fanden Edmark[27] und Lown et al. [32] heraus, daß Defibrillatoren mit Gleich­strom bzw. Impulsen effektiver waren und weniger Nebenwirkungen zeigten als Wechsel­stromdefibrillatoren.

Daraufhin wurde 1960 die Gleichstrompulsform weiterentwickelt.

Im Jahre 1961 wurde zum ersten Mal die synchronisierte Kardioversion[28] an­ge­wendet, indem man eine einfache synchronisierte[29] Entladung von 100 Joule dafür nutzte, diverse Arrhythmien[30] zu terminieren [57].

Pantridge und Geddes [29] berichteten 1967 in Belfast über einen Anstieg von Überlebenden der Patientengruppe mit kardialen Beschwerden, die bereits vor Eintreffen in der Klinik durch ihre mobile Einheit („mobile coronary care unit“), welche einen batteriebetriebenen Gleichstromdefibrillator darstellte, behandelt wurden.

Während der 1970er Jahre wurden experimentelle interne und externe Geräte ent­wickelt, welche Kammerflimmern automatisch feststellen und therapieren sollten.

Der erste automatische interne Defibrillator wurde von Mirowski[31] et al. [37] ent­wickelt. Das Gerät beinhaltete einen Mikroprozessor, der selbsttätig Kammer­flimmern feststellte und nachfolgend die Defibrillation selbst durchführte. Im Februar 1980 implantierten Mirowski et al. [34] den ersten „implanted cardioverter defibrillator“ (im folgenden als ICD bezeichnet) einem Patienten.

Im gleichen Jahr berichteten Weaver et al. [57], daß eine frühzeitig eingeleitete Herz-Kreislauf-Wiederbelebung[32] im Zusammenspiel mit einer ebenso früh durchgeführten Defibrillation einen ordnungsgemäßen Herzrhythmus und das Wiedererlangen des Bewußtseins bei Herzpatienten außerhalb der Klinik verbessern könne.

Ebenso veröffentlichten Eisenberg und Copass [12] Ergebnisse deutlich höherer Über­lebens­raten von Herzpatienten, welche durch speziell geschultes Rettungs­personal defibrilliert wurden, im Gegensatz zu Patienten, die nur unter Herz-Kreislauf-Wiederbelebung in die Klinik verbracht wurden.

Seit dem Aufkommen von „automated external defibrillators“ (im folgenden als AEDs bezeichnet)[33] in den frühen Achtzigern haben Studien gezeigt, daß die Frühdefibrillation die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Hierbei unter­scheidet man zwischen Halb- und Vollautomaten, die zur Defibrillation eingesetzt werden. In Kapitel zwei meiner Diplomarbeit werde ich hierauf näher eingehen.

Heute unterstützen die American Heart Association (im folgenden als AHA bezeichnet) und das European Resuscitation Council (im folgenden als ERC bezeichnet) das Konzept der Frühdefibrillation als den aktuellen Hilfestandard für Retter sowohl innerhalb als auch außerhalb der Klinik [57].

Hierbei konnte man sich international noch nicht auf eine Impulsform festlegen, die für die Reanimation und den Patienten am besten ist.

Genauere Betrachtung der verschiedenen Formen und Wirkweisen sind in den nachfolgenden Kapiteln zu finden.

Gleich- und Wechselstrom

Während Gurvitch und Yuniev in der Sowjetunion und Peleska in der Tschechoslowakei die Kondensatorentladung als höchst effektiv für die Defibrillation des Herzens ansahen, empfanden Guyton und Satterfield sowie Kouwenhoven und Milnor die Ergeb­nisse als widersprüchlich [27].

Kouwenhoven testete Defibrillatoren mit Kondensatoren von 25 bis 250 Mikrofarad, welche mit Spannungen von 450 bis 4.000 Volt geladen wurden, bei verschiedenen Impedanzen und Widerständen der Entladeeinheit. Das Verhältnis von erfolgreichen Defibrillationen an Tieren war geringer bei allen Typen von Kon­den­sator­ent­ladungen im Gegensatz zu einer einzigen Wechsel­strom­an­wendung.

[...]


[1] Kammerflimmern sowie Tachykardie werden im weiteren Verlauf erläutert.

[2] Linkes Herz, anatomisch wird für die Sichtweise immer die Sicht des Patienten gewählt. Somit ist die linke Herzseite für den außenstehenden Betrachter zu seiner Rechten.

[3] Septum interventriculare (lat.), Kammerscheidewand; Grenze zwischen rechter und linker Herzkammer.

[4] Mediastinum (lat.), mittleres Gebiet des Brustraumes.

[5] Synzytium (grch.-lat.), mehrkerniger Zellverband, der keine Zellgrenzen aufweist.

[6] Trikuspidalklappe, von Tricuspis (lat.), drei Spitzen habend, dreizipflige Segelklappe.

[7] Pulmonalklappe (lat.), besteht aus drei halbmondförmigen Taschenklappen.

[8] Alveolen (lat.), Lungenbläschen.

[9] Mitralklappe (grch.), zweizipflige Segelklappe in Form einer Mitra.

[10] mV, Abk.: Millivolt.

[11] Extrazelluläre Flüssigkeit, im folgenden auch als EZF bezeichnet.

[12] °C, Abk.: Grad Celsius.

[13] IZF, Abk.: Intrazelluläre Flüssigkeit.

[14] Na+-Leitfähigkeit, auch mit [ gNa ] bezeichnet.

[15] K+-Leitfähigkeit, auch als [ gK ] bezeichnet.

[16] ms, Abk.: Millisekunde, entspricht 10-3 Sekunden.

[17] Präpotential (lat.), Spannungsverringerung während der Depolarisationsphase.

[18] Anterior (lat.), Vorderer.

[19] Posterior (lat.), Hinterer.

[20] Faszikel (lat.), kleine Bündel von Muskel- oder Nervenfasern.

[21] Transvenös (lat.), durch Venen hindurch verlaufend.

[22] His-Ableitung, in Abbildung 22 als HBE abgekürzt. HBE steht für His-Bündel-EKG, eine Form der His-Ableitung.

[23] Asystolie (grch.), Nullinie auf dem EKG, keine elektrischen Potentialdifferenzen mehr vorhanden.

[24] Kouwenhoven, William Bennett, Professor of electrical engineering an der John Hopkins Universität / Baltimore, Maryland. Berühmt geworden durch die Entwicklung der beiden meist angewendeten Reanimationstechniken, der Defibrillation durch den geschlossenen Brustkorb und der externen Herzdruckmassage.

[25] Hz, Abk.: Hertz.

[26] Thorakotomie (grch.-lat.), chirurgische Eröffnung der Brusthöhle.

[27] Edmark, Karl W., Forscher und Mitentwickler der heute am häufigsten angewendeten Impulskurvenform für die Defibrillation.

[28] Kardioversion (grch.-lat.), Maßnahme zur Wiederherstellung eines normfrequenten Sinusrhythmus, elektrisch mittels Defibrillator.

[29] Synchronisiert (grch.), hier Synchronisation vom Moment der elektrischen Entladung des Defibrillators mit einem normalen Kammerkomplex des Herzens, um keine ventrikulären Extrasystolen auszulösen.

[30] Arrhythmie (grch.), Herzrhythmusstörung.

[31] Mirowski, Michel, Erfinder des implantierbaren Defibrillators (Abk. ICD „im­plantable cardio­verter-defibrillator“).

[32] Herz-Kreislauf-Wiederbelebung, im folgenden auch engl. CPR „cardio pulmonal reanimation“.

[33] AED, Abk.: automated external defibrillator, halbautomatischer oder vollautomatischer Defi­brillator. Das Gerät entscheidet, ob ein Schock ausgelöst werden sollte oder nicht.

Ende der Leseprobe aus 167 Seiten

Details

Titel
Impulsformen der Defibrillation
Hochschule
Hochschule RheinMain
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
167
Katalognummer
V50268
ISBN (eBook)
9783638465205
ISBN (Buch)
9783638692960
Dateigröße
4270 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Impulsformen, Defibrillation
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Alexander Haub (Autor:in), 2000, Impulsformen der Defibrillation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50268

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