Die Haftung des Sach- und Sondersachwalters

In der Eigenverwaltung oder Berücksichtigung von Gestaltungsmöglichkeiten und Ausgestaltungsrechten in Regelinsolvenzverfahren


Bachelorarbeit, 2017

50 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Einleitung

B. Die Historische Entwicklung des Insolvenzrechts
I. Übergang von Konkursordnung zur Insolvenzordnung
II. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)

C. Funktionen des Insolvenzrechts

D. Verfahrensarten
I. Verbraucherinsolvenzverfahren
II. Regelinsolvenzverfahren
III. Die Eigenverwaltung
IV. Schutzschirmverfahren

E. Die Verwalterarten
I. Der vorläufige Insolvenzverwalter
II. Der Insolvenzverwalter
1. Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters
a. Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten
b. Steuerrechtliche Pflichten
c. Wahlrecht im Vertragsrecht
III. Der Sachwalter
1. Rechte und Pflichten des Sachwalters
a. Prüfungs- und Überwachungspflichten
b. Unterrichtungspflicht
c. Zustimmungsbefugnis
IV. Treuhänder
V. Der Sondersachwalter

F. Die Haftung nach Verwalterarten
I. Haftung des Insolvenzverwalters
II. Haftung des Sachwalters
III. Haftung des Sondersachwalters
IV. Die Haftung gem. § 60 InsO
V. Rechtsnatur des § 60 InsO
VI. Verschulden
VII. Fallbeispiele Haftung Sachwalter und Insolvenzverwalter
1. Fallbeispiel 1
2. Fallbeispiel 2

G. Resümee

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Urteilsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

In den vergangenen Jahren stiegen sowohl die angemeldeten Verbraucher- als auch Regelinsolvenzverfahren stetig an. Insbesondere Unternehmen waren davon betroffen. Sie litten u.a. an einem Einbruch der Konsumbereitschaft der Endverbraucher, dem Wegfall von Wettbewerbsvorteilen oder aufgrund von Kostenvorteilen der Mitbewerber im Ausland. Hinzu kam, dass die Banken den kriselnden Unternehmen die Kreditgewährung erschwerten. Ein weiterer Umstand, der sich in den kommenden Jahren noch ausweiten könnte. Für diejenigen Unternehmen, die sich in einer solchen Situation wiederfinden, in die sie durch die o.g. äußeren Einflüsse oder eigene Misswirtschaft geraten sind, ist der Insolvenzverwalter oft das letzte Mittel der Wahl, eine Liquidierung des Unternehmens zu verhindern. Er ist der Hoffnungsträger des Schuldners. Sein vorrangiges Ziel ist es - oder sollte es vielmehr sein - das Unternehmen nach Möglichkeit zu sanieren und wieder nachhaltig am Markt zu etablieren.

Hier liegt auch der Grund, warum sich das Insolvenzrecht seit seinem Bestehen zu einem dynamischen Rechtsgebiet entwickelt hat. Die Verzahnung von materiellem und formellem Insolvenzrecht, die Komplexität der Materie und das hohe Tempo der Rechtsprechung erschweren einem Insolvenzverwalter indessen die Ausübung seines Amtes. Zudem haben Insolvenzverfahren in ihrer Gesamtheit meist immense volkswirtschaftliche und im Einzelnen i.d.R. persönliche Auswirkungen auf die Beteiligten. Dabei kann die Wahl eines geeigneten Insolvenzverwalters über den Erfolg oder Misserfolg einer Sanierung entscheidend beeinflussen. Er lädt ein hohes Maß der Verantwortung auf sich, sodass sich bei einem Misserfolg die Frage nach seiner Verantwortlichkeit bzw. seiner Haftung stellt.1 In den vergangenen Jahren haben die Verfahren von in Haftung genommenen Insolvenzverwaltern deutlich zugenommen, was u.a. zu einer veränderten Arbeitsweise des Insolvenzverwalters geführt hat. Die Haftungsfragen und deren Folgen auf die Arbeitsweise des Insolvenzverwalters werden zentraler Bestandteil der Arbeit sein.

Neben haftungsrelevanten Fragestellungen wird auf die Ausgestaltungsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen, die dem Insolvenzverwalter innerhalb der verschiedenen Verfahren zur Verfügung stehen. Hierzu ist es notwendig vertiefend in die Materie der Insolvenzordnung einzugehen. Die Anfänge der Insolvenzordnung, die ihren Ursprung in der Konkursordnung hat, sind ebenso relevant wie die eigentliche Funktionsweise des Insolvenzrechts und die Auswirkungen des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierungen von Unternehmen (ESUG), die Anreize schaffen sollte, dass Insolvenzverfahren in der sog. Eigenverwaltung durchzuführen. Darüber hinaus wird die zentrale Fragestellung lauten, inwiefern die Gleichbehandlung von Sachwalter und Insolvenzverwalter in der Rechtspraxis zu beurteilen und ggf. eine verminderte Haftung des Sachwalters denkbar ist. Im Speziellen wird anhand der aktuellen Rechtsprechung untersucht werden, ob der Sachwalter für Verstöße insolvenzspezifischer Pflichten denselben Haftungsvoraussetzungen unterworfen sein sollte, wie der restliche betroffene Personenkreis des § 60 InsO.

B. Die Historische Entwicklung des Insolvenzrechts

I. Übergang von Konkursordnung zur Insolvenzordnung

Vor Einführung der neuen Insolvenzordnung war die bis dahin geltende Konkursordnung, zurückgehend auf die Reichskonkursordnung vom 10.02.1877, nahezu unverändert geblieben. Diese unterschied nicht zwischen dem Konkurs einer Privatperson und der eines Kaufmannes. Mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 und der Ablösung der veralteten Konkursordnung, begann die notwendige Reformation des Insolvenzrechts.

Das zuvor bestehende Konkursrecht stand in der Kritik, vorrangig das Ziel zu verfolgen, die Vermögenswerte des Schuldners zu zerschlagen und war nicht primär auf die Erhaltung und Fortführung des Unternehmens gerichtet. So verwundert es nicht, dass bis zu 65% aller Verfahren mangels einer Verfahrenskosten deckenden Masse eingestellt worden sind.2 Ziel der Insolvenzrechtsreform war es, das in Schieflage geratene Unternehmen vor einer „gewinnbringenden“ Liquidation zu schützen, sofern eine für den Gläubiger und für die Volkswirtschaft zumutbare und adäquate Sanierungslösung gefunden wird. Die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit des angeschlagenen Unternehmens und der Erhalt von Arbeitsplätzen sollten hierbei die Grundpfeiler der neuen Insolvenzordnung darstellen. Weiter wurde mit dem neunten Teil der Insolvenzordnung und den besonderen Regelungen zum Verbraucherinsolvenzverfahren sowie der damit einhergehenden Restschuldbefreiung, eine überaus wichtige Neuregelung zugunsten natürlicher Personen gefunden.

II. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)

Das am 01.03.2012 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, hat die Insolvenzordnung weitgehend reformiert. Mit dem ESUG hat der Gesetzgeber versucht, die Unsicherheiten in Bezug auf den Ablauf und der Dauer des Insolvenzverfahrens abzubauen und damit eine größere Planungssicherheit für die Beteiligten zu erreichen. Zudem sollte sich hierdurch das Verständnis zur Insolvenz grundlegend ändern. Sie sollte eine unternehmensstrategische Option in der Krise darstellen und nicht das bloße Scheitern des Schuldners widerspiegeln.3

Das ESUG räumt gegenüber dem herkömmlichen Regelinsolvenzverfahren gem. § 270 InsO u.a. die Möglichkeit ein, dass die betroffenen Schuldner ihr Unternehmen in vorläufiger Eigenverwaltung weiterführen können. Zwar bestand diese Möglichkeit des Verfahrenganges schon vor der Einführung des ESUG, ihr kam jedoch nahezu keinerlei praxisrelevanter Bedeutung zuteil. Sinn und Zweck sollte es sein, Anreize zu schaffen, von einer Liquidierung des angeschlagenen Unternehmens abzusehen und stattdessen eine Sanierung anzustreben. Der Gesetzgeber ist dabei der Auffassung des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands gefolgt, dass eine Sanierung u.U. sinnvoller sein kann als eine Liquidierung.4 Durch das ESUG haben sich die Gestaltungsmöglichkeiten für die Krisenunternehmen deutlich verbessert. Zum einen können für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter durch das Insolvenzgeld vorfinanziert werden. Da die Personalkosten i.d.R. der größte Kostenfaktor für den Unternehmer sind, bringen die eingesparten Kosten einen Liquiditätsschub, der für gewöhnlich dringend benötigt wird. Zum anderen bleibt die Geschäftsführung im Amt und wird nicht durch einen externen Verwalter ersetzt. Zwar steht sie unter dessen Aufsicht, kann jedoch weiterhin nach Außen das Unternehmen vertreten.

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2009 zeigte, dass der Insolvenzantrag durch das Unternehmen in nahezu 75% der Fälle, mit durchschnittlich zehn Monaten zu spät erfolgt ist.5 Die Möglichkeit der Eigenverwaltung sollte auch unter diesem Aspekt ein Ansporn darstellen, bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Eröffnungsantrag rechtzeitig zu stellen, anstatt ein vermeintliches Ende weiter hinauszuzögern.6 Erfolgt eine Anmeldung verspätet, kann dies zu großen Nachteilen für das Verfahren führen und ggf. eine erfolgreiche Sanierung verhindern. Darüber hinaus sollte der Gefahr einer möglichen Insolvenzverschleppung und der daraus resultierenden möglichen persönlichen Haftung des Unternehmers entgegengewirkt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt des ESUG ist die Stärkung der Gläubigerrechte. Die Einflussnahme der Gläubiger sollte durch die Einführung eines vorläufigen Gläubigerausschusses und die frühzeitige Einbindung in das Verfahren gestärkt werden. So gewinnen sie Einfluss auf die Wahl des vorläufigen Sachwalters, Insolvenzverwalters, sowie die Beauftragung eines Kassenprüfers oder weiterer Dienstleister. Der Gesetzgeber sah vor, dass der Gläubigerausschuss in das Verfahren aktiv eingebunden werden sollte, um in diesem Rahmen den Schuldner und den vorläufigen Sachwalter zu kontrollieren. Um letzteres zu gewährleisten, ist dem Gläubigerausschuss über den Gang des Verfahrens ein regelmäßiges Auskunftsrecht eingeräumt worden.

Nach mehr als fünf Jahren nach der Einführung des ESUG kommt die Studie „Fünf Jahre ESUG – wesentliche Ziele erreicht“, von der Boston Consulting Group zu dem Schluss, dass die Kernziele des ESUG erreicht worden sind. Seit dem Inkrafttreten wurden von 48.300 eröffneten Insolvenzverfahren 1236 in der Eigenverwaltung bestritten. Die Quote der Eigenverwaltung liegt seitdem stabil bei rund 2,6 %. Dieser geringe Wert relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass die Eigenverwaltung vorwiegend für mittelständische und größere Unternehmen gedacht war, tatsächlich aber ein Großteil der Insolvenzverfahren über Kleinstunternehmen, Selbstständige und nicht Selbstständige eröffnet werden. Die BCG stellte fest, dass das typische Unternehmen, welches eine Insolvenz in Eigenverwaltung bestreitet, einen Umsatz von 4,5 Mio. € und ca. 42 Mitarbeiter hat. Unternehmen, die ein Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO beantragen, weisen hingegen einen Umsatz von durchschnittlich 14 Mio. € auf und beschäftigen ca. 100 Mitarbeiter. Die BCG spricht von einer neu geschaffenen Insolvenz- und Sanierungskultur. Die Verfahren sind einfacher planbar und der Gläubigerschutz hat an Bedeutung gewonnen. Ob die Verfahren hingegen früher angemeldet werden, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Des Weiteren werden knapp 41% der Eigenverwaltungen in Regelinsolvenzverfahren umgewandelt.7 Ein Grund für die hohe Zahl an umgewandelten Verfahren könnte sein, dass sich die Insolvenzschuldnerin nicht an die gegebenen Umstände anpassen kann und das Verfahren zum Schutz der Gläubiger umgewandelt werden muss. In diesem Punkt offenbart das ESUG seine Schwächen. Fraglich ist, ob diesem Punkt in der Ausarbeitung eine größere Beachtung hätte zuteil werden kommen müssen. In Anbetracht der o.g. jüngsten Entwicklung ist eine Einführung von Standards, anhand derer vorab geprüft wird, ob das schuldnerische Unternehmen in der Lage ist ein derartiges Verfahren durchzuführen, zumindest diskutabel. Eine Verschärfung der im § 270 InsO genannten Kriterien zur Gewährung der Eigenverwaltung wären aus meiner Sicht diesbezüglich hilfreich gewesen. Ähnlich dem Vorbild der Österreichischen Insolvenzordnung, auf die im Punkt der Eigenverwaltung gezielter eingegangen wird.

C. Funktionen des Insolvenzrechts

Der Normenzweck gem. § 1 Abs.1 InsO besagt Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.“ In einem Insolvenzverfahren stehen insbesondere drei Möglichkeiten zur Auswahl. Entweder gelingt es, das Unternehmen bspw. durch sog. Asset Deals zu sanieren, es im Wege der übertragenden Sanierung an einen Dritten zu veräußern oder ggf. zu liquidieren und das Unternehmen somit aufzulösen. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, weist der Gesetzgeber in der Neufassung der Insolvenzordnung explizit daraufhin, dass eine Fortführung des Unternehmens eine vorgelagerte Bedeutung haben sollte. Das Insolvenzrecht fungiert als Entscheidungsträger zwischen den Unternehmen, welche reelle Chancen haben sich zu sanieren um langfristig am Markt bestehen zu können und denen, die aus dem Markt ausscheiden müssen. Die Anwendung des Insolvenzrechts hat somit marktwirtschaftliche Auswirkungen.8 Auch wenn die Sanierung eines zahlungsunfähigen oder drohend zahlungsunfähigen Unternehmens von großer Bedeutung ist, muss hierbei jedoch die „Marktkonformität des Insolvenzverfahrens“ gewährleistet sein. Gerät ein Unternehmen in eine Lage, in der die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte überschreiten, hängt dies nicht zuletzt in den überwiegenden Fällen mit vorheriger Misswirtschaft der Unternehmensführung zusammen. Ein Ausscheiden dieser Unternehmer aus dem Markt kann durchaus gewollt sein und wurde zumindest in abgeschwächter Form mit in die InsO übernommen. Ein Markt der sich dadurch auszeichnet, weitestgehend durch Angebot und Nachfrage gesteuert zu werden, darf die Marktmechanismen durch hoheitliche Wirtschaftsregulierung nicht verdrängen. Daraus folgt, i.S.d. InsO darf der „Wettbewerb zwischen gesunden und insolventen Unternehmen nicht verzerrt werden“9. Bei einer Sanierung eines insolventen Unternehmens sind daher immer die gesamtwirtschaftlichen Faktoren abzuwägen.

Der § 1 Abs. 1 InsO impliziert, dass neben den Sanierungsbemühungen der Schutz der Gläubiger von besonderer Bedeutung ist. Demnach steht der Schutz der Gläubiger in einem engen Verhältnis zur Sanierung des Schuldners. Sinn und Zweck ist es, dass sich die Ziele beider ergänzen. Der Gesetzgeber hält sich dabei an den Grundsatz „so viel Markt wie möglich, so viel Gesetz wie nötig“. Eine Unternehmensfortführung ist nur dann betriebswirtschaftlich sinnvoll, volkswirtschaftlich erwünscht und juristisch geboten, wenn der Wert des Unternehmens bei Fortführung höher ausfällt, als es bei einer Liquidierung wäre. Anderenfalls muss das Unternehmen aus dem Markt ausscheiden.10

D. Verfahrensarten

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen dem Regelinsolvenz- und den Verbraucherinsolvenzverfahren. Grundsätzlich werden alle Insolvenzverfahren zunächst als Regelinsolvenzverfahren eröffnet, sofern nicht eine besondere Verfahrensart einschlägig ist.

I. Verbraucherinsolvenzverfahren

Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird bei natürlichen Personen durchgeführt, wenn die Vermögenswerte überschaubar und i.d.R. weniger als 20 Gläubiger zu bedienen sind. Der im Volksmund geläufige Ausdruck der Verbraucherinsolvenz als „Privatinsolvenz“ ist hier sachlich nicht korrekt. Es handelt sich hierbei um ein vereinfachtes Verfahren, unter welches beispielsweise auch selbstständige Einzelunternehmer fallen können, sofern keine offenen Forderungen aus Beschäftigungsverhältnissen vorliegen. Somit können auch Verfahren unter die Verbraucherinsolvenz fallen, deren Ursprung geschäftlichen Handelns ist.

Der wohl bedeutendste Unterschied zur Regelinsolvenz stellt zweifelsohne die Restschuldbefreiung (RSB) dar, die ausschließlich hier zum Tragen kommt. Der Schuldner kann die Restschuldbefreiung gem. § 286ff. InsO i.V.m. Lohn- und Gehaltsabtretung und Eigenantrag beantragen. Die Zulässigkeit der RSB erfolgt gem. § 287a InsO, sofern keine Versagungsgründe gem. § 290 Abs. 1 Nr. 1-7 InsO vorliegen. Die Versagung über die RSB kann auch nachträglich erfolgen. Versagungsgründe können sein:

- Insolvenzstraftaten, Geldstrafen von mehr als 90 TS oder mehr als 3 Monaten Freiheitsstrafe in den letzten 5 Jahren
- Erschleichung von Krediten oder öffentlichen Leistungen in den letzten 3 Jahren
- Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten
- Unangemessene Verbindlichkeiten und Verschwendung in den letzten 3 Jahren

Das statistische Bundesamt stellt hierzu fest, dass nach der Aufnahme der Restschuldbefreiung durch den Gesetzgeber in die InsO sich die Zahl der jährlichen Verbraucherinsolvenzverfahren bis zum Jahr 2010 nahezu verzehnfacht hat. Zwar sanken in den vergangenen sechs Jahren die angemeldeten Verfahren wieder kontinuierlich, dennoch lagen sie im Jahr 2016 bei über 700% im Vergleich zum Jahr 2000.11 Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zum Geld, das vorherrschende Kaufverhalten und die Mentalität des Anhäufens von Schulden grundliegend geändert hat. Die Restschuldbefreiung wird inzwischen als sicheres Netz betrachtet, durch das man in der Zeit der Wohlverhaltensphase geschützt wird und nach sechs Jahren entschuldet ist. Mit Inkrafttreten der zweiten Reform am 01.06.2014, die vorsah bereits nach dreijähriger Wohlverhaltensphase, der Begleichung der Verfahrenskosten und 35% der angemeldeten Forderungen sich zu entschulden, könnte sich dieser Effekt noch verstärkt haben. Hier bleiben die neuen Zahlen abzuwarten.

II. Regelinsolvenzverfahren

Die Anmeldung der Regelinsolvenz erfolgt immer in schriftlicher Form ohne weitere formale Beschränkungen und kann entweder durch das betroffene Unternehmen selbst oder durch einen Dritten beantragt werden, sofern die Tatbestandsmerkmale der §§ 17 ff. InsO erfüllt sind. Unterschieden wird hierbei in die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO, der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO und der Überschuldung nach § 19 InsO. In der Praxis erfolgt i.d.R. eine Anmeldung seitens des Schuldners und nicht durch den Gläubiger, obwohl auch diese Möglichkeit besteht.

Durch die, mit der Anmeldung im Bundesanzeiger erfolgten Veröffentlichung, könnte eine Abwärtsspirale mit weitgehenden wirtschaftlichen und gar existenzgefährdenden Einflüssen auf den Schuldner ausgelöst werden.

Zudem ist der Antragsteller, sollte das Verfahren eröffnet werden, unmittelbar verpflichtet, die Antragsgebühr nach Nr. 2311 KV (Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 Nr.1 InsO) der Gerichtskasse zu erstatten. Dies trifft zwar lediglich ein, sofern diese Kosten mangels Masse nicht bedient werden können, wirkt jedoch auf kleinere Gläubiger abschreckend. Im Regelfall versucht der Gläubiger seine Forderung im Wege des Mahnverfahrens oder mittels Inkasso-Dienstleistern geltend zu machen.

Ist eine Anmeldung formgerecht gem. § 13 InsO seitens des Schuldners oder gem. § 14 InsO des Gläubigers dem Insolvenzgericht zugegangen, prüft dieses, ob die o.g. Gründe für eine Eröffnung des Verfahrens erfüllt sein könnten. Anschließend bestellt das Gericht gem. § 56 InsO eine unabhängige, fachkundige und natürliche Person als Insolvenzverwalter, vorläufigen Insolvenzverwalter oder Sachwalter um zu prüfen, ob das Verfahren über den Schuldner eröffnet werden kann. Eine Empfehlung an das Insolvenzgericht seitens des Schuldners oder eines Gläubigers hemmt nicht die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters.

Das Gericht hat die Möglichkeit erforderliche Maßnahmen zu treffen um negative Entwicklungen auf das Vermögen des Schuldners entgegenzuwirken. Gem. § 12 InsO gehören hierzu die Bestellung eines vorläufigen Verwalters, das Einsetzen eines vorläufigen Gläubigerausschusses, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot und oder eine Postsperre aufzuerlegen und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu untersagen. Diese Maßnahmen dienen der umfassenden Sicherung der Insolvenzmasse.

Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung sieht das Regelinsolvenzverfahren nicht vor. Anders als bei persönlich haftenden Schuldnern, ist die Haftung bei Kapital- und Personengesellschaften aber für gewöhnlich beschränkt.

III. Die Eigenverwaltung

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist es möglich bei Anmeldung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht zu beantragen, dass das Verfahren in der sog. Eigenverwaltung bestritten wird. Eine Anordnung über ein solches Verfahren kann nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 InsO erfüllt sind. Demnach darf die Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen der Gläubiger führen und zudem der Antrag nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg sein. Die Besonderheit der Eigenverwaltung liegt darin, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse beim Schuldner verbleibt und nicht wie üblich nach § 80 Abs. 1 InsO auf einen Insolvenzverwalter übertragen wird.12 Anders als man fälschlicherweise annehmen könnte, wird der Insolvenzverwalter damit aber nicht gänzlich von seinen Pflichten innerhalb des Verfahrens enthoben. Wird ein Verfahren in Eigenverwaltung genehmigt, so wird während der Dauer des Verfahrens ein Sachwalter zur Beaufsichtigung abgestellt. Der Sachwalter ersetzt somit den Insolvenzverwalter nach § 270c InsO. Mit Ausnahme des § 270b Abs. 2 S. 2 InsO sind keine speziellen Regelungen getroffen worden, sodass für den Sachwalter die allgemeinen Regelungen der §§ 56, 56a InsO entsprechend zur Anwendung kommen.

Wird der Antrag aufgrund fehlender Voraussetzungen gem. § 270 Abs. 2 InsO vom Insolvenzgericht abgelehnt, wird das Insolvenzverfahren folglich ohne Eigenverwaltung fortgeführt. Lediglich eine nachträgliche Anordnung, welche die Gläubigerversammlung gem. § 271 InsO beantragen kann, ist die letzte Möglichkeit das Verfahren wie gewünscht in der Eigenverwaltung zu bestreiten. Wird dem Antrag auf Durchführung der Regelinsolvenz in Eigenverwaltung stattgegeben, beginnt das Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO. Der vorläufige Sachwalter ist das Pendant zum vorläufigen Insolvenzverwalter und wird im eröffneten Verfahren eingesetzt. Die §§ 274 und 275 sind entsprechend anzuwenden.

Diese Möglichkeit des Verfahrens ist vorwiegend bei größeren Unternehmungen geboten, bei denen eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Das Ziel der Eigenverwaltung soll sein, den betroffenen Unternehmen die Gelegenheit zur Restrukturierung zu ermöglichen. Dies gilt vor allem für besonders „Knowhow trächtige“ Unternehmen mit komplexen Strukturen. Hier bietet sich eine Eigenverwaltung durchaus an, um auf diese Weise bessere Ergebnisse im Rahmen der Verfahrensdurchführung zu erreichen. Als Beispiel in diesem Zusammenhang sind Krankenhäuser zu nennen, die offensichtlich ausschließlich in Eigenverwaltung fortgeführt werden. Eine von der Wirtschaftskanzlei Noerr und der Unternehmensberatung McKinsey & Company durchgeführten Studie ergab, dass im Zeitraum zwischen März 2012 und Ende April 2015 insgesamt 867 Regelinsolvenzen in Eigenverwaltung beantragt wurden. Während des Verfahrens wurden 33% der Verfahren in Regelinsolvenzen umgewandelt. Die Gründe hierfür sahen die in der Studie Befragten, in mangelhaften Kompetenzen des Managements, sich der neuen Situation anzupassen. Die Eigenverwaltung kann ein gutes Instrument zur Restrukturierung sein, wenn sich das alte Management den Veränderungen anpassen kann.13 Sollte dies nicht der Fall sein, hat der Sachwalter die Möglichkeit dem Gläubigerausschuss darüber zu informieren, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zum Nachteil der Gläubiger führen würde und hat dementsprechend die Möglichkeit die Eigenverwaltung in eine Regelinsolvenz zu übertragen. Fraglich ist, wie groß der bis dato durch eine fehlerhafte Wahl der Verfahrensart, begründete Schaden ist. Neben dem Sachwalter kann die Aufhebung des Verfahrens durch den Schuldner selbst nach § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO beantragt und durch die Gläubigerversammlung beschlossen § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw. durch einen einzelnen Gläubiger nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO beantragt werden. Eine Aufhebung des Verfahrens auf Antrag eines einzelnen Gläubigers setzt voraus, dass die Fortführung des Verfahrens „erhebliche Nachteile“ für die Gläubiger zur Folge hätte.14 Die o.g. Zahlen zur Umwandlung von Verfahren in der Eigenverwaltung zu Regelinsolvenzverfahren zeigen deutlich, dass die schuldnerischen Unternehmen die Eigenverwaltung unterschätzen. Die vorangegangene Misswirtschaft der Geschäftsleitung wirft zumindest die Frage auf, ob selbige der Eigenverwaltung gewachsen sind und sich den neuen Gegebenheiten anpassen können. Die Studie zeigt, dass in einem drittel der Fälle Umstände erkennen ließen, dass zu Nachteilen der Gläubiger gehandelt wurde. Das Bedeutet, dass der Sachwalter nahezu davon ausgehen kann, dass es während des Verfahrens zu Situationen kommt, die erhebliche Auswirkungen haben können. Sodass sich m.E. die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung dahingehend angepasst werden sollten, dass die Gefahr der Verfahrensumwandlung zumindest minimiert wird. Die Österreichische Insolvenzordnung (IO), die mit der deutschen vergleichbar ist, hat höhere Voraussetzungen für die Durchführung der Eigenverwaltung getroffen. Gem. § 186 Abs. 2 Nr. 1 IO kann die Eigenverwaltung untersagt werden, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar sind, insbesondere wegen der Anzahl der Gläubiger und der Höhe der Verbindlichkeiten. Ein Instrumentarium, mit dem der Gesetzgeber versucht die o.g. Gefahrenquellen zu minimieren. Ist demnach abzusehen, dass das Verfahren für die Beteiligten in der Eigenverwaltung nicht zu bewältigen ist, ist die Gewährung zu verweigern. Die Eigenverwaltung schließt somit diejenigen Verfahren vorab aus, die aufgrund von Fehleinschätzungen oder schlichter Überforderung der Geschäftsleitung zu Nachteilen für die Gläubiger führen würde. Aus diesem Grund scheint eine Anpassung der InsO an die IO m.E. für erforderlich.

[...]


1 Das statistische Bundesamt stellte fest, dass Gläubiger durchschnittlich lediglich 2,6% ihrer angemeldeten Forderungen zurückerhalten. Den Gläubigern entstand somit in den Jahren 2010-2014 ein Schaden in Höhe von 10,6 Mrd. €. Dies könnte für die Gläubiger u.a. der Anstoß sein, sich entgangene Einnahmen zu erstreiten.

2 Insolvenzplan – Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz – Hess, Obermüller, 2. Auflage.

3 Vgl. Bundesverband ESUG und Sanierung Deutschland e.V. http://www.bv-esug.de/esug/rechtssituation/.

4 Vgl. Bundesverband ESUG und Sanierung Deutschland e.V. http://www.bv-esug.de/esug/rechtssituation/.

5 Vgl. Haarmeyer Frind, InsR, Anhang, S. 136.

6 Handbuch des Fachanwalts – Insolvenzrecht 6. Auflage – Luchterhand Verlag Kapitel 1 Rn. 1.

7 The Boston Consulting Group – Fünf Jahre ESUG Wesentliche Ziele erreicht, Dr. Ralf Moldenhauer, Rüdiger Wolf.

8 Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht 4. Auflage §1 Rn. 2.

9 Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht 4. Auflage § 1 Rn. 2.

10 Uhlenbrock Insolvenzordnung Kommentar 13. Aufl. § 1 Rn. 4.

11 Bürgel. Anzahl der Privatinsolvenzen in Deutschland von 2000 bis 2016. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150565/umfrage/privatinsolvenzen-in-deutschland-seit-2000/ (zugegriffen am 14. Juni 2017).

12 Handbuch der Rechtspraxis Frege/Keller/Riedel Insolvenzrecht 8. Auflage Teil 4 Kapitel 2, Rn. 2018.

13 Insolvenz-Studie 2015 unter: https://www.mckinsey.de/deutsches-insolvenzrecht-auf-gutem-weg-international-aber-nicht-voll-wettbewerbsfaehig.

14 Praxis der Insolvenz 3. Aufl. S. 1633 – Beck/Depré.

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Die Haftung des Sach- und Sondersachwalters
Untertitel
In der Eigenverwaltung oder Berücksichtigung von Gestaltungsmöglichkeiten und Ausgestaltungsrechten in Regelinsolvenzverfahren
Hochschule
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen
Note
2,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
50
Katalognummer
V501013
ISBN (eBook)
9783346035677
ISBN (Buch)
9783346035684
Sprache
Deutsch
Schlagworte
haftung, sach-, sondersachwalters, eigenverwaltung, berücksichtigung, gestaltungsmöglichkeiten, ausgestaltungsrechten, regelinsolvenzverfahren
Arbeit zitieren
Konrad Herholz (Autor:in), 2017, Die Haftung des Sach- und Sondersachwalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/501013

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