Marktkommunikation im Tourismusmarketing. Grundlagen, Konzeption und Realisierung eines Internet-Destinationsinformationssystems mit einer WebGIS-Software

Am Beispiel der Wanderroute Rothaarsteig


Diplomarbeit, 2004

288 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Hintergrund und Fragestellung
1.2 Aufbau und Inhalt der Arbeit

2. Technologische Grundlagen des Internet-Destinationsinformationssystems
2.1 Technologische und methodologische Voraussetzungen webbasierter Geoinformationssysteme
2.2 Wesentliche Kennzeichen webbasierter Geoinformationssysteme
2.2.1 Typologie webbasierter Geoinformationssysteme
2.2.2 Architektur webbasierter Geoinformationssysteme
2.3 Technisch-infrastrukturelle Rahmenbedingungen webbasierter Geoinformationssysteme

3. Theoretische Grundlagen der Marktkommunikation im Tourismusmarketing mit Blick auf die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems
3.1 Grundlagen des Tourismus-Marketing im Überblick
3.2 Grundlagen der Kommunikationspolitik im Tourismusmarketing
3.3 Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Marktkommunikation mit Blick auf die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems
3.3.1 Entscheidungsverhalten bei Urlaubsreisen
3.3.1.1 Grundlegende Begriffe und Konzepte
3.3.1.2 Erkenntnisse zum Reiseentscheidungsverhalten
3.3.1.3 Erkenntnisse zu Informationsbedürfnissen im Kontext der Reiseentscheidung
3.3.2 Erklärungsansätze des Verhaltens von Konsumenten auf Basis des Modells der psychischen Determinanten von Kroeber-Riel
3.3.2.1 Aktivierende Prozesse
3.3.2.1.1 Emotion
3.3.2.1.2 Motivation
3.3.2.1.3 Einstellung
3.3.2.2 Kognitive Prozesse
3.3.2.2.1 Informationsaufnahme
3.3.2.2.2 Wahrnehmung
3.3.2.2.3 Lernen
3.3.3 Zwischenfazit: Bedeutung der vorgestellten theoretischen Grundlagen für die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems

4. Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems für die Wanderroute Rothaarsteig
4.1 Entwicklung und Erläuterung eines zur Konzeption geeigneten Planungsprozesses
4.2 Auswahl und Vorstellung der empirischen Datengrundlagen
4.2.1 Vorstellung der Vorgehensweise
4.2.2 Freizeit-/Tourismusstudien
4.2.2.1 Die Reiseanalyse
4.2.2.2 Die Freizeit- und Tourismusstudien des IFF
4.2.2.3 Wandertouristische Spezialstudien
4.2.3 Markt- und Mediaanalysen
4.2.3.1 Typologie der Wünsche Intermedia (TdWI)
4.2.3.2 Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA)
4.2.3.3 VerbraucherAnalyse (VA)
4.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse der Recherche nach empirischen Sekundärquellen
4.3 Analyse der Marketing- und Kommunikationssituation der Wanderdestination Rothaarsteig
4.3.1 Beschreibung der Markt- und Wettbewerbssitutation
4.3.2 Marketingziele und Positionierung (Marketingstrategie) der Wanderdestination Rothaarsteig
4.3.3 Analyse der Kommunikationssituation der Wanderdestination Rothaarsteig
4.4 Zielgruppenanalyse und Zielgruppenplanung
4.4.1 Grundlagen der Zielgruppenanalyse und Zielgruppenplanung
4.4.2 Definition der Zielgruppe
4.4.3 Analyse der Zielgruppe
4.4.3.1 Soziodemographische Beschreibung der Zielgruppen
4.4.3.2 Analyse verhaltens- und einstellungsbezogener Merkmale der Zielgruppen
4.4.3.3 Bestimmung und Beschreibung wichtiger Zielgruppensegmente
4.4.4 Fazit der Zielgruppenanalyse
4.5 Festlegung und Beschreibung der Ziele des Internet-Destinationsinformationssystems
4.6 Konzeption der kognitiven Inhalte des Internet-Destinationsinformationssystems
4.6.1 Inhaltliche Umsetzung des Ziels ‚Informationsbereitstellung‘
4.6.2 Inhaltliche Umsetzung des Ziels ‚Ansprache verhaltensrelevanter motivationaler Selbstbilder‘
4.6.2.1 Empirisch ermittelte motivationale Selbstbilder von Wandertouristen
4.6.2.2 Operationalisierung des Motivs ‚unberührte Natur‘
4.6.2.3 Operationalisierung des Motivs ‚schöne Landschaft‘
4.6.2.3.1 Konzeptionelle Vorbemerkungen
4.6.2.3.2 ‚Schöne Landschaft‘ aus Sicht der Tourismusforschung
4.6.2.3.3 ‚Schöne Landschaft‘ aus Sicht der Landschaftspsychologie
4.6.2.3.4 ‚Schöne Landschaft‘ aus Sicht der Landschaftsplanung
4.6.2.3.5 ‚Schöne Landschaft‘ aus Sicht der Photographie
4.6.2.3.6 Praktische Anwendung der Leitlinien zur Auswahl und Bewertung von Bildmotiven
4.7 Konzeption der affektiven Inhalte des Internet-Destinationsinformationssystems

5. Exemplarische Realisierung des Internet-Destinationsinformationssystems für einen Teilabschnitt der Wanderroute Rothaarsteig mittels einer WebGIS-Software
5.1 Vorstellung der Vorgehensweise
5.2 Grobplanung und Auswahl der zu verwendenden WebGIS-Software
5.3 Realisierung des Internet-Destinationsinformationssystems
5.3.1 Überblick über den Systemaufbau
5.3.2 Festlegung und Beschreibung der kartographischen Darstellung
5.3.2.1 Festlegung der Hintergrundkarte
5.3.2.1.1 Auswahl der zu verwendenden Geobasisdaten
5.3.2.1.2 Aufbereitung der Geobasisdaten und Festlegung der kartographischen Darstellungsregeln
5.3.2.2 Festlegung der interaktiv abfragbaren Informationsobjekte
5.3.2.2.1 Auswahl der abfragbaren Informationen für die exemplarische Realisierung
5.3.2.2.2 Festlegung der Datenstruktur für die abfragbaren Objekte
5.3.2.2.3 Festlegung der kartographischen Darstellung
5.3.3 Entwicklung und Realisierung der Programmstruktur
5.3.3.1 Entwurf der Programmstruktur
5.3.3.2 Entwurf der Benutzeroberfläche
5.3.3.3 Programmiertechnische Realisierung
5.3.3.3.1 Aufbau der HTML-Struktur und Start des Systems
5.3.3.3.2 Programmierung der Navigations- und Abfragefunktionen
5.3.3.3.3 Programmierung des Aufrufs von Detailinformationen zu einem Objekt
5.3.3.3.4 Programmierung der textbasierten Abfrage
5.3.4 Prüfung des Systems
5.4 Weitere funktionale und inhaltliche Möglichkeiten des Internet-Destinationsinformationssystems

6 Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

Literatur

Internetquellen

Karten

Gesetze

Nichtwissenschaftliche Literatur zur Photographie

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 2-1: Das Client/Server-Designprinzip des World Wide Web

Abb. 2-2: Architektur eines webbasierten Geoinformationssystems

Abb. 3-1: Das S-O-R-Modell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens

Abb. 3-2: Wirkungspfadmodell der Werbung

Abb. 3-3: Zusammenhang der Variablen der Aktivierung und des kognitiven Systems

Abb. 3-4: Ablauf und Wechselwirkungen kognitiver Prozesse im Drei-Speicher-Modell

Abb. 3-5: Gliederung der Informationsaufnahme von Konsumenten

Abb. 3-6: Ausschnitt aus einem fiktiven semantischen Netzwerk

Abb. 4-1: Planungsprozeß der Marktkommunikation

Abb. 4-2: Abfolge der wesentlichen Entscheidungen im Werbemanagement

Abb. 4-3: Prozeß der Konzeption und Realisierung des IDIS Rothaarsteig

Abb. 4-4: Zielgruppenanalyse: Altersverteilung verschiedener Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-5: Zielgruppenanalyse: Altersverteilung in den Kernzielgruppen

Abb. 4-6: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung der Einkommensklassen (Haushaltsnettoeinkommen) innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-7: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung des Einkommens (Haushaltsnettoeinkommen) unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-8: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung der beruflichen Stellung innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-9: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung der beruflichen Aktivität innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-10: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung der Haushaltsstruktur innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-11: Zielgruppenanalyse: Relative Verteilung der Haushaltsgröße innerhalb der Zielgruppen im Vergleich

Abb. 4-12: Zielgruppenanalyse: Absolute Größe der Zielgruppen – differenziert nach Entfernung des Wohnortes zum Rothaarsteig

Abb. 4-13: Zielgruppenanalyse: Bedeutung der Familie

Abb. 4-14: Zielgruppenanalyse: Einstellung zu sportlicher Betätigung

Abb. 4-15: Zielgruppenanalyse: Bedeutung des ‚körperlichen und seelischen Wohlbefindens‘

Abb. 4-16: Zielgruppenanalyse: Bedeutung einzelner Aspekte bei der sportlichen Betätigung des zumindest selten Sport treibenden Anteils der Kernzielgruppe

Abb. 4-17: Zielgruppenanalyse: Einstellung zu guter Ernährung

Abb. 4-18: Zielgruppenanalyse: Häufigkeit des ‚Gut essen gehens‘

Abb. 4-19: Zielgruppenanalyse: Ausgabebereitschaft bei umweltfreundlichen Produkten

Abb. 4-20: Zielgruppenanalyse: Musikalische Vorlieben der Zielgruppen

Abb. 4-21: Zielgruppenanalyse: Anzahl von Urlaubsreisen und Kurzreisen

Abb. 4-22: Zielgruppenanalyse: Reiseziele

Abb. 4-23: Zielgruppenanalyse: Reisebegleitung

Abb. 4-24: Zielgruppenanalyse: Wichtige und weniger wichtige Dinge im Urlaub

Abb. 4-25: Der Zusammenhang zwischen Landschaft, Landschaftsbild und Betrachter als phänomenologisches Modell

Abb. 4-26: Der ‚Goldene Schnitt‘

Abb. 5-1: Systemarchitektur des IDIS Rothaarsteig

Abb. 5-2: Datenmodell des IDIS Rothaarsteig

Abb. 5-3: Kartographische Visualisierung von Unterkünften im IDIS Rothaarsteig

Abb. 5-4: Grobgliederung der Bildschirmaufteilung des IDIS Rothaarsteig

Abb. 5-5: Screendesign des IDIS Rothaarsteig (Startansicht)

Abb. 5-6: Programmiertechnischer Aufbau der Benutzeroberfläche des IDIS Rothaarsteig

Abb. 5-7: Bildschirmansicht des IDIS Rothaarsteig nach Durchführung einer räumlichen Abfrage

Abb. 5-8: Bildschirmansicht des IDIS Rothaarsteig nach dem Aufruf von Detailinformationen

Verzeichnis der Tabellen

Tab. 2-1: Kategorisierung von geodatenverarbeitungsbezogenen Internetanwendungen

Tab. 2-2: Theoretisch über Internet übertragbare Datenvolumina (differenziert nach Bandbreite des Internetzugangs)

Tab. 2-3: In der Praxis über Internet übertragbare Datenvolumina (differenziert nach Bandbreite des Internetzugangs)

Tab. 3-1: Erscheinungsformen der Multimediakommunikation

Tab. 3-2: Nutzung verschiedener Informationsquellen in Abhängigkeit von der Phase des Entscheidungsprozesses

Tab. 3-3: Charakteristische Unterschiede des Konsumentenverhaltens in Abhängigkeit von der Stärke des Involvements

Tab. 4-1: Freizeitsport Wandern: Kernzielgruppe und Ausübende insgesamt nach IFF

Tab. 4-2: Wesentliche Unterschiede zwischen Ausflugswanderern (eintägig) und Urlaubswanderern (mehrtägig)

Tab. 4-3: Wandern und andere (Trend-)Sportarten im Vergleich

Tab. 4-4: Ausübungshäufigkeit: ‚Wandern im Urlaub‘

Tab. 4-5: Ausübungshäufigkeit: ‚Wandern in der Freizeit‘

Tab. 4-6: Angaben zum Wanderverhalten in ausgewählten Marktstudien

Tab. 4-7: Marktstudienspezifische operationale Abgrenzung der Zielgruppen

Tab. 4-8: Angaben zum Einkommen in ausgewählten Marktstudien

Tab. 4-9: Marktstudienspezifische operationale Abgrenzung der Kernzielgruppen

Tab. 4-10: Angaben mit Bezug zur Nutzung des Internet in ausgewählten Marktstudien

Tab. 4-11: Marktstudienspezifische operationale Abgrenzung des über Internet erreichbaren Teils der Kernzielgruppen

Tab. 4-12: Motivationale Selbstbilder von Wanderurlaubern

Tab. 5-1: Zweite Stufe des WebGIS-Software-Auswahlverfahrens: Potentiell geeignete Softwareprodukte und Ausschlußgründe

Tab. 5-2: Darstellungsregeln für die Hintergrundkarte

Tab. 5-3: Übersicht über zentrale Funktionen des IDIS Rothaarsteig

Tab. 5-4: Statusabhängige Darstellung der Schaltflächen zur kartenbasierten Benutzerinteraktion

Tab. 5-5: Kontextsensitive Bedienhinweise

Verzeichnis der Anlagen (siehe Anlagenband)

Anlage 1: Übersicht über Kommunikationsmittel des Rothaarsteig-Marketing

Anlage 2: Ausgewertete wandertouristische Informationsmaterialien

Anlage 3: Ausgewertete Landschaftsbewertungsverfahren

Anlage 4: Erläuterungen und Materialien zur Bewertung der Landschaft aus ästhetischer Sicht gemäß des Landschaftsbewertungsverfahrens von Nohl (2001a/2001b)

Anlage 5: Auswahl von Bildmotiven zur Ansprache des motivationalen Selbstbildes ‚Schöne Landschaft‘

Anlage 6: Sachdatenbank des IDIS Rothaarsteig - Tabellen und Feldbeschreibung

Anlage 7: Programmcode für das IDIS Rothaarsteig

Anlage 8: Daten zum IDIS Rothaarsteig (CD-ROM)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Hintergrund und Fragestellung

In den vergangenen Jahren hat das Internet im Zuge seiner schnell zunehmenden Verbreitung auch im Tourismusmarketing eine wesentliche Bedeutung erlangt. So ist in Deutschland der Anteil der Urlaubsreisenden, die sich vor ihrer Reiseentscheidung im Internet über mögliche Reiseziele informiert haben innerhalb weniger Jahre von 11 Prozent (2001) auf 33 Prozent (2004) gestiegen. Auch bei Inlandsurlaubern ist das Internet nach persönlichen Erfahrungen (42 Prozent) und Prospekten der Region (38 Prozent) bereits die am dritthäufigsten genutzte Informationsquelle (27 Prozent) (ADAC 2004: 39f.).

Dieser Wandel im Informationsverhalten von Urlaubsreisenden stellt die für das Marketing touristischer Destinationen verantwortlichen Tourismusorganisationen vor die Aufgabe, adäquate Kommunikationsinstrumente zu entwickeln und einzusetzen. In diesem Rahmen sind die altbekannten, aber deswegen noch keineswegs leicht zu beantwortenden Fragen des Tourismusmarketing (z. B. „Welche Motive liegen der Reiseentscheidung zugrunde?“ oder „Nach welchen Informationen suchen unsere potentiellen Gäste?“) ebenso zu berücksichtigen wie solche Fragen, die aufgrund der neuartigen Kommunikationssituation hinzukommen (z. B. „Können wir die Informationsbedürfnisse über das Internet besser befriedigen, und wie müssen wir die Informationen dazu aufbereiten?“). So eröffnen die multimedialen und interaktiven Potentiale des Mediums Internet zwar einerseits neuartige Möglichkeiten der Marktkommunikation für touristische Destinationen, die es durch eine darauf abgestimmte Medienkonzeption und -gestaltung werbetechnisch zu nutzen gilt. Andererseits sind jedoch auch Restriktionen und Nachteile gegenüber anderen Kommunikationsmitteln vorhanden, die zu berücksichtigen sind, wenn die werbebezogenen Potentiale der internetbasierten Marktkommunikation erfolgreich realisiert werden sollen.

Ein großer Teil der von Urlaubsreisenden im Kontext der Reiseentscheidung und -planung zu verarbeitenden Informationen weist einen georäumlichen Bezug auf. Bei der Wahl des Reiseziels, der Unterkunft und bei vielen Aktivitäten im Verlauf des Urlaubs werden Entscheidungen für bestimmte Lokalitäten und Räume getroffen. Besonders bei landschaftsbezogenen Aktivurlaubsformen, z. B. bei einer Radreise, einer Kanutour oder einem Wanderurlaub, ist die Komplexität raumbezogener Entscheidungen sehr hoch. Sofern es sich um eine selbstorganisierte Reise handelt, muß der Reisende ein Vielzahl miteinander in Zusammenhang stehende Informationen mit räumlichen Bezug suchen und im Zuge seiner Entscheidung verarbeiten: „Wo starte ich meine Tour?“ – „Welche Route nehme ich?“ – „Gefällt mir dort die Landschaft?“ – „Wo kann ich essen und übernachten?“ u. a. m.

Raumbezogene Informationen sind also bereits im Rahmen der Potentialphase eines Urlaubs von herausragendem Interesse. Dies wirft die Frage auf, inwiefern im Rahmen der internetbasierten Kommunikationsaktivitäten einer Destination eine Notwendigkeit besteht, solche Informationen in adäquater Form bereitzustellen, und wie diese gegebenenfalls in die bestehende Kommunikationsstrategie integriert werden können.

In der ‚Offline-Welt‘ gelten seit Jahrhunderten Karten als das am besten geeignete Mittel, um die (zweidimensionale) räumliche Lage von Objekten und die räumlichen Beziehungen zwischen ihnen zu visualisieren, so daß sie, unter anderem im Kontext der Reisevorbereitung, als Hilfsmittel bei raumbezogenen Entscheidungen von vielen Menschen genutzt werden. Allerdings stoßen die Darstellungsmöglichkeiten von analogen Karten in mancher Hinsicht auch an Grenzen. So ist es z. B. kaum möglich, umfangreiche Zusatzinformationen (z. B. Preise, Ausstattung, photographische Darstellungen etc.) zusammen mit der Lage einer Unterkunft in einer Karte zu visualisieren. Die GIS-Technologie eröffnet, in Verbindung mit dem Internet, hier neue Möglichkeiten der kartographischen Kommunikation. Allerdings spielt der EDV-gestützte Umgang mit kartographischen Darstellungen raumbezogener Informationen im Rahmen alltäglicher, raumbezogener Informations- und Entscheidungsprozesse für eine breitere Öffentlichkeit gegenwärtig nur in wenigen Anwendungsbereichen (z. B. Routenplanung) eine Rolle. Im Kontext der Internetkommunikation touristischer Destinationen wird hingegen auf räumliche Darstellungen häufig ganz verzichtet, oder der Einsatz solcher Darstellungen ist nicht auf die Möglichkeiten und Restriktionen des Mediums und den Handlungskontext des Nutzers abgestimmt (Faby 2004: 25, 177).

Ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen besteht das Ziel dieser Arbeit in der Konzeption und exemplarischen Realisierung eines zur Marktkommunikation im Destinationsmarketing dienenden internetbasierten Informationssystems (nachfolgend als Internet-Destinationsinformationssystem[1], kurz IDIS bezeichnet). Aufgrund der herausragenden Bedeutung von raumbezogenen Informationen im Kontext der Reisevorbereitung und der gegenwärtig noch in geringem Maß verbreiteten Einbindung kartographischer Darstellungen in die Internetangebote von touristischen Destinationen steht dieser Aspekt im Zentrum der vorliegenden Arbeit. Zwar wurden solche Internetanwendungen bereits mehrfach im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten thematisiert (vgl. u.a. Zipf 2001; Fürpaß 2001; Saul 2002; cziferszky/Winter 2002; Krone/Wagner 2002; Almer et al. 2003; Zipf 2003; Faby 2004a; Frech et al. 2004). Allerdings hat nach Wissen des Autors (überraschenderweise) noch keine grundlegende Diskussion stattgefunden, welche Konsequenzen sich aus der Funktion als Marketinginstrument für die Konzeption und Gestaltung eines solchen Systems ergeben. Da die Marketingfunktion jedoch die zentrale Legitimierung für die Realisierung solcher Systeme darstellt, ist die Kenntnis der sich aus dieser Funktion ergebenden Anforderungen nach Ansicht des Autors unentbehrlich, um ein auf die Bedürfnisse des Tourismusmarketing abgestimmtes System entwickeln zu können. Die Funktion als Marketingsinstrument und die sich daraus ergebenden Konsequenzen bilden daher die grundlegende theoretische Basis der vorliegenden Arbeit.

Als Beispieldestination für die Konzeption und exemplarische Realisierung des IDIS wurde die Wanderroute Rothaarsteig ausgewählt. Als Destination für landschaftserlebnisorientierte Aktivurlauber, der eine zeitgemäße Wandermarketingkonzeption zugrunde liegt, scheint sie grundsätzlich dazu geeignet, als Beispieldestination für die Konzeption und exemplarische Realisierung eines internetbasierten Destinationsinformationssystems zu dienen.

1.2 Aufbau und Inhalt

In Kapitel 2 werden zunächst die dem IDIS zugrunde liegenden technologischen Entwicklungen kurz vorgestellt. Im Zentrum dieser Darstellung stehen webbasierte Geoinformationssysteme, die aus technologischer Sicht die Kernkomponente des IDIS darstellen und es von anderen Informationssystemen unterscheiden. Daran schließt eine knappe Darstellung wesentlicher technischer Rahmenbedingungen an, die bei der Konzeption des Systems zu berücksichtigen sind.

Kapitel 3 verfolgt das Ziel, eine theoretische Basis für die Konzeption des IDIS zu entwickeln. Eine Darstellung grundlegender Aspekte des Tourismusmarketing, insbesondere der Kommunikationspolitik, dient als Ausgangspunkt für die Einordnung des IDIS in den Gesamtkontext des touristischen Marketingmanagements. Mit Blick auf die Konzeption des IDIS als kommunikationspolitisches Marketinginstrument wird anschließend der wissenschaftliche Erkenntnisstand zum Informations- und Entscheidungsverhalten von Urlaubsreisenden erläutert. Darauf folgt eine Vorstellung und Diskussion eines verhaltenswissenschaftlich geprägten Modell des Konsumentenverhaltens. Das sich daraus ergebende Verständnis der das Konsumentenverhalten beeinflussenden Vorgänge wird hinsichtlich seiner Verwendbarkeit als grundlegende theoretische Basis für die Konzeption des IDIS überprüft.

In Kapitel 4 werden auf empirischer Basis die Grundlagen ermittelt, die für eine an der Marketingkonzeption der Destination Rothaarsteig orientierte Realisierung des Systems benötigt werden. Dazu wird ausgehend von theoretischen Modellen des Planungsprozesses der Marktkommunikation und der Werbeplanung ein für die vorliegende Aufgabenstellung geeignetes Ablaufschema entwickelt und umgesetzt. Auf Basis einer Analyse der Marketingsituation der Wanderdestination Rothaarsteig und der daran anschließenden Zielgruppenanalyse werden, unter Berücksichtigung der in Kapitel 3 gewonnenenen Erkenntnisse, die Ziele des IDIS festgelegt sowie Grundlagen für die Erstellung der kognitiven und affektiven Inhalte des Systems erarbeitet.

In Kapitel 5 wird schließlich die (exemplarische) Realisierung des Systems beschrieben. In diesem Zusammenhang wird im Anschluß an eine Grobplanung des System zunächst die Auswahl geeigneter Softwarekomponenten und Geobasisdaten erläutert. Daran schließt sich die Auswahl der darzustellenden Geoinformation und die Festlegung der kartographischen Visualisierungsregeln an. Sodann wird die Programmstruktur entwickelt, eine Benutzeroberfläche entworfen und das System programmiertechnisch umgesetzt. Den Abschluß des Kapitels bilden einige Überlegungen zu Verbesserungs- und Erweiterungsmöglichkeiten des Systems.

In Kapitel 6 werden schließlich die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefaßt.

2. Technologische Grundlagen des Internet-Destinationsinformationssystems

2.1 Technologische und methodologische Voraussetzungen webbasierter Geoinformationssysteme

Das im Rahmen dieser Arbeit zu realisierende IDIS basiert aus technologischer Sicht auf der Integration eines webbasierten Geoinformationssystems in eine touristische Internetanwendung. Dies setzt, von einem technischen Standpunkt betrachtet, eine integrierende Anwendung von Technologien und Methoden mit verschiedenartigen Ursprüngen und Zielsetzungen voraus: Geoinformationssysteme (GIS), digitale Kartographie und Internet.

Computergestützte Geoinformationssysteme wurden erstmals in den 1960er Jahren realisiert und hatten das Ziel, die Kosten bei der Erfassung, Speicherung, Analyse und Präsentation von Geodaten größeren Umfangs in einem im Verhältnis zum Nutzen wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten und damit derartige Vorhaben überhaupt erst realisierbar zu machen[2]. Ein Geoinformationssystem kann mit Bill (1999a: 4) definiert werden als ein

„rechnergestütztes System, das aus Hardware, Software, Daten und den Anwendungen besteht. Mit ihm können raumbezogene Daten digital erfaßt und redigiert, gespeichert und organisiert, modelliert und analysiert sowie alphanumerisch und graphisch präsentiert werden.“[3]

Mit dieser Aufgaben- und Funktionsbeschreibung eines GIS korrespondiert dessen Aufbau aus den Komponenten Datenerfassung, Datenverwaltung, Datenanalyse und -bearbeitung und Datenausgabe (Aronoff 1989: 42-43, für eine detaillierte Beschreibung dieser Komponenten siehe z. B. Aronoff 1989: 103-132, 151-247).

Die Fähigkeit zur Analyse geographischer Informationen wird von vielen als das Schlüsselcharakteristikum angesehen, welches Geoinformationssysteme von ähnlichen Systemen (wie z. B. CAD, AM/FM, EMS – Electronic Mapping Systems) unterscheidet (Walker/Miller 1990: 2; ähnlich auch Cowen 1988: 57; Aronoff 1989: 40; Delaney 1999: 8).

Obgleich die Fähigkeit zur graphischen Präsentation raumbezogener Daten in der Regel funktionaler Bestandteil von Geoinformationssystemen ist, war und ist die Entwicklung geeigneter Techniken und Methoden der kartographischen Gestaltung überwiegend Gegenstand einer anderen Forschungsdisziplin, der digitalen Kartographie. Deren Forschungsgegenstand umfaßt nach Grünreich (1993: 11)

„die Gesamtheit der computergestützten Prozesse, durch die in einem ununterbrochenen digitalen Datenfluß kartographische Ausdrucksformen entstehen oder ausgewertet werden“.

Diese kartographischen Ausdrucksformen, also beispielsweise die im Rahmen dieser Arbeit im Vordergrund stehende Präsentation der Karte auf dem Computerbildschirm, dienen als Schnittstelle zwischen dem Geodatenbestand und dem Menschen (vgl. Grünreich 1997: 11, siehe auch Kraak/Ormeling 1996: 1-4). Eine Karte wird von der ICA (zit. nach Grünreich 1997: 11) definiert als

„a symbolised image of geographical reality, representing features or characteristics, resulting from the creative effort of its author’s execution of choices, and is designed for use when spatial relationships are of primary relevance“.

Mitte der 1990er Jahre setzte die Entwicklung des Internet zum Massenkommunikations- und Informationsmedium ein. Dies war Anlaß und Voraussetzung für die Entwicklung von Softwareprodukten, die den Zugang zu Geoinfomationssystemen und kartographischen Darstellungen über das Internet ermöglichen. Damit hatten Geoinformationssysteme und Mapping-Anwendungen einen ersten Schritt vom Expertensystem (welches sie bis dato darstellten) zu einem für jedermann vollzogen (vgl. BILL 1999b: 367). Darauf aufbauend wurden solche Systeme, mit unterschiedlichen technischen, funktionalen und kontextualen Ansätzen und mit unterschiedlichem Erfolg, in verschiedenartige Websites eingebunden. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale dieser Anwendungen werden im nachfolgenden Kapitel umrissen.

2.2 Wesentliche Kennzeichen webbasierter Geoinformationssysteme

2.2.1 Typologie webbasierter Geoinformationssysteme

Die Bandbreite kartographischer Anwendungen im Internet reicht von unveränderbaren, in Form einer Graphikdatei in Internetseiten eingebundenen Kartengraphiken bis hin zu Systemen mit einem umfangreichen Repertoire an GIS-typischen Funktionalitäten. Kraak (2001: 3) schlägt eine Unterteilung der kartographischen Darstellungen im Internet zunächst in statische und dynamische Karten vor. Diese wiederum lassen sich danach unterscheiden, ob sie lediglich in unveränderbarer Form betrachtet werden können, oder ob sie interaktiv vom Anwender veränderbar sind (z. B. hinsichtlich des Maßstabs oder der dargestellten Themen).

Fitzke et al. (1997) betrachten verschiedene Anwendungen vom Standpunkt der technischen Funktionalität und fassen sie anhand von Funktionsgruppen zu folgenden Kategorien zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-1: Kategorisierung von geodatenverarbeitungsbezogenen Internetanwendungen (Fitzke 1999)

Diese beiden Ansätze decken zwar nicht alle in der Literatur diskutierten Unterscheidungsmerkmale ab, aber sie greifen die wesentlichen Kennzeichen von geodatenverarbeitungs- und geodatenpräsentationsbezogenen Internetanwendungen auf: die Art der kartographischen Darstellung, die Interaktionsmöglichkeiten und die Funktionalität.

Eine einheitliche, alle Variationen umfassende Sammelbezeichnung für diese Systeme konnte sich bislang nicht durchsetzen. Die verschiedenen Begriffe lassen sich im wesentlichen zu zwei Kategorien zusammenfassen: steht die Erzeugung der kartographischen Darstellungen im Vordergrund, wird häufig von Web-Mapping-Systemen gesprochen, ist hingegen die Analyse der Geodaten die vorrangige Funktion, wird der Begriff WebGIS verwendet[4].

Bei dem im Rahmen dieser Arbeit zu konzipierenden touristischen Informationssystem spielen sowohl die kartographische Visualisierung wie auch noch näher zu bestimmende Möglichkeiten zur Abfrage, eventuell auch zur Analyse, eine zentrale Rolle. Da ein GIS in der Regel eine Visualisierungsmöglichkeit beinhaltet, eine Mapping-Anwendung jedoch nicht zwangsläufig Abfrage- und Analysefunktionen bereitstellt, wurde hier der Zuordnung zu den webbasierten Geoinformationssystemen der Vorzug gegeben. Allerdings wäre auch die entgegengesetzte Entscheidung mit dem in der Literatur häufig anzutreffenden Begriffsverständnis von Web-Mapping-Anwendungen vereinbar.

2.2.2 Architektur webbasierter Geoinformationssysteme

In der Informationstechnik werden mit der Architektur die Module, ihre Schnittstellen und die Interaktionsprozesse von Systemen in abstrahierter Form beschrieben (Klußmann 2001: 54). Die Architektur webbasierter Geoinformationssysteme beruht auf dem Client/Server-Prinzip des World Wide Web (siehe Abbildung 2-1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-1: Das Client/Server-Designprinzip des World Wide Web (nach Plewe 1997: 4, marginal verändert)

Die Kommunikation zwischen Client- und Server-Rechner findet in einer standardisierten Sprache statt, dem sogenannten Protokoll[5] (Hermann/Asche 2001: 4). Im Falle webbasierter Anwendungen, z. B. webbasierter Geoinformationssysteme, ist dies das Hypertext Transfer Protocol (HTTP)[6].

Um eine webbasierte Geoinformationssystem-Anwendung realisieren zu können, muß dieses Modell serverseitig noch erweitert werden. Ein GIS zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dem Nutzer individuelle Abfragen zu ermöglichen und deren Ergebnis kartographisch und alphanumerisch zu visualisieren. Daher muß die Serverarchitektur entsprechende Module und Schnittstellen aufweisen, die diese Abfragen entgegennehmen, verarbeiten und ein Ergebnis in der gewünschten Form erzeugen (siehe Abbildung 2-2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: Architektur eines webbasierten Geoinformationssystems (nach Plewe 1997: 5, verändert)

Ein webbasiertes Geoinformationssystem besteht serverseitig also aus einem gewöhnlichen HTTP-Server und einer GIS-Software, die über eine Modul miteinander kommunizieren. Dieses Modul, von Plewe (1997: 5) als ‚Geographic Information Retrival Program (GIR)‘ bezeichnet, übersetzt die Anfrage und übergibt sie an die GIS-Software. Diese verarbeitet die Anfrage, greift auf die Geodaten(-bank) zu und erzeugt die analytische und kartographische Antwort und gibt sie an die GIR-Komponente zurück. Diese ist nun für die Umwandlung in ein mittels HTTP übertragbares und vom Client-Rechner interpretierbares Ergebnis zuständig, das sie wiederum an den HTTP-Server übergibt, der es an den Client-Rechner über das WWW versendet. Dieses Modell wird als mehrstufige Server-Architektur bezeichnet (Plewe 1997: 4).

Durch den Einsatz bestimmter Internettechnologien, beispielsweise eines Java-Applets, kann die Architektur in der Praxis von diesem Grundmodell jedoch durchaus abweichen (für eine ausführliche Darstellung der verschieden Möglichkeiten und deren Implikationen siehe z. B. Plewe 1997: 63-96). So erweitert die Einbindung eines Java-Applets die Funktionalität des Client-Rechners und ermöglicht es, manche GIS-Funktionen unmittelbar auszuführen, ohne daß eine Kommunikation zwischen Client und Server stattfindet. Damit läßt sich eine potentiell höhere Reaktionsgeschwindigkeit der Anwendung realisieren. Allerdings sind auch Nachteile damit verbunden, z. B. muß ein entsprechender Java-Interpreter auf dem Client-Rechner installiert sein (oder werden), und die anfängliche Ladezeit für das Java-Applet ist deutlich länger, als dies bei einer HTML-Seite ohne diese Technologie der Fall ist.

Die Entscheidung über den Einsatz solcher Technologien muß daher kontextspezifisch, d. h. unter Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile und unter Berücksichtigung des jeweiligen Einsatzzweckes, getroffen werden.

2.3 Technisch-infrastrukturelle Rahmenbedingungen webbasierter Geoinformationssysteme

Die informationstechnische Infrastruktur der (Ziel-)Haushalte gibt grundlegende Rahmenbedingungen für die Konzeption von internetgestützten Anwendungen, z. B. eines internetbasierten Destinationsinformationssystems (IDIS), vor.

Bei der Konzeption des IDIS sind besonders Verbreitung und Bandbreite von Internetzugängen sowie bestimmte Details der Hard- und Softwareausstattung zu berücksichtigen.

Gegenwärtig nutzen in Deutschland etwa 53 Prozent der über 14jährigen das Internet, 27 Prozent davon verfügen über einen breitbandigen[7] Internetzugang (TNS Emnid 2004 → L11). Im Zusammenhang mit der vom Nutzer akzeptierten Reaktionszeit der Anwendung ergibt sich aus der verfügbaren Bandbreite das maximal zu realisierende Datenvolumen, das innerhalb bestimmter Akzeptanzzeiten über das Internet bereitgestellt werden kann. Hinsichtlich der Reaktionszeiten werden drei Klassen unterschieden (Nielsen 2001: 42-44, 132):

- Reaktionszeiten geringer als 0,1 Sekunde: Der Nutzer erhält den Eindruck einer unmittelbaren Reaktion.
- Reaktionszeiten zwischen 0,1 und 1 Sekunde: Der Nutzer kann mit der Anwendung fließend und ohne Unterbrechung seines Gedankenganges arbeiten, obwohl die Verzögerung bemerkt wird.
- Reaktionszeiten zwischen 1 und 10 Sekunden: In diesem Reaktionsbereich bleibt die Aufmerksamkeit in der Regel auf den Dialog gerichtet, wenngleich ein flüssiger Arbeitsablauf zunehmend erschwert ist.

Überschreitet die Reaktionszeit 10 Sekunden, so wendet sich der Nutzer in der Regel anderen Aufgaben zu und bricht die Anwendung eventuell ab.

Wenngleich Reaktionszeiten von weniger als einer Sekunde gegenwärtig aufgrund technischer Rahmenbedingungen in der Regel nicht realisierbar sind[8], sollte dennoch angestrebt werden, die Zeitspanne von einer Sekunde so wenig wie möglich zu überschritten. Zehn Sekunden sind als anfängliche Ladezeit beim ersten Aufruf der Internetanwendung womöglich gerade eben noch akzeptabel, als Reaktionszeit auf jede einzelne Benutzeraktion (z. B. Vergrößerung der Kartenansicht) dürfte dies relativ schnell einen Abruch der Anwendung durch den Nutzer zur Folge haben. Ausgehend von diesen Zeitspannen und den derzeit üblichen Internetzugangstechniken lassen sich folgende Datenvolumina übertragungstechnisch bewältigen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-2: Theoretisch über Internet übertragbare Datenvolumina (differenziert nach Bandbreite des Internetzugangs)

Diese theoretischen Werte sind in der Praxis jedoch nicht realisierbar, da neben der Bandbreite weitere Faktoren das innerhalb einer Zeitspanne übertragbare Datenvolumen begrenzen (z. B. Reaktionszeit des Servers, übertragungsprotokollbedingte Datenströme, übertragungstechnisch bedingte Latenzzeiten). Als Anhaltspunkt nennt Nielsen (2001: 48) mindestens eine halbe Sekunde, die zu der für die Datenübertragung notwendigen Zeitspanne hinzugerechnet werden muß (bei einem überlasteten oder langsam an das Internet angebundenen Server kann diese Zeitspanne natürlich auch höher ausfallen).

Setzt man die für den erstmaligen Aufruf des IDIS akzeptable Zeitspanne auf zehn Sekunden und die für Anwenderinteraktionen akzeptable Zeitspanne auf 3 Sekunden[10] fest, so ergeben sich unter Berücksichtigung der Latenzzeit von 0,5 Sekunden folgende realisierbare Datenvolumina:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-3: In der Praxis über Internet übertragbare Datenvolumina (differenziert nach Bandbreite des Internetzugangs)

Im Rahmen der praktischen Umsetzung (Kapitel 5) gilt es, diese Werte auf ihre Realisierbarkeit hin zu überprüfen. Bereits an dieser Stelle kann jedoch festgehalten werden, daß sich audiovisuelle Komponenten in das IDIS nur dann in akzeptabler Qualität integrieren lassen, wenn ein breitbandiger Internetzugang beim Anwender vorausgesetzt wird.

Die clientseitige Hard- und Softwareausstattung und deren Heterogenität stellt eine weitere zentrale Rahmenbedingung dar, die im Kontext der Konzeption des IDIS zu berücksichtigen ist.

Hinsichtlich der Hardwareausstattung sind in erster Linie anzeigebezogene Probleme zu erwarten bzw., soweit möglich, zu vermeiden. Bedingt durch unterschiedliche Abmessungen, Auflösungen und Farbtiefen des vom Anwender verwendeten Monitors ist eine einheitliche, auf den Zweck der Anwendung hin optimierte Darstellung nicht in jedem Fall realisierbar. Insbesondere eine zu geringe Auflösung kann eine ergonomische Gestaltung der Benutzeroberfläche erschweren oder unmöglich machen.

In Bezug auf die Softwareausstattung sind Probleme insbesondere dann zu erwarten, wenn Techniken eingesetzt werden, die ein PlugIn erfordern (z. B. Flash, Java, SVG), da nur ein Teil der Anwender über die entsprechenden Browser-PlugIns bzw. Interpreter verfügt (und, selbst wenn diese ‚kostenlos‘ bereitgestellt werden, aus unterschiedlichen Gründen nicht jeder Anwender sich diese beschaffen und installieren kann und/oder will).

Aber auch die Beschränkung auf vom Internetbrowser eigenständig interpretierten Programmcode (neben HTML zählt hierzu Javascript und CSS) kann zu Problemen führen, unter anderem deswegen, weil einige Anwender, z. B. aufgrund von Sicherheitsbedenken, die Ausführung von Javascript deaktiviert haben (Münz/Nefzger 2004: 544). CSS wiederum wird von manchen (v. a. älteren) Browserversionen nicht immer korrekt interpretiert (Lubkowitz 2003: 275).

Diese Probleme sind, soweit sich das mit den Zielen der Anwendung (siehe dazu Kapitel 3 bis 5) vereinen läßt, durch möglichst geringe Anforderungen an die hard- und softwareseitige Ausstattung des Client-Rechners zu umgehen. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu einem nicht ohne weiteres auflösbaren Zielkonflikt: Dem Ziel einer optimalen Funktionalität (inhaltliche Kommunikationswirkung) steht das Ziel einer maximalen Kompatibilität (Reichweite) entgegen. Sofern sich bestimmte infrastrukturelle Anforderungen, die bei einem relevanten Teil der Zielgruppe nicht erfüllt sind, als notwendig zur Realisierung der inhaltlichen Kommunikationsziele herausstellen, gilt es abzuwägen, ob

- die Anforderungen doch verändert (d. h. verringert) werden können,
- die Ziele der Anwendung überdacht werden müssen,
- oder eine zweite, alternative Version der Anwendungen mit entsprechend geringeren Anforderungen programmiert wird, die dann von den ‚ungenügend‘ ausgestatteten Zielpersonen genutzt werden kann (ggf. mit Abstrichen bei Funktionalität, Komfort u. ä.).

Im Rahmen der Konzeption ist somit ein sorgfältiger Abwägungsprozeß notwendig, um ein System zu entwickeln, das die sinnvollen und notwendigen Funktionen umfaßt und welches zugleich auf einem möglichst großen Anteil der von der Zielgruppe genutzten Computersysteme auch tatsächlich funktioniert, d. h. die intendierte Kommunikationswirkung entfaltet. Neben den soeben genannten technischen Rahmenbedingungen sind dazu weitere Voraussetzungen zu erfüllen, die in den nachfolgenden Kapitel 3 und 4 erörtert werden.

3. Theoretische Grundlagen der Marktkommunikation im Tourismusmarketing mit Blick auf die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems

3.1 Grundlagen des Tourismus-Marketing im Überblick

Das im Rahmen dieser Arbeit zu realisierende internetbasierte Destinationsinformationssystem soll sich in die Marketingkonzeption der Wanderdestination Rothaarsteig einfügen. Marketing wird gegenwärtig weitgehend übereinstimmend als eine umfassende Philosophie der Unternehmensführung verstanden, wonach es zur Sicherung der Unternehmensziele als notwendig angesehen wird, alle unternehmerischen Entscheidungen und Strukturen systematisch auf die Erfüllung der Zielsetzungen der Kunden auszurichten (Meffert 2000: 3-11; Becker 2001: 3; Kotler/Bliemel 2001: 34-40, abweichend hingegen Wöhe 1996: 598f.). Ausgangspunkt einer solchen Unternehmenspolitik ist in der Regel die Einschätzung, daß der Absatzmarkt den entscheidenden Engpaßfaktor bei der Erreichung der Unternehmensziele darstellt (Scharf/Schubert 2001: 19; Meffert 2000: 4).

Das Tourismusmarketing weist einige Besonderheiten auf, die auf charakteristische Eigenschaften des touristischen Angebotes zurückzuführen sind (siehe dazu ausführlich z. B. Krippendorf 1971: 13-48; Freyer 2001: 58-113; Luft 2001: 17-29). Dazu zählen z. B.

- Immaterialität,
- Uno-actu-Prinzip (räumliches und zeitliches Zusammenfallen von Produktion und Konsum),
- Residenzprinzip (der Konsum erfolgt am Ort des Produzenten),
- Komplementarität und Heterogenität (Bündelung mehrerer Produkte und Dienstleistungen, die von verschiedenen Leistungsträgern teilweise individuell erstellt werden)

(Roth 1999: 36f.).

Besondere Bedeutung kommt hier der Tatsache zu, daß der immaterielle Charakter wesentlicher Teile der touristischen Gesamtleistung in Verbindung mit dem Residenzprinzip ein Betrachten bzw. ein Ausprobieren vor dem Kauf unterbindet. Daraus resultiert eine besonders hohe Bedeutung der Kommunikation mit dem potentiellen Kunden (Roth 1999: 51; Freyer 2001: 69).

Hervorzuheben ist fernerhin, daß das gegenwärtige Marketingverständnis sehr viel umfassender als früher nicht mehr nur auf die unmittelbare Befriedigung der Kundenbedürfnisse abzielt, sondern auch ein langfristiges Management der Beziehungen zu Kunden, Partnern und gesellschaftlichen (Anspruchs-)Gruppen umfaßt (Meffert 2000: 10; Bruhn 2002: 13). Bezogen auf das Marketing im Tourismus bedeutet dies, daß die grundlegende Definition von Krippendorf (1971: 48), der Marketing im Fremdenverkehr definiert als

„... die systematische und koordinierte Ausrichtung der Unternehmenspolitik von Fremdenverkehrsbetrieben sowie der privaten und staatlichen Fremdenverkehrspolitik der lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Ebene auf eine bestmögliche Befriedigung der Bedürfnisse bestimmter Konsumentengruppen unter Erzielung eines angemessenen Gewinnes“

einer Anpassung bedarf. Zusätzlich zu den von Krippendorf genannten Aufgaben hat das Marketing einer touristischen Destination zu gewährleisten, daß die Region gegenüber ihren Bewohnern, den touristischen Partnern und den sie wahrnehmenden gesellschaftlichen Gruppen wie auch Einzelpersonen so auftritt, daß es zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zur Verstärkung langfristig guter Beziehungen kommt (vgl. Meffert 2000: 10).

Das Marketing-Management läßt sich als systematischer Informations- und Entscheidungsprozeß beschreiben. Dieser Prozeß durchläuft die idealtypischen Phasen Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle (Scharf/Schubert 2001: 18), wobei zwischen den verschiedenen Phasen immer wieder Rückkopplungen stattfinden (Meffert 2000: 14).

Die Analyse der Marketingsituation setzt sich aus der Analyse von relevanten Umweltdaten (z. B. Konkurrenten, Konsumenten, sonstige Rahmenbedingungen) und der Unternehmensanalyse (z. B. Leistungsprogramm, Kostenstrukturen) zusammen (Scharf/Schubert 2001: 20-23). Die Analyse bildet den Ausgangspunkt der Planungsphase, an deren Anfang die Entwicklung einer Marketingkonzeption steht. Diese dient der Koordinierung aller marktrelevanten Maßnahmen im Unternehmen und umfaßt die Festlegung der Marketingziele, die Formulierung der Marketingstrategien und letztlich die Entscheidung über die einzusetzenden absatzpolitischen Instrumente, den sogenannten Marketing-Mix. (Becker 2001: 4; Scharf/Schubert 2001: 19f.). Letztere werden in der Praxis gemeinhin untergliedert in Angebotspolitik (umfaßt Produkt- und Preispolitik), Kommunikationspolitik und Distributionspolitik (Becker 2002: 487f., vgl. auch Roth 1999: 91f.).

Ziel des hier erörterten IDIS ist es, zielgruppenbezogen räumliche Informationen über die Destination zu vermitteln. Diese Informationen sollen zunächst bei der Reiseplanung helfen. Darüber hinaus sollen die Vorzüge der Destination zielgruppengerecht im Sinne einer werbenden Funktion kommuniziert werden. Daher ist es als kommunikationspolitisches Instrument einzustufen, obgleich durch eine (im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgesehene) Implementierung von Buchungsmöglichkeiten ein solches System auch distributionspolitische Funktionen wahrnehmen könnte.

3.2 Grundlagen der Kommunikationspolitik im Tourismusmarketing

In Anlehnung an verschiedene Autoren (Roth 1999: 108; Meffert 2000: 683; Bruhn 2002: 201; Bruhn 2003: 1f.) läßt sich Kommunikationspolitik im Kontext der vorliegenden Aufgabenstellung wie folgt beschreiben:

Kommunikationspolitik hat die Gesamtheit der Entscheidungen zum Gegenstand, die sich mit der zielgerichteten Gestaltung und Abstimmung der Kommunikationsinstrumente einer touristischen Destination beschäftigen. Diese werden eingesetzt, um die Destination und ihr Leistungsangebot den relevanten Zielgruppen darzustellen und/oder mit ihnen in Interaktion zu treten. Ziel der Kommunikationspolitik ist letztlich die Beeinflussung der relevanten Zielgruppen im Sinne der kommunikativen Zielsetzungen der Destination.

Auf Basis der Adressaten der unternehmerischen Kommunikationspolitik wird unterschieden zwischen Mitarbeiterkommunikation (interne Kommunikation) und Marktkommunikation (externe Kommunikation). Unter dem Begriff der Marktkommunikation werden demnach all jene Kommunikationsaktivitäten zusammengefaßt, die sich speziell an unternehmensexterne Personenkreise richten (Bruhn 2003: 3).

Hinsichtlich der Ziele der Kommunikationspolitik werden ökonomische und psychologische Zielsetzungen unterschieden. Gegenüber ökonomischen Zielen (vor allem Erhöhung von Absatz, Umsatz, Marktanteil, Deckungsbeitrag, Gewinn und Rendite, vgl. Bruhn 2002: 26), deren Erreichen in starkem Maße von Faktoren beeinflußt wird, die nicht im Einflußbereich der Kommunikationspolitik angesiedelt sind, spielen bei der Bestimmung der Ziele der Kommunikationspolitik häufig psychologische Zielsetzungen die wesentlichere Rolle (Meffert/Bruhn 2000: 341). Unter diesen werden kognitive, affektive und konative Ziele unterschieden:

- Kognitiv-orientierte Ziele: z. B. Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Erinnerung, Wissen
- Affektiv-orientierte Ziele: z. B. Einstellung, Image, Emotionen, Interesse
- Konativ-orientierte Ziele: z. B. Informationsverhalten, Kaufabsichten, Weiterempfehlungsverhalten

(Bruhn 2003: 135f., ähnlich Roth/Schrand 1999: 114; Meffert 2000: 680-682; Kotler/Bliemel 2001: 935).

Zur Erreichung dieser Ziele stehen der Kommunikationspolitik verschiedene Instrumente zur Verfügung. Zu den klassischen Instrumenten Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit sind in den vergangenen Jahren einige neuere Kommunikationsformen hinzugetreten, z. B. Sponsoring und Event-Marketing (Meffert 2000: 712, vgl. auch Freyer 2001: 601).

Auch die Multimedia-Kommunikation stellt ein solches neues Kommunikationsinstrument dar. Bruhn (2002: 242) definiert diese in Hinblick auf ihren Einsatz als Instrument der Unternehmenskommunikation wie folgt:

„Unter Multimediakommunikation wird die zielgerichtete, systematische Planung, Entwicklung, Distribution und Kontrolle eines computergestützten, interaktiven und multimodalen Kommunikationssystems als zeitunabhängige Plattform eines persönlichen, zweiseitigen, von den individuellen Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen des Rezipienten gesteuerten Kommunikationsprozesses mit dem Ziele der Vermittlung unternehmensgesteuerter Botschaften verstanden.“

Zur Einordnung des hier zu erstellenden Informationssystems in eine Systematik multimedialer Kommunikationsinstrumente kann zunächst der Vorschlag von Fink (1997) aufgegriffen werden. Auf Basis der weitverbreiteten Differenzierung in Online- und Offline-Medien unterscheidet Fink die folgenden vier Erscheinungsformen der Multimediakommunikation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3-1: Erscheinungsformen der Multimediakommunikation (Fink 1997: 23, zit nach Meffert 2000: 749)

Bruhn (2003: 322) unterscheidet in Abhängigkeit der kommunikativen Funktionen die folgenden drei Typen der Multimediakommunikation:

- Reaktive, unterhaltungsbezogene Anwendungen,
- interaktive, informationsorientierte Anwendungen und
- dialogische, serviceorientierte Anwendungen.

Dieser Systematik folgend ist das hier behandelte Informationssystem als interaktive, informationsorientierte domizile Online-Anwendung aufzufassen.

Die Multimediakommunikation über das Internet, z. B. mittels des IDIS, unterscheidet sich von den klassischen Kommunikationsmitteln in den folgenden grundlegenden Aspekten (vgl. Meffert 2000: 759):

- Bei klassischen Kommunikationsmitteln erfolgt die Kommunikation häufig auf Initiative des Unternehmens, wohingegen die Kommunikation über das Internet in der Regel vom Nutzer initiiert wird (Informationspull statt Informationspush).
- Bei klassischen Kommunikationsmitteln hat der Empfänger in der Regel (d. h. abgesehen von der direkten persönlichen Kommunikation zwischen Unternehmensvertreter und Kunde) keinen Einfluß auf den Kommunikationsfluß. Multimediakommunikation hingegen gestattet Interaktivität, d. h. der Empfänger entscheidet selbst über Zeitpunkt, Art und Umfang des Informationsaufrufs.
- Multimediakommunikation über das Internet ermöglicht Hypermedialität, d. h. eine nicht-lineare, modulhafte Anordnung von Kommunikationsinhalten verschiedener Mediengattungen, die durch Querverweise miteinander in Beziehung stehen. Allerdings bemerkt Fietz (1995: 75) zurecht, daß diese Eigenschaft es notwendig macht zu lernen, wie solche nichtlinear strukturierten Informationen so vermittelt werden können, daß der Nutzer nicht das Gefühl hat, sich in einem Labyrinth zu verirren. Eventuell stellt die kartographische Darstellung sowie die zugrundeliegende räumliche Strukturierung der dargebotenen Informationen eine Möglichkeit dar, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Diese Eigenschaften schlagen sich in den nachfolgend angeführten Vorteilen gegenüber klassischen Kommunikationsmitteln nieder (vgl. Bruhn/Meffert 2000: 400; Meffert 2000: 767f.; Kotler/Bliemel 2001: 1212; Bruhn 2002: 242-244):

- Die Multmedialität führt zu einer Erhöhung der Aufnahmefähigkeit und einer besseren Erinnerungsleistung des Nutzers.
- Die subjektiv erlebte Verhaltenskontrolle des Nutzers führt dazu, daß die Werbung nicht als aufdringlich und somit störend wahrgenommen wird.
- Die Ansprache mehrerer Sinne und die Interaktivität der Darstellung ermöglichen eine Emotionalisierung komplexer Informationen.
- Im Internet abrufbare Informationen sind für den (entsprechend ausgestatteten) Interessenten leicht und bequem erreichbar, d. h. die Transaktionskosten der Informationssuche können entscheidend gesenkt werden. Vorausgesetzt die dargebotenen Informationen sind geeignet, die Informationsbedürfnisse des Nutzers zu decken, so kann damit eine positive Einstellung gegenüber dem Anbieter gefördert werden.

Obwohl sich die multimediale Kommunikation in wesentlichen Punkten von anderen Kommunikationsinstrumenten unterscheidet, ist dennoch zu beachten, daß sie eine zu den anderen eingesetzten Kommunikationsmitteln konsistente Wirkung entfaltet. Dies wird durch die inhaltliche, formale und ggf. zeitliche Abstimmung der verschiedenen Kommunikationsaktivitäten (‚integrierte Kommunikation‘) gewährleistet (Bruhn/Meffert 2000: 332f. und 390; Schweiger/Schrattenecker 2001: 117-123; ausführlich Bruhn 2003: 73-98, 370-377).

3.3 Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Marktkommunikation mit Blick auf die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems

Um das Marketing-Management, und damit auch ein zum Einsatz zu bringendes kommunikationspolitisches Instrument, systematisch auf die Erreichung der Kommunikationsziele ausrichten zu können, ist es notwendig, das Kaufverhalten der Zielgruppe (häufig auch als Konsumentenverhalten bezeichnet) sowie dessen Beeinflussungsmöglichkeiten durch Werbemaßnahmen etwas genauer zu betrachten (vgl. Bänsch 1995: 1; Meffert/Bruhn 2000: 83; Kotler/Bliemel 2001: 323). Daher folgt nun zunächst eine Vorstellung grundlegender Erkenntnisse zur Urlaubsreiseentscheidung (Kapitel 3.3.1). Anschließend werden wesentliche verhaltenswissenschaftliche Konstrukte, die zur werblichen Beeinflußung dienen können, erläutert und hinsichtlich ihrer praktischen Verwendbarkeit zur Konzeption des IDIS überprüft (Kapitel 3.3.2).

3.3.1 Entscheidungsverhalten bei Urlaubsreisen

3.3.1.1 Grundlegende Begriffe und Konzepte

Es existiert eine Vielzahl an Modellen und Theorien, die, mit variierendem Schwerpunkt und Umfang, das Ziel verfolgen, das Entscheidungsverhalten bei Kaufentscheidungen darzustellen und zu erklären. Bevor auf diese näher eingegangen werden kann ist es jedoch notwendig, charakteristische Unterscheidungsmerkmale von Entscheidungen darzustellen. Dies begründet sich damit, daß Aussagen zum Entscheidungsverhalten meist nur für bestimmte Ausprägungen dieser Merkmale Gültigkeit beanspruchen. Kaufentscheidungen lassen sich nach folgenden Merkmalen differenzieren:

- Entscheidungsgegenstand
(z. B. Dienstleistungen ↔ Produkte; Güter des täglichen Bedarfs ↔ langlebige Güter),

- Entscheidungsart
(z. B. extensive Entscheidung ↔ Impulskauf),

- Entscheidungsträger
(z. B. individuelle ↔ kollektive Entscheidungen; private ↔ gewerbliche Käufer).

Der hier zu erörternde Entscheidungsgegenstand sind Urlaubsreisen. Urlaubsreisen werden, obgleich teilweise auch aus Produkten bestehend, den Dienstleistungen zugerechnet, wobei zu beachten ist, daß sie sich durch einige Besonderheiten von vielen anderen Dienstleistungen unterscheiden. Exemplarisch kann hier die Vielzahl wie auch die geringe gegenseitige Bindung der an der Leistungserstellung Beteiligten genannt werden (siehe dazu z. B. Datzer 1983: 61-64; Freyer 2001: 94; Luft 2001: 17). Daraus können sich besondere Schwierigkeiten entwickeln, u. a. hinsichtlich der Ausrichtung und der Koordination der Kommunikationsaktivitäten, mit denen auf die Entscheidung des potentiellen Urlaubsgastes Einfluß ausgeübt werden soll (siehe dazu ausführlich die Diskussion über die Notwendigkeit eines Destinationsmanagements, z. B. bei Luft 2001).

Alle dem Autor bekannten Modelle des Reiseentscheidungsverhaltens (s. u.) sowie die meisten diesbezüglichen empirischen Untersuchungen beziehen sich, wenngleich teilweise nur implizit, auf extensive Entscheidungen (Entscheidungsart). Entscheidungen von Konsumenten werden nach dem Ausmaß kognitiver Steuerung unterteilt in extensive und limitierte Kaufentscheidungen, habitualisiertes Kaufverhalten und Impulskäufe (Bänsch 1995: 10; Kuß/Tomczak 2000: 96f.; Felser 2001: 70). Das Informations- und Entscheidungsverhalten wird maßgeblich vom Ausmaß der kognitiven Steuerung der Entscheidung bestimmt. Extensive Entscheidungen zeichnen sich durch ein hohes Maß an kognitiver Steuerung aus, d. h. der Entscheidungssuchende sucht bewußt nach Informationen und bewertet diese und versucht somit, sein Verhalten zu steuern und zu kontrollieren (Pikkemaat 2002: 65f.). Aufgrund der begrenzten Fähigkeit des Menschen zur simultanen Informationsverarbeitung resultiert hieraus, daß extensive Entscheidungen durch einen prozeßhaften Ablauf gekennzeichnet sind (Kuß 1987: 31). Insbesondere bei Reiseentscheidungen wird davon ausgegangen, daß dieser Prozeß komplex und lange andauernd ist (Datzer 1983: 55, 105). Obgleich Reiseentscheidungen in manchen Fällen sicherlich auch anderen Entscheidungsarten zuzuordnen sind, wird für die nachfolgenden Ausführungen ein extensives Entscheidungsverhalten zugrunde gelegt. Aufgrund des damit verbundenen hohen Informationsbedarfs ist ein Informationssystem in solchen Fällen zur Beeinflussung besser geeignet als für nicht-extensive Entscheidungen.

Hinsichtlich der Anzahl der Entscheidungsträger wird bei den meisten Reiseentscheidungsmodellen mehr oder weniger implizit von einem von einer Einzelperson bestimmten Entscheidungsprozeß ausgegangen. Diese Annahme ist jedoch als unrealistisch zu bewerten, da gerade Reiseentscheidungen besonders häufig in Gruppen stattfinden (vgl. Braun/Lohmann 1989: 88-90; Freyer 2001: 191).

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Entscheidungsverhalten von Konsumenten hat eine Vielzahl an Modellen zum Kaufentscheidungsverhalten im allgemeinen (z. B. Howard/Sheth 1969; Engel, Blackwell & Minard 1995) wie auch zum Reiseentscheidungsverhalten im besonderen (z. B. Moutinho 1987; Woodside/Lysokski 1989; Mill/Morrison 1992) hervorgebracht. Diese verfolgen das Ziel, mit unterschiedlichen Ansätzen und Schwerpunkten und variierendem Umfang, den Ablauf sowie maßgebliche Elemente des Entscheidungsprozesses und deren Beziehungen untereinander darzustellen und zu erklären. Bei Modellen des Entscheidungsverhaltens ist zwischen Struktur- und stochastischen Modellen zu unterscheiden (Bänsch 1995: 3). Da stochastische Modelle die im Konsumenten ablaufenden Prozesse jedoch nicht ergründen, sondern lediglich durch eine entsprechende Zufallsvariable abbilden, sind sie nicht geeignet, Beeinflußungsmöglichkeiten von Konsumenten durch Werbemaßnahmen aufzuzeigen. Sie sind somit für die vorliegende Aufgabenstellung nicht hilfreich, so daß auf eine detaillierte Darstellung verzichtet werden kann.

Strukturmodelle hingegen sind bestrebt, das Verhalten des Konsumenten zu erklären, indem sie sich den im Organismus des Käufers ablaufenden Prozessen zuwenden. Je nach Umfang des Erklärungsanspruches werden sie als Total- oder als Partialmodell bezeichnet. Unter den Totalmodellen findet sich jedoch keines, daß seinen umfassenden Erklärungsanspruch auch nur ansatzweise auf hinreichend operationalisierter Ebene und empirisch überprüft zu erfüllen vermag (Kaufverhalten allgemein: Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 366; Meffert 2000: 135; Trommsdorff 2002: 29f.; Reiseentscheidung: Pikkemaat 2002: 236). Daher erscheint es müßig, hier Details solcher Entscheidungsmodelle zu erörtern (ein aktueller Überblick über Modelle des Reiseentscheidungsverhaltens findet sich bei Pikkemaat 2002: 199-236).

Im Gegensatz zu den Totalmodellen werden bei Partialmodellen die Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens isoliert und meist ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt (Bänsch 1995: 5; Meffert 2000: 109). Im nachfolgenden Kapitel 3.3.2 wird das in der deutschsprachigen Konsumentenforschung sehr einflußreiche Schema intervenierender Variablen von Kroeber-Riel als Beispiel eines Partialmodells erläutert und auf seine Eignung zur Konzipierung des IDIS geprüft werden. Zuvor werden hier noch ausgewählte, für die vorliegende Aufgabenstellung relevante Erkenntnisse der empirisch ausgerichteten – und weitgehend theorielos arbeitenden (Freyer 2001: 192, 195) – deutschsprachigen Reiseentscheidungsforschung vorgestellt.

3.3.1.2 Erkenntnisse zum Reiseentscheidungsverhalten

Nach weitgehend übereinstimmender Auffassung der (Reise-)Entscheidungsforschung sind Entscheidungs- und Informationsprozeß als sich überlappende und gegenseitig beeinflussende Prozesse zu begreifen, wobei der Informationsprozeß häufig als Teil des Entscheidungsprozesses angesehen wird (Pikkemaat 2002: 73, 227). Dieser läßt sich in verschiedene, sich wiederum teilweise überlappende Phasen untergliedern, die sich durch ein spezifisches Informationsverhalten auszeichnen. Bezogen auf die Urlaubsreiseentscheidung hat das auf Pivonas (1973, zit. nach Braun 1993: 305) zurückgehende Vierphasenmodell weite Verbreitung gefunden (z. B. in Hahn/Hartmann 1973: 16; Aderhold 1976: 164-165, zit. nach Schewe 1992: 22; Datzer 1983: 58; Braun/Lohmann 1989: 15; Freyer 2001: 203), obgleich es als empirisch nicht belegt angesehen wird (Braun 1993: 305):

1) Phase der ersten Anregung
2) Phase der Bekräftigung
3) Phase des eigentlichen Entschlusses
4) Phase der Vorbereitung

(für eine genauere Erläuterung der Phasen siehe Braun/Lohmann 1989: 21).

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Unterschiede in der Informationsquellennutzung während dieser vier Phasen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3-2: Nutzung verschiedener Informationsquellen in Abhängigkeit von der Phase des Entscheidungsprozesses (Alle Angaben in Prozent der Befragten) (Reiseanalyse 1973, zit. nach Braun/Lohmann 1989: 22)

Nicht nur die Informationsquellen, auch die Informationsbedürfnisse verändern sich in Abhängigkeit von der Entscheidungsphase (Braun/Lohmann 1989: 58-59 auf Basis von Daten der Reiseanalyse 1973). Aderhold (1976: 164-168, zit. nach Schewe 1992: 22) interpretiert diese Ergebnisse so, daß zu Beginn des Entscheidungsprozesses eher allgemeine Informationen über das Reiseziel, z. B. das Image aufgenommen werden. Je weiter der Entscheidungsprozeß fortschreitet, desto spezifischer werden schließlich die Informationsbedürfnisse.

Bei genauerer Betrachtung der Reiseentscheidung wird schnell deutlich, daß es sich genaugenommen um mehrere, eng miteinander zusammenhängende und sich teilweise gegenseitig bedingende Teilentscheidungen handelt (Hahn/Hartmann 1973: 9). Die folgende (unvollständige) Liste vermittelt einen Eindruck der zu treffenden Teilentscheidungen:

- Reiseart (Erholungsreise, Bildungsreise)
- Zielreise/Rundreise
- Reiseland/Reisegegend
- Zielort(e)
- Reisezeitpunkt
- Reiseverkehrsmittel
- Unterkunftsart (Hotel, Camping, Appartement)
- Quartier (die einzelne Unterkunft)
- Reiseform bzw. Reiseorganisation (Einzelreise, Gesellschaftsreise)
- Reiseveranstalter (bestimmtes Reiseunternehmen)
- Reiseausgaben

(Hahn/Hartmann 1973: 9).

Hartmann (1971: 23ff., zit. nach Braun/Lohmann 1989: 19-21) untersucht den Einfluß der verschiedenen Informationsquellen auf die unterschiedlichen Teilentscheidungsgegenstände und kommt zu dem Ergebnis, daß der Einfluß der Informationsquelle auf die Entscheidung mit dem Entscheidungsgegenstand variiert.

Diese Erkenntnisse zur Struktur und zum Ablauf von Reisentscheidungen machen deutlich, daß Reiseentscheidungen häufig gekennzeichnet sind durch einen phasenhaften, längere Zeit andauernden Informations- und Entscheidungsprozeß, in dessen Kontext unterschiedliche, teilweise interdependente Teilentscheidungsprozesse stattfinden. Um mittels kommunikativer Maßnahmen diesen Entscheidungsprozeß gezielt zu beeinflussen, ist es notwendig, die einzelnen Maßnahmen auf die genannten Aspekte (z. B. Entscheidungsphase, Entscheidungsart, Entscheidungsträger) der zu beeinflussenden Entscheidung abzustimmen.

Aus der von der werbetreibenden Destination beim Kunden erwarteten Entscheidungsart gehen maßgebliche Einflüsse auf die Auswahl und die Gestaltung des Kommunikationsmittels aus. So folgt aus der Erwartung einer impulsiven Entscheidung beim Kunden („Ich habe das Angebot, drei Wochen Fünf-Sterne-Hotel am Biggestausee, gesehen und sofort gebucht“) eine andere Kommunikationsstrategie als bei extensiv entscheidenden Urlaubsgästen. Bei Zielpersonen mit habitualisiertem Entscheidungsverhalten („Wir machen seit 27 Jahren in den ersten drei Augustwochen Urlaub am Wolfgangsee“) dürfte es zwar generell nur selten gelingen, den Reiseentscheidungsprozeß zu beeinflussen, dennoch erfordert auch diese Situation eine darauf abgestimmte Kommunikationsstrategie. Das im Rahmen dieser Arbeit zu konzipierende IDIS ist, aufgrund seiner Ausrichtung auf die Bereitstellung von Informationen, in erster Linie für die Beeinflussung extensiver Entscheidungsprozesse geeignet.

3.3.1.3 Erkenntnisse zu Informationsbedürfnissen im Kontext der Reiseentscheidung

Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Phasen eines (extensiven) Reiseentscheidungsprozesses und der damit einhergehenden unterschiedlichen Informationsbedürfnisse und Informationsquellen kann zu einer zielorientierten inhaltlichen Gestaltung des Systems beitragen (siehe dazu Kapitel 4.5). Da es sich, wie oben ausgeführt, bei Reise(teil)entscheidungen in der Regel um extensive Entscheidungen handelt, entsteht im Verlauf des Entscheidungsprozesses ein (keineswegs konstanter) Informationsbedarf. Der Informationsbedarf wird allgemein durch „Art, Menge und Qualität der Informationsgüter definiert, die ein Informationssubjekt zur Erfüllung einer Aufgabe im gegebenen Informationskontext (...) benötigt“ (Pikkemaat 2002: 19 in Anlehnung an Szyperski 1980: Sp. 904). Um die Informationsbedürfnisse der Reiseentscheidungsträger mit den Mitteln der Unternehmenskommunikation zielgerichtet befriedigen zu können, ist die Kenntnis dieser Informationsbedürfnisse eine notwendige Voraussetzung. Pikkemaat (2002: 19-22) macht allerdings deutlich, daß eine vollständige und umfassende Bestimmung der Informationsbedürfnisse bei komplexen, nicht repetitiven Entscheidungen, wie Reiseentscheidungen sie häufig darstellen, nicht möglich ist.

Im Einklang damit findet sich in der Tourismusforschung keine dezidierte und umfassende Untersuchung der Informationsbedürfnisse von Urlaubern im Kontext einer extensiven Reiseentscheidung (vgl. Pikkemaat 2002: 283f.). Die von Braun/Lohmann (1989: 57-60) auf Basis der Daten der Reiseanalyse 1972/1973 ermittelten Informationsbedürfnisse von Reisenden werden von den Autoren bereits selbst als fragwürdig dargestellt (Braun/Lohmann 1989: 60) und sind nach Ansicht des Verfassers der vorliegenden Arbeit insbesondere aufgrund des Alters der Datengrundlage, der Erhebungsmethode und der fehlenden Differenzierung nach Entscheidungsträger und Reiseart nicht aussagekräftig. Diese Kritikpunkte (mit Ausnahme des Erhebungszeitpunktes) gelten auch für die von Kreilkamp et al. (Project m 2000a) im Auftrag des Tourismusverbandes NRW im Jahre 2000 durchgeführte Analyse der Informationsbedürfnisse von potentiellen NRW-Touristen.

Unter den vereinzelt vorhandenen Untersuchungen zum Informationsbedarf in bestimmten Handlungssituationen (z. B. Schewe 1992: Kartennutzung bei Städtereisenden) existieren keine Untersuchungen zum Entscheidungsobjekt ‚Wandertour‘. Entsprechende Untersuchungsergebnisse in Bezug auf andere Urlaubsarten sind auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragbar, da die Informationsbedürfnisse unter anderem vom Entscheidungsobjekt abhängen (vgl. Pikkemaat 2002: 21) – so unterscheiden sich beispielsweise die Aktivitäten während einer Wandertour ganz offensichtlich grundlegend von den Aktivitäten während einer Städtereise.

Faby (2004a) untersucht in seiner kürzlich vorgelegten Dissertation die Bedürfnisse der Nutzer von internetbasierten touristischen Informationsquellen mit kartographischen Visualisierungs- und Interaktionsmöglichkeiten. Da jedoch eine differenzierende Betrachtung verschiedener Urlaubsarten und der damit einhergehenden Unterschiede der Nutzerbedürfnisse nicht stattfindet, läßt diese Untersuchung ebenfalls keine Aussagen über die spezifischen Informationsbedürfnisse von Wanderurlaubern zu. Allerdings geben die in diesem Kontext publizierten Erkenntnisse wertvolle Hinweise für die Entwicklung der Programmstruktur (siehe Kapitel 5.3.3) und der kartengestützten Visualisierungsfunktionen (siehe Kapitel 5.3.2) des IDIS.

Es kann somit festgehalten werden, daß bislang keine Untersuchung vorliegt, die die Informationsbedürfnisse potentieller Wanderurlauber im Kontext der Reiseentscheidung und -vorbereitung zum Gegenstand hat. Da eine solche Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgeführt werden kann, muß im Zuge der Konzeption des IDIS eine andere Methode zur Bestimmung der bereitzustellenden Informationen entworfen werden (siehe Kapitel 4.6).

Neben der mittlerweile überwiegend sehr lange zurückliegenden Erhebungszeit und den daraus möglicherweise resultierenden Veränderungen des Informations- und Entscheidungsverhaltens von Urlaubsreisenden ist zu den in diesem Kapitel vorgestellten empirischen Erkenntnissen kritisch anzumerken, daß sie durchweg auf Befragungsmethoden basieren. Befragungen stellen aber nach weitgehend übereinstimmender Auffassung keine geeignete Methode zur Ermittlung verhaltenspsychologischer Aspekte des Informations- und Entscheidungsverhaltens bzw. zur Überprüfung entsprechender Hypothesen dar (siehe dazu ausführlich Kuß 1987: 67-70, ferner: Braun/Lohmann 1989: 15, 23; Braun 1993: 305; Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 277f.; Kuß/Tomczak 2000: 110). Die von Braun/Lohmann (1989: 23) in Bezug auf des Vier-Phasenmodell von Pivonas (s. o.) geäußerte Kritik, wonach „psychologische Forschung kein parlamentarischer Akt [sei], bei dem über die Richtigkeit oder Falschheit einer Theorie abgestimmt wird“ trifft in ihrem Kern leider auch auf viele andere Untersuchungen zum touristischen Informations- und Entscheidungsverhalten zu, die den Verlauf des Informations- und Entscheidungsprozesses oder den Einfluß der Informationsquellen auf die Entscheidung zum Gegenstand haben.

Jüngere Erhebungen sowie auf angemesseneren Verfahren als Befragungen basierende Untersuchungen zu dieser Thematik sind, bezogen auf den deutschsprachigen Raum, nicht vorhanden oder zumindest nicht öffentlich zugänglich (vgl. Braun 1993: 306; Freyer 2001: 196; Pikkemaat 2002: 16).

3.3.2 Erklärungsansätze des Verhaltens von Konsumenten auf Basis des Modells der psychischen Determinanten von Kroeber-Riel

In der wissenschaftlichen Literatur finden sich vielfältige Ansätze und Modelle, die als theoretische Grundlage zur Konzeption unternehmerischer Kommunikationspolitik in Frage kommen (für eine Übersicht siehe z. B. Bruhn 2003: 28-46). Nachfolgend wird das zu den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen zählende Modell der psychischen Determinanten des Konsumentenverhalten von Kroeber-Riel näher vorgestellt. Für diese Entscheidung sprechen die folgenden Gründe:

- es ist aufgrund seiner Ausrichtung auf das Konsumentenverhalten stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmenskommunikation zugeschnitten als andere Modelle (z. B. allgemeine systemorientierte Ansätze),
- es beruht auf dem gegenwärtig im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung dominierenden kognitiven Paradigma (s. u.),
- es ist relativ widerspruchsfrei mit anderen verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen und psychologischen Theorien kombinierbar (z. B. Theorie der Risikovermeidung),
- die verwendeten Begriffe bzw. Konstrukte sind sowohl im Bereich der Marktforschung wie auch in verwandten psychologischen Teildisziplinen gebräuchlich, so daß eine Prüfung der praktischen Umsetzbarkeit im Rahmen der Konzeption erleichtert wird (vgl. Becker 2001: 571),
- im Bereich des deutschsprachigen Marketing wird es gegenwärtig von zahlreichen maßgeblichen Autoren zugrunde gelegt (vgl. z.B. Meffert 2000; Becker 2001; Kotler/Bliemel 2001; Nieschlag et al. 2002).

Das kognitive Paradigma (siehe dazu Abbildung 3-1) ist im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung gegenwärtig die dominierende wissenschaftstheoretische Grundlage. Demnach werden „psychische Vorgänge – wie Wahrnehmung oder Einstellung – sowie das Verhalten als Ergebnis der kognitiven (gedanklichen) Verarbeitung von Informationen gesehen“ (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 23). Diese Verarbeitung ist ein eigenständiger gedanklicher Vorgang und nicht etwa ein ausschließlich reizabhängiger Prozeß, so daß das Verhalten nicht unmittelbar aus den aufgenommenen Reizen erklärt werden kann (ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1: Das S-O-R-Modell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens (Behrens 1988: 14)

Die in der Person ablaufenden Prozesse wirken als intervenierende Variablen zwischen der unabhängigen Variablen ‚Reiz/Stimulus‘ und der abhängigen Variablen ‚Response/Reaktion‘. (Rosenstiel/Kirsch 1996: 49). Allerdings sind diese intervenierenden Variablen lediglich als hypothetische Konstrukte zu verstehen, die der unmittelbaren Beobachtung nicht zugänglich sind (vgl. Heckhausen 1989: 10, Trommsdorff 2002: 31)[11].

Die nachfolgend zugrunde gelegte Einteilung dieser Konstrukte in komplexe aktivierende und kognitive Prozesse orientiert sich am Schema intervenierender Variablen von Kroeber-Riel (1975: 45), da dieses im Bereich der deutschsprachigen marketingorientierten Konsumentenverhaltensforschung das maßgebliche Bezugssystem darstellt (z. B. bei Meffert 1992: 47, 60; Bänsch 1998: 35f., 41; Kuß/Tomczak 2000: 9; Meffert 2000: 89; Felser 2001: 34-61, 113-177; Nieschlag et al. 2002: 588-591; variierend Rosenstiel/Kirsch 1996: 59-191; erweiternd und abweichend Trommsdorff 2002: 35).

Unter aktivierende Prozesse werden solche Vorgänge subsumiert, die das Verhalten antreiben, wohingegen Vorgänge, bei denen eine gedankliche Informationsverarbeitung stattfindet, den kognitiven Prozessen zugerechnet werden. Den nachfolgend näher erläuterten sog. ‚komplexen‘ Prozessen liegt in der Regel eine Kombination aktivierender und kognitiver Komponenten zugrunde, wobei davon ausgegangen wird, daß entweder aktivierende oder kognitive Vorgänge dominieren. Zu den komplexen Prozessen mit vorherrschenden aktivierenden Komponenten zählen Emotion, Motivation und Einstellung, zu den komplexen Prozessen mit vorherrschenden kognitiven Komponenten werden Informationsaufnahme, Wahrnehmung sowie Lernen und Gedächtnis gerechnet (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 49-52).

Den Bezug dieses Modells zur Marktkommunikation und zum Kaufverhalten gibt die folgende Abbildung wieder:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-2: Wirkungspfadmodell der Werbung (nach Meffert 2000: 699, verändert)

3.3.2.1 Aktivierende Prozesse

Unter Aktiviertheit wird die Intensität der physiologischen Erregung des Zentralnervensystems verstanden (Trommsdorff 2002: 48). Aktivierung versetzt den Organismus in einen Zustand der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit und ist damit die Grunddimension aller Antriebsprozesse (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 58).

Aktivierung ist eine wesentliche Voraussetzung für Aufmerksamkeit, d. h. dafür, welche Reize selektiert, aufgenommen und weiterverarbeitet werden (vgl. Abbildung 3-3). Die nachfolgend erörterten aktivierenden Prozesse beziehen ihre Marketingrelevanz somit neben der unmittelbar verhaltensbeeinflussenden Wirkung auch aus ihrer Eigenschaft, die Aufmerksamkeit zu beeinflussen. Dabei ist zu beachten, daß im Marketingkontext nicht nur Aufmerksamkeit für kognitive Reize bedeutsam ist, sondern auch emotionale Reize eine wichtige Rolle spielen (Schweiger/Schrattenecker 2001: 174; Trommsdorff 2002: 52f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-3: Zusammenhang der Variablen der Aktivierung und des kognitiven Systems (nach Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 69, geringfügig verändert)

Generell ist zu den nachfolgend erläuterten aktivierenden Prozessen festzuhalten, daß sowohl über die Definition der jeweiligen Prozesse als auch über die Abgrenzung zwischen ihnen in der Literatur Uneinigkeit herrscht (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 53; übereinstimmend Izard 1981: 17f.; Mietzel 1998: 283; Otto et al. 2000: 11).

3.3.2.1.1 Emotion

Kleinginna/Kleinginna (1981: 355, zit. nach Otto et al. 2000: 15) beschreiben in ihrer bereits etwas älteren Definition, der aufgrund der Anschaulichkeit hier gegenüber zeitgemäßeren Definitionen der Vorzug gegeben wird, Emotion wie folgt:

„Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die

a) affektive Erfahrungen, wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust, bewirken können;
b) kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können;
c) ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können;
d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist.“

Nach Izard (1981: 108-115) existieren zehn fundamentale Emotionen: Interesse, Freude, Überraschung, Kummer/Schmerz, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Furcht, Scham und Schuldgefühl. Alle anderen Emotionen entstehen als Gemisch aus diesen primären Emotionen. Emotionen lassen sich anhand der Merkmalsausprägungen Stärke/Erregung (Aktiviertheit), Richtung (angenehm – unangehm), Qualität (Erlebnisinhalt) und Bewußtsein beschreiben (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 105).

Emotionen sind für die Marketingkommunikation in folgender Hinsicht von Bedeutung (vgl. Meffert 1992: 48f., Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 113-116, 140):

1. Sie stimulieren die Leistungsfähigkeit des Konsumenten und damit die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung (Aktivierungsfunktion, s. o.).
2. Sie dienen der Vermittlung spezifischer emotionaler Produkterlebnisse. Durch das Auslösen angenehmer Emotionen und die Vermittlung anbieterspezifischer emotionaler Erlebnisse wird ein Aufbau und eine Verstärkung emotionaler Konsumentenbindungen an den Anbieter angestrebt (‚emotionale Produktdifferenzierung‘). Hierdurch sollen Präferenzen für den Anbieter und damit ein monopolistischer Spielraum geschaffen werden. Die Herausbildung einer emotionalen Produktdifferenzierung wird in der Regel mittels emotionaler Konditionierung angestrebt (siehe dazu auch Kapitel 3.3.2.2.3).

Emotionen lassen sich vor allem durch nicht-sprachliche Reize wie Bilder und Farben, Musik und Duftstoffe beeinflussen (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 119, vgl. auch Trommsdorff 2002: 78f.). Daher ist mit der Konzeption eines vorwiegend visuellen Kommunikationsmediums, wie ein internetbasiertes Destinationsinformationssystem es darstellt, die Möglichkeit und, falls dies als wünschenswert angesehen wird, die Aufgabe verbunden, mittels einer auf die gewünschte emotionale Wirkung abzielenden Farb- und Bildkomposition eine emotionale Aufladung der beworbenen Destination zu bewirken (z. B. durch Bestrebungen nach einer bildhaften Umsetzung des Slogans ‚Weg der Sinne‘). Dieses Thema wird daher im Rahmen der Konzeption des IDIS in Kapitel 4.7 wieder aufgegriffen.

3.3.2.1.2 Motivation

Die Begriffe Motiv und Motivation werden in der Literatur uneinheitlich gebraucht. Tendenziell läßt sich beobachten, daß Motivation eher für die Beschreibung situativer Prozesse (‚manifester Vorgang‘) verwendet wird. Der Begriff ‚Motiv‘ hingegen wird eher im Zuge der Erörterung überdauernder psychischer Zustände (‚latente Disposition‘) gebraucht (Heckhausen 1989: 3, 9, 16, Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 57, ähnlich Bänsch 1995: 19). Im Kontext dieser Arbeit wird diese Unterscheidung nicht weiter berücksichtigt, da sie ohne praktische Relevanz für die Erörterung der Rolle von Motiven bzw. Motivationen im Kontext der Konzeption des IDIS ist.

Das hypothetische Konstrukt ‚Motivation‘ bzw. ‚Motiv‘ dient der Erklärung des „Warum“ menschlicher Handlungen (Heckhausen 1989: 1f., Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 141, Trommsdorff 2002: 113). Die Motivation richtet das Handeln auf die Erreichung eines bestimmten Ziels aus. Kroeber-Riel/Weinberg (1996: 142) beschreiben Motivation als komplexen, zielorientierten Antriebsprozeß, der aus der Interaktion grundlegender Antriebskräfte (Emotionen und Triebe) und kognitiver Prozesse (Zielorientierung) erwächst.

Nach Rosenstiel/Neumann (1991: 156) korrespondiert die Übereinstimmung von Werbeinhalten und Motivstruktur des Umworbenen mit der Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Werbeinhalte sowie mit der Wahrscheinlichkeit, daß die wahrgenommenen Inhalte verhaltenswirksam werden. Somit ist die Kenntnis und die Berücksichtigung der Motive des potentiellen Kunden ein wesentlicher Faktor für eine wirksame Werbemittelgestaltung. Allerdings ist dabei zu beachten, daß je nach Produkt und Situation unterschiedliche Motive relevant sind, und zwar in unterschiedlichem Ausmaß (Rosenstiel/Kirsch 1996: 136f.).

Bei der Bestimmung derjenigen Motive, die im Zuge einer Reiseentscheidung als relevant einzustufen sind, stellt sich die Frage, wie sich diese Motive systematisch bestimmen lassen, bzw. wie die Auswahl der Motive systematisch begründet werden kann. Die Forschung hat zahlreiche Ansätze zur Klassifikation von Motiven (für einen Überblick siehe beispielsweise Heckhausen 1989: 55-81) und teilweise endlose Listen mit unzähligen Einzelmotiven (z. B. Dichter 1964) hervorgebracht (vgl. Bänsch 1995: 21f., Rosenstiel/Neumann 1991: 154f., Trommsdorff 2002: 115f., 118). Heckhausen (1989: 76) stellt allerdings fest, daß es bisher nicht gelungen sei, das Problem der Motivklassifikation befriedigend zu lösen, und daß es fraglich sei, ob dies überhaupt gelingen könne. Trommsdorff (2002: 115) bemerkt, daß viele Motivsysteme zu allgemein oder zu speziell sind, um im Marketingkontext sinnvoll einsetzbar zu sein (vgl. auch Bänsch 1995: 21f.). Paradoxerweise wird in der Marketingliteratur in der Regel ausgerechnet die Maslow’sche Bedürfnispyramide als Beispiel für ein konkretes Motivsystem angeführt (Marketing allgemein: Kuß/Tomczak 2000: 43-45, Meffert 2000: 90-92, Kotler/Bliemel 2001: 343f., Trommsdorff 2002: 118f.; Tourismusmarketing: Freyer 2001: 198f.), obwohl dieses Modell weder empirisch bestätigt werden konnte, noch für konzeptionelle Zwecke sinnvoll nutzbar ist (Nieschlag et al. 2002: 1039f., siehe auch Franke/Kühlmann 1990: 258f.; Mayer 2000: 84; Felser 2001: 41f.). Dies liegt daran, daß sich das Modell von Maslow hauptsächlich mit der Hierarchie der Befriedigungspriorität von relativ abstrakten Motivklassen beschäftigt. Im Marketingkontext wäre dagegen ein System konkreter und kaufentscheidungsrelevanter Motive sowie Möglichkeiten zur Ansprache derselben notwendig.

Trotz der großen werbetechnischen Bedeutung von Motiven hat die Marketingtheorie bislang kein theoretisch fundiertes und operationalisiertes Motivsystem etabliert oder adaptiert (zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Pikkemaat 2002: 139-141).

Auch ohne über ein in sich abgeschlossenes, theoretisch fundiertes und empirisch überprüftes System kauf- bzw. reiseentscheidungsrelevanter Motive verfügen zu können, muß das werbetechnisch bedeutsame Konstrukt Motiv nicht von der weiteren Berücksichtigung ausgeschlossen werden. Vielmehr soll, aufbauend auf den motivbezogenen Erkenntnissen der Konsumentenverhaltens- und Tourismusforschung, der Versuch unternommen werden, reiseentscheidungsrelevante Motive auf zwei Abstraktionsebenen auf ihre Verwendbarkeit zu überprüfen: erstens Motive, die für das Konsumentenverhalten unabhängig von dem konkreten Kaufobjekt als relevant angesehen werden und zweitens Motive, die im Zuge von Reiseentscheidungen im allgemeinen und von Entscheidungen für eine Wanderreise im besonderen verhaltenswirksam sein können.

a) nicht reiseentscheidungsspezifische Motive

Unter den nicht reiseentscheidungsspezifischen Motiven werden hier das Motiv zur Risikominderung sowie das Motiv zur Vermeidung bzw. zum Abbau kognitiver Dissonanzen erläutert. Diese Auswahl wird damit begründet, daß diese Motive erstens im Zuge von Untersuchungen zu Reiseentscheidungen häufig als einflußreich eingestuft werden (vgl. Pikkemaat 2002: 117) und zweitens im Kontext der Konzeption des IDIS eine Berücksichtigung dieser Motive sinnvoll und möglich ist.

In der Verbraucherforschung wird davon ausgegangen, daß bei einem als zu hoch empfundenen Kaufrisiko eine Motivation zur Risikominderung entsteht, wobei diese von situativem Involvement (siehe dazu auch Kapitel 3.3.2.2) und personeller Risikobereitschaft beeinflußt wird (Trommsdorff 2002: 126). Die Motivation zur Risikominderung kann unterschiedliche Verhaltensweisen zur Folge haben (für eine Auflistung siehe beispielsweise Pikkemaat 2002: 149f.). Allerdings sind viele Möglichkeiten, die bei anderen Konsumgütern denkbar und üblich sind, wie beispielsweise Umtauschmöglichkeiten, Miete statt Kauf, dem Kauf vorangehende persönliche Inspektion oder Versicherung gegen Risiken bei Reiseentscheidungen nicht anwendbar, so daß die ebenfalls als Folge des Risikominderungsmotivs aufzufassende Motivation zur Informationssuche eine der wenigen verbleibenden Möglichkeiten zur Risikominderung darstellt. Ein internetgestütztes Destinationsinformationssystem kann den Aufwand dieser Informationssuche erheblich verringern und bei gelungener Berücksichtigung der Informationsbedürfnisse der Interessenten die Hemmschwelle für eine Reiseentscheidung im Sinne der beworbenen Destination deutlich absenken.

Wenngleich eine endgültige Qualitätsbeurteilung bei Reisen letztlich immer nur durch den tatsächlichen ‚Gebrauch‘ möglich ist (sog. ‚Erfahrungseigenschaft‘ in der informationsökonomischen Eigenschaftstypologie, vgl. Trommsdorff 2002: 302f.), kann durch eine entsprechend ausgerichtete Kommunikationspolitik eine mit dem touristischen Angebot der Destination übereinstimmende Qualitätsvermutung beim Interessenten angestrebt werden.

Durch die Befriedigung der Informationsbedürfnisse des Interessenten und die Erzielung einer adäquaten Qualitätsanmutung verringert sich das vom Interessenten wahrgenommene Risiko einer Fehlentscheidung.

Die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957) wurde in verschiedenen Zusammenhängen menschlichen Handelns, so auch in der Konsumentenverhaltensforschung aufgegriffen. Basierend auf der Grundannahme des menschlichen Strebens nach Widerspruchsfreiheit widmet sich diese Theorie den Beziehungen zwischen kognitiven Elementen und den motivationalen Auswirkungen beim Auftreten von Widersprüchen zwischen (miteinander in Bezug stehenden) Elementen (siehe ausführlicher z. B. Heckhausen 1989: 120-130, eher ökonomisch Raab/Unger 2001: 42-47). Festinger zufolge befindet sich eine Person nach einer Entscheidung bzw. Handlung in einem Zustand kognitiver Dissonanz, da mit der Entscheidung für die gewählte Alternative in der Regel bestimmte Nachteile verbunden sind und mit der Entscheidung gegen die nichtgewählten Alternativen auf bestimmte Vorzüge verzichtet werden muß (vgl. Raab/Unger 2001: 42f.). Die Wahrnehmung kognitiver Dissonanzen regt unterschiedliche Aktivitäten an, mit dem Ziel der Verringerung der empfundenen Dissonanz (‚Nachentscheidungsdissonanzreduktion‘). Eine dieser Aktivitäten besteht in der Suche nach konsonanten Informationen (siehe z. B. Braun/Lohmann 1989: 56; Rosenstiel/Neumann 1991: 183; Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 185). Daraus leitet sich die Anforderung an das IDIS ab, dissonanzreduzierend wirkende Informationen zu kommunizieren.

b) reiseentscheidungsspezifische Motive

Die Bestimmung von Reisemotiven in der (deutschen) Tourismusforschung beruht überwiegend auf standardisierten Befragungen (Urlaubsmotive allgemein: z. B. Reiseanalysen des Studienkreises für Tourismus (bis 1992) bzw. der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (ab 1994) und Deutsche Tourismusanalysen des B.A.T. Freizeit-Forschungsinstituts; Motive von Wanderurlaubern: z. B. Brämer 1998b). Diese methodische Vorgehensweise ignoriert somit einen Grundsatz der Motivationspsychologie, wonach Motive als hypothetische Konstrukte sich der unmittelbaren Fremd- wie auch Selbstbeobachtung entziehen können (vgl. Rheinberg 2002: 61, übereinstimmend Tewes/Wildgrube 1992: 215; Schneider/Schmalt 2000: 36, 50-55). Singer (2002: 79) macht aus Sicht der Hirnforschung deutlich, warum aus Befragungen hervorgehenden Angaben über Handlungsmotive zu mißtrauen ist:

„In unserem Gehirn kommen fortwährend weit mehr Signale an, als uns bewußt ist. Viele von diesen Signalen werden auch bearbeitet, aber das Ergebnis der Analysen gelangt nicht ins Bewußtsein. Und so kommt es, daß Menschen, wenn sie nach Motiven für bestimmte Handlungen befragt werden und die wirklichen Motive auf solchen unbewußten Prozessen beruhen, frisch erfundene Motive anbieten, ohne sich gewahr zu werden, daß diese Begründung unzutreffend ist.“

Im Zuge ihrer Synopse der Reiseentscheidungsforschung bis Ende der 1980er Jahre kommen auch Braun/Lohmann (1989: 41) zu der Einschätzung, daß die Ergebnisse der Reiseanalyse zur Motivfrage aufgrund der Forschungsmethodik zumindest fragwürdig seien.

Nach McClelland erhält man durch Befragung von Menschen nach ihren Wünschen, Vorlieben u. ä. keine Auskünfte über basale Motive im Sinne der klassischen Motivationspsychologie, sondern vielmehr ‚motivationale Selbstbilder‘ (vgl. hierzu Rheinberg 2002: 193-202, insbes. 198f.). Zwischen diesen bestehen jedoch grundsätzliche Unterschiede. Während (basale) Motive evolutionär auf einer neurohormonal-affektiven Gundlage verankert sind, beruhen motivationale Selbstbilder als Ergebnis bewußter Wahrnehmung auf einer kognitiven Grundlage (Weinberger/McClelland 1990, zit. nach Rheinberg 2002: 199). Damit sind sie jedoch nicht mehr als intervenierende Variable mit überwiegend aktivierender Wirkung einzustufen, und somit auch nicht werbetechnisch in diesem Sinne nutzbar. Eher sind die in der empirischen Tourismusforschung verwendeten ‚Motive‘ als (kognitive) Informationen zu sehen, die im Zusammenhang kognitiver Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse verhaltenswirksam werden können. Eine diesbezügliche Anwendung wird im Kontext der Konzeption des IDIS diskutiert (siehe Kapitel 4.6.2).

3.3.2.1.3 Einstellung

Rosenstiel/Neumann (1991: 122) definieren Einstellung auf der Basis der Gemeinsamkeiten der meisten Definitionen als „eine aus der Erfahrung stammende Bereitschaft, in relativ konsistenter Weise wertend auf einen Gegenstand zu reagieren“.

Die Beeinflussungsrichtung von Einstellung und Verhalten ist nicht eindeutig festzulegen (vgl. z. B. Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 170, 172; Rosenstiel/Kirsch 1996: 162). Es wird als wahrscheinlich angenommen, daß eine wechselseitige Beeinflussung stattfindet, d. h. daß sowohl bestimmte Einstellungen als Teilursache für ein bestimmtes Verhalten angesehen werden, als auch daß bestimmte Verhaltensweisen bestimmte Einstellungen bzw. Einstellungsänderungen zur Folge haben.

Aus Marktingsicht sind beide Beeinflussungsrichtungen interessant, da sie, mit unterschiedlichen Strategien, im Marketingprozeß berücksichtigt werden können. Eine Beeinflussung der Einstellung aufgrund des Verhaltens kann beispielsweise durch Produktproben oder andere die Schwelle zum Ausprobieren herabsetzende Techniken angestrebt werden. Allerdings wird in der Regel, wie auch für die vorliegende Aufgabenstellung, die Einstellung der Zielgruppe als feststehend angenommen. Für Marketingsituationen, in denen eine Beeinflussung des Verhaltens durch die Einstellung angenommen wird, existieren verschiedene Möglichkeiten, strategisch darauf zu reagieren. Beispielsweise kann angestrebt werden,

- das Produkt entsprechend der Einstellung der Zielgruppen zu verändern,
- die Positionierung des Objektes entsprechend der Einstellung der Zielgruppen zu verändern,
- durch Kommunikation mit der Zielgruppe eine Positionierung erstmalig überhaupt herzustellen

(vgl. Rosenstiel/Kirsch 1996: 175f.).

Unter Positionierung wird der Prozeß verstanden, innerhalb dessen ein bestimmtes Objekt aufgrund der wahrgenommenen Ausprägungen von Eigenschaften eine bestimmte Position in einem mehrdimensionalen Merkmalsraum einnimmt (Meffert/Bruhn 2000: 133). Die hohe Bedeutung einer adäquaten Positionierung ergibt sich aus der Tatsache, daß für die Einstellung gegenüber einem Produkt nicht die objektiven, sondern die subjektiv wahrgenommenen Eigenschaften des Gegenstandes von Bedeutung sind (Krober-Riel/Weinberg 1996: 220).

Howard/Sheth (1969) stellen den Bezug zwischen Einstellung und Motiven her und weisen darauf hin, daß „die wahrgenommene Instrumentalität eines Produkts für die Befriedigung eines Motivbündels entscheidend für die Art der Einstellung diesem Produkt gegenüber“ sei (zit. nach Rosenstiel/Neumann 1991: 125).

Im Zusammenhang mit dem psychologischen Konstrukt ‚Einstellung‘ ist schließlich noch der in der Marketing- und Werbelehre gebräuchliche Terminus ‚Image‘ zu erwähnen. Der Imagebegriff kann zwar, unter psychologischen Aspekten, als identisch mit dem Einstellungsbegriff gesehen werden (Meffert 1992: 55; Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 212; Rosenstiel/Kirsch 1996: 159). In der Marketingpraxis wird unter Image allerdings in der Regel die aggregierte Form sämtlicher Einstellungen eines Kunden zu dem betreffenden Objekt (z. B. Dienstleistungsanbieter, Markenartikel u. ä.) verstanden (Meffert/Bruhn 2000: 159, übereinstimmend Rosenstiel/Kirsch 1996: 159). Der Imagebegriff korrespondiert somit mit dem ‚mehrdimensionalen Eigenschaftsraum‘ des Begriffs der ‚Positionierung‘ eines Marketingobjektes. Dem Aufbau eines positiven Images kommt nach Haedrich (1998: 385) im Rahmen der touristischen Kommunikationspolitik eine herausragende Bedeutung zu, da die Inanspruchnahme von touristischen Dienstleistungen in starkem Maße vom Vertrauen des Kunden in den Anbieter abhängt, und dem Kunden zudem in der Regel vielfältige vergleichbare Angebote offenstehen.

Ebenfalls in begrifflicher Nähe zur Einstellung ist das Konstrukt ‚Werte‘ zu sehen. Trommsdorff (2002: 180) beschreibt einen Wert als „ein konsistentes System von Einstellungen [...] mit normativer Verbindlichkeit.“ Ihre Marketingrelevanz beziehen Wertvorstellungen aus ihrer Eigenschaft als ‚Breitband-Vorhersager‘ für Verhaltensweisen (ebd.), d. h. aus dem Umstand sowohl zeitlich als auch personell Aussagen mit relativ großer Reichweite zu ermöglichen.

Das Konstrukt der Einstellung wird aus empirischer Sicht im Kontext der Zielgruppenanalyse (Kapitel 4.4.3.2) wieder aufgegriffen. Auf Basis empirischer Marktforschungsdaten werden, soweit diese Daten es zulassen, für die Konzeption und Realisierung des IDIS sinnvoll nutzbare Einstellungen ermittelt.

3.3.2.2 Kognitive Prozesse

Die als kognitiv bezeichneten Prozesse lassen sich in die drei Phasen Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung gliedern. Diese drei Phasen korrespondieren weitgehend mit den kognitiven Konstrukten zur Erklärung des Konsumentenverhaltens Informationsaufnahme, Wahrnehmung/Beurteilung und Lernen/Gedächtnis (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 224).

Zur differenzierten Beschreibung der verschiedenen gedanklichen Vorgänge wird in der Konsumentenforschung häufig auf das Dreispeichermodell Bezug genommen (z. B. Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 225; Kuß/Tomczak 2000: 25; Trommsdorff 2002: 38, 239, 262), wobei zu beachten ist, daß unter einem Speicher hier bestimmte Gedächtniskomponenten verstanden werden, die auch der Verarbeitung dienen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-4: Ablauf und Wechselwirkungen kognitiver Prozesse im Drei-Speicher-Modell (eigener Entwurf)

Diesem Modell zufolge wird ein von den Sinnesorganen aufgenommener Reiz (= Information) zunächst im sensorischen Informationsspeicher (SIS) abgelegt (siehe Abbildung 3-4). Hier finden noch keine kognitiven Verarbeitungsprozesse statt, sondern die aufgenommenen Sinneseindrücke werden eher passiv festgehalten und ggf. werden verschiedene Reize zu einem Gesamtreiz zusammengefügt (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 226). Dennoch findet im SIS bereits eine fundamentale Entschlüsselung statt, z. B. in Form bestimmter visueller oder akustischer Muster (gestrichelte Pfeile). Diese Muster können u. U. bereits aktivierende Prozesse auslösen, obwohl das, was unter der Wahrnehmung der Reize verstanden wird, noch gar nicht stattgefunden hat (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 242).

Ein Teil der im SIS gespeicherten Informationen wird in den sog. Kurzzeitspeicher (KZS) überführt. Die Auswahl der überführten Informationen wird wesentlich durch deren Aktivierungspotential beeinflußt. (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 226). Dies begründet, warum bei der praktischen Gestaltung des IDIS die bevorzugt zu kommunizierenden Informationen möglichst so zu gestalten sind, daß sie ein hohes Aktivierungspotential aufweisen (vgl. dazu Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 89). Im Kurzzeitspeicher findet zunächst eine Entschlüsselung und damit eine Umsetzung in kognitiv verfügbare Informationen statt. Anschließend werden diese Informationen verarbeitet (siehe Kapitel 3.3.2.2.2) und zwar in Interaktion mit aktivierenden Prozessen sowie dem Langzeitspeicher (LZS). Schließlich findet eine weitere Reduzierung der Informationen statt, die dann im LZS langfristig gespeichert werden (siehe Kapitel 3.3.2.2.3).

Allerdings ist anzumerken, daß in der kognitiven Psychologie Multispeichermodelle, wie das eben angeführte Dreispeichermodell, mittlerweile weitgehend von Modellen der Verarbeitungstiefe abgelöst wurden (Wessells 1994: 168; Anderson 2001: 174-177). Diese rücken von der Vorstellung unabhängiger Speichereinheiten ab und gehen statt dessen davon aus, daß eingehende Informationen in Stufen analysiert werden, ausgehend von physikalischen Merkmalen bis zur „Analyse der Bedeutung und der konzeptuellen Beziehungen zwischen Items“ (Wessells 1994: 168).

Für die nachfolgende Erläuterung der für das Konsumentenverhalten relevanten kognitiven Konstrukte ist diese modelltheoretische Veränderung jedoch weniger bedeutsam, da im Vordergrund der Betrachtungen ohnehin die unterschiedlichen Verarbeitungsstufen von Reizen bzw. Informationen stehen, wohingegen der physische Ort (Speicher) der Verarbeitung lediglich zu Gliederungszwecken herangezogen wird (ähnlich argumentieren Engel et al. 1990: 391).

Bei der Klärung der Frage, in welchem Ausmaß kognitive Prozesse im Rahmen von Konsumentenentscheidungen von Bedeutung sind, spielt das Konstrukt ‚Involvement‘ eine Schlüsselrolle. Trommsdorff (2002: 56) definiert Involvement als den „Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung.“ Das Ausmaß des Involvement resultiert aus der wahrgenommenen persönlichen Wichtigkeit, die ein Produkt bzw. eine Dienstleistung in einer spezifischen Situation für einen Konsumenten besitzt (Schweiger/Schrattenecker 2001: 33).

Die nachfolgende Tabelle stellt einige charakteristische Unterschiede des Konsumentenverhaltens in Abhängigkeit von der Stärke des Involvements dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3-3: Charakteristische Unterschiede des Konsumentenverhaltens in Abhängigkeit von der Stärke des Involvements (zusammengestellt nach Kuß/Tomczak 2000: 67 und Schweiger/Schrattenecker 2001: 175)

Urlaubsreiseentscheidungen werden in der Regel zu den High-Involvement-Entscheidungen gezählt (Kuß/Tomczak 2000: 67; Pikkemaat 2002: 146), so daß eine grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme und Verarbeitung umfangreicher kognitiver Informationen gegeben ist.

3.3.2.2.1 Informationsaufnahme

Unter Informationsaufnahme werden diejenigen Vorgänge verstanden, die zur Übernahme einer Information in den Kurzzeitspeicher führen (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 242). Dies umfaßt neben von außen aufgenommenen und weitergeleiteten Reizen (externe Informationsaufnahme) auch die Übernahme von im Langzeitspeicher abgelegten Informationen in den Kurzzeitspeicher (interne Informationsaufnahme), schließt aber zugleich diejenigen Reize aus, die zwar von den Sinnesorganen registriert und in den sensorischen Informationsspeicher überführt, aber nicht in den Kurzzeitspeicher übernommen werden.

Neben der Untergliederung der Informationsaufnahme in intern und extern läßt sich diese noch nach einer Vielzahl weiterer Kriterien unterteilen. Exemplarisch kann dies durch das folgende Schema von Kroeber-Riel/Weinberg verdeutlicht werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-5: Gliederung der Informationsaufnahme von Konsumenten (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 244)

Aus der Art der Informationsaufnahme ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den gesamten weiteren Informationsverarbeitungs- und -speicherungsprozeß. Daher ist eine Abstimmung der Kommunikationsmaßnahme auf die angestrebte und/oder zu erwartende Art der Informationsaufnahme zu gewährleisten.

Das hier zu realisierende IDIS soll mit dem Fokus auf eine externe aktive Informationsaufnahme konzipiert werden, die von einer bewußt gesteuerten Informationssuche getrieben wird. Dies wird damit begründet, daß Reiseentscheidungen in der Regel den extensiven Entscheidungen zugerechnet werden (Pikkemaat 2002: 2, 67, siehe auch Kapitel 3.3.1.1). Daraus folgt wiederum, daß der Entscheidungssuchende bewußt Informationen sucht und bewertet und somit versucht, sein Verhalten zu steuern und zu kontrollieren (Pikkemaat 2002: 65f.). Als Ursachen für diese hohe Informationsneigung bei extensiven Entscheidungen wird die große Wichtigkeit der Entscheidung sowie das damit einhergehende hohe Risikoempfinden des potentiellen Käufers gesehen (vgl. Bänsch 1995: 10, siehe auch Kapitel 3.3.2.1.2). Neben dieser situationsspezifischen Aktivierung der Informationssuche wird angenommen, daß sich Konsumenten auch durch eine individuell unterschiedlich stark ausgeprägte Informationsneigung unterscheiden (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 247f.).

Allerdings läßt sich hieraus keine Aussage über die Bedeutung der aktiven und bewußten externen Informationsaufnahme bei der Entscheidungsfindung im Verhältnis zu anderen Arten der Informationsaufnahme ableiten. So wird beispielsweise angenommen, daß die (allerdings kaum erforschte) zufällige Aufnahme von Informationen eine erheblich höhere Relevanz als die aktive Informationsaufnahme hat (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 245). Für den Bereich der Reiseentscheidung weisen einige Autoren auf die große Bedeutung der persönlichen Kommunikation im Bekanntenkreis hin (Braun/Lohmann 1989: 16; Freyer 2001: 531). Da beide Arten der Informationsaufnahme kaum aktiv von der Kommunikationspolitik beeinflußt werden können, eignen sie sich auch nicht als Basis für die Konzeption eines Kommunikationsinstrumentes.

3.3.2.2.2 Wahrnehmung

Unter Informationsverarbeitung werden diejenigen Prozesse subsumiert, die im Anschluß an die Informationsaufnahme im Kurzzeitspeicher stattfinden. Allerdings sind die verschiedenen Vorgänge so eng miteinander verflochten, daß eine vollständige Abgrenzung weder sinnvoll noch möglich ist (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 269; Trommsdorff 2002: 262). Kroeber-Riel/Weinberg ordnen der Phase der Informationsverarbeitung das kognitive Konstrukt Wahrnehmung zu. Unter Wahrnehmung wird dabei die Entschlüsselung aufgenommener Reize und innerer Signale verstanden, die dadurch einen Sinn erhalten und, im Zusammenhang mit anderen internen und externen Informationen, zu einem inneren Bild der Umwelt wie auch der eigenen Person verarbeitet werden (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 265). Wahrnehmung läßt sich als ein aktiv steuerbarer, subjektiv geprägter und selektierender Prozeß der Informationsverarbeitung beschreiben. Dabei üben aktivierende Bestimmungsgrößen einen wesentlichen Einfluß auf Intensität und Selektivität des kognitiven Wahrnehmungsprozesses aus (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 269-271).

Die kognitiven Ressourcen des Menschen zur simultanen Informationsverarbeitung sind zeitlich auf wenige Sekunden und mengenmäßig auf etwa sieben Informationseinheiten begrenzt (Franke/Kühlmann 1990: 30; Wessells 1994: 128f.; Trommsdorff 2002: 264; zum Begriff ‚Informationseinheit‘ siehe beispielsweise Kuß/Tomczak 2000: 28, 109f.). Dies hat erstens eine sequentielle Verarbeitung aufgenommener Informationen und zweitens eine Begrenzung der Wahrnehmung auf eine Teilmenge der theoretisch denkbaren oder verfügbaren Informationen zur Folge (Trommsdorff 2002: 264).

Der Verlauf kognitiver Informationsverarbeitungsprozesse wird einerseits durch die von dem jeweiligen Individuum eingesetzten Programme zur Verarbeitung (s. u.) und andererseits durch die verarbeiteten Informationen geprägt. Als relevante Information kommen sowohl aktuell aufgenommene wie auch gespeicherte Produkt- und Produktumfeldinformationen in Betracht. Die Wirkung von Produktumfeldinformationen wird als Ausstrahlungseffekt bzw. Irradiation bezeichnet. Als Beispiel für diesen Effekt kann der Einfluß der wahrgenommenen Qualität der Internetpräsenz einer Destination auf die Beurteilung der Destination selbst genannt werden.

Die Programme zur Informationsverarbeitung lassen sich nach Kroeber-Riel/Weinberg (1996: 298-314) in einfache (‚Denkschablonen‘) und komplexe Programme (‚kognitive Algebra‘) unterteilen. Der Unterschied zwischen beiden Typen liegt vor allem im Ausmaß der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung. Betrachtet man beispielsweise den Prozeß der Produktbeurteilung, so wird bei der vereinfachten Produktbeurteilung von einer einzelnen (oder wenigen) Produkt(umfeld)information auf die gesamte Produktqualität geschlossen. Besonders häufig kommen hier sog. Schlüsselinformationen (‚information chunks‘) zum Tragen, so daß deren schnelle Verfügbarkeit bei der Konzeption eines Kommunikationsmittels besonders zu berücksichtigen ist. Zu Schlüsselinformationen werden häufig solche Informationen, die mehrere andere Informationen bündeln oder substituieren. Beispiele hierfür sind Testurteile, Markennamen oder auch der Preis. Vollzieht sich die Beurteilung hingegen nach einem Modell der kognitiven Algebra, so werden eine Vielzahl einzelner Produkteigenschaften systematisch beurteilt und zu einem Gesamturteil verdichtet (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 305).

Im Rahmen der Konzeption des IDIS ist somit festzulegen, welche Informationen (‚Informationsbedarf‘) in welcher Struktur (Informationsverarbeitungsprogramm) angeboten werden sollen. Dabei birgt die Möglichkeit zur interaktiven Gestaltung das Potential, den individuell unterschiedlichen Informationsbedürfnissen und -verarbeitungsprogrammen eher gerecht zu werden, als dies vermittels traditioneller Werbemedien möglich ist. Die Kenntnis der Informationsbedürfnisse sowie der zur Anwendung gelangenden Informationsverarbeitungsprogramme ist dabei eine wesentliche Voraussetzung, um Auswahl und Strukturierung der anzubietenden Informationen darauf ausrichten zu können.

Wie bei der Ermittlung des aktivierenden Konstruktes Motivation wird zur Ermittlung des (entscheidungsrelevanten) Informationsbedarfs im Bereich der Tourismusforschung im wesentlichen auf Befragungsmethoden zurückgegriffen. Diese Methode muß sich jedoch vorhalten lassen, daß mit ihr lediglich die erinnerte Informationsaufnahme gemessen wird, die erheblich von der tatsächlichen Informationsaufnahme abweichen kann (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 277f., zur grundsätzlichen Problematik introspektiver Methoden siehe z. B. Wessells 1994: 21-23). Das Informationsverhalten und der Informationsbedarf im Zusammenhang mit Reiseentscheidungen zeichnen sich durch für die Erforschung besonders widrige Umstände aus: So erstreckt sich der Reiseentscheidungsprozeß in der Regel über einen längeren Zeitraum, und es sind häufig mehrere Personen an der Entscheidung beteiligt. Daher sind die von der Konsumentenforschung vorgeschlagenen alternativen Erhebungsverfahren (z. B. Blickaufzeichnung, für eine Kurzdarstellung siehe Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 278-280) zur Ermittlung des Informationsbedarfs bei Reiseentscheidungen ebenfalls nur geeignet, einen Ausschnitt der gesamten Informationsaufnahme zu ermitteln. Allerdings könnten derartige Verfahren eine sinnvolle Ergänzung und Relativierung der Befragungsergebnisse bieten. Diese Arbeit muß sich jedoch auf die Berücksichtigung des durch Befragungen ermittelten Informationsbedarfs beschränken, da in Bezug auf Reiseentscheidungsprozesse konkrete, mittels anderer Verfahren gewonnene Ergebnisse – beispielsweise zu Blickaufzeichnungsversuchen im Kontext der Nutzung von Online-Marketinginstrumenten – nach Wissen des Autors bislang nicht publiziert wurden.

Die Konkretisierung der von dem IDIS bereitzustellenden Informationen erfolgt im Rahmen der Konzeption des Systems (Kapitel 4.6.1) und der darauf aufbauenden exemplarischen Realisierung (Kapitel 5.3).

3.3.2.2.3 Lernen

Unter Lernen soll hier in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg (1996: 316) die relativ dauerhafte Änderung von Verhaltensmöglichkeiten als Folge von Informationsverarbeitungsprozessen, also aufgrund von Erfahrungen und Beobachtungen verstanden werden. Zur Erklärung der Mechanismen des Erwerbs solcher Lernvorgänge existieren verschiedene Modelle. Im Marketingkontext finden in erster Linie solche Modelle Berücksichtigung, die auf behavioristischen Theorien beruhen: das Lernen nach dem Kontiguitätsprinzip (klassische Konditionierung) und das Lernen nach dem Verstärkerprinzip (operante Konditionierung).

Eine klassische Konditionierung wird im Marketing häufig in Form einer emotionalen Konditionierung angewendet. „Dabei wird ein anfangs bedeutungsloser Markenname allmählich fest mit einem bestimmten positiven Gefühl verknüpft“ (Trommsdorff 2002: 253).

Unter operanter Konditionierung wird ein Lernvorgang verstanden, der durch Belohnung oder Bestrafung gesteuert wird. Der Theorie der operanten Konditionierung zufolge erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines bestimmten Verhaltens, wenn dieses Verhalten belohnt wurde bzw. verringert sich, wenn es bestraft wurde (Mietzel 1998: 135f., 144f.). Im Marketingkontext kann eine Belohnung in einer als positiv erlebten Erfahrung mit dem betreffenden Produkt bestehen. Die Kommunikationspolitik kann sich dies zunutze machen, indem sie eine solche Belohnung in Aussicht stellt. An dieser Stelle kommen wieder die bereits erörterten Konstrukte Emotion und Motivation ins Spiel, die maßgeblich dazu beitragen, daß eine Erfahrung positiv bzw. negativ bewertet wird. Exemplarisch für die Nutzung dieses Mechanismus in der Werbung ist das Prestigemotiv zu nennen. Die Wertschätzung durch andere als Folge des Konsums eines bestimmten Produktes wirkt hier als Belohnung (siehe hierzu Trommsdorff 2002: 122f.).

Neben diesen der willentlichen Kontrolle entzogenen Lernprozessen sind unter bestimmten Umständen auch der willentlichen Steuerung unterliegende Lernvorgänge für das Marketing relevant. Solche als kognitives Lernen bezeichneten Lernvorgänge werden insbesondere bei extensiven Kaufentscheidungen angesprochen, da diese mit einem hohen Informationsbedürfnis des Konsumenten einhergehen. Im Gegensatz zu den vorgenannten, behavioristisch begründeten Lernvorgängen ist das kognitive Paradigma Grundlage der Modelle kognitiven Lernens. Demnach wird Lernen als „Aufbau von Wissensstrukturen“ (Lindsay/Norman 1981: 379) gesehen, bei dem „thematische Wahrnehmungsprozesse, Problemlösen durch Einsicht, Entscheidungsprozesse, Informationsverarbeitung und Verständnis im Vordergrund“ stehen (Meffert 1992: 65). Das Lernen neuer Informationen setzt voraus, daß diese in Beziehung zu bereits gespeichertem Wissen gesetzt werden können (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 335, vgl. auch Rosenstiel/Kirsch 1996: 99). Je besser sich die neu dargebotenen Informationen mit dem vorhandenen Wissen verknüpfen lassen, desto höher ist die Verarbeitungstiefe und damit auch die Gedächtnisleistung (Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 337).

Das im Rahmen der Nutzung des IDIS zu memorierende Wissen wird als semantisches Wissen bezeichnet (zu unterschiedlichen Wissensarten siehe z. B. Wessells 1994: 250-294). Semantisches Wissen besteht aus „faktischen, konzeptuellen und linguistischen Informationen“ (Wessells 1994: 293), „die nicht an einen spezifischen Kontext gebunden sind“ (Wessells 1994: 250). Dieses Wissen ist in Form von Netzwerken im Gedächtnis gespeichert, wobei über die Struktur dieser Netzwerke kontroverse Auffassungen existieren (siehe dazu Wessells 1994: 255-257, 261f., 266-268, 278f.). Ein solches Netzwerk könnte vor der Beschaffung detaillierter Informationen über den Rothaarsteig beispielsweise folgendermaßen aussehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-6: Ausschnitt aus einem fiktiven semantischen Netzwerk (eigener Entwurf)

Abbildung 3-6 zeigt, daß der potentielle Interessent weiß, daß es sich beim Rothaarsteig um ein Urlaubsziel sowie eine Wanderroute handelt, die sich in Mittelgebirgslage im Sauerland in Nordrhein-Westfalen (Westdeutschland) befindet. Im Zusammenhang mit den Katagorien »Urlaubsziel« und »Wanderroute« kommt nun eine besondere Form semantischer Netzwerke ins Spiel, die als ‚Schemata‘ bezeichnet wird (Darstellung fett umrandet). Schemata sind interpersonell weitgehend identische „Vorstellungen darüber, wie ein bestimmter Sachverhalt typischerweise aussieht“ (Wessells 1994: 327f.; Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 232). Schemata sind damit für die Steuerung der Wahrnehmung, der Verarbeitung und des Lernens von Informationen verantwortlich (Wessells 1994: 329f.; Kroeber-Riel/Weinberg 1996: 337). So enthält das Schema »Urlaubsziel« z. B. die Komponenten (Darstellung: grau hinterlegt) »Anreise«, »Klima«, »Landschaft«, »Unterkünfte« und »geographische Lage«. Diese Komponenten sind teilweise bislang ohne inhaltliche Informationen (Darstellung: kursiv und „?“). Teilweise existieren für die Komponenten ihrerseits wiederum Schemata, z. B. für »Unterkunft« mit den Komponenten »Preis«, »Komfort«, »Lage«, etc. Sofern zu bestimmten Komponenten ein als unzureichend empfundener Informationsstand vorherrscht, wird ein Interessent nach entsprechenden Informationen suchen.

Wenn es also gelingt, die in einer bestimmten Entscheidungssituation aktivierten Schemata sowie deren Komponenten zu bestimmen, können diese zur Strukturierung sowie zur Ableitung der inhaltlichen Elemente des IDIS herangezogen werden (siehe Kapitel 4.6.1).

Abschließend soll hier noch kurz auf die Modalität der Informationsspeicherung eingegangen werden. Informationen werden häufig nicht nur sprachlich, sondern auch bildhaft gespeichert. Solche als ‚innere Bilder‘ gespeicherten Informationen werden nach Ansicht der Imageryforschung besser erinnert als lediglich sprachlich kodierte Informationen, sie üben einen stärkeren Einfluß auf das Verhalten aus und sind notwendig zur emotionalen Konditionierung (Kroeber-Riel 1993: 70f., 75, 86). Da ‚äußere‘, also wirkliche Bilder leichter in innere Bilder übersetzt werden können als Worte (Kroeber-Riel 1993: 74), kommt der bildhaften Darstellung von Informationen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen zu. Im Rahmen der Erstellung von Inhalten für das IDIS sind daher in Bezug auf bildhafte Elemente die von der Imageryforschung entwickelten Gestaltungsgrundsätze (siehe dazu ausführlich Kroeber-Riel 1993) aufzugreifen.

3.3.3 Zwischenfazit: Bedeutung der vorgestellten theoretischen Grundlagen für die Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems

Mit der Vorstellung und Diskussion von Forschungsergebnissen zur Reiseentscheidung und zu Bestimmungsgrößen des Konsumentenverhaltens wurde das Ziel verfolgt, eine theoretische Grundlage für die Konzeption eines internetgestützten touristischen Informationssystems mit der Funktion eines Marketinginstrumentes zu erarbeiten. Die in diesem Zusammenhang gewonnenen und wiedergegebenen Erkenntnisse sind keineswegs neu, sondern im Bereich des (Tourismus-)Marketing seit mindestens zwei Jahrzehnten weithin bekannt. In Hinblick auf die Einbindung kartographischer Darstellungen in die Konzeption eines internetbasierten touristischen Informationssystems wurden sie bislang nach Wissen des Autors jedoch noch nicht (explizit) aufgegriffen und berücksichtigt. Daher wurde eine verhältnismäßig ausführliche Darstellung dieser Erkenntnisse im Rahmen der vorliegenden Arbeit als sinnvoll betrachtet.

Es konnte gezeigt werden, daß Informationen im Verlauf des Reiseentscheidungsprozesses häufig eine hohe Bedeutung zukommt. Zur Erreichung der Ziele der Marktkommunikation ist dabei nicht nur die auf den Handlungskontext abgestimmte Auswahl entscheidungsrelevanter Informationen ausschlaggebend, sondern auch eine auf die intendierte Werbewirkung und die kognitiven Informationsverarbeitungsprozesse der Adressaten ausgerichtete Aufbereitung und Strukturierung dieser Informationen.

Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß diese Informationen jedoch nicht nur der Befriedigung von kognitiven Informationsbedürfnissen dienen, sondern auch bei der Befriedigung von Motiven eine wichtige Rolle spielen (z. B. Dissonanzreduktion, Risikominderung). Um diese Funktion erfüllen zu können, ist es erforderlich, im Zuge der Erarbeitung der Inhalte des IDIS diese Motivbefriedigungsfunktion entsprechend zu berücksichtigen.

Es kann somit festgehalten werden, daß neben kognitiv wirkenden Informationen auch affektiv wirkende Elemente – neben den soeben genannten Motiven auch andere Motive sowie Emotionen und Einstellungen – das Entscheidungsverhalten von Urlaubsreisenden wesentlich beeinflussen. Deren Wirkungen sind im Rahmen der Konzeption und Gestaltung des IDIS daher unbedingt zu berücksichtigen. Im Kontext der Konzeption des IDIS kommen als Mittel zur affektiven Beeinflußung der gezielte Einsatz von Bildern und Farben bzw. Farbkombinationen sowie eine entsprechend ausgerichtete Tonalität in Betracht.

4. Konzeption des Internet-Destinationsinformationssystems für die Wanderroute Rothaarsteig

4.1 Entwicklung und Erläuterung eines zur Konzeption geeigneten Planungsprozesses

Nachdem nun ein Überblick über wesentliche theoretische Grundlagen der Unternehmenskommunikation im Rahmen des Tourismusmarketing gegeben wurde, wird nachfolgend die Konzeption des IDIS erläutert. Dazu werden zunächst Grundlagen und Ablauf eines Werbeplanungsprozesses aus Sicht der Marketingtheorie kurz dargestellt. Darauf aufbauend schließt sich eine Anpassung dieses Analyse- und Planungsablaufs an die vorliegende Aufgabenstellung an. Entsprechend dieser Anpassung werden dann die für notwendig befundenen Analyse- und Planungsschritte mit dem Ziel der Festlegung der inhaltlichen Konzeption und der Tonalität des IDIS durchgeführt. Die Erörterung der kartographischen und gestalterischen Konzeption erfolgt dann im nachfolgenden Kapitel 5.

Wie der Marketingmanagement-Prozeß insgesamt (siehe Kapitel 3.1) kann auch das Management der Marktkommunikation als mehrstufiger Planungsprozeß beschrieben werden. Bruhn (2003: 45) schlägt folgende Gliederung vor (ähnlich Meffert 2000: 688; Kotler/Bliemel 2001: 887; Becker 2002: 567):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4-1: Planungsprozeß der Marktkommunikation (Bruhn 2003: 45, für eine ausführliche Erläuterung der einzelnen Schritte siehe ebd.)

In dieses Schema, das den Planungsprozeß aller Kommunikationsaktivitäten einer Unternehmung wiedergibt, ist wiederum der Planungsprozeß einzelner Werbeaktivitäten zu integrieren. Auch dieser wird häufig als mehrstufiger Prozeß beschrieben (siehe auch Roth 1993: 485; Haedrich 1998: 386; Freyer 2001: 583):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4-2: Abfolge der wesentlichen Entscheidungen im Werbemanagement (nach Kotler/Bliemel 2001: 935, geringfügig verändert)

Eine vollständige Durchführung des gesamten Analyse- und Planungsverfahrens ist ausgesprochen aufwendig und daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich. Diese Problematik dürfte im übrigen häufig auch für die professionelle Praxis des Tourismusmarketing zutreffen, da die dafür notwendigen personellen und finanziellen Mittel von den meisten Trägern touristischer Werbemaßnahmen ebenfalls nicht aufgebracht werden können (vgl. Bruhn 2003: 100). Daher wird nun zunächst angestrebt, den Verfahrensablauf durch eine Konzentration auf die für die inhaltliche und gestalterische Konzeption des IDIS notwendigen Verfahrensschritte zu straffen.

Zudem sprechen zwei weitere Aspekte für die Notwendigkeit einer Anpassung des Prozesses. Erstens unterscheiden sich die in der Theorie der Unternehmenskommunikation bzw. Werbeplanung üblicherweise erörterten klassischen Kommunikationsinstrumente in bezug auf ihre Inhalte wie auch ihre Rezeption durch die Empfänger deutlich von einem IDIS (vgl. dazu Kapitel 3.2). Und zweitens unterscheidet sich die Ausgangslage der vorliegenden Arbeit grundlegend von der Ausgangslage, wie sie in der Regel bei der Konzeption einer Werbemaßnahme üblich ist. Während hier am Anfang die Idee zu einer relativ neuartigen Variante eines Kommunikationsinstrumentes stand, aus der sich dann die Frage nach einer Verwendungsmöglichkeit und deren Voraussetzungen entwickelte, geht die Theorie der Kommunikations- und Werbeplanung davon aus, daß die Auswahl eines Kommunikationsinstrumentes erst zum Ende des Planungsprozesses hin stattfindet. Auch diese Aspekte sind somit im Zuge der Anpassung zu berücksichtigen.

Als Ausgangsbasis für die Anpassung des Analyse- und Planungsprozesses werden zunächst Fragen formuliert, deren Beantwortung wichtige Voraussetzungen für und Beiträge zur Konzeption des IDIS Rothaarsteig liefert.

- In welches Umfeld soll das IDIS eingebunden werden: Marketingziele und -strategie sowie Kommunikationssituation des Rothaarsteiges als Ausgangspunkt der konzeptionellen Gestaltung.
- Wer wandert gegenwärtig in Deutschland: Bestimmung und kurze Beschreibung des Gesamtmarktes.
- Welche (potentiellen) Wanderer sollen mit dem IDIS Rothaarsteig erreicht und angesprochen werden: Bestimmung der Werbezielgruppe.
- Welcher Teil der Werbezielgruppe ist über das Medium Internet erreichbar: Bestimmung der Mediazielgruppe.
- Welche Erkenntnisse lassen sich aus einer Analyse der Werbe- und Mediazielgruppe hinsichtlich kaufverhaltensrelevanter Merkmale in Bezug auf die Konzeption und Gestaltung des IDIS gewinnen?
- Unterscheiden sich Werbe- und Mediazielgruppe sowie der Gesamtmarkt in Bezug auf kaufverhaltensrelevante Merkmale?
- Wie (in)homogen ist die Werbezielgruppe hinsichtlich der für die Konzeption des IDIS relevanten Merkmale und ist ggf. eine Segmentierung notwendig und sinnvoll?
- Welche Ziele sollen mit dem IDIS verfolgt werden: Bestimmung der Kommunikations- und Werbeziele.
- Welche Informationen werden von der Werbezielgruppe erwartet: Bestimmung der (kognitiven) Kommunikationsinhalte.
- Wie kann die Werbezielgruppe differenziert, angemessen und wirkungsvoll angesprochen werden: Bestimmung der (affektiven) Kommunikationsinhalte.

Diese Fragen sowie deren Beantwortung lassen sich auf Basis der vorstehend dargestellten theoretischen Ablaufschemata des Marktkommunikations- und Werbemanagements in folgendem Analyse- und Planungsprozeß zusammenfassen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4-3: Prozeß der Konzeption und Realisierung des IDIS Rothaarsteig (eigener Entwurf)

Gegenüber dem seitens der Marketingtheorie geforderten Verfahrensablauf wurde damit eine erhebliche Straffung des Verfahrens erreicht, ohne daß auf für die vorliegende Aufgabenstellung notwendige Analyse- oder Planungsaspekte verzichtet wurde.

Im folgenden Kapitel werden nun zunächst die zur Situations- und Zielgruppenanalyse heranzuziehenden empirischen Datengrundlagen ausgewählt und erläutert, bevor im Anschuß daran das soeben entworfene Verfahren umgesetzt wird.

4.2 Auswahl und Vorstellung der empirischen Datengrundlagen

4.2.1 Vorstellung der Vorgehensweise

Zur Durchführung der Situations- und Zielgruppenanalyse werden empirische Informationen benötigt. Nach Freyer (2001: 226) empfiehlt es sich in der Regel unter anderem aus Kostengründen, zunächst zu versuchen, die notwendigen Informationen aus Sekundärquellen zu gewinnen. Nur für die auf diesem Weg nicht beantwortbaren Fragen sollte die Durchführung einer eigenständigen Primärerhebung in Betracht gezogen werden. Aufgrund des für ein valides und reliables Ergebnis notwendigen Aufwandes kam die Durchführung einer Primärerhebung im Rahmen dieser Arbeit allerdings von vornherein nicht in Frage, so daß unter Umständen gewisse Erkenntnislücken akzeptiert werden müssen. Dieser Umstand dürfte im übrigen durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der Marketingpraxis von Destinationen aufweisen. Dort stehen in der Regel ebenfalls nicht in ausreichendem Maße Mittel zur Durchführung reliabler und valider Primärerhebungen zur Verfügung.

[...]


[1] Der Begriff Destinationsinformationssystem wird bislang nur selten gebraucht, so daß bislang keine etablierte Begriffsdefinition existiert. Destinationsinformationssysteme sind zu einer Gruppe von Systemen zu rechnen, die sich von anderen EDV-gestützten touristischen Marketingsystemen (z. B. CRS, GDS, elektronisches Reisebüro) in erster Linie durch die Ausrichtung auf und die Einbindung in das Destinationsmarketing unterscheiden (vgl. Pikkemaat 2002: 177).

[2] Eine umfassende Darstellung der historischen Entwicklung findet sich bei Foresman 1998, siehe auch Coppock/Rhind 1991, eine Schilderung aus der Sicht eines Beteiligten z. B. in Tomlinson 1984.

[3] Neben der hier wiedergegebenen finden sich in der Literatur eine Vielzahl weiterer Definitionen und Sichtweisen (ein kompilatorischer Überblick findet sich beispielsweise bei Maguire 1991a: 10-14). Eine beachtenswerte Diskussion der verschiedenen Definitionsansätze und Abgrenzungsversuche findet sich bei Cowen 1988 sowie in Taylor 1991: 1-15. Daneben existiert eine Reihe synonym gebrauchter Bezeichnungen (eine exemplarische Übersicht der im angelsächsischen Sprachraum gebräuchlichen Synonyme liefert Maguire 1991a: 12, für den deutschen Sprachraum siehe beispielsweise Dickmann/Zehner 2001: 15).

[4] Für diese beiden hier als Oberbegriff gebrauchten Bezeichnungen existieren wiederum viele Varianten, z. B. Hypermap (Kraak & Driel 1997), Internet-Mapping, Internet-GIS, Online-GIS (Plewe 1997).

[5] Der Begriff ‚Protokoll‘ hat in der Informationstechnik allerdings eine umfassendere Bedeutung. Er „bezeichnet die Gesamtheit von Steuerungsverfahren und Betriebsvorschriften, nach denen die Datenübermittlung zwischen zwei oder auch mehreren zusammenarbeitenden Funktionseinheiten oder Partnern erfolgt“ (Klußmann 2001: 791).

[6] Das HTTP setzt auf dem TCP (Transmission Control Protocol) auf und wird für den Austausch von Daten zwischen WWW-Server und WWW-Browser genutzt. Das TCP ist Teil der TCP/IP-Protokollfamilie, welche die protokolltechnische Grundlage des Internet darstellt (Klußmann 2001: 952). Für eine detaillierte Beschreibung des HTTP siehe beispielsweise Klußmann 2001: 451.

[7] Als Breitbandzugang bezeichnet werden in der Regel Internetzugänge mit einem Übertragungsvolumen (downstream, d.h. vom Server zum Client) von mindestens 768 kbit/s.

[8] Außer durch die Verwendung von Applets, die aber wiederum andere Nachteile aufweisen, siehe z. B. Kapitel 2.2.2.

[9] 1 KByte entspricht 1024 (=210 ) Byte!

[10] Diese Festlegung entbehrt nicht einer gewissen Willkür: sie versucht gewissermaßen, sich auf das Wünschenswerte zu orientieren (< 1 Sekunde), ohne das Realisierbare aus den Augen zu verlieren.

[11] Zur daraus resultierenden Meßproblematik siehe beispielsweise Trommsdorff 2002: 41-46, 62-64, 79-82, 144-148, 172-178; Rosenstiel/Kirsch 1996: 86-91, 152-157, 184-191, für eine sehr anschauliche Schilderung der Abläufe in einem solchen Mensch-Umwelt-System siehe Franke/Kühlmann 1990: 21-38, zu grundsätzlichen Kritikpunkten dieses Ansatzes siehe Bruhn 2003: 39-41.

Ende der Leseprobe aus 288 Seiten

Details

Titel
Marktkommunikation im Tourismusmarketing. Grundlagen, Konzeption und Realisierung eines Internet-Destinationsinformationssystems mit einer WebGIS-Software
Untertitel
Am Beispiel der Wanderroute Rothaarsteig
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Geographisches Institut)
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
288
Katalognummer
V50032
ISBN (eBook)
9783638463409
ISBN (Buch)
9783656769095
Dateigröße
7101 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internet-Destinationsinformationssystem, Marktkommunikation, Tourismusmarketing, Grundlagen, Konzeption, Realisierung, WebGIS-Software, Beispiel, Wanderroute, Rothaarsteig
Arbeit zitieren
Andre Karp (Autor:in), 2004, Marktkommunikation im Tourismusmarketing. Grundlagen, Konzeption und Realisierung eines Internet-Destinationsinformationssystems mit einer WebGIS-Software, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50032

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